Kirche und Klimastreik

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Notwendige Unterstützung

Evangelische und katholische Kirche beteiligen sich am kommenden Klima-Streik am 20. September 2019.
Sie unterstützen öffentlichkeitswirksam dieses Anliegen und sind auch bei manchen Protest-Demos mit eigenen Wortbeiträgen vertreten.

Ich selber unterstütze ausdrücklich diesen Aktionstag und auch in meinem Zuständig- und Verantwortungsbereich werbe ich für die Teilnahme an dieser Klimastreik-Demo.

Kritische Anfragen

Dennoch kann ich nicht umhin, kritische Rückfragen zu stellen, gerade auch im Hinblick auf die Fragen, welche Beiträge Kirchen und Christ*innen bereits in der Vergangenheit beispielhaft geleistet haben, um ein praktisches Vorbild in der Frage des Klimaschutzes zu sein?



Mir geht es darum – auch in der Rückschau – das in den Blick zu nehmen, wo wir als Kirche und einzelne Christ*innen schon längst und ohne größere Anstrengungen hätten handeln können!

  1. Ich frage mich zum Beispiel, wie es bei unseren Pfarreien mit dem Stromverbrauch aussieht?
  2. Ist es mittlerweile Standard, dass unsere Pfarreien Ökostrom beziehen, für Kirche und Gemeindegebäude?
  3. Oder wie ist es mit unseren Pfarrei-Entwicklungs-Prozessen (PEP)?
    Welche Rolle spielt die Ökologie bei den vorgenommenen oder anstehenden Entscheidungen?
  4. Wurde z.B. die Energie- und Ökobilanz bei der Frage berücksichtigt, welche Kirchen oder andere Gebäude erhalten und welche geschlossen werden?

Nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben

Bild von Welcome to all and thank you for your visit ! ツ auf Pixabay

Oder wie ist es mit ökologischen Innovationen?
In meiner früheren Pfarrei gab es Anfang der 2000er Jahre einen Arbeitskreis „Ökologie“, in dem ich mitgewirkt habe. Bis zu meinem Ausscheiden sind keine signifikanten Vorschläge aus den Beratungen umgesetzt worden, wie z.B. Photovoltaik-Anlagen oder Umstieg von Ölheizung auf ökologischere Heizanlagen, obwohl Erneuerungen anstanden. Mittlerweile ist ein Gebäude sogar zu einem Pfarrzentrum ausgebaut worden, aber die Pläne, dort eine Photovoltaikanlage zu installieren, in einem benachbarten Garten eine Regenauffang-Anlage für die Toilettenspülungen zu bauen oder auch nur Solarthermie-Anlagen für Warmwasser … alles nicht umgesetzt; und das, obwohl Geld für Umbau in die Hand genommen wurde und es Förderprogramme gab oder auch noch gibt!

Und wie halten wir es mit der Abfallproblematik bei unseren Veranstaltungen? Was ist mit Einwegprodukten? Kaufen wir für die verschiedenen Grillabende in Gemeinde oder Verbände Ökofleisch von regionalen Anbietern, oder geht es uns ums ‚möglichst billig‘? Was ist mit dem Kaffee, der viel in unseren Gemeinden verbraucht wird: ökologisch und fair gehandelt?

Es ist das eine, wenn Spitzen der Stadtkirche sich am Freitag sogar mit Statements bei Klimastreik-Demonstationen beteiligen.
Das andere ist aber auch die nötige und selbstkritische Rückfrage:

Was tun wir? Und auch: was haben wir bereits in der Vergangenheit versäumt, zu tun?

Ich selber beziehe schon seit Anfang der 2000er Jahre Ökostrom und bei meinem Stromanbieter werde ich dafür belohnt, wenn ich den Stromverbrauch weiter reduzieren.
Bislang war es mir immer noch jedes Jahr möglich, den Stromverbrauch zu reduzieren, obwohl z.B. auch sämtliches Warmwasser in meinem Haushalt über Durchlauferhitzer bereit gestellt wird.
Und ich habe nicht das Gefühl, dass mein Lebenskomfort dadurch spürbar gesunken ist.

Auch in anderen Bereichen frage ich mich zuerst: wie kann ich ohne großen Aufwand kleine ökologische Schritte gehen?
fairgehandelter Ökokaffee ist bei mir Standard
– schrittweise Umstieg auf LED-Leuchten
– mehr und mehr ökologisch und fair gehandelte Kleidung verschiedener Anbieter wie z.B. grundstoff.net
verpackungsfreies Obst und Gemüse (bevorzugt ‚bio‘)
– als erste Option immer BIO-Lebensmittel
Umstieg von Duschgel auf Dusch-Seifen in Sisal-Säckchen
– …

Ich weiß, dass ich da lästig bin, aber ich denke, bei Kirchens bleiben wir bislang deutlich unter unseren – leicht umzusetzenden – Möglichkeiten.




Über die Barmherzigkeit Gottes

Predigt zum 24. Sonntag – C – 2019

Bild von Jeong Eun Lee auf Pixabay

zu Lukas 15, 1- 32

Vor fast genau vor drei Jahren stand ein Artikel auf der Homepage von www.katholisch.de, der mit diesen Worten begann:
„Barmherzigkeit schafft nach Aussage von Papst Franziskus die Sünde nicht ab. Einen Sünder zu verurteilen, sei nicht deshalb verkehrt, weil es keine Sünde gebe, sondern weil dies das brüderliche Band zerstöre und die Barmherzigkeit Gottes verachte, (…). Gott wolle auf keines seiner Kinder verzichten. (…)
Innerkirchliche Kritiker des Papstes beanstanden immer wieder, dass er mit seiner Auffassung von Barmherzigkeit die Sünde abschaffe. Franziskus bezog sich bei seinen Äußerungen auf den Evangelien-Vers „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist“.

Quelle: https://www.katholisch.de/artikel/10588-papst-barmherzigkeit-schafft-die-suende-nicht-ab



Die Fülle biblischer Gottesbilder

So oder anders gibt es immer wieder kritische Stimmen, auch aus dem innersten Kreis unserer Kirche selbst, die meinen, die Barmherzigkeit Gottes würde in unserer Zeit überbetont.

Nach biblischem Zeugnis sei Gott noch viel mehr als nur barmherzig. Er sei auch streng, zornig, rachsüchtig, eifersüchtig und würde in der Bibel auch als strafender Richter in Erscheinung treten, der bisweilen sogar nicht davor zurückschrecke, Unheil über die Menschen zu bringen (→ Sintflut, …).

Ja, dieser Einwand ist berechtigt und richtig.
Die Bibel schildert uns die vielfältigsten Seiten Gottes, die manchmal sogar widersprüchlich anmuten.

Die Frage ist also, wie wir damit umgehen können?

Ich glaube, es ist hilfreich und gut, wenn uns ein bestimmtes Gottesbild einen besonders guten Zugang zum personalen Gott unseres Glaubens ermöglicht.
Und Jesus selbst hat uns die verschiedenen Facetten des göttlichen Vaters vor Augen gestellt.

Und es ist nicht verwerflich, die persönliche Beziehung zu Gott mithilfe eines bestimmten – wenn auch nicht vollständigen – Gottesbildes zu erleichtern.

Von hilfreichen und ‚gefährlichen‘ Gottesbildern

Für Jesus war es das Verständnis vom ‚Vater‘.
Auch das ist ja nicht immer hilfreich; ich denke z.B. an jene Menschen, die in ihrem konkreten Leben einen schlechten Vater erfahren haben. Ich denke da z.B. an Kinder, die von ihrem Vater Gewalt erfahren oder durch ihn misshandelt wurden.
Ihnen wird es besonders schwer fallen, über das Bild des Vaters eine gute persönliche Gottesbeziehung aufbauen zu können.

Welcher Zugang ist ‚heilsam‘?

Heute bietet uns Jesus – und das sehr detailliert – das Bild des barmherzigen Vaters an.
Und das hat seinen guten Grund.
Ich bin davon überzeugt: Jesus hätte dieses Bild nicht in einem solchen ausführlichen Gleichnis entwickelt, wenn er nicht gespürt hätte, dass die Menschen seiner Zeit dieses Bildes besonders bedurften.

Und wir heute?
Auch heute leben wir in einer Zeit, wo der „barmherzige Vater“ für uns ein heilsamer und segensreicher Zugang zu Gott sein kann.
Diesen Zugang sollten wir nutzen.

Gott ist nichts gleich-gültig

In diesem Zusammenhang ist wichtig, zu betonen, dass das Bild vom „barmherzigen Vater“ ja nicht dem Verständnis unterliegt: wir können machen und tun, was wir wollen, Gott nimmt es nicht so genau und wird uns schon alles durchgehen lassen.

Eine solche Sichtweise ist nämlich mit dem heutigen Gleichnis auch nicht zu begründen.

Schauen wir deshalb noch mal genauer hin.
Wann erfährt der eine Sohn, der ‚ausgewandert‘ ist und sein Erbe verschleudert hat, die barmherzige Liebe seines Vaters?

Doch
• erst, nachdem er – als er mitten im persönlichen Schlamassel steckte – erkennt, was er da getan hat;
• erst, nachdem er in sich gegangen ist und sein Verhalten selbstkritisch reflektiert hat;
• erst, nachdem er erkannt hat: ich muss den Weg der Umkehr – zurück – zu meinem Vater gehen.

Vor aller barmherzigen Liebe steht also mindestens auch ein genau so wichtiger und entscheidender Beitrag des vermeintlich ‚verlorenen Sohnes‘.

Er ist den Weg der inneren kritischen Auseinandersetzung mit sich selbst gegangen und die Erkenntnis, die er daraus gewonnen hat, zeigt ihm, dass ihn jetzt nur noch die Liebe des Vaters retten kann.

Auf die Liebe des Vaters vertrauend, verliert der Sohn nicht sein Gesicht, sondern erhält so das frühere Ansehen von seinem Vater in vollem Maße zurück.

Wenn das kein Grund ist, das Bild vom ‚barmherzigen Vater‘ als persönlichen Zugang zu meiner Gottesbeziehung zu nutzen?!




Eintracht und Segen

Psalm 133, 1.3

Gewidmet meinen lieben Brüdern Thomas, Michael, Jörg, Eric (+), Andy!




„Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er…“ (Hebr. 12, 6)

Am 21. Sonntag im Jahreskreis des Lesesjahres C wird uns in der zweiten Lesung ein Text aus dem Hebräer-Brief vorgelegt: Hebr. 12, 5-7.11-13.
Dieser Text ist für heutige Menschen eher verstörend, passt er doch so gar nicht in ein Verständnis heutiger moderner Erziehungsmethoden.
Und auch das Gottesbild, dass dort präsentiert wird, mag nicht so recht in das Bild eines Gottes passen, der seine Kinder liebt.
Zugleich ist dieser Text gesetzt und für mich als Prediger eine Herausforderung, der ich mich – auch aus professioneller und spiritueller Hinsicht – stellen will und muss.
Heute möchte ich zu dieser Textstelle meine Predigt-Gedanken präsentieren.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie meine Zeilen und Gedanken lesen und mir gerne Ihre Gedanken dazu schenken würden.



Anstiftung zur Züchtigung?

Tut mir leid, liebe Schwestern und Brüder,
aber in meinen Ohren hören sich die Worte der heutigen Lesung echt grauenvoll an.
„Wen der Herr liebt, den züchtigt er!“ – das ist schon fast ein geflügeltes Wort und galt – gerade auch in früherer Zeit – als moralische Legitimation, dass Eltern ihre eigenen Kinder züchtigten. Das bedeutet, dass sie ihnen körperliche Gewalt antaten mit der Absicht oder Überzeugung, damit ihre Kinder zu guten Menschen erziehen zu können.

Für unser heutiges Verständnis ist es schon ein starkes Stück, dass ein biblischer Text für die körperliche Gewalt gegenüber Kindern herhalten muss.

Aber es wundert doch nicht, denn schließlich malt Paulus hier ein Bild von Gott, der es selbst als angemessen hält, seine „Kinder“ zu züchtigen, in dem er sie zurechtweist und sie „schlägt mit der Rute“.

Kommen dem einen oder der anderen von uns da nicht eigene Gedanken oder Erinnerungen hoch. Erinnern sie – gerade vornehmlich die Älteren unter uns – sich nicht noch an Zeiten, wo auch unsere Eltern oder Großeltern Schläge oder die verniedlichende „Backpfeife“ als adäquates Erziehungsmittel hielten?!

Heute gibt es mehrheitlichen Konsens, dass die Züchtigung von Kindern kein angemessenes Mittel ist.
Heute herrscht die Überzeugung vor, dass man Kinder nicht mit Gewalt erziehen kann. Dies gilt übrigens nicht nur für körperliche sondern auch psychische Gewalt, wie z.B. Liebesentzug.
Heute trägt unser Staat dem Rechnung, insofern es ein Züchtigungsverbot gibt und Gewalt gegenüber Kinder, auch als zweifelhaftes Erziehungsmittel, unter Strafe steht.

Es ist gut, dass diese Zeiten – zumindest in Deutschland – vorbei sind und ich hoffe, dass das auch so bleibt!

Provokante Konfrontation

Aber das, liebe Schwestern und Brüder, ändert nichts an der Tatsache, dass uns heute diese Lesung vorgelegt wird.

Wenn Sie häufiger meinen Predigten gelauscht haben, dann wissen Sie vielleicht schon, dass ich gerade bei sperrigen Texten frage, ob ich auch den Kern der „frohen Botschaft“ dort entdecken kann.
Ich suche den Schlüssel zum Verständnis eines Textes, den wir offenbar so wortwörtlich nicht mehr in unsere Zeit übernehmen können und dürfen.
Ich suche dann immer nach der Relevanz des Textes für unsere heutige Zeit und für mein Leben.

Und dann finde ich diesen berühmten ‚springenden Punkt‘ am Ende der Lesung:
„Mach die erschlafften Hände und die wankenden Knie stark, schafft ebene Wege für eure Füße, damit die lahmen Glieder (…) geheilt werden.“

Soteriologische ‚Mitte‘

DAS ist es.
Hier finden wir die Zielaussage.

Paulus will den Leser ermutigen.
Er will den Leser ermutigen, der sich in seinem Leben kraftlos fühlt, der das Gefühl hat, dass die Knie wegsacken.
Er hat Menschen vor Augen, die offenbar vor sich steinige und steile Wege erleben, die es ihnen schwer machen, mit lahmen Gliedern bezwungen zu werden.

Die Lesung ist eine Mutmachlesung.

Und Paulus deutet uns an, dass wir in unserem Leben gestärkt werden sollen, für die Widrigkeiten des Lebens.

Und – was als Erstes – widersprüchlich anmutet, ist der Gedanke, dass diese Stärkung durch Leid erfolgen kann.

Auch diese Logik wirkt erst einmal ziemlich befremdlich, vor allem, wenn Gott dieses Leid bringen sollte, um uns zu stärken.

Dieser Gedankengang ist aber der damaligen Zeit geschuldet. Damals glaubten noch viel mehr Menschen, dass das Leid von Gott geschickt und gewollt sei.
Da aber schon Paulus an einen liebenden Gott geglaubt hat, der uns retten will, war es für ihn folgerichtig, dass dieses Leid uns zum Heil führen soll.
So ist nach damaligem Denken gottgewolltes Leid ein Mittel zum Heil.
Um ganz klar zu sein, liebe Schwestern und Brüder,
dieser Gedankengang ist heute nicht mehr Gegenstand unseres Glaubens an einen liebenden Gott.

Durch Leid und Not wachsen und reifen

Und dennoch sollten wir diesen Text nicht vorschnell verwerfen.

Denn, wenn wir einmal davon absehen, dass das Leid von Gott gewollt und von ihm uns geschickt wurde – dann können wir dennoch auch erkennen, dass wir manchmal durch das Leid, was wir verarbeitet und überwunden haben, gestärkt wurden.

Bleiben wir doch einmal bei diesem Gedanken und denken darüber nach, wo wir in unserem Leben leidvolle Erfahrungen gemacht haben?
Denken wir einmal darüber nach, wie es uns ergangen ist, als wir uns diesem Leid gestellt und nachdem wir es überwunden haben?

Hat sich dadurch nicht auch unsere Sicht auf unser Leben und auch unser Verständnis vom Leben verändert? —-

Ich bleibe mal bei zwei wichtigen Leiderfahrungen meines Lebens.
Da ist einmal die langjährige Krankheit meines Vaters, der mit 38 Jahren an einen Hirntumor erkrankte und dann mit 45 Jahre 1981 starb; da war ich 18. Wir haben unseren Vater in den letzten Jahren gemeinsam in unserer Familie gepflegt. Seine Krankheit hat mich auch eines wichtigen Teils meiner Jugend beraubt. Schon sehr früh wurde ich als Pubertierender in die Mitverantwortung und Mitpflege meines Vaters eingebunden – wie meine anderen Brüder auch.

Der Tod meines Vaters, obwohl absehbar, war für mich eine Zeit großen Schmerzes. Neben der Dankbarkeit, dass sein Leiden überwunden war, hatte ich Wut auf Gott: „Warum?!“ – und ich war sauer, dass ich Gott nicht begreifen konnte.

Oder als im Oktober 2013 mein zweitjüngster Bruder im Alter von 48 Jahren ganz plötzlich an einem geplatzten Aneurysma im Kopf starb.

Es gibt Vieles, was ich aus diesen Erlebnissen für mein Leben lernen konnte. Dazu gehört als wichtigste „Lehre“, dass mein Leben einmalig und kostbar ist und es jeder Tag es wert ist, dankbar dafür zu sein.

Diese Dankbarkeit stärkt mich in so machen anderen Situation, wo das Leben oder auch die Arbeit für mich schwer wird. Diese Dankbarkeit zeigt mir auch, was Wesentlich in meinem Leben ist, wofür es sich lohnt, zu leben, zu lieben und zu kämpfen.

Liebe Schwestern und Brüder,

ich möchte die Wahrheitsdeutung des heutigen Lesungstextes nicht für mich pachten, aber wenn ich vor dem Hintergrund meiner leidvollen Erfahrungen, wo ich durch Schmerz und Trauer zu einer neuen Ebene der Reifung in meinem Leben geführt wurde, diesen Text lese, dann kann ich ihm einen gewissen Sinn und auch eine gewisse Berechtigung abgewinnen.

Wir können durch erfahrenes und überwundenes Leid wachsen und lernen und stärker werden für unser Leben. Und darin kann dann auch so etwas wie „Heil im Leiden“ stecken.
Davon bin ich heute überzeugt.

Und Sie?


Alle Bilder: www.pixabay.com




Locus beati – Refugium

Quelle: www.pexels.com / Jonathan Lassen

Haben Sie ihn auch, einen ‚Sehnsuchtsort‘, den Ort, an dem Sie so etwas wie ‚Seligkeit‘ erfahren, einen Locus beati?!



Ich finde, jeder Mensch braucht einen solchen Ort und sollte für sich auch einen solchen Ort suchen und finden.

Sehnsuchtsorte sind Orte, an denen ich mich pudelwohl und geborgen fühlen kann. Hier kann ich pausieren und neue Kraft tanken. Hier kann ich Erinnerungen schweifen lassen.

Wie ein solcher Ort beschaffen sein muss, dass muss jeder Mensch für sich herausfinden.

Ich habe meinen Sehnsuchtsort gefunden. Eigentlich ist er einer von mehreren, aber einer, der buchstäblich naheliegend ist: mein Balkon.

Hier finde ich meine Ruhe, hier spüre ich die Seele der Natur und der Schöpfung und fühle mich meinem Schöpfer sehr nahe.
Hier ist der Ort, wo ich oft meine Gebete halte und dabei dem Singen der Vögel und dem Rauschen des Windes lauschen kann.

Haben Sie auch solche Sehnsuchtsorte, solche Orte, wo Sie sich selig fühlen?
Ich würde mich über ihre Gedanken freuen.




Sturm und Feuer

Photo by Ralph W. lambrecht from Pexels

Jahrhundertsommer 2018. Weite Teile Deutschlands sind von brütender Hitze gefangen. Die Felder dörren total aus, Regen wäre bitter nötig.
Die Waldbrandgefahr in Wäldern ist auf höchster Stufe ausgerufen. Das Rauchen am und im Wald sowie Lagerfeuer und Grillen sind strengstens verboten.
Doch dann fliegt er, diese eine Funke, der das Feuer entzündet. Lichterloh schlagen die Feuerzungen gen Himmel, eine Rauchsäule ist kilometerweit zu sehen. In Ostdeutschland brennt ein Wald.
Fast zeitgleich wüten gigantische Waldbrände in Kalifornien. Menschen verlassen ihr zuhause – manche zu spät und kommen in den Flammen um. Die Luftzirkulation, die durch die Hitze entfacht wird, verstärkt die Winde, die das Feuer über riesige Wald- und Steppenflächen treibt.

Hier wie dort, sind die Menschen in Angst und Schrecken, fürchten um ihr nacktes Überleben. Ihr bis dahin sicher geglaubtes Leben wird nun existentiell bedroht.

Am letzten Montag dann die Unwetterwarnung für unsere Stadt: heftigste Gewitter und Unwetter mit Starkregen, Hagel und Sturm.
Ich denke: jetzt muss ich doch wieder um die Pflanzen auf meinen Balkon bangen und hoffe, dass der Sturm nicht wieder alles durcheinander wirbelt.
Im letzten Jahr fiel ein großer Baum direkt vor unserem Haus, aber – Gott sei Dank – weder auf das Haus noch auf Passanten.

Jemand sagte mir am Mittwoch: „Bei dem Gewitter in der Nacht von Montag auf Dienstag habe ich es schon etwas mit der Angst bekommen.“

Angst hatten auch die Jüngerinnen und Jünger Jesu, als sie sich nach der Himmelfahrt Jesu in das Obergemach zurückzogen und sich verbarrikadierten. Sie hatten Angst, auch Angst um ihr Leben und dass die Juden ihnen nach dem Leben trachten könnten, jetzt, da ihr Herr nicht mehr unter ihnen war. Und sie beteten.
Sie taten es so, wie der Herr ihnen aufgetragen hatten.
Aber: sie hatten Angst.



Und dann geschah dieses unglaubliche Ereignis, das die Apostelgeschichte umschreibt mit den Bildern von Feuerzungen und Sturmesbraus.

Gelesen hört sich das so harmlos an. Und auch so manche Bilder von Pfingsten, wo die Christengemeinde einmütig zusammensteht und über ihnen die Feuerzungen zu sehen sind – geradezu idyllisch.

Aber, liebe Schwestern und Brüder,
ich ahne mehr und mehr, dass dem nicht so war.

So, wie sich Menschen im letzten Jahr vor dem Feuer und dem Sturm fürchteten und Angst um ihr Leben haben mussten, so kann auch das Wirken des Heiligen Geistes bedrohlich und zerstörerisch empfunden werden.

Ich glaube, wir tun gut daran, das Pfingstereignis damals – und auch heute – nicht als ein harmloses Geschehen zu betrachten.

Auch heute leben wir in einer Zeit und in einer Kirche, wo es zu massiven Auseinandersetzungen kommt. Es bilden sich Lager, die sich offenbar oder vermeintlich gegenüber stehen.

Manche befürchten gar eine Kirchenspaltung. Und so dreschen welche aus dem konservativ-traditionalistischem Lage auf jene ein, die Kritik üben und sich das selbständige Denken nicht verbieten lassen wollen.

Auch hier zeigt sich Angst.
Und in diese Angst hinein will der Heilige Geist heute zu uns kommen.
Aber zuerst nicht beschwichtigend und beruhigend, sondern auch hier und heute kann es richtig rund gehen in unserer Kirche, wenn der Sturm des Heiligen Geistes Bestehendes durcheinander wirbelt und wenn die Feuersglut des Heiligen Geistes von Menschen Erbautes niederbrennt.
Ich persönlich mache mich schon lange darauf gefasst, dass wir mittendrin sind in einer stürmischen Zeit.
Und ich hoffe darauf, dass sich in diesem Sturm – der sich durchaus auch auf manche von uns beängstigend auswirkt – der Heilige Geist selber am Werk ist.

Vielleicht zerstört der Heilige Geist sogar unsere ganzen bisherigen Sicherheiten und Zufluchtsorte und drängt uns, das sichere Umfeld zu verlassen und hinaus zu gehen, in die Welt, in die Sorgenwelten der Menschen, in die Angst und Not dieser Zeit.

Vielleicht ist es gerade das stürmische Wirken des Heiligen Geistes, das uns eine neue, eine andere Sprache, finden lässt in dieser Welt und für diese Welt.

Bild von Gordon Johnson auf Pixabay

Denn das ist für mich das Tröstliche des heutigen Tages: Feuer und Sturm können als Bedrohung erfahren werden, aber sie setzen etwas frei – Energie und Engagement. Sie setzen in uns Fähigkeiten frei, die wir bislang zu wenig oder gar nicht mehr genutzt haben, nämlich zum Beispiel, wieder zu lernen, die Sprache der Menschen um uns herum zu sprechen und nicht in unserem kirchlichen Jargon zu bleiben, den – außer uns – sowieso keiner mehr versteht.

Das Tröstliche für mich ist, dass diese neue Sprache offenbar von den Menschen verstanden wird und sie selbst am meisten darüber erstaunt sind, dass sie uns (wieder) verstehen! Denn: geglaubt haben sie es eigentlich nimmer mehr, dass die Christen in der heutigen Zeit der Welt noch etwas mitzuteilen und zu geben haben.

Tröstlich für mich ist auch, dass aus einer bedrohlichen Kraft die Menschen spüren, dass dahinter etwas sehr Konstruktives und Kreatives steckt, nämlich die Schöpferkraft des Heiligen Geistes.

Ich wünsche uns allen, dass wir uns von dieser Kraft des Heiligen Geistes vertrauensvoll anstecken lassen und darauf vertrauen, dass das Pfingstereignis damals in Jerusalem kein einmaliges Pfingstwunder war.
Es kann und – daran glaube ich ganz fest – es wird auch heute in unserer Zeit wieder geschehen.
Lassen wir es zu und hindern wir den Heiligen Geist nicht, das göttliche Werk zu vollenden.