Denn wir wissen: im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst!
Dieses zu erkennen, kann uns helfen, kritischer mit den Meldungen umzugehen, die uns tagtäglich erreichen.
Denn schon allein solche Meldungen sind dazu da, um uns zu manipulieren. Sie sollen uns dazu bringen, für die Absicht derer vereinnahmt zu werden, die sich selber einen Vorteil dadurch verschaffen wollen.
Das Wort aus dem heutigen Evangelium nehme ich gerne mit in den Tag, damit es mich schärft in meinem Umgang mit Meldungen und Nachrichten. Sie lassen mich eine kritischere Haltung einnehmen, ohne aber den Anspruch zu verlieren, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen.
Und das Wort weist natürlich auch auf mich selber zurück:
Wie ist mein eigener Umgang mit der Wahrheit?
Auf welcher Seite möchte ich stehen?
Was sind die Absichten, wenn ich ‚Meldungen‘ verbreite?
Wie kann ich mir eine kritische und zugleich wertschätzende Distanz bewahren zu dem, was ich an Dingen und Nachrichten erfahre?
Natürlich fällt uns auf, dass der Mittelpunkt der Erzählung die Begegnung zwischen dem Auferstandenen Jesus Christus und dem ‚ungläubigen‘ Thomas ist. Doch das möchte ich diesmal nicht in den Blick nehmen.
Dieses Mal möchte ich zentrale Formulierungen anschauen, die – wenn wir sie als Gesamtheit meditieren – eine wichtige Botschaft beinhalten, die der sogenannte ‚1. Schluss des Johannes-Evangeliums‘ hervorhebt.
Dazu möchte ich einfach mal die drei zentralen Begriff aufgreifen, die auch schon in der Überschrift genannt sind.
Als Christus, der Auferstandene, den Jünger:innen begegnet, sagt er ihnen das Wort: „Friede sei mit euch!“. Aber nicht nur einmal. Auch ein zweites Mal wiederholt er diesen Satz. Damit stellt er ihn in die Mitte und macht diese Zusage zu einer zentralen nachösterlichen Aussage. Ostern und Friede sind untrennbar miteinander verbunden.
Und wenn wir jetzt noch im Hinterkopf behalten, dass die frühen Christen zuerst Ostern und dann viel später auch Weihnachten gefeiert haben, dann wird deutlich, dass der Friede der Heiligen Nacht sich vom Osterfrieden her ableitet.
Doch als wäre es nicht genug mit der Friedenszusage, erneuert Jesus, als er nun auch den vorher abwesenden Thomas begegnet, diese Friedenszusage noch einmal. Dreimal sagt Jesus in diesem Kapitel seinen Jünger:innen seinen Frieden zu.
Alle, die in diesen Tagen Ostern feiern, ob in der Westkirche vor einer Woche oder an diesem Sonntag in der Ostkirche, müssen sich angesichts des Krieges in der Ukraine aber auch der vielen gewaltsamen Kämpfe auf der ganzen Welt diese Friedensdimension des Osterfestes vor Augen führen.
Wer einen Angriffskrieg führt (auch wenn er ihn mit anderen Begrifflichkeiten umgibt), kann nicht zugleich Ostern feiern! Wer den Angriffskrieg befürwortet und zugleich Ostern feiern will, lügt und heuchelt und kann nicht glaubwürdig Christ:in sein!
Österliche Menschen hingegen lassen sich von der Friedensbotschaft des Auferstandenen anrühren. Diese Botschaft geht ihnen zu Herzen und lässt eine Haltung zurück, die ‚den Frieden sucht und ihm nachjagt‘ (vgl. Psalm 34,15).
Die Zusage seines Friedens verbindet Jesus zugleich mit der Sendung des Heiligen Geistes.
Diese Textstelle macht viele von uns stutzig: feiern wir nicht erst 50 Tage nach Ostern das Pfingstfest, das Fest des Heiligen Geistes? Ja, das ist richtig. Aber das hat nur eine liturgische und theologische Funktion.
Die verschiedenen Textstellen aus dem Neuen Testament lassen die Sichtweise zu, dass die Auferstehung, die Himmelfahrt Christi und die Ausgießung des Heiligen Geistes in eins gefallen sind. Dass wir 40 Tage nach Ostern Christi-Himmelfahrt und 50 Tage nach Ostern Pfingsten feiern ist keine Frage der Chronologie; damit will lediglich die hohe Bedeutung dieses Festkreises zum Ausdruck gebracht werden.
Als die Jünger:innen erkannten, dass Jesus Christus von den Toten erstanden ist und er sein Leben an der Seite seines Vaters weiterführt (Himmelfahrt), war diese Erkenntnis, dieser Glaube das Wirken des Heiligen Geistes, der die Jünger:innen in diese Wahrheit der Auferstehung eingeführt hat.
Für mich wird dadurch deutlich: wer Ostern feiert und um den österlichen Frieden bemüht ist, der wird seine Gebete auch immer an den Heiligen Geist richten, der uns zur Erkenntnis des österlichen Friedens und uns auch ganz konkret auf die Wege des Friedens führen kann und wird.
Wir feiern an Ostern die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Wir feiern, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern, wie es in einem Kirchenlied heißt: „der Tod ist tot, das Leben lebt…“
In diesem Jahr, dem Jahr des grauenvollen Angriffskrieges gegen die Ukraine, meditiere ich viel über die Seite des Todes ./. die Seite des Lebens. Wenn wir das Herz unseres Glaubens verstehen wollen, dann benötigen wir Bilder, die uns bildlich und klar deutlich machen, was der Kern unseres Glaubens ist.
Mir hilft in diesem Jahr die Gegensätze
Seite des Todes ./. Seite des Lebens
in den Blick zu nehmen.
Die zentrale Botschaft von Ostern ist: „… Jesus hat den Tod bezwungen und uns allen Sieg errungen…“ (vgl. das Kirchenlied: „Halleluja, lasst uns singen, denn die Freudenzeit ist da …“)
Für mich bedeutet das, dass der wirkliche und echte Sieg der ist, der nicht auf der Seite des Todes steht, sondern wo alles Leben leben darf und kann. Natürlich weiß ich auch, dass auf Erden letztlich alles dem irdischen Tod anheim fällt. Aber österliche Menschen werden diesem Tod nicht noch Vorschub leisten durch Angriffskriege, durch Gewalt, Totschlag und Mord. Österliche Menschen wenden sich in gleicher Weise gegen den physischen wie den psychischen Tod, der oft einhergeht mit sexualisierter Gewalt, seelischen oder geistlichem Missbrauch.
Österliche Menschen dienen dem Leben und leben für das Leben, von dem Jesus uns sagt, dass er gekommen ist, damit wir „das Leben haben und es in Fülle haben“. (Johannes-Evangelium Kapitel 10 Vers 10)
Quintessenz:
In diesen Wochen, gerade auch angesichts des Krieges gegen die Ukraine, wird mir im Hinblick auf Ostern immer deutlicher
Österliche Menschen suchen den Frieden und jagen ihm nach. Österliche Menschen lassen es zu, dass sie den Heiligen Geist empfangen und sind offen für sein Wirken und Wehen und bitten um SEINE Gaben. Österliche Menschen sind immer auf der Seite des Lebens, für das Leben und gegen den Tod in seiner Mannigfaltigkeit .
Gerd A. Wittka, 24.04.2022, Weißer Sonntag – Sonntag der Barmherzigkeit
Ich gehöre zu der Generation, die mit Liedern von Daliah Lavi aufgewachsen sind. Eines dieser Lieder trägt den Titel: „Willst du mit mir gehn…?“ Dieses Lied kam mir am heutigen Palmsonntag wieder in den Sinn. Aber wohl auch deshalb, weil das Thema dieses Liedes ein häufiges Thema in meiner Arbeit als Krankenhaus-Seelsorger ist.
In dem Lied bewegt mich, dass Daliah Lavi davon singt, dass es Situationen gibt, wo man kaum noch Worte findet; wo man weiß, dass Worte manchmal sehr wichtig sind, aber Worte zugleich auch nicht alles sind, weil Worte an ihre Grenzen kommen, etwas Tieferes auszudrücken.
Sie merken, wie ich schon jetzt hier in der Kürze um Formulierungen ringe.
Es geht hier nämlich um existentielle und prägende Situationen in Leben von Menschen, die wie Wegmarken sind oder – noch besser – Wegekreuzungen sind, wo das Leben plötzlich eine ganz andere Wendung nimmt.
Solche Situationen können Krankheiten, zumal schwere Krankheiten sein.
Immer wieder erkenne ich, dass Menschen, die einem kranken Menschen nahestehen, ganz plötzlich verunsichert sind:
Wie verhalte ich mich jetzt?
Woran muss ich denken?
Muss ich die erkrankte Person nicht eher in Ruhe lassen?
Kann ich noch so unbefangen Witze machen, wie wir sie sonst immer gemacht haben?
…
Und nicht selten kommt dann noch die eigene Angst dazu, sich selber mit der Krankheit und ihren möglichen Folgen konfrontieren zu lassen.
Spontan schießt mir dabei ein Gedanken in den Kopf: ‚Kranke, auch Schwerstkranke oder sogar Sterbenskranke sind krank und nicht tot!‘ – Deshalb kann es wichtig sein, den Fokus auf das LEBEN zu richten. Das Leben von Kranken ist manchmal schon eingeschränkt genug; muss ich es da ‚künstlich‘ noch weiter einschränken? Das hat nichts mit Rücksichtslosigkeit zu tun. Natürlich wird man unter den geänderten Bedingungen auch Rücksicht nehmen müssen: auf körperliche oder geistige Belastungen oder Einschränkungen; nicht jedes Thema wäre in der Krankheit ein passendes Thema; …
Die Spur, die ich legen möchte ist: Achtet auf das Leben! Achtet darauf, dass kranke Menschen nicht noch mehr vom Leben abgeschnitten werden, als sowieso schon durch die Krankheit.
Exkurs:
Ich erinnere mich daran, als mein Vater (ich war ca. 14 Jahre alt) schwer krank war. Seine Krankheit ging mit massiven Persönlichkeitsveränderungen einher und er war sehr sensibel geworden, was vor allem auch 'Lautstärke' angeht und das ganz normal alltägliche Leben. So stellte sich bei uns die Frage, inwieweit wir unser Leben (mit Schule, Ausbildung, Freizeit, ...) vor ihm 'filtern' müssten, um ihn 'zu schonen'...? Nach einiger Überlegung sagte uns dann unsere Mutter, dass wir so weiterleben sollen, wie bisher und dass unser Papa nicht von unserem Leben ausgeschlossen werden soll. Er möge weiterhin mitbekommen, was wir so treiben. Ich habe keine Ahnung, ob dieses die beste Entscheidung gewesen ist? Aber ich weiß, dass wir Papa nicht von unserem Leben ausschließen wollten; denn er war weiterhin unser Papa, auch als kranker und hilfsbedürftiger Vater.
Nicht ausweichen
Der Krankheit nicht auszuweichen und der kranken Person nicht auszuweichen, kann das Wichtigstes und zugleich das Schwerste sein, was wir als Familienangehörige, Freunde, Kollegen und Bekannte tun können. Dabei dürfen wir uns auch gewahr sein, dass es uns Einiges abverlangt und auch eine Herausforderung werden kann. Wer aber kranken Menschen menschlich zugetan ist, sollte diesen Gedanken mit einbeziehen. [Zugleich, und das ist mir an dieser Stelle auch ganz wichtig, müssen wir immer auch für uns selber klären, was wir aushalten und er-tragen können? Es nutzt uns und auch der erkrankten Person wenig, wenn uns das Schicksal anderer Menschen so schwer belastet, dass wir keine Hilfe sein können, keine Weggefährt:innen mehr. Besonders problematisch wird, wenn erkrankte Personen neben ihrer eigenen Krankheit dann auch noch den Eindruck bekommen, sie müssten sich um uns kümmern, weil wir mit deren Situation nicht klar kommen. – Das sollte man vermeiden; und falls das passiert, sich als Zugehöriger woanders Hilfe holen, die es auch gibt.]
Und was hat das mit Palmsonntag zu tun?
Der Palmsonntag führt uns durch eine Zeit in der Kirche, die mit den Worten „Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt“ sehr gut umschrieben werden kann.
Heute der glorreiche, fast schon triumphale Einzug Jesu in Jerusalem und in wenigen Tagen der Karfreitag mit dem Prozess und der Hinrichtung Jesu. Schon heute ‚wissen‘ wir, wohin der Weg Jesu führen wird bis zum Karsamstag. Und heute dürfen wir diesen Feiertag feiern, aber es wäre blauäugig, wenn wir das nicht auch im Hinblick auf die folgenden Tage tun würden. Und ich finde: die großartige Bedeutung des Osterfestes werden wir nur dann erahnen können, wenn wir den Blick für die Zeit zwischen Palmsonntag und Karsamstag nicht verlieren, auch wenn es unbehaglich wird.
Wie wir den Palmsonntag und die nachfolgenden Tage begehen, kann uns auch helfen, unsere Form des Umgangs mit kranken Menschen zu suchen und zu finden, auch und gerade dann, wenn es sich um Schwerstkranke handelt, deren Krankheit unter dem Vorzeichen des nahenden Todes steht.
Mit diesen Worten eines Liedes von Daliah Lavi habe ich meine Gedanken als Krankenhaus-Seelsorger zum Palmsonntag begonnen.
Ich möchte enden mit einem Text der Benediktinerin Sr. Charis Doepgen OSB:
Auf dem Weg nach Jerusalem
mitlaufen oder nachfolgen – Hosianna-Rufe genügen nicht auf dem Weg nach Jerusalem scheiden sich die Geister
Triumph oder Passion – wer ist morgen noch da wer noch am Karfreitag wenn die Richtung eindeutig wird
auch die Getreuen sind angefochten und schwach – wer IHM die Stange hält wird heute einsam
Wo ist mein Platz? Wo möchte ich heute stehen?
mit freundlicher Genehmigung: Sr. Charis Doepgen OSB, in: TE DEUM, April 2022, S. 105
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Palmsonntag und eine gute ‚heilige Woche‘. Wenn Sie auf diesen Beitrag reagieren möchten, dann melden Sie sich gerne. Meine Emailadresse finden Sie hier unter „Kontakt“.
Paradigmenwechsel.heilsam
Heute lade ich Sie ein, sich erst einmal den Evangelientext des kommenden Sonntags (4. Fastensonntag – ‚Laetare‘) durch zu lesen. Auch wenn Sie sehr schnell denken mögen: „Das Evangelium kenne ich doch schon.“ – versuchen Sie sich von diesem Gedanken frei zu machen und das Evangelium so zu lesen, als wäre es ganz neu für Sie! Lukas 15, 11- 32: —
Interessant für mich ist, dass dieser Bibeltext mit sehr unterschiedlichen Überschriften versehen wird. „Der Vater und seine zwei Söhne“, „Der verlorene Sohn“, „Der barmherzige Vater“ …
Unter welchem Titel ist Ihnen dieser Text bekannt? – Und die viel spannendere Frage: Wenn Sie ganz frei wären, einen (eigenen) Titel zu vergeben; welchen würden Sie für dieses Gleichnis vergeben? Lassen Sie sich etwas Zeit bei Ihrer Titel-Entscheidung …!
Quelle: www.pixabay.com
[Sollten Sie ein belastendes Bild von ‚Vater‘ haben oder massive belastende Gefühle bei dieser kleinen Übung empfinden, brechen Sie diese Übung lieber ab. Wenn es Ihnen damit nicht gut geht, wenden Sie sich bitte an eine Person Ihres Vertrauens oder an eine/n geeignete/n Seelsorger:in!]
Versuchen Sie jetzt einmal, einen Augenblick darüber nachzudenken, warum Sie gerade ihren ‚eigenen‘ Titel vergeben haben, auch dann, wenn Sie auf einen bereits bekannten Titel zurück gegriffen haben.
Denken Sie dann auch mal darüber nach, warum Sie ausgerechnet ‚ihren‘ Titel gewählt haben?
Sie dürfen gerne auch mal darüber nachdenken, welches ‚Vater-Bild‘ Sie haben, das vielleicht sogar viel mit Ihrem eigenen Leben und Erleben zu tun hat.
Seien Sie sich dabei bewusst, dass ‚Ihr‘ Vaterbild – sei es positiv, negativ oder neutral – auch etwas mit Ihrer eigenen Lebenserfahrung zu tun hat. Es könnte aber auch Ausdruck einer Sehnsucht sein, wie Sie sich einen ‚Vater‘ wünschen…
Das ‚Vaterbild‘ aus dem heutigen Gleichnis wird oft auch auf das (eigene) Gottesbild übertragen. Gelingt Ihnen das, oder spüren Sie einen inneren Widerstand?
Welches Gottesbild ist für Sie hilfreich, um eine ‚gute Beziehung‘ zu Gott aufbauen zu können?
Unser Vaterbild ist oft geprägt von den eigenen Erfahrungen, wie wir unseren Vater oder andere Väter, ja sogar Großväter erlebt haben. Das erklärt unter anderem auch, warum dieses Gleichnis mit so verschiedenen Titeln belegt wurde. Die Titel sind ein Hinweis darauf, mit welcher eigenen Sicht wir auf dieses Gleichnis schauen.
Quelle: www.pixabay.com
Als Seelsorger geht es mir immer darum, das Frohmachende und das Befreiende, das Beglückende und Hilfreiche aus der biblischen Botschaft für das konkrete Leben der Menschen auf zu decken, damit diese Botschaft auch wirklich in unser konkretes Leben hineinwirken kann.
Daher ist es überhaupt nicht falsch, sondern gut und richtig, wenn Sie einen Titel finden, der zu Ihnen, Ihren eigenen Verfahrungen aber auch zu Ihren eigenen Sehnsüchten passt.
Die biblischen Texte sprechen auch immer wieder (noch nicht erfüllte) Sehnsüchte an, die nach Befreiung und Erlösung streben.
Sie können jetzt noch einmal überlegen, ob Sie bei Ihrem Titel für dieses Gleichnis bleiben wollen oder ob Sie vielleicht sogar noch einen anderen Titel für passend halten!
Auch in meinem Leben habe ich verschiedene Titel für dieses Gleichnis bevorzugt und habe jetzt einen Titel gefunden, mit dem ich seit vielen Jahren ‚gut leben kann‘.
Wenn Sie sich darüber mit mir austauschen wollen, schreiben Sie mir gerne.