Ex-Post-Triage: NEVER!

Ein Gespenst geistert in der Triage-Diskussion um: die Ex-Post-Triage

Eine Ex-Post-Triage bezeichnet eine Triage, wenn die bei einem Patienten begonnene medizinische Versorgung zugunsten eines neu eintreffenden Patienten abgebrochen wird, um dem neu eingetroffenen Patienten mit einer begrenzten Versorgungsressource zu retten, weil dieser die besseren kurzfristigen Überlebenschancen aufweist.

Mit dem neuen Triage-Gesetz, das heute im deutschen Bundestag beschlossen wurde, ist eine solche Ex-Post-Triage ausgeschlossen.



Dies ruft, auch aus den Reihen von Medizinern, Kritik hervor, weil diese meinen, dass diese Ex-Post-Triage zulässig sein müsste, um möglichst viele Menschenleben zu retten.

Einer der bekanntesten Kritiker ist der Intensivmediziner Prof. Dr. Uwe Janssen, der sich heute dazu im deutschen TV geäußert hat:

https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin/politik/Intensivmediziner-Uew-Janssens-kritisiert-Verbot-Ex-Post-Triage-100.html

Was auf den ersten Blick logisch erscheint, zeigt aber zugleich eine massive argumentatorische Schwäche.

Schon heute möglich: Therapieziel-Änderung

Denn heute ist es gang und gäbe, bei Patient:innen, die aufgrund einer schweren lebensbedrohlichen Erkrankung keine Überlebenschancen haben, eine Therapieziel-Änderung vorzunehmen. Es war also schon in der Vergangenheit und wird auch zukünftig weiterhin möglich, bereits zugeteilte Behandlungsverfahren unter bestimmten Bedingungen wieder abzusetzen.

Obiger Intensivmediziner hat sogar persönlich an einem Positionspapier der Sektion Ethik der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) mitgearbeitet, in dem die unterschiedlichen Aspekte einer nachträglichen Therapieziel-Änderung beleuchtet werden.
Darin wird ausdrücklich erklärt, dass es berechtigte Gründe geben kann, ein anfänglich beschriebenes Therapieziel zu ändern.

Damit gibt es bereits jetzt schon praktizierte Möglichkeiten, auch in einer Triage-Situation dieses Mittel anzuwenden, wenn es dafür gute Gründe gibt, die auch außerhalb einer Triage-Situation zutreffend wären, natürlich in einem streng abgesteckten Rahmen, wie z.B. erklärter Patient:innen-Wille.

Als Theologe halte ich die grundsätzliche Erlaubnis für eine Ex-Post-Triage ethisch und human für sehr problematisch, weil sie selbst für Mediziner:innen keine Erleichterung bringt. Deshalb lehne ich sie persönlich auch weiterhin ab!

Patient:innen dürfen nicht verunsichert oder verängstigt werden

Die Zulassung einer Ex-Post-Triage würde zudem Patient:innen unzumutbar verunsichern oder verängstigen.
„Werde ich die notwendigen intensivmedizinischen Leistungen erhalten, wenn sie notwendig sind?“ – Wer garantiert mir, dass die möglichen ärztlichen Entscheidungen zutreffend sind? Welche Kontrollmechanismen werden eingebaut? Welchen Schutz habe ich vor einer unethischen Anwendung?

Schon jetzt gibt es Möglichkeiten, dass der Wille von Patient:innen bei der Entscheidung – auch einer Therapieziel-Änderung – berücksichtigt wird, auch gerade dann, wenn Patient:innen ihren Willen selber nicht mehr bekunden können.

Dazu gibt es unterschiedliche Mittel, wie:

  • Anwendung einer vorliegenden Patientenverfügung am besten in Verbindung mit einer vorliegenden Vorsorgevollmacht
  • Einholung des mutmaßlichen Patientenwillens durch nahestehende Angehörige oder Betreuungspersonen
  • ethische Fallbesprechungen

Natürlich nimmt die Anwendungen solcher Instrumente eine gewisse Zeit und Sorgfalt in Anspruch.

Da aber eine Therapieziel-Änderung oder die Anwendung einer Post-Ex-Triage die Frage nach Leben und Tod eines einzelnen Menschen betrifft, darf die Zeit kein Argument sein, wenn es um die Frage geht, ob und für welche Personen eine Therapieziel-Änderung angeraten und auch zum Wohl und im Sinne des Patienten nötig ist.


Update: Kritik von Verbänden und betroffenen Menschen mit Behinderungen

Verbände und betroffene Menschen mit Behinderungen stimmen zu, dass das neue Gesetz die „Ex-Post-Triage“ verbietet.
Indes gibt es aber andere Kritik, weil das Gesetz, das vom Bundesverfassungsgericht gefordert war, da bisherige Vorgehensweisen nicht diskriminierungsfrei wären, tatsächlich noch immer keine Diskriminierung oder gar Selektion nach dem Prinzip „survival of the fittest“ verhindere.

Weil ich die Diskussion so immens wichtig halte, möchte ich hier einen Beitrag

aus „kobinet – Tagesaktuelle Nachrichten zur Behindertenpolitik“ verlinken




Wenn aus Hoffnung Glaube wird …

Ansprache am 32. Sonntag im Jahreskreis – C – 2022

Bild von ShonEjai auf Pixabay

Erinnern Sie sich daran, wann Sie das letzte Mal mit jemandem über unseren Glauben an die Auferstehung gesprochen haben, so richtig gesprochen im Alltag?
Erinnern Sie sich, was der Grund dafür war?

Als Krankenhaus-Seelsorger ploppt dieses Thema bei mir immer wieder in der Begegnung mit Patient:innen auf, gerade auch dann, wenn es um die Frage nach dem Ende des eigenen Lebens und den eigenen Tod geht.

„Was kommt danach?“ oder „Glauben Sie persönlich an die Auferstehung?“

Natürlich fordern mich solche Fragen heraus. Es wäre billig, einfach nur zu behaupten, dass ich schon eine sehr klare und persönliche Antwort habe, weil ich ja christlicher Seelsorger und Priester bin.

Natürlich ist die Frage nach der Auferstehung und dem Leben nach dem Tod Dreh- und Angelpunkt meines christlichen Glaubens.

Dennoch antworte ich lieber: „Ich hoffe auf die Aufstehung!“ – Damit erkenne ich an, dass es auch immer noch offene Fragen gibt oder vielleicht sogar ein Fünkchen Zweifel.

Im Erinnerungsgottesdienst am Donnerstag für die Verstorbenen, der an jedem ersten Donnerstag in unserer Pfarrei stattfindet, war die Schriftlesung aus dem Römerbrief, die wir gerade auch als Lesung gehört haben: „…. Darauf können wir zunächst nur hoffen und warten, obwohl wir schon gerettet sind….“

Als berufsmäßiger Verkündiger der Frohen Botschaft fühle ich mich bei diesen Worten des heiligen Paulus gut aufgehoben.
Wenn wir über unseren eigenen Glauben an die Auferstehung sprechen, kommen wir an der Frage des eigenen Sterbens und Todes nicht vorbei, denn Auferstehung gibt es nicht ohne Sterben und Tod.

Kein Wunder also, dass diese Frage schon zu Zeiten Jesu zu theologischen Streitgesprächen geführt hat.

Ich möchte mich heute nicht an diesem Streit aus dem Evangelium abarbeiten.
Ich möchte vielmehr darauf hören, was Jesus den Sadduzäern und somit mir und uns sagt:
Gott ist ein Gott der Lebenden und nicht der Toten.

Welche Antworten und welche Bilder für uns selber hilfreich sind, diese Zusage Jesu zu verinnerlichen, das liegt in unserer Verantwortung.

Ich möchte dazu ermutigen, sich auf die Suche solcher Antworten, Bilder und Gleichnisse zu machen, weil sie unsere Hoffnung nähren auf das, was wir noch nicht sehen, aber uns zuversichtlich darauf warten lassen, dass sich diese Hoffnung erfüllt, wie der Römerbrief sagt.

„spes“ (lat.) = „Hoffnung“ – Bild von falco auf Pixabay

Schauen wir einfach mal nach Bildern oder Gleichnissen, die uns spontan dazu einfallen:

Mir fallen dazu spontan die drei Folgenden ein:

  1. Das Bild von der Raupe und dem Schmetterling. Die Raupe führt ein mühsames Dasein, frisst und schläft und weiß nichts von der zukünftigen Verwandlung. Aber wir ‚wissen‘, was nach dem Ende des Raupendaseins kommen wird.

  1. Der Vergleich mit den Ungeborenen im Mutterleib. Damals, als wir noch im Bauch unserer Mutter waren, wussten und ahnten wir noch nicht, was da kommen würde. Dort, im Bauch, hatten wir alles, was wir zum leben brauchten: Nahrung, Geborgenheit, Fürsorge der Mutter, Schutz …! Dann der schmerzhafte Geburtsvorgang. Doch was danach kam, hätten wir uns in den kühnsten Träumen im Mutterleib nicht vorstellen können. Und heute? – Würden wir wieder zurück wollen in den Leib der Mutter, der damals für uns alles, unsere ganze Welt war?

  1. Oder das Bild vom Haus mit den verschiedenen Zimmern.
    Die einen Zimmer stehen für das Diesseits. Und jene, die sterben, durchschreiten eine weitere Tür in ein anderes, unbekanntes Zimmer, aus dem noch niemand zurück ins alte Zimmer gekommen ist. Aber wir wissen, dass wir alle in dem einen gemeinsamen Haus bleiben, nur halt durch eine Tür getrennt. Und was sich hinter der Tür verborgen hält, wissen wir nicht, sondern können wir nur erahnen.

Ich möchte uns alle ermutigen, solche Bilder und Vergleich zu suchen, die uns helfen, die Hoffnung auf Auferstehung und das ewige Leben in uns wach zu halten und damit zuversichtlich Krisen zu überwinden.

Und dann, eines Tages, werden wir es selber erleben … so, dass aus einer Hoffnung eine Gewissheit werde!




Biafra

Oder: Wie ein Wort mein ‚Bild‘ von hungernden Menschen prägte


Ob dieses Mädchen überlebt hat? Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Biafra#/media/Datei:Starved_girl.jpg

Inbegriff für den Hunger in der Welt

Es sind solche Bilder und das Wort „Biafra-Kind„, die meine kindliche Sicht von hungernden Kindern in Afrika geprägt haben. Erst viele Jahre später habe ich mich mit den Hintergründen von „Biafra“ beschäftigt.



Und hin und wieder wurde man als Kind auf die „hungernden Kinder in Afrika“ hingewiesen, wenn man nicht sorgfältig genug mit dem eigenen Essen umging.

Nun ist es sicherlich erzieherisch nicht die klügste Methode ein ’schlechtes Gewissen zu machen‘, um einen wertschätzenden Umgang mit der eigenen Nahrung zu erreichen.

Aber noch heute fällt mir der Begriff ‚Biafra-Kind‘ ein, wenn ich über das Thema des weltweiten Hungers nachdenke.

Welternährungstag

Heute, am 16. Oktober 2022 (übrigens nach mein Namenstag -> Gerardus Majella), begehen wir den Welternährungstag.
Er erinnert uns daran, dass täglich über 50.000 Menschen an den Folgen des Hungers sterben.
Er erinnert uns daran, dass auch heute noch, nach über 50 Jahren der Hungerkatastrophe in Biafra fast 768 Millionen Menschen unter chronischem Hunger leiden!

Bild von Jan Helebrant auf Pixabay

Zugleich bei uns immer wieder Bilder, von vergammelten Lebensmitteln, von Lebensmitteln, deren Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) überschritten ist und von Geschäften ‚entsorgt‘ werden muss. (Leider habe davon keine lizenzfreien Bilder im Netz gefunden, sodass ich mich mit dieser Vektorgrafik zufrieden geben muss!)

Hunger bekämpfen

Der heutige Welternährungstag erinnert uns daran, dass wir noch immer nicht mit dem Hunger in der Welt fertig sind.
Der heutige Welternährungstag will uns dafür sensibilisieren, wie wir in den Wohlstandsländern dieser Erde mit unserer Nahrung und auch mit dem Überfluss an Nahrung umgehen.
Der heutige Welternährungstag stellt mir persönlich auch die Frage, wie mein eigenes Leben verlaufen wäre, wenn ich nicht in Deutschland, sondern 1963 in Biafra geborgen worden wäre? Wahrscheinlich hätte ich diesen Text dann gar nicht mehr schreiben können, weil ich selber schon längst an den Folgen des Hungers gestorben wäre!


Helfen – Hunger stillen

Wir können helfen! Wir sind nicht hilflos!

Konkret: spenden!

Achtsamer Umgang mit verfügbaren Lebensmitteln

Containern darf nicht illegal sein!




Freundlich sein – nicht nur für andere…

Wirklich ein großartiger Impuls.

Auch besonders gut für Seelsorge geeignet.

https://www.instagram.com/reel/CjfTwdNjGHN/?igshid=YmMyMTA2M2Y=



Rosh ha shana

Quelle: Bild von chiplanay auf Pixabay

Heute begehen die jüdischen Menschen ihr Neujahrsfest ‚Rosh ha shana‘.
Ich wünsche ihnen ein gutes und gesegnetes neues Jahr. Ich wünsche ihnen, dass sie auch außerhalb von Israel in mehr Sicherheit und Frieden leben können und wir gemeinsam den Antisemitismus, der immer noch weit verbreitet ist, besiegen.

Ich freue mich, dass jüdisches Leben auch bei uns in Deutschland wieder gegenwärtiger ist, weil jüdische Mitmenschen und ihre Kultur eine wichtige und wertvolle Bereicherung darstellen.

Ein herzliches „Rosh ha shana“ also von mir zu diesem besonderen Tag im jüdischen Leben und Glauben!


Exkurs:

Jedes Mal, wenn wir uns zu Silvester/Neujahr einen „guten Rutsch“ wünschen, dann nehmen wir den Gedanken an das jüdische Neujahrsfest mit auf. Denn unser Wunsch zum neuen Jahr ist eine Entlehnung aus dem Jüdischen, das sich vom heutigen „Rosh ha shana“ ableitet.