Streaming-Eucharistie
Theologischer und spiritueller Hohlweg
In nie dagewesener Form erleben wir in diesen Wochen und unter dem Einfluss der Corona-Pandemie einen Wust von gestreamten Eucharistiefeiern.
Überall meint man, neue technische Möglichkeiten ausprobieren und internetgestreamte Eucharistiefeiern publizieren zu müssen.
Sie sollen herhalten für nicht erlebbare Gemeinschaft während unserer gemeinsamen Gottesdienste in Kirchen und Kapellen.
Innerhalb weniger Tage bildet sich mit einer gewissen Nonchalance eine Haltung heraus, als sei dieses jetzt die einzige Form, die entbehrten gemeinschaftlichen Eucharistiefeiern zu kompensieren.
Schon seit einigen Wochen kritisiere ich diese Haltung, weil ich finde, dass sie eine liturgische und spirituelle Engführung und Reduktion unserer katholischen Gottesdienstkultur darstellt.
Sie bringt uns um die Möglichkeit, den reichen Schatz unseres geistlichen Lebens zur Geltung zu bringen.
Sie bringt uns um die Möglichkeit, neue und innovative spirituelle Wege in unserer Kirche zu gehen.
Sie bringt uns um die Möglichkeit, unsere eigene kirchliche Gottesdienstkultur – ausgehend von den derzeitigen Realitäten – weiter zu entwickeln.
Da, wo ich meine Meinung kundtue, stoße ich nicht immer auf Gegenliebe, manchmal sogar auf vehemente Ablehnung, auch in Kreisen eigener priesterlicher Kollegen.
Dass ich als Priester in solchen Zeiten selbst auf die Zelebration verzichte, kommentieren andere gar damit, dass ich „kein guter Priester sei“.
Letzteres zeigt mir in sehr eindrucksvoller Weise, wie eng und gefangen manche sind, nicht fähig oder willens, dem Heiligen Geist mehr Raum zum not-wendigen Wirken in dieser Zeit zu geben.
Um so ermutigender ist es für mich, dass ähnlich kritische Gedanken, wie meine, auch aus den Reihen von Kolleginnen und Kollegen im seelsorglichen Dienst kommen und diese Stimmen sogar bis in die Reihen unserer Bischofe reichen.
Am 12. April 2020 erschien ein sehr bemerkenswertes Interview mit dem Bischof von Hildesheim, Heiner Wilmer, das ich ohne Maßen für äußerste bemerkenswert halte. Darin sagt er im Interview mit Christiane Florin beim Deutschlandfunk:
„…Florin: Man kann, seit das Versammlungsverbot erlassen worden ist, im Internet jede Menge gestreamte Gottesdienste anschauen, oft ohne Menschen in den Bänken, ohne Kirchenvolk. Hand aufs Herz: Denken Sie da manchmal: Oh weia, so sieht die Zukunft der katholischen Kirche aus, wenn noch weniger Leute in die Gottesdienste kommen als bisher, also als vor der Corona-Krise?
Wilmer: Ich habe dazu zwei Gedanken. Einmal: Dieses viele Streamen ist mir persönlich nicht ganz geheuer. Wir haben hier im Bistum gesagt, wir haben einen offiziellen Streaming-Gottesdienst, aber auch nur Audio, aus dem Hildesheimer Dom. Ich finde es persönlich nicht gut, wenn jeder Pfarrer, jeder Priester aus irgendeiner kleinen Kapelle oder aus dem Wohnzimmer streamt. Ich finde es deshalb nicht gut, weil wir damit zeigen, wie verarmt wir sind. Vielleicht manifestiert sich jetzt auch einiges. Es kann auch nicht sein, dass wir nur auf die Eucharistie fixiert sind! Natürlich ist sie wichtig, aber das Zweite Vatikanische Konzil sagt, der Herr ist nicht nur gegenwärtig in der Eucharistie, sondern auch in den Heiligen Schriften, im Lesen der Bibel, und wir sollten das Wort Jesu ernst nehmen, wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Wir können uns zusammensetzen auch über das Internet, auch über die modernen Medien, um dies zu tun. Das zum Ersten.
Zum Zweiten glaube ich schon, dass die leeren Kirchen, die wir jetzt haben, vielleicht doch einen Vorgeschmack geben auf eine Zukunft, die vielleicht gar nicht mehr so fern ist. Dass wir jetzt Bilder erhalten, die uns etwas spiegeln, mit dem wir uns definitiv schneller auseinandersetzen müssen, als wir jetzt vielleicht wahrhaben wollen….“
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/bischof-wilmer-zur-coronakrise-das-viele-streamen-von.868.de.html
Was mich an diesem Interview so fasziniert, ist der offene und ehrliche Umgang von Bischof Wilmer, auch mit Fragen und Ängsten, mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten.
Was mich an diesem Interview so sehr anspricht ist, dass er und einige andere Bischöfe den Mut haben, weiter zu gehen; dass sie ermutigen, sich der Realität zustellen, die auch Gewohntes durcheinander wirbelt.
Solange es solche Bischöfe in unserer Kirche gibt, ist mir nicht bang und ich habe selber den Mut, offen zu sein für die Zukunft, nach der Botschaft Jesu Christi in unserem ganz konkreten Leben zu fragen und die Augen nicht zu verschließen vor dem, was vor unseren Augen offen darliegt.