2. Advent – Tröstet!

„Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott!“

Dieser Text aus dem Buch Jesaja fordert uns heute ebenfalls heraus, wenn ich ihn richtig deute!

Vom Trost ist im Advent viel die Rede: „Wo bleibst du Trost der ganzen Welt…?“ heißt es in einem Adventslied.

Das Wort ‚Trost‘ weckt in uns ein Gefühl, das wir alle kennen.
Viele Texte und Aphorismen beschäftigen sich mit diesem Thema.
Trost scheint ein wertvolles Wort zu sein.
Aber als Wort allein ist es bedeutungslos.

Was bedeutet Trost, was spendet Trost?

Ich grüble schon den ganzen Tag über diese Frage nach, aber ich finde nur Begriffe, Gedankensplitter, Bilder, Vermutungen … aber nichts davon kann ich richtig erfassen, verstehen und ausdrücken, zumindest nicht vollständig.

Über den Trost nachzudenken bleibt wohl nur bruchstückhaft.
Aber vielleicht liegt darin das Geheimnis vom Trost.
Eine universelle Definition von Trost gibt es nicht. Ebenso wenig gibt es eine verbindliche Regel, wie man richtig tröstet.

Trost hängt von der Situation und der Beziehung ab, in der er gesucht und gegeben wird. Er ist nicht allgemein oder abstrakt, sondern konkret und individuell. Er richtet sich nach dem, was jemand erlebt hat und mit wem er verbunden ist.

Und Trost ist gefährlich, für jene, die Trost spenden wollen allemal.
Denn nur wer wirklich trösten will, braucht den Mut, bei den Menschen zu bleiben und mit ihnen zu sein; sich von ihrem Schicksal bewegen und berühren zu lassen. Trost geben zu wollen, heißt auch, bereit zu sein, in gewisser Weise mitzuleiden.

So drückte es der Publizist Peter E. Schumacher aus:

Trost

…und bisweilen
kommen da Worte,
die dich gleichsam
starker Hände
nehmen,
dich halten und
behutsam führen,
deren sanfter Druck
dir Trost schenkt
und die nicht
scheuen
die Nässe

deiner Tränen…

© peter e. schumacher (1941 – 2013), Aphorismensammler und Publizist, zitiert – mit freundlicher Genehmigung – nach: https://www.aphorismen.de/gedicht/36237

Die Herausforderung und die Pflicht ist es, in dieser Nähe respektvoll zu bleiben und keine Grenzen zu überschreiten.
(Wohin das führen kann, erfahren wir seit Jahren sehr leidvoll in den vielen Aufdeckungen spirituellen Missbrauchs oder sexualisierter Gewalt.)

Dieser Mut zur Nähe ist ein Mut zur emotionalen Nähe, ohne dabei selbst in den Sog von Unglück und Leid herunter gezogen zu werden.


Trost braucht Empathie, ich übersetze es gerne mit Einfühlsamkeit!

Diese Einfühlsamkeit ist es übrigens, die Gott uns zeigt und diese göttliche Einfühlsamkeit ist der Ursprung, warum Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist.

Gott ist an unserer Seite, Gott steht hinter uns, Gott steht uns bei.
Das ist der „Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt“, wie es im Adventslied heißt.

Wenn es ein Unternehmen gäbe, das „Trost“ anbietet – es wäre heute sehr gefragt!
Denn: Viele Menschen sehnen sich nach Trost! … Echter Trost ist mehr als nur eine Vertröstung. Echter Trost schenkt Mut und Kraft für den nächsten Schritt. Denn ich fühle: Ich bin nicht allein gelassen.


Manchmal kommt der Trost unerwartet und leise, nicht durch Worte, sondern durch Gesten und Zeichen von Güte und Wertschätzung: eine Nachricht – egal in welcher Form in diesen modernen Zeiten -, ein freundliches Gesicht, eine ehrliche Nachfrage, ein aufmerksames Zuhören oder ein stilles Beisein bei Menschen, die jetzt nicht allein sein wollen, …. Das kann Mut machen und Trost spenden.

Man erkennt oft den Trost nicht an den Handlungen des Tröstenden, sondern an der Wirkung, die der Trost auf den anderen Menschen hat.

Der österreichische Priester Martin Gutl hat das in seinem Buch: „Der tanzende Hiob“ – Styria Verlag 1975, mal so beschrieben:

„Nach einer Begegnung:
ein anderer Mensch.
Seine Schultern sind aufgerichtet,
einige Falten sind verschwunden….“

zitiert nach: https://www.ekkw.de/blick-in-die-kirche/download/blick_mag_Dez08.pdf, S. 15.

Karl May schreibt über den Trost:
Siehst du ein Menschenkind in Tränen,
verhalt’nes Schluchzen in der Brust,
so wolle ja nicht, ja nicht wähnen,
dass du mit Worten trösten musst.

Vermeide es, ihn zu beraten;
geh weiter, aber sende dann
die Liebe, die in stillen Taten
ihm heimlich, heimlich helfen kann.

Berührt ein kalter Schall die Wunde,
so schmerzt er nur und heilt sie nicht;
der Trost wohnt nicht im leeren Munde,
er ist des Herzens tiefste Pflicht.

Vor einem Wort am rechten Orte
kehrt wohl der Harm beruhigt um,
doch wahrer Schmerz hat keine Worte,
und auch der wahre Trost ist stumm.

Karl May (1842 – 1912), zitiert nach: https://www.aphorismen.de/gedicht/98868

Ich formuliere meine Erkenntnis mit meinen eigenen Worten.

Trost
ist die Kunst,
ein kleines, warmes Licht
in dunklen Stunden
zu entzünden;
es blendet nicht –
es leuchtet.

© Gerd A. Wittka, *1963, katholischer Priester, Krankenhaus-Seelsorger


Alle Bilder gefunden bei: www.pixabay.com




1. Advent

„Macht Mut! Sagt den Verzagten: fürchtet euch nicht!“

Bild von Pallervanten auf Pixabay

Wer mich kennt, weiß, dass ich eher zu den Seelsorgenden gehöre, die auch mal gerne den „Finger in die offene Wunde“ legen.

Ich denke zurück an eine Christmette in einer ehemaligen Pfarrei, in der ich in der Predigt nicht nur ‚Eiapopeia‘ gesagt habe, sondern eher eine kritische und reflektierende Predigt gehalten habe.

Einige Leute fanden es auch ‚falsch‘, dass ich am Ende des Gottesdienstes nicht „Stille Nacht, heilige Nacht!“ singen ließ, sondern „Oh du fröhliche!“.

Nach dem Gottesdienst kam eine Person zu mir und gestand mir offen, dass meine Predigt und das ausgelassene Lied am Schluss ihr das Weihnachtsfest ruiniert hätten!

Es verdeutlicht, wie sehr die Advents- und Weihnachtszeit mitunter von irrationalen Gefühlen geprägt sind.

Ich würde mich daher heute an den Propheten Kohelet anlehnen und sagen: Für alles gibt es eine Zeit!

Ja, je älter ich werde, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass es auch eine angemessene Zeit für ‚Eiapopeia‘ gibt – und das meine ich jetzt nicht abwertend, sondern anerkennend!

Denn es gibt auch eine Zeit, wo es mehr darum geht, auf die Gefühle zu achten, als auf verkopfte Sachlichkeit!

Ich möchte Ihnen heute anhand eines recht konkreten und zugleich fast banalen Beispiels etwas erklären. Es ist uns buchstäblich ins Auge gesprungen!
Vor ein paar Tagen habe ich mir die Mühe gemacht, dieses adventliche Gesteck zu gestalten.

Adventsgesteck in der Krankenhaus-Kapelle des AMEOS Klinikums St. Clemens Oberhausen, Foto: (c) Gerd Wittka

Einem Freund habe ich vorher über whatsapp die anfänglich doch sehr karge Holzschale mit den vier Kerzenhaltern gezeigt und dann das abschließende Werk. Sie kennen das: Vorher/Nachher-Bilder!

Und dann schrieb er mir zurück:

„Mein Favorit ist die Blanko-Version ohne Schmuck.“

Adventsgesteck vor der Dekoration, Foto: (c) Gerd Wittka

Natürlich hatte ich gehofft, dass er ‚mein Werk‘ auch schön findet, so wie seine Frau es schön fand.

Seine Meinung hat mich nachdenklich gemacht.
Ja, manchmal mag ich es auch lieber schlichter und puristischer, auf das Wesentliche beschränkt. Und das sind im Advent nun mal die Kerzen!

Es kommt mir vor, als wäre es nun an der Zeit, dieses Gesteck mit viel Grün, Rot und Gold zu schmücken, mit gemütlichen Orangenscheiben und Zimtstangen.

Deshalb schrieb ich ihm zurück:

„Ja, das glaube ich dir!
Aber wir müssen manchmal ‚das Herz‘ der Menschen bedienen, die in die Kapelle kommen, sei es die Herzen der Kranken oder deren Angehörigen oder auch der Mitarbeitenden, die hier mal zur Ruhe kommen wollen, verschnaufen wollen und auch die ganzen Eindrücke und Erfahrungen sacken oder sogar loslassen wollen.

Wir müssen auch etwas ‚das Herz‘ der Menschen bedienen, die mal adventliche Gefühle brauchen und vielleicht dadurch angeregt werden, sich an Zeiten zu erinnern, wo das Leben entspannter und heimeliger war. Kannst du das verstehen?“

Und er antwortet knapp und fast schon puristisch: „Blanko kommen bei mir mehr Gefühle.“

Ja, nach den Erfahrungen der Pandemie, den schlimmen Nachrichten aus aller Welt über Kriege, Terror, Naturkatastrophen, die Krisen in unseren Kirchen und die Verbrechen von sexuellem oder geistlichem Missbrauch glaube ich, dass es in diesem Jahr besonders wichtig ist, unseren adventlichen Gottesdiensten mehr Gefühl zu verleihen.

Es ist wieder an der Zeit, in unserem Herzen zu spüren, welch großes Wunder geschehen ist, als Gott vor mehr als 2.000 Jahren in Jesus Christus zu uns auf die Erde kam.
Er kam, um „allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes“, wie es im Benedictus des morgendlichen Stundengebets heißt!

Denn auch durch den emotionalen Zugang zu unserem Glauben gibt es eine heilsame und hoffnungsmächtige Wirkung.

Gerade wenn wir „…mit dem Herzen glauben…“ (1 Kor 12,3) und „…mit dem Mund bekennen …“ (Röm 10,9), dann werden wir nach der Überzeugung des heiligen Paulus gerettet werden. (vgl. 1 Kor 12,3)

Das Herz, der Sitz nicht nur unserer Liebe, sondern auch Sitz unserer Gefühle, ist – so glaube ich – in dieser Zeit wieder mehr gefragt.

Eine Möglichkeit, mit dem Mund zu bekennen, ist zum Beispiel, traditionelle Adventslieder zu singen oder Geschichten und Geschichtchen vorzulesen oder zuzuhören, die uns berühren!

Ich glaube, dass es in Zukunft wieder Zeiten geben wird, in denen wir in der Advents- und Weihnachtszeit auch mehr den Glauben mit dem Verstand verbinden können.

Jetzt aber scheint für mich mehr die Zeit des Glaubens mit dem Herzen zu sein!

Ich wünsche uns allen, dass wir die Adventszeit voller Freude erleben und uns daraus neue Kraft und Hoffnung schöpfen, ohne die Realität aus den Augen zu verlieren!

Foto: Gerd Wittka, 02.12.2023

Und ganz zum Ende dieses Impulses etwas ‚fürs Herz‘:

Advent

Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.

Rainer Maria Rilke, aus: Advent Es treibt der Wind im Winterwalde die Flockenherde wie einhttps://www.aphorismen.de/gedicht/12324




Wirr und irr …

Wir befinden uns in chaotischen und verrückten Zeiten.
Zeiten, in denen Menschen aus ideologischen oder religiösen Gründen Hass und Hetze verbreiten.
Dabei wäre es möglich, anders zu leben
.

Ein bedeutendes Werk der Aufklärung ist „Nathan der Weise“ von G.E. Lessing.
Das Herzstück dieses Dramas ist die berühmte ‚Ring-Parabel‘.
Viele von euch haben sie vielleicht schon in der Schule gelesen oder gehört.

Die Parabel zeigt, wie die drei großen abrahamitischen Weltreligionen: Judentum, Christentum und Islam, friedlich zusammenleben können. Dabei müssen sie ihre eigenen Überzeugungen nicht aufgeben, sondern können die des anderen akzeptieren und respektieren.

Heute habe ich einen sehr guten Blog-Beitrag gelesen, der sehr eindrucksvoll über dieses Thema schreibt.

Ich könnte es nicht besser ausdrücken. Deshalb verlinke ich diesen Beitrag hier und hoffe, dass ihn Viele lesen.

https://horstheller.wordpress.com/2023/11/25/die-wohltuende-kraft-des-rings-die-wahrheit-der-religionen-zeigt-sich-an-ihrer-friedfertigkeit/




Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe

Impuls zum 30. Sonntag – A – 2023 (Mt 22, 34-40)

Bild von photosforyou auf Pixabay

Du sollst Gott lieben!
Wie aber kann ich Gott lieben?

Wer lieben will, muss sich vorbehaltlos auf den anderen einlassen.
Liebe unter dem Vorzeichen: „Ich liebe dich, wenn…“ oder „Ich liebe dich, aber …“ wird selten gut gehen!

Das ist so zwischen Menschen und das ist so auch in der Beziehung zu Gott.

Doch wir hören oft: „Ich kann nicht an Gott glauben, der das und das zulässt.“

Wir, die wir solche Worte schon einmal gehört oder sogar selber gesagt haben, wissen in der Rückschau, dass solche Worte fast immer aus Krisen heraus gesagt werden.
Da gab es einen großen dramatischen Schicksalsschlag in der eigenen Umgebung. Mir oder mir nahestehenden Menschen ist was sehr tragisches widerfahren. Vielleicht sogar eine Erfahrung von Gewalt oder Tod.
Oder wir nehmen Nachrichten aus aller Welt auf, die uns erschüttern und wir eigentlich nur unsere Augen mit unseren Händen bedecken wollen, um nichts sehen zu müssen. Wir werden Zeug:innen brutalster Taten.

Deshalb bin ich der Letzte, der für solche Worte kein Verständnis hat.
Manches erscheint so widersinnig und unmöglich mit Gottes Willen oder Gottes Wirken in Einklang zu bringen!

Nur, sollten wir mal versuchen, bei diesem Wort nicht stehen zu bleiben, sondern weiter zu denken:

Wenn ich schon nicht an Gott glauben kann, weil er vermeintlich das und das zulässt, wie will ich ihn dann gar lieben?

Oder anders ausgedrückt:
Wer fest davon überzeugt ist, dass er an Gott nicht glauben kann, weil er dies und das zulasse, der wird Gott kaum jemals lieben können.

[Nur als kleine Ergänzung:
Ich habe ja schon in der Vergangenheit darüber gesprochen, dass Menschen Gott vorwerfen, er würde dies und das Schlimme zulassen.
Ich habe in der Vergangenheit schon darüber gesprochen, dass es nicht Gott ist, der Schlimmes zulässt, sondern der Mensch. Deshalb möchte ich darauf heute nicht näher eingehen.]

Ich möchte vielmehr weiter der Frage nachgehen, wie es sich mit der Liebe zu Gott verhält und welche Hürden vielleicht zu nehmen sind, um da hin zu kommen.

       Glaube – Hoffnung - Liebe

Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei, sagt Paulus im Korintherbrief. Doch das Größte sei die Liebe. (vgl. 1.Korinther 13,13)

Vielleicht lässt sich aus dieser Aufzählung auch eine logische Reihenfolge bilden: Glaube – Hoffnung – Liebe.
Wenn das wirklich stimmt, dann kommt zuerst der Glaube an Gott und dann die Liebe zu Gott!

Denn die Liebe zu Gott kann sich nur entwickeln, wenn ich an Gott glaube:
• wenn ich versuche ihm in meinem Leben auf die Spur zu kommen.
• wenn ich versuche, eine echte und authentische Beziehung zu ihm zu suchen und zu pflegen.
• wenn ich bereit bin, mich auf ihn und auf seine Botschaft einzulassen, wie Jesus Christus es uns lehrt.

Die Liebe zu Gott ist selten der Anfang unserer Beziehung zu Gott. Ihm liegt meist schon ein gereifter Beziehungsweg zwischen mir und Gott und umgekehrt zu Grunde.
Gott lieben zu wollen und zu können, setzt also einen Weg, ein Beziehungsgeschehen voraus, dass schon getan wurde.

Und das ist schon schwer genug, vor allem, wenn wir in bestimmten Situationen Gott die Verantwortung und die Schuld für schlimme Erfahrungen und Ereignisse zuweisen.

Jetzt könnten wir hier meinen:
Wenn ich lerne, Gott für all das Übel in der Welt nicht verantwortlich zu machen, dann ist meine Chance ja größer, an ihn zu glauben und ihn zu lieben.

Ja, das mag sein.
Nur:
Das Ziel: Gottesliebe und ….mehr!

Es wird ja noch doller:
Jesus sagt: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen,… „ (vgl. Mt 5,44)

Das ist doch krass, was Jesus da von uns fordert, oder?

Wenn ich schon nicht an Gott glauben kann, der vermeintlich dies und das zulässt, und wenn ich ihn dann auch nicht lieben lernen kann, wie will ich dann meinen Feind lieben können?!

Bei mir liegt es, ob ich das ganze Übel der Welt Gott zuschreibe oder in die Schuhe schiebe oder nicht.
Aber es sieht doch ganz anders aus, wenn ich für einen Teil des Übels in der Welt konkrete Situationen oder gar Menschen aus machen kann. Und noch persönlicher wird es, wenn ich selber durch das Handeln mir bekannter Menschen Übel und Böses erfahre.

Kann Jesus mir dann zumuten, auch diese Menschen zu lieben?!
Bin ich bereit, mich zumindest ernsthaft und diesen Anspruch zu stellen – auch wenn ich diesem Anspruch nicht immer gerecht werden kann, weil die persönlichen Verletzungen und Verwundungen mich daran hindern?
Gibt es einen möglichen Ausweg aus dieser Überforderung?

Eine Möglichkeit wäre, mehr und mehr zu glauben, dass Gott nichts Böses für uns will. ER will nicht Leid und Not, nicht Schuld und das Unglück, nicht meins, nicht deins, nicht unsers!

Dazu kommt die gläubige Überzeugung, dass Gott, das Heil aller Menschen will, dass er jeden retten will.

Wenn ich diese Maximen annehme, weil Jesus Christus selber davon Zeugnis abgelegt hat, dann kann ich auch damit beginnen, eine liebende Einstellung zu jenen einzunehmen, die mir oder anderen nichts Gutes antun.

Ohne dieses Thema ausschöpfend behandelt zu haben, möchte ich an dieser Stelle enden mit einem Text von Beatrix Senft.

Gott des Mitleids

uns wurde verkündet
du bist der Gott des Mitleids

deine Anteilnahme an uns
unermesslich

genau wie deine Barmherzigkeit
deine Liebe
deine Milde für unser Versagen
deine Vergebungsbereitschaft

uns wurde verkündet
du verschonst uns vor dem ewigen Tod

du hast uns
in Jesus
ein Beispiel gegen
wir sollen ihm folgen

und

meine Tür geht auf

was davon
werde ich

da draußen
wirklich leben

???

(c) Beatrix Senft 2023, in Predigten zum 29. Okt. 2023 – 30. Sonntag im Jahreskreis (A) | Predigtforum.com


Ich weiß, dass dieses Thema eine der größten Herausforderungen für den christlichen Glauben darstellt. Deswegen bin ich offen für Gedanken, Anregungen und Kommentare zu diesem Impuls!




Am Ende: Devotionalien

Ein altes, verrottendes Holzkreuz, das auf der Erde liegt. Was geschieht damit?
Quelle: www.pixabay.com

Ein altes, verrottendes Holzkreuz! Wo hat es gestanden? An einem Weg? Auf einem Friedhof?
Nun liegt es da, zwischen den Büschen und verrottet vor sich hin.
Dieses Bild ist ein Symbol für viele andere religiöse Gegenstände, wie Kreuze, Heiligenfiguren, Rosenkränze, …!

Wenn jemand einen Haushalt einer Person auflösen muss, die einen religiösen Hintergrund hat, dann wird man mit dieser Frage automatisch konfroniert:

Wie gehe ich mit alten oder kaputten Devotionalien um? Wie ‚entsorge‘ ich sie ‚richtig‘? Was mache ich mit Gegenständen, die gesegnet sind, aber die keiner mehr haben will?


Wer sich wegen dieser Frage auf die Suche im Internet macht, wird nicht wirklich befriedigende Antworten finden.

Offenbar tut man sich mit dieser Frage schwer, selbst Geistliche geben da mitunter keine zufriedenstellende Antwort.

Das ist schon verrückt, irgendwie! Sehr gerne kommen wir der Frage nach, religiöse Gegenstände, Figuren und Symbole zu segnen. Aber was anschließend mit ihnen geschieht, wenn sie ‚ihre Aufgabe erfüllt haben‘, da werden wir einsilbig.

Und das finde ich unfair!
Denn wer Dinge und Gegenstände in Verkehr bringt oder benutzt, sollte auch wissen und sich sicher sein, wie man diese Dinge angemessen entsorgt.

Deshalb möchte ich mich dieser Frage hier heute widmen, auch deshalb, weil ich immer wieder die Bitte höre, doch den einen oder anderen religiösen Gegenstand resp. Devotionalien in Empfang zu nehmen, weil die Besitzer:innen dafür keine Verwendung mehr haben, aus welchen Gründen auch immer ….!

Gesegnet heißt nicht ‚geweiht‘

Um vorab mit einem falschen Verständnis aufzuräumen:

„Gesegnet heißt nicht geweiht!“

Gegenstände, die gesegnet werden, kennen wir alle: Kreuze, Anhänger, Heiligenfiguren, aber auch Autos, Wohnungen und Häuser, …

Sogenannte ‚Sachbenediktionen‘, also die Segnung von Gegenstände, kennen wir, wenn es um die Frage des Gebrauchs geht.

Segnen wir Kreuze, Rosenkränze, Heiligenfiguren oder -bilder, Weihwassergefäße, …, dann handelt es sich um Gegenstände, die uns in unserer Spiritualität, unserem geistlichen Leben dienen sollen. Die Betrachtung eines Kreuzes oder einer Ikone zum Beispiel soll mir beim Gebet helfen und mein Blick auf ein Kreuz soll mich in meinem Alltag daran erinnern, dass wir erlöst wurden. Heiligenbilder sollen uns daran erinnern, dass Glaube Bedeutung haben kann für das ganz persönliche und konkrete Leben oder dass christlicher Glaube gelingen kann – mit allen dazugehörenden Brüchen.
Ein gesegneter Rosenkranz soll uns daran erinnern, dass die Zeit, die wir uns für das Gebet nehmen, eine gesegnete Zeit ist und der Rosenkranz mehr ist als bloßer Schmuck.

Ein gesegnetes Auto oder ein gesegnetes Haus/eine gesegnete Wohnung (vielleicht noch versehen mit einem Kreuz oder der bekannten Christophorus-Plakette im Auto) soll uns daran erinnern, dass wir bei der Nutzung dieser Sachen sorgsam, verantwortlich und aus dem christlichen Geist heraus, diese Dinge nutzen sollen. Im Straßenverkehr gelten für uns Christ:innen nicht nur die gesetzlichen Regeln sondern auch unser christliches Menschenbild und unser Verständnis von der Schöpfung als Gott gegebenes Geschenk. Wir werden daran erinnert, als Christ:innen diese Gegenstände in rechter Weise zu nutzen und einzusetzen: im Straßenverkehr vorsichtig und sich rücksichtsvoll verhalten, auch Aspekte der Ökologie und des Umweltschutzes beachten (-> Bewahrung der Schöpfung).
In der Wohnung oder im Haus christliche Gemeinschaften zu pflegen.

Gesegnete Gegenstände werden also nicht dem profanen, dem alltäglichen Gebrauch entzogen, sondern sie sind gerade dafür bestimmt.
Oder um es anders auszudrücken: Gesegnete Gegenstände werden mit einem ‚Vorzeichen‘ versehen, das uns auf den christlichen Gebrauch und christliche Werte bei der Verwendung hinweisen will.

Fällt also die Verwendung und der Gebrauch gesegneter Gegenstände weg, so dürfen, ja müssen sie vielleicht sogar, entsorgt werden.

Beispiel: gesegnetes Fahrzeug

Ein Auto wurde gesegnet, weil die nutzende Person dieses Auto nutzen möchte, ohne dass damit Schaden für sich selber oder für andere angerichtet wird. (Das das in Fragen der Ökologie nicht ganz unproblematisch ist, steht auf einem anderen Blatt und soll hier nicht vertieft werden.)

Nun kommt das Auto nicht mehr über den TÜV und muss verschrottet werden.
Keiner würde auf die Idee kommen, dieses Auto nicht verschrotten zu lassen, weil es ja gesegnet worden war!
Aber wir werden uns auch bei diesem letzten Schritt die Frage stellen müssen: wie entsorgen wir dieses Fahrzeug, damit es keinen Schaden anrichtet? – Eine wilde Müllkippe zu nutzen, würde sich aus ökologischen und auch aus religiösen Gründen verbieten.
Wer also einen gesegneten Gegenstand entsorgen will, wird sich erst recht mit der Frage beschäftigen, wie dieser Gegenstand, auch unter christlichen Aspekten entsorgt wird.

Ich hoffe, das leuchtet ein!

Damit kommen wir aber zu einem Problem:

Gesegnete Gegenstände als Grab-Beigabe

Immer wieder hört und liest man, dass gesegnete Gegenstände, wie Kreuze oder Rosenkränze ja auch dem Grab einer verstorbenen Person beigegeben werden könnten, nach dem Motto: Gesegnete Gegenstände in ‚gesegneter‘ Erde!

Hört sich erst einmal gut an, ist aber nicht immer gut, wie ich finde!

Ökologisch handeln!

Denn, die Frage ist: was wir den Gräbern beigeben?

Ohne Zweifel – so sagte mir mal ein Friedhofsgärtner – sind Friedhöfe unsere gepflegtesten Sondermüll-Deponien (wenn man allein daran denkt, wieviel Medikamentenreste oder andere Gifte im menschlichen Körper durch die Bestattung mit ‚entsorgt‘ werden!)

Geben wir also ‚gesegnete‘ Gegenstände einem Grab bei, dann bitte auch darauf achten, aus welchem Material diese Gegenstände sind!
So sind viele Rosenkränze recht billig, teilweise aus Kunststoffperlen oder synthetischen Kordeln gefertigt. Längst bestehen alle Rosenkränze nicht mehr aus Baumwollkordeln und Holzperlen!

Gesegnete Gegenstände, die also nicht als Grabbeigabe ökologisch verantwortlich verrotten können, gehören meines Erachtens nicht mit ins Grab!
Sie gehören fachgerecht und umweltfreundlich entsorgt.

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Wenn wir uns diese Haltung aneignen, dann finden wir auch den Schlüssel dazu, wie wir grundsätzlich mit gesegneten Gegenständen umgehen können, die an das Ende ihrer Verwendungszeit gekommen sind.

Gesegnete Gegenstände sind nach meinem christlichen Verständnis so zu entsorgen, dass sie auch jetzt noch keinen Schaden anrichten, auch in ökologischer Hinsicht.

So gehören gesegnete Autos in eine ökologisch-nachhaltige Autoverwertung und wo möglich in weiten Teilen recycelt.
Das gleiche gilt auch für Häuser, deren Abriss und Entsorgung der verschiedensten Baumaterialien und Komponenten.
Wenn ich mir diese Haltung zu eigen mache, dann ist es auch vertretbar, gesegnete Gegenstände, die ohne sachgerechte Entsorgung ökologischen Schaden anrichten können, einer nachhaltigen Entsorgung oder Verwertung zuzuführen, also z.B. in den Hausmüll zu werfen, damit später ein Recycling oder eine umweltverträgliche Verwertung möglich ist.

Unter diesen Aspekten ergibt sich aus der Segnung bestimmter Gegenstände auch nach ihrem bestimmungsmäßigen Gebrauch noch ein weiterer Aspekt bei der Entsorgung, der auch wesentlich etwas mit der Segnung dieses Gegenstandes zu tun hat:

Ein ökologisch nachhaltiger Umgang mit gesegneten Gegenständen nach dem Ende ihrer aktiven Verwendungszeit!

Ich persönlich finde, da darf und sollte man die ganze Bandbreite einer pietätvollen und ökologischen Entsorgung auch für ‚gesegnete‘ Gegenstände nutzen; verbunden mit dem tiefen Gefühl von Dankbarkeit, Achtung und Respekt davor, was diese Gegenstände für Menschen in ihrer Spiritualität bedeutet haben, die sie einmal dafür genutzt haben.
Dies kann man zum Beispiel ja auch dadurch ausdrücken, dass man z.B. Holzkreuze, die nicht mit Schadstoffen behandelt wurden, verbrennt oder – wenn man sie dem Hausmüll zuführt – eigens liebevoll und ökologisch verpackt in die Tonne wirft und nicht – um es mal sehr deutlich auszudrücken – zusammen in einem Beutel mit benutzten Windeln entsorgt. (Um nur ein konkretes Beispiel zu nennen!).

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Für mich persönlich ist es deshalb auch möglich und sinnvoll, Bibeln dem Altpapier zuzuführen (wenn sie z.B. nicht schädigend verbrannt werden können), denn nicht das gedruckte Wort macht das Wort Gottes heilig, sondern das Wort Gottes in seinem Geistes ist heilig; Papier und Farbe sind hingegen nur irdische, innerweltliche Mittel (wie ein anderes das Hören des Wortes Gottes ist), mit denen dieses Wort Gottes uns ‚buchstäblich‘ geistlich und intellektuell zugänglich wird.

Ich habe für mich erkannt: