‚Füllhorn‘ der Gnade

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Zu den schönsten Augenblicken in meinem Dienst als Krankenhaus-Seelsorger gehört ohne Zweifel die Spendung der verschiedenen Sakramente (Eucharistie, Feier der Versöhnung, Krankensalbung, …)

Besonders bewegend finde ich es, wenn ich zu einer Krankensalbung gerufen werde, wo akute Lebensgefahr besteht oder der/die Patient:in sich bereits in der Sterbephase befindet.
Immer häufiger sind dann auch engste Angehörige und/oder Freund:innen dabei.



Im Kreis der Lieben diese Sakramente zu empfangen, empfinde ich als sehr wichtig und auch hilfreich für den Menschen, dem diese Sakramente gespendet werden.

Besteht akute Lebensgefahr oder befindet sich der Mensch in der Sterbephase und kann sich selber nicht mehr äußern, spende ich die Krankensalbung und erteile eigentlich immer auch die sogenannte ‚Generalabsolution‘. Diese ist den Situationen vorbehalten, wo das Leben eines Menschen bedroht ist und er nicht mehr die Möglichkeit zum persönlichen Bekenntnis hat.

In diesen Situationen bietet die Kirche eine Generalabsolution ohne vorausgegangenem Beichtgespräch an.

Mir ist diese Form sehr wichtig, denn ich weiß, dass manche Menschen am Ende ihres Lebens von Schuldgedanken geplagt werden.

Damit sie aber gut und mit innerem Frieden diese Welt verlassen können – in dem Bewusstsein, dass nichts mehr zwischen ihnen und Gott steht – empfinde ich diese Form der Lossprechung als großes Geschenk.

Um es mit meinen – vielleicht etwas naiv anmutenden – Worten auszudrücken:
Jesus Christus hat uns ein ‚Füllhorn der Gnade‘ anvertraut, aus dem ER reichlich geben will.
Wir als SEINE Werkzeuge in dieser Welt, dürfen davon mit vollen Händen austeilen.

DAS ist für mich eines der größten und erfüllensten Momente in meinem Dienst als Krankenhaus-Seelsorger.




Richtig reden

Ansprache zum 23. Sonntag im Jahreskreis – 4./5.09.2021

Schriftstellen: Jes 35, 4-7a und Mk 7, 31 – 37

In einem Gespräch mit einer Angehörigen von einem Patienten sagt sie mir vor einigen Tagen, dass sie sich nur noch um den Patienten sorge. Sie nehme all die anderen – meist schlechten – Nachrichten gar nicht mehr richtig wahr.
Ich antwortete, dass das doch nur allzu verständlich sei.
Wir Menschen können einfach nicht grenzenlos schlechte Nachrichten verkraften.

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Unsere Psyche, wenn sie noch halbwegs intakt ist, kennt dafür Mechanismen, die uns helfen, dass ein Zuviel ausgeblendet wird.
Manche bezeichnen das als Tunnelblick, andere beschreiben diesen Zustand, als seien sie wie in einer Kapsel, die vieles von außen nicht mehr an sie heranlasse.

Eine solche Reaktion der Psyche will unsere Psychohygiene fördern, damit wir nicht seelisch überlastet werden.

Nicht seelisch überlastet zu werden, heißt auch: einen Ausgleich zu finden, einen Kontrapunkt zu den schlechten Nachrichten zu setzen.



Da fiel mir vor einiger Zeit – ich meine – im Morgenmagazin vom zdf die Rubrik auf, die es sich zu eigen gemacht hat, auch mal ganz gezielt nur gute Nachrichten zu senden.

Immer wieder auch gute Nachrichten zu verbreiten, ist also nicht nur eine vernünftige Entscheidung, sondern auch eine notwendige und richtige Maßnahme.

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Es gibt bei der Verbreitung von Nachrichten auch die Frage, wie sie gut verbreitet werden, damit sie Hoffnung machen.

Bei den heutigen Texten geht es genau um dieses „richtige Reden“.
Jesaja redet fast ohne Unterlass von der heilsamen Botschaft Gottes. Gerade weil es dem Volk Israel schwer fiel, sich immer dieser Zuwendung Gottes sicher zu sein, bleibt Jesaja unermüdlich.

Und auch Jesus setzt diese Tradition des „guten Redens“ fort; er verkündet die befreiende, die heilsame Botschaft nicht nur mit Worten sondern auch durch Taten.

Und er eröffnet in uns auch die Quelle, des richtigen Redens.
Die Wundererzählung des Taubstummen ist so eine Befreiungstat.
Jesus fordert ihn zur Offenheit auf, er ermutigt ihn: „Öffne dich!“ –
Und er öffnet sich und der so Befreite konnte wieder „richtig reden“.

Das Wunder Jesu lässt auch jene nicht stumm bleiben, die es erlebt haben. Auch sie müssen diese gute Botschaft weiter sagen, selbst wenn Jesus es ihnen ‚verbot.

Sie konnten nicht schweigen über das, was sie gehört und gesehen haben.
Sie mussten einfach diese froh machende Botschaft unter die Leute bringen, denn diese Botschaft geht über alle katastrophalen Nachrichten hinaus.

Und diese Botschaft ist die selbe, die uns heute noch dazu befähigt, in Zeiten, wo die schlechten Nachrichten uns fertig machen könnten, die richtige Rede zu üben, damit die Menschen von heute nicht die Hoffnung verlieren.

Ich wünsche uns allen, dass wir die Hoffnung nicht verlieren, damit auch unsere Seele im Lot bleibt und wir die Freude nicht vergessen.
Ich wünsche uns allen, dass wir immer wieder Gelegenheit haben, diese Frohe Botschaft mit unserem Leben zu bezeugen.


Richtig Reden

Du willst dich im
Reden verbessern, willst ‚richtig‘ reden?

Vielleicht besuchst du Rhetorik-Seminare,
vielleicht nimmst du an Kommunikations-Kursen teil
vielleicht studierst und trainierst du,
was andere dir empfehlen,
vielleicht glaubst du immer noch:
‚richtiges‘ Reden
will gelernt sein.

Doch das richtige Reden,
kann nicht erlernt werden.
Es ist in dir
und muss manchmal
nur aus dem Gefängnis
der Sprachlosigkeit
befreit werden.

Jesus sah,
was im Taubstummen
verborgen war.
Mit SEINER Ermutigung
„effata“ – „Öffne dich!“
konnte der Mann sich öffnen

und
das richtige Reden quoll wie eine
Quelle
aus ihm hervor.

( © Gerd Wittka, 3.9.2021)




Beten

Lobpreis – Bitte – Dank

Auf der Suche, mein Beten wirklich zu ‚meinem‘ Gebet werden zu lassen, damit die Wortes des Gebets nahe bei meinen Gedanken, meiner spirituellen Sehnsucht sind, habe ich mehr und mehr das „TE DEUM“ als adäquaten ‚Ersatz‘ für das offizielle Stundengebet der Kirche für mich ent-deckt.

TE DEUM – Ausgabe September 2021 – Quelle: https://www.maria-laach.de/te-deum/

Das TE DEUM bezeichnet sich selber als „Das Stundengebet im Alltag„; und das trifft es für mich.
Hier finde ich Texte aus der Bibel, dem Alten und Neuen Testament, Psalmen, Lesungen und Evangelien.
Hier finde ich aber auch geistliche Impulse zu den Bibelstellen, poetische oder neuzeitliche Lobpreisungen/Hymnen, kurze Gedanken von mehr oder weniger bekannten Menschen und Gebet und Segensbitten in zeitgemäßer, feinfühliger Sprache.

Ich erlebe die Impulse und Gebet als Einladung an mich, weil sie eine sensible Sprache ’sprechen‘, auf die ich mich gut einlassen kann.

Eigentlich habe ich bislang nichts Ähnliches kennen gelernt. Dieses Stundengebetbuch, wird von der Benediktinerabtei Maria Laach und dem Verlag Katholisches Bibelwerk in Verbindung mit der evangelischen Communität Casteller Ring herausgegeben. So ist es im guten Sinne ein ökumenisches Werk.

Immer wieder empfehle ich dieses Gebetbuch gegenüber Menschen, die zu mir zum Gespräch kommen, in geistlicher Begleitung oder die ich durch Zeiten ihrer Krankheit begleite und wenn ich spüre, dass es bei ihnen eine spirituelle Sehnsucht und die Suche nach einem ‚lebendigen Dialog‘ mit Gott gibt.

Quelle: Bild von Jeff Jacobs auf Pixabay

Print-Abo und Online-Beten

Das TE DEUM kann man als Print-Abo bestellen und erhält Mitte eines jeden Monats die neue Ausgabe für den Nachfolgemonat.
Ein Jahresabo kostet in Deutschland knapp € 56,– jährlich.

Verschieden Abos, auch zum Kennenlernen

Damit man nicht „die Katze im Sack kauft“, gibt es verschiedene Abos im Angebot. Eine Übersicht darüber finden Sie hier: https://www.maria-laach.de/te-deum-heute/.

Aber auch für jene, die (noch) kein Abo haben möchten, gibt es die Möglichkeit, die tägliche Ausgabe des TE DEUMS online zu lesen und überall dort auch zu beten, wo das Internet zur Verfügung steht.
Die tagesaktuellen Gebete finden sich hier: https://www.maria-laach.de/te-deum-heute/
Gerade diese Möglichkeit empfehle ich allen, die es erst einmal kennen lernen wollen oder die vielleicht nicht jeden Tag dazu kommen, zu beten.

Quelle: Bild von msandersmusic auf Pixabay

Keine eigenen finanziellen oder kommerziellen Vorteile

An dieser Stelle ist es mir ganz wichtig, eindeutig zu versichern, dass ich persönlich selber keine monitären Vorteile von dieser Empfehlung habe.
Ich möchte Sie einfach teilhaben lassen an einer spirituellen Quelle, die mein persönliches Gebetsleben seit Jahren ungemein bereichert und vor der ich überzeugt bin, dass für viele andere Menschen – gleich in welcher Lebenssituation – darin eine Möglichkeit des täglichen spirituellen Impulses liegt, die meinen Lobpreis, meine Bitten und meinen Dank in Worte fassen kann, die ich selber nicht finden kann und die auch für mich selber zum Segen werden.

Ihre Erfahrungen mit TE DEUM

Wenn Sie das TE DEUM kennen oder auch aufgrund dieses Beitrags kennen lernen wollen, dann würde ich mich freuen, wenn Sie mir über Ihre Erfahrungen mit TE DEUM berichten würden.




„Wollt auch ihr weggehen?!“

21. Sonntag im Jahreskreis – C – 2021

Ansprach zur Schriftstelle: Johannes 6,60-69

Liebe Schwestern und Brüder,

es würde mich sehr wundern, würden viele von uns, die wir das heutige Evangelium gehört haben, irgendwann nicht auch auf das Thema „Kirchenaustritt“ und die neuesten Entwicklungen kommen.

Wir könnten leicht versucht sein, dieses Evangelium oberflächlich und 1:1 auf die heutige Zeit zu übertragen.
Wir könnten leicht versucht sein, zu sagen: „Heute ist es ja nicht viel anders als damals. Auch heute verlassen Menschen die Kirche und wollen scheinbar nicht mehr mitgehen.“

Bild von Oliver Fuß auf Pixabay



Aber Vorsicht!
Vielleicht ist das genau zu kurz gedacht.

Schauen wir uns den Text etwas genauer an:
Da gibt es wieder diesen einen Satz, den wir als Schlüsselsatz verstehen dürfen, der uns die Vorzeichen benennt, unter denen wir diesen Text ent-schlüsseln müssen:
„Der Geist ist es, der lebendig macht. Das Fleisch nützt nichts!“

Damit spricht Jesus einen Punkt bei den Juden an, der mit der Frage zusammenhängt, wie ein Mensch Jude bzw. Jüdin wird.
Wesentlich und in erster Linie spielt da die Rolle, ob Mutter oder Vater jüdisch ist. Die Geburt, die Abstammung von den Eltern ist hier also primär maßgeblich. Durch die anschließende Beschneidung tritt ein Junge dann dieser Bundesgemeinschaft bei.

Es gibt also mehr oder weniger einen „Automatismus“ bei der Zugehörigkeit zum Judentum: die Geburt, also „das Fleisch“ ist maßgeblich.

Doch dieses Verständnis kratzt Jesus im heutigen Evangelium an. Nach ihm ist nicht die Herkunft für die Zugehörigkeit maßgeblich, sondern die Gesinnung, der Glaube und die damit einhergehende Entscheidung für den Glauben und für eine Nachfolge Christi.

Diese Tradition des ‚entschiedenen‘ Christen hat sich im Laufe der Kirchengeschichte verfestigt, auch wenn es Zeiten gab, wo der/die einzelne nicht zum Christentum übertrat, sondern: wenn der „pater familias“ zum christlichen Glauben übertrat, dann trat mit ihm „das ganze Haus“ zum christlichen Glauben über, also alle Familienangehörigen, selbst die Sklaven im Haus.

Beziehen wir das heutige Evangelium aber auf die Frage nach Kirchenaustritt und Zugehörigkeit zu Christus, dann lohnt sich ein genauerer Blick auf die Entwicklung in diesem Bereich.

Das veränderte Austritt-Szenario in der Kirche

Als ich vor über 25 Jahren Priester wurde, konnte man im großen und ganzen berechtigterweise die These vertreten: Wer aus der Kirche austritt, vollzieht damit nur den letzten Schritt. Vorausgegangen waren zumeist schon eine längere innere und äußere Loslösung von der Kirche und evtl. sogar auch vom christlichen Glauben.
Der Kirchenaustritt erschien damals zumeist als logischer Schritt einer inneren oder auch geistlichen Entfernung von christlichem Glauben und von der Kirche.
Für uns Seelsorger:innen hieß das auch zumeist: „Der Zug ist abgefahren!“. So schnell würde man diese Menschen nicht wieder zurück gewinnen können. Mit diesen Menschen müsste man den Glaubensweg wieder neu starten.

In den letzten Jahren können wir – auch unter dem Einfluss des Skandals über sexuellen Missbrauch in der Kirche und durch kirchliche Mitarbeitende und auch das starre hierarchische Handeln der Kirche – aber eine andere Entwicklung feststellen.
Menschen sind verärgert, frustriert und verletzt, wie unsere Kirche mit bestimmten Themen umgehen.
Darunter sind sogar Menschen, die sich bis zum eigentlichen Austritt teilweise persönlich und sehr engagiert in der Kirchengemeinde eingebracht haben, z.T. in verantwortlichen Aufgaben und Positionen in Gremien oder als Ehrenamtliche in der Verkündigung (Kommunionhelfer:innen, Lektor:innen, Messdiener:innen, ….).

So höre ich in letzter Zeit häufiger folgende oder ähnliche Statements: „Ich trete aus der Kirche aus, aber ich bleibe ‚katholisch‘!“ oder „Ich trete aus der Kirche aus, aber ich bleibe nach wie vor überzeugte/r Christ:in!“

Christ:in sein – ohne Kirche?

Ich will jetzt gar nicht die theologische Frage stellen zwischen überzeugtem Christentum und ‚Zugehörigkeit zur Kirche‘. Aber diese Beobachtungen lassen eine weitere Frage aufscheinen:

Bedeutet Zugehörigkeit zu Christus gleichzeitig Zugehörigkeit zur Kirche? Oder: kann ich auch als ausgetretene/r Katholik/in auch weiterhin katholisch und Christ:in sein?

Viele von denen, die formal aus der Kirche ausgetreten sind, beantworten diese Fragen sehr klar, entschieden und eindeutig mit: „Ja!“

Ich finde, dass ist ernst zu nehmen. Denn sie sagen damit: Mein Christsein und mein Kirchesein wird nicht in erster Linie geprägt von einer formalen Mitgliedschaft zu einer Kirche, zu der ich vielleicht sogar eher unfreiwillig, d.h. durch die Entscheidung der Eltern (also dem „Fleische nach“?) gekommen bin.
Mein Verständnis von Christsein und Kirchesein ist entscheidend von meiner eigenen Entscheidung her zu verstehen, also von dem, was meinem Geiste als freie Entscheidung entspringt.

Bild von Holger Schué auf Pixabay

Mir ist klar, dass manche Dogmatiker:innen jetzt heftig die Stirn runzeln werden. Aber das ist für mich zweitrangig.
Für mich ist viel wichtiger, diese Geisteshaltung dieser Menschen ernst zu nehmen, denn dahinter verbirgt sich was ganz Wertvolles: sie haben nicht abgeschlossen mit dem christlichen Glauben, sie haben nicht abgeschlossen mit der christlichen Gemeinschaft. Sie haben oft nur abgeschlossen mit einer organisatorischen Institution, die ihnen oft so widersinnig erscheint: widersinnig im Hinblick auf den christlichen Glauben.

Und: sie haben ihr Bekenntnis zu Jesus Christus dadurch erneuert.
Sie sagen damit: Christus und der Glaube an ihn und seine Botschaft spielen in meinem Leben weiterhin ein große Rolle. Die Worte Jesu und seine Botschaft sind für diese Menschen weiterhin „Geist und sind Leben“.
Ihr Leben würde ohne den christlichen Glauben, ohne die Zugehörigkeit zu Christus, ohne christliche Nachfolge, leer sein.

„walking to the sky“ – Bild von Zorro4 auf Pixabay

Sie antworten auf die Frage des Herrn: „Wollt auch ihr gehen!“ auch heute wieder: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Wortes des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“

Wenn wir diesen Gedanken an uns heranlassen und ihn zulassen, dann wird aber zwangsläufig eine weitere Frage auftauchen:

Wie ist es mit uns, die wir (noch) in der Kirche geblieben sind?
Wo sind wir (nur noch) „dem Fleische nach“ Christ:innen? Und wo und wie könnten wir mehr und bewusster „dem Geiste nach“ Christ:innen sein und glaubwürdiger werden; dem Geiste nach, der uns (wieder) lebendig macht?

Formales Christentum, formale Zugehörigkeit zur Kirche ist wertlos.

Dem Geiste nach zu Christus zu gehören ist wesentlich, ob als Mitglied der Kirche oder nicht (mehr).




Labyrinth

Foto: www.pixabay.com

Labyrinth

Ein Labyrinth ist

kein Irrweg

es gibt keine ‚falschen‘ Wege
man wird sich nicht verlaufen
es gibt keine Sackgassen.

Vieles an einem Labyrinth ist

scheinbar

scheinbar führt der Weg manchmal direkt zum Ziel
scheinbar bewege ich mich kein Stückchen weiter auf das Ziel zu
scheinbar entferne ich mich sogar manchmal vom Ziel

scheinbar

Labyrinth von Chartres, Quelle: www.pixabay.com

sicher ist

der Weg eines Labyrinths
führt
immer
zum

Ziel!

( © Gerd Wittka, 16.08.2021)




LIEBE – segenswert!

Ansprache zum ökumenischen Gottesdienst zum Ruhrpride in Essen am 06.08.2021 in der evangelischen Marktkirche in Essen.

Predigtgrundlage bilden der Psalm 67 und 1. Johannes 4, 7-13

Vor dem Beginn des ökumenischen Gottesdienstes, Foto: Gerd Wittka, 2021

Das diesjährige Thema dieses ökumenischen Gottesdienstes zum Ruhrpride 2021 ist nicht neu, aber brandaktuell.
Nicht zuletzt auch wegen einer Entscheidung aus dem Vatikan, also meiner Kirche, dass nicht alle Paargemeinschaften, darunter auch homosexuelle Paare in einer kirchlichen Feier gesegnet werden dürfen.
Zu Recht hat es deshalb einen regelrechten Aufstand gegen diese Erklärung gegeben.

Wir hier in Essen wissen, dass der Bischof von Essen Franz-Josef Overbeck und sein Generalvikar Klaus Pfeffer zu den Äußerungen aus Rom eine deutlich ablehnende Haltung einnehmen. So können auch in der römisch-katholischen Kirche des Bistums Essen Segensfeier für homosexuelle Paare stattfinden.

Wir aus dem Vorbereitungskreis sagen ohne Abstriche und einmütig: „Liebe ist segenswert“

Und ich finde, die Gründe dafür sind auf unserer Seite.

Aus dem Vatikan verlautete, dass die Kirche homosexuelle Paare nicht segnen könne.

Provokant möchte ich sagen: in gewisser Hinsicht stimmt es sogar.
Denn: Gott segnet!

In den kirchlichen Segensfeiern bitten wir Gott um SEINEN Segen.
Dies wird auch sehr schön in dem Psalm 67 deutlich, den wir ziemlich zum Anfang gehört haben.

Da bittet der Beter Gott darum, dass ER SEINEN Segen spenden möge: „Gott schenke uns seine Gnade…“ so heißt es da gleich am Anfang.
Und diese Gnade besteht darin, dass er sein Angesicht bei uns leuchten möge.
Das bedeutet nichts anderes, als dass Gott selber bei uns bleiben möge und mit seiner Gegenwart unser Leben erhellt und zum Leuchten bringt.

Gottes Gnade ist Segen für uns. Und dieser Segen sorgt dafür, dass wir leben und lieben können. Im Alten Testament steht dafür der Begriff „Recht“. Dieses Recht ist aber göttliches Recht, welches nur eine Absicht verfolgt: dem Menschen Heil und Heilung zu spenden.

Der Segen Gottes, den wir also immer wieder erbitten, ist der Segen darum, dass die lebensspendende und lebenssichernde Ordnung Gottes auch für uns wahr wird.

Vor der evangelischen Marktkirche – Rainbow-Flags laden zum Gottesdienst ein. Foto: Gerd Wittka, 2021

Konkret drückt der Beter das im Bild der reichen Ernte aus.
Dies ist sicherlich sehr konkret auf die Landwirtschaft bezogen.

Heute dürfen wir dieses Bild der Ernte umfassender verstehen: all das ist damit gemeint, wo wir in unserem Leben etwas neu beginnen, wo wir an etwas mitwirken wollen, wo wir uns mit Liebe einbringen in Beziehungen:
in alltäglichen Begegnungen und deren Beziehungen,
in Beziehungen zu Familienangehörigen, zu Freund:innen
aber auch in exklusiven Beziehungen einer Partnerschaft.

Sie alle stehen unter der Gnade Gottes. Der Wille Gottes, dass allen Menschen Heil widerfährt, ist grenzenlos; dafür gibt es viele Hinweise im Alten Testament.

Unsere Welt wird da heil, wo wir in einer liebevollen Welt leben und in liebevollen Beziehungen.
Liebevoll heißt hier für mich, dass es nicht an uns allein hängt, ob diese Liebe gelingt. Sie ist auch Wirken Gottes, des Heiligen Geistes. Insofern dürfen wir Gott auch darum bitten, wie wir es in Segensfeiern fröhlich tun.

Weil die Liebe heilsam sein kann, deshalb lädt uns der 1. Johannes-Brief ein, einander zu lieben.

Denn, wer liebt, ist ganz eng im Bunde mit Gott.
Der Verfasser des Johannesbriefes ist felsenfest davon überzeugt, dass alle Formen der Liebe in Gott ihren Ursprung haben, „denn die Liebe kommt von Gott“ und später sagt er sogar: „Denn Gott ist LIEBE.“

Wo Menschen lieben, wird also diese göttliche Liebe sichtbar, gegenwärtig.
Das erhebt jede liebende, respektvolle und fürsorgliche Partnerschaft auf Augenhöhe zu einer besonderen Würde.

Immer wieder wird versucht, der Liebe diese Würde abzusprechen, wo man sich weigert, für diese Liebe den Segen Gottes zu erbitten.

Das ist völlig absurd, denn anstatt sich zu freuen, auch sich mit diesen Paaren zu freuen, die sich in Liebe binden wollen, wird versucht, diese Liebe zu degradieren und diese Verbindungen schlecht zu reden, oder sie sogar mit Attributen wie „Gottlosigkeit“ zu diffamieren.

Gegen solches Gedankengut steht das Wort der heutigen Lesung, welches uns zusagt: wir sind und bleiben mit Gott verbunden, wenn wir einander lieben.

Mir ist es wichtig, noch einmal diese wertschätzenden Worte aus dem Johannes-Brief am Ende der Lesung zu zitieren:

„Aber wenn wir einander lieben, bleibt Gott mit uns verbunden.
Dann hat seine Liebe in uns ihr Ziel erreicht.
Gott hat uns Anteil gegeben an seinem Geist.
Daran erkennen wir, dass wir mit ihm verbunden sind und er mit uns verbunden bleibt.“

Deshalb gilt unverbrüchlich, was wir als Thema dieses Gottesdienstes gewählt haben:
„Liebe (ist) segenswert“ – nicht ‚Punkt‘ sondern ‚Ausrufezeichen‘.


Es gilt das gesprochene Wort.