Nicht sehen und doch glauben?!

image_pdfimage_print

Impuls zum 2. Ostersonntag – A – 2023

Bibeltext: Johannes 19, 20-31

Bild von falco auf Pixabay

Das heutige Evangelium ist uns, die wir regelmäßig die Gottesdienste besuchen vertraut. Da sind die Jünger hinter verschlossenen Türen, plötzlich kommt der Auferstandene in ihre Mitte, sagt ihnen zwei mal den Frieden zu und dazwischen empfangen sie auch noch den Heiligen Geist.

Thomas, der nicht dabei war, bekommt von seinen Kollegen erzählt, dass sie dem Auferstandenen begegnet seien; dass ER bei ihnen war.
Doch Thomas scheinen sie so leicht nicht überzeugen zu können.
Er, der der ‚Zweifler‘ genannt wird, fordert Beweise! „Beweise, Watson, Beweise!“ – wie der Meisterdetektiv Sherlock Holmes immer zu sagen pflegte.

Eigentlich ist er doch sehr vernünftig, dieser Thomas!
Wie oft schon haben wir gehört, dass Menschen Opfer von Fake-News geworden sind, weil sie ‚leichtgläubig‘ anderen auf dem Leim gegangen sind und Lügen als vermeintliche Wahrheiten verkauft wurden.

Ich persönliche halte es da doch lieber mit dem Thomas und begegne solchen Aussagen auch kritisch.

Später, als Thomas dabei ist und der Auferstandene sich ihnen wieder offenbart bekommt Thomas die ‚Beweise‘ und er erkennt den Auferstandenen.
Was für ein Glück! – Das haben wir nicht heute!
Und dann das mittlerweile „geflügelte Wort“ Jesu: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“

Auch dieses Wort Jesu dürfen wir etwas kritischer unter die Lupe nehmen, nämlich dann, wenn wir auf die Gotteserfahrungen heutiger Menschen schauen.
Nein, ich will jetzt hier nicht die pauschale Klage über den vermeintlichen Unglauben heutiger Zeit erheben oder darin mit einstimmen.
Und nein, ich will jene nicht tadeln, die sich – vielleicht nur augenscheinlich – nicht um ihren Glauben kümmern.

Wenn man nicht sieht und gerne glauben würde …

Ich möchte jene Menschen unter uns in den Blick nehmen, denen solche Sätze aus dem Mund Jesu heute noch wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen können!
Dabei denke ich an die Menschen, die von schweren Schicksalsschlägen getroffen wurden, die viel persönliche Not erfahren haben und bis dahin sich immer als Menschen verstanden haben, die – wenn auch irgendwie – an Gott glauben, für die Gott keine Randgestalt ihres Lebens ist – oder muss ich besser sagen: ‚war‘!

Denn Schicksalsschläge fechten nicht selten auch den Glauben an. Selbst Jesus schreit am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“?!
Die Erfahrung von Gottesferne teilen seit Jesus unzählige Menschen nach ihm.
Er, an den sie bislang geglaubt und an dem sie bislang festgehalten haben, hält sie scheinbar nicht mehr fest.
Ihr Vertrauen in dem, dem sie sich bisher anvertraut haben, scheint ihnen nun so fern.
Massenhaft machen Menschen heute noch diese Erfahrungen!
„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ steht der Erfahrung derer gegenüber, die sagen: „Ich sehe Gott nicht, will an ihn glauben, gerade jetzt in dieser Zeit, aber ich kann es einfach nicht!“

Was ist mit denen? Gilt denen die Seligpreisung Jesu aus dem heutigen Evangelium nicht!
Sind sie auch hier ‚Loser‘, die Verlierer?!

Die Qual, Gottes Hilfe zu brauchen, sie aber nicht zu spüren, nicht zu erfahren, ist das Schlimmste, was sonst gläubige Menschen erfahren können. Denn das, was ihnen Fundament sein und Halt geben sollte, worauf sie viele Jahre gehofft haben, dass gerade in Zeiten der Krise sie auf Gott vertrauen können, wird nicht in ihrem Leben erfahrbar.

Wenn wir solchen Menschen begegnen, sollten wir tunlichst solche wohlfeilen Worte, wie dieses aus dem heutigen Evangelium unterlassen.

Das heißt nicht, dass dieses Wort Jesu theologisch falsch ist – im Gegenteil.
Aber Theologie deckt sich oft nicht mit den subjektiven Wahrnehmen der Menschen.
Wenn wir solche Situationen bei anderen oder sogar vielleicht selber bei uns erleben, dann tut eines als Erstes Not: Diese Wahrnehmung ernst zu nehmen und nicht floskelhaft beschwichtigen zu wollen.
Denn der nahe Gott, der immer zugleich auch als der ferne Gott erfahren wird, ist schon seit der Bibel bekannt.
Welche Perspektiven haben dann jene, die ihn zur Zeit nicht erkennen, die den Auferstanden nicht erkennen, der auch sie zu einem neuen Leben führen will?!


Es mag abgedroschen klingen, aber ich finde, solche Menschen werden für uns zur Aufgabe.

Wenn wir immer noch das feste Vertrauen haben, dass der Auferstandene auch uns zum neuen Leben ruft und SEIN Frieden uns mit einschließt, dann können wir diesen Auferstanden nur selber durch unser eigene Nähe zu diesen Menschen zum Ausdruck bringen.
Die Geistessendung, von der wir heute im Evangelium gehört haben, kommt nämlich nicht von ungefähr.
Geist-Sendung macht uns selber zu Geist-Sender:innen!


Durch seine Jünger, beziehungsweise durch uns selber, will der Auferstandene erfahrbar werden, auch für jene, die nicht sehen, damit sie glauben und auch (weiterhin) glauben können.


„Selig sind,
die nicht sehen
und doch glauben!“

Ich kann das so nicht allein stehen lassen!

Ich ergänze:

Selig sind , die nicht sehen
und nicht glauben können,
obwohl sie es gerne möchten
und dennoch an Gott
nicht irre werden,
sondern auch in Zeiten
der Wüste
an IHM festhalten können!
Denn ihr
Vertrauen
ist ein
‚blindes Vertrauen‘
in Gott!

(Gerd Wittka, 15.4.2023)