In dieser kurzen Erzählung begegnen wir zwei Schwestern, Marta und Maria. Marta ist emsig und sorgt sich um eine gute Bewirtung: Sie eilt hin und her, bereitet alles vor und möchte, dass es Jesus an nichts fehlt. Maria hingegen setzt sich neben Jesus, hört ihm aufmerksam zu und nimmt die Worte in sich auf. Als Marta das irritiert, bittet sie Jesus um Hilfe – scheinbar, weil Maria ihre Pflichten vernachlässigt. Doch Jesus ergreift nicht Partei für Marta, sondern stellt ruhig fest:
„Marta, Marta, du hast dir viele Sorgen gemacht und bist unruhig. Nur eines ist wichtig, und Maria hat den guten Teil gewählt, das niemand ihr nehmen wird.“
Er kritisiert Marta nicht, sondern zeigt nur, was er wahrnimmt: Marta ist so sehr mit äußeren Aufgaben beschäftigt, dass sie das Wesentliche – das Zuhören – verpasst. Oft fragen wir uns: War Martas Gastfreundschaft nicht ebenso wertvoll? Ist es falsch, sich um liebevolle Bewirtung zu kümmern?
Jesus spricht nicht grundsätzlich gegen Einsatz und Dienst, sondern gegen eine Haltung, die uns so sehr einspannt, dass wir die direkten Begegnungen aus den Augen verlieren. Vielleicht entdecken wir hinter Martas Unmut sogar einen leisen Neid. Maria nimmt sich die Freiheit, ganz bei Jesus zu sein, während Marta sich von Regeln und Erwartungen leiten lässt. Marta wünscht sich insgeheim auch, genau wie Maria einfach sitzen bleiben und zuhören zu dürfen, doch ihr eigener Perfektionismus hält sie zurück.
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Jesus lädt Marta – und uns – ein, diese inneren Zwänge zu erkennen und zu hinterfragen. Er provoziert bewusst:
„Marta, erlaube dir selbst, trotz aller Erwartungen, zu pausieren und zu meinen Füßen zu sitzen und zuzuhören. Wenn du gespürt hast, was wirklich zählt, warum lässt du dich noch von alten Gewohnheiten bremsen?!“
In dieser Szene schenkt uns Jesus die Freiheit zur Selbstermächtigung. Er will, dass wir uns nicht länger blind von Konventionen beherrschen lassen, sondern das Leben in seiner Tiefe leben und genießen – mit allem, was für uns bedeutungsvoll ist.
Fast jede und jeder von uns hat schon mal vom „Knigge“ gehört – einer Sammlung alter Benimmregeln, die 1788 von Adolph Freiherr Knigge in seinem Buch „Über den Umgang mit Menschen“ veröffentlicht wurde. Viele Ratschläge daraus wirken heute überholt: Wer hält sich noch an steife Tischmanieren oder die genaue Reihenfolge beim Händegeben? Doch die grundlegende Frage bleibt aktuell: Wie begegnen wir einander, damit menschliche Begegnungen gelingen kann?
Im Evangelium schickt Jesus 72 Menschenzu zweit aus – seine „Arbeiter im Weinberg des Herrn“. Er weiß, dass er nicht allein überall hingehen kann, um seine Botschaft zu verkünden. Deshalb delegiert er diese Aufgabe an andere. Delegation bedeutet hier nicht nur, sich Arbeit vom Hals zu schaffen, sondern Vertrauen zu schenken und Kompetenz anzuerkennen: Jesus vertraut darauf, dass diese zweiundsiebzig genau so wichtig und fähig sind wie er selbst. Das ist eine Grundhaltung, die wir uns heute auch gerade in unserer Kirche mehr bewusst werden dürfen!
Denn: Warum ist echte Delegation heute so wichtig?
Praktische Notwendigkeit. Kein Einzelner kann ewig und überall wirken.
Gemeinschaft stärken. Wer Verantwortung teilt, zeigt: Einander zu vertrauen ist Teil unseres Glaubens.
Vielfalt der Begabungen. Jeder bringt verschiedene Fähigkeiten mit, die gemeinsam mehr bewirken als einsame Anstrengung.
Auch in unserer Kirche müssen wir heute immer wieder neu überlegen:
Welche Aufgaben gebe ich weiter?
Wo vertraue ich anderen, statt alles allein machen zu wollen?
Und wie tragen wir so gemeinsam die Botschaft, dass Jesus Liebe, Frieden und Hoffnung ist?
Am Ende der traditionellen lateinischen Messe klingt der Satz „Ite, missa est!“ – „Geht, ihr seid gesendet!“ – wie ein Echo der Worte Jesu damals. Diese Sendung betrifft nicht nur Priester oder Hauptamtliche, sondern uns alle: Was können wir in unserem Alltag weitersagen und -leben?
Jesus zeigt uns vier Grundhaltungen für unseren Weg auf:
Leichtes Gepäck. Lass los, was dich daran hindert, aufmerksam zu sein: alte Sorgen, falsche Erwartungen, übertriebene Gewohnheiten.
Friedfertigkeit. Beginne jede Begegnung mit einem Wort des Friedens: „Der Friede sei mit dir!“ Diese Geste schenkt Hoffnung und öffnet Herzen.
Vertrauen. Als Gast vertraust du darauf, dass dein Gegenüber dir Gutes tun will. Genauso kannst auch du Vertrauen schenken – indem du zuhörst, teilst und dich einlässt.
Beständigkeit. Bleib an einem Ort, in Beziehungen, in Projekten – auch wenn es anstrengend wird. Echter Zusammenhalt entsteht durch Geduld und Ausdauer.
Der „Knigge“ lehrte uns zwar höfliches Benehmen, aber Jesus zeigt uns, dass es im Kern um viel mehr geht: um Vertrauen, gemeinsames Tragen von Verantwortung und eine Haltung des Friedens. Wenn wir „ausgesendet“ werden, tragen wir diese Haltungen in unseren Alltag – in Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft und darüber hinaus.
So ist das heutige Evangelium mehr als eine alte Benimmregel. Sie ist eine lebendige Einladung zu echter Menschlichkeit, in der es auch Raum für die Verkündigung der Frohen Botschaft gibt.
Geistlich werden und leben
Jesus und sein Jünger Johannes
Christusfreundschaft und Heilige Geistkraft
In einer Begegnung mit Seminaristen hat Papst Leo XIV. auf zwei wichtige Aspekte hingewiesen, die mir im Laufe meines priesterlichen Lebens immer wichtiger geworden sind: Christusfreundschaft vertiefen und die Beziehung zur Heiligen Geistkraft pflegen.
Theologische Bildung ist ein wesentliches Element der Priesterausbildung. Angesichts der täglichen Herausforderungen im konkreten Dienst und auch beim Blick auf die Veränderungen in Kirche und Gesellschaft gibt es mindestens noch zwei ebenso wichtige Säulen, die in der priesterlichen Existenz nötig sind: Die Vertiefung der Christusfreundschaft und die intensive Beziehungspflege zur Heiligen Geistkraft.
Deshalb bin ich froh und dankbar, dass Papst Leo XIV. genau auch diese beiden Aspekte bei der Begegnung mit Seminaristen in diesen Tagen beton hat.
Kann man die Dreifaltigkeit Gottes den Menschen leicht verständlich machen? Nein!
Kann man die Gegenwart Christi in der hl. Kommunion leicht verstehen? Nein!
Kann man Gott verstehen, der den Menschen unbedingt liebt, trotz seiner Schuld, trotz seines Versagens, trotz seiner mangelnden Liebe? Nein!
Kann man verstehen, dass Jesus Christus den Tod am Kreuz auf sich genommen hat, um uns zu retten? Nein!
Kann man jemals in religiöser Bildung, in Katechese, Glaubensgesprächen und Predigten dies alles verständlich machen? Nein!
Kann man deshalb nicht lieber den christlichen Glauben ganz aufgeben, weil er nicht zu fassen ist? Nein!
Warum?
Weil ich hinter all diesem Un-glaublichen eine große Liebe und Sehnsucht Gottes nach den Menschen erahne, die mich gerade deshalb an das Un-glaubliche glauben lässt.
Denn dieses Un-glaubliche zu glauben, bedeutet für mich, dass das Un-glaubliche wahr sein kann!
Dreifaltigkeit
Impuls zum Dreifaltigkeitssonntag 2025
„Wer von Gott nicht weiß, dass er dreieinig ist, weiß nichts vom Christentum.“ Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Was kann ich Ihnen zur Dreifaltigkeit sagen?
Ich habe schon einmal erklärt, dass wir das Geheimnis der Dreifaltigkeit besser verstehen können, wenn wir anschauen, wie dieser eine Gott sich in der Geschichte der Welt zeigt:
- Der Vater, der Schöpfer des Himmels und der Erde, von allem Sichtbaren und Unsichtbaren, wie es im Glaubensbekenntnis verankert ist.
- Der Sohn, der wahrhaftig als Mensch in unsere Welt gekommen ist, um uns zu erlösen.
- Die Heilige Geistkraft, die bei uns bleibt, unsere Nähe sucht und uns durchs Leben leiten möchte.
Aber werden wir damit dem Glauben an die Dreifaltigkeit Gottes gerecht?
Also suchen wir weiter, meist auch nach Bildern, um uns irgendwie diesem Geheimnis näheren zu können.
So vergleiche ich die Dreifaltigkeit manchmal mit Wasser, weil es in drei verschiedenen Zuständen existieren kann: fest als Eis, flüssig als Wasser und gasförmig als Dampf. In all diesen Formen bleibt es dennoch Wasser – seine Wesensart verändert sich nicht. Es ist stets die gleiche Substanz, nur in unterschiedlichen Erscheinungsweisen.
In den letzten Sonntagen haben wir im Johannes-Evangelium gehört, wie sich die drei Personen des einen Gottes in ihrer Beziehung zueinander und zu uns zeigen. Jesus sagt zum Beispiel: „Ich und der Vater sind eins!“ und „Wer mich sieht, sieht den Vater!“ Er verspricht auch: „Ich werde euch nicht allein lassen, sondern einen Beistand senden, der für immer bei euch bleiben wird.“
Unser dreifaltiger Gott ist ein Gott der Beziehung:
Die drei Personen des einen Gottes stehen in gegenseitiger Verbindung.
Gleichzeitig pflegen der Vater, der Sohn und die Heilige Geistkraft jeweils eine Beziehung zu uns.
Unser Glaube an den dreifaltigen Gott zeigt sich darin, wie wir zu den drei Personen in Beziehung stehen und wie sie untereinander verbunden sind.
Und dennoch wird der Glaube an die Dreifaltigkeit oft viel zu vereinfacht dargestellt.
Ganz offen: im Studium der Dogmatik habe ich die Trinitätslehre nie wirklich verstanden. Aber vielleicht ist das auch nicht weiter schlimm.
Denn eine Legende aus dem Leben des heiligen Augustinus macht mir etwas deutlich:
Eines Tages spazierte Augustinus am Strand entlang, während er mitten in den Vorbereitungen für sein Buch über die Heilige Dreifaltigkeit stand. Plötzlich entdeckte er einen Jungen, der mit einem Löffel immer wieder Meerwasser in ein kleines, selbstgegrabenes Loch schaufelte.
Neugierig hielt Augustinus an und fragte den Knaben, was er da tue. Der Junge erklärte, er wolle das Meer austrocknen, indem er es in dieses Loch gieße.
Amüsiert und ein wenig mitleidig lächelnd, wies Augustinus darauf hin, dass das Meer dafür viel zu groß sei. Doch der Junge konterte: „Wahrscheinlicher wirst du das Meer auf diese Weise leer bekommen, als du mit deinem Verstand das Geheimnis der Dreifaltigkeit auch nur annähernd ergründen kannst. Es ist einfach zu groß.“
Dabei verglich der Knabe das Meer mit der Dreifaltigkeit, sein Loch, das er aushob, mit Augustinus’ entstehendem Buch und den Löffel mit dessen Verstand.
Diese Geschichte zeigt mir: Wir können das Geheimnis der Dreifaltigkeit nicht mit unserem Verstand fassen. Es ist einfach zu groß.
Der Dreifaltigkeitssonntag bleibt geheimnisvoll. Es ist aber ein Geheimnis, das mit mir, das mit uns zu tun hat.
Bild: ‚Dreifaltigkeitsknoten‘, Gerd A. Wittka, mit KI generiert
Ich habe für mich gefunden, meinen Glauben der Dreifaltigkeit Gottes mit meiner Beziehung zu Gott zu verknüpfen.
Denn schließlich strebe ich und sehne ich mich danach, immer wieder in eine lebendige Beziehung mit Gott treten zu dürfen und zu können.
Ich glaube an Gott, den Vater, der alles geschaffen hat und der Ursprung von allem ist. Wenn ich staune über die Vielfalt und die Geheimnisse der Natur – über biologische, physikalische und chemische Abläufe –, vertraue ich darauf, dass er dahintersteht. Ich glaube, dass er uns Menschen in diese Welt gesetzt hat und uns mit allen Geschöpfen verbindet: mit Pflanzen und Tieren, mit Mikroben, Bakterien und Viren – mit allem Leben auf der Erde und im Universum. Er hat uns mit Geist, Verstand und Freiheit ausgestattet, hat uns aber damit auch eine Verantwortung gegeben, die uns oft an unsere Grenzen bringt.
Ich glaube an Gott, den Sohn, der als Mensch gezeigt hat, wie Gottes Liebe in unserer Liebe zu anderen Menschen und zur ganzen Schöpfung lebendig wird. Er war wirklich unter uns und hat unsere Schwächen und Fehler gekannt. Er wusste um unsere Schuld und unsere Sünden. Durch sein Erlösungswerk dürfen wir aber darauf vertrauen, dass Gott uns und seine Liebe nicht endgültig verlässt, wenn wir an ihn glauben.
Ich glaube an die Heilige Geistkraft, die mich berät, leitet und führt. Ich bin sicher, dass sie mich in meinen Zweifeln, offenen Fragen und meiner Sehnsucht nicht alleinlässt. Wenn mir Kraft und Lebensmut fehlen und alles sinnlos erscheint, schenkt sie mir neue Stärke.
So glaube ich an den dreieinigen Gott – Vater, Sohn und Heilige Geistkraft –, der mein Leben und die ganze Schöpfung liebevoll umgibt, vom Anfang bis zur Vollendung.
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung!“ Martin Buber