Der ‘Synodale Weg’ der römisch-katholischen Kirche in Deutschland

Bild von Arek Socha auf Pixabay

Was ist der ‘synodale Weg’ ?

Die katholische Kirchenzeitung im Bistum Münster “Kirche und Leben” hat auf einer eigenen Internetseite sehr gut die einzelnen Fragen und Themen rund um den ‘synodalen Weg’ aufgegriffen und kurz und gut verständlich erklärt: https://www.kirche-und-leben.de/artikel/synodaler-weg-was-ist-das-fragen-und-antworten/ 

Was sind die Gründe für den ‘synodalen Weg’ ?

Letztendlich entscheidend sind die Ergebnisse der MHG-Studie zum Missbrauch im Raum der Kirche.
Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich in ihrer Vollversammlung in Lingen vom 10. bis 12. März 2019 mit 62 Ja-Stimmen und vier Enthaltungen für einen gemeinsam mit dem ZdK durchzuführenden „Synodalen Weg“ zur Befassung mit drei Themenkomplexen in Konsequenz der strukturellen Veränderungen als Ergebnis der MHG-Studie zum Missbrauch im Raum der Kirche entschieden. (vgl. https://www.zdk.de/veroeffentlichungen/reden-und-beitraege/detail/Synodaler-Weg-Leitantrag-des-Praesidiums-424e/)



[Die MHG-Studie bezeichnet das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ („MHG-Studie“). Es handelt sich dabei um ein in “…Konsortium aus verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen. Dazu gehören das Zentralinstitut für seelische Gesundheit (Mannheim), das Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg, das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg und die Professur für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Universität Gießen. Aus den drei Ortsnamen Mannheim – Heidelberg – Gießen ist die Abkürzung MHG zusammengesetzt.” (vgl. https://www.dbk.de/themen/sexueller-missbrauch/faq-mhg-studie/ )]

Um welche Themenkomplexe geht es dabei?

(vgl. https://www.dbk.de/themen/der-synodale-weg/ )

Vier Foren werden die Themenkomplexe dieses synodalen Weges bearbeiten. Das sind die Foren:

  • Macht und Gewaltenteilung in der Kirche
  • Sexualmoral
  • Priesterliche Lebensform
  • Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche

Das ZdK formuliert dabei ganz konkrete Forderungen, die beim synodalen Weg behandelt werden sollen:

  • Trennung von Exekutive (Gesetzgebung)  und Judikative (Rechtsprechung) im Kirchenrecht. Wir fordern eine unabhängige kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit für den Bereich der Deutschen Bischofskonferenz.
  • Um eine umfassende Transparenz zu schaffen und der von Papst Franziskus beschriebenen Klerikalisierung entgegenzuwirken ist eine gleichberechtigte Teilhabe von Laien und Geweihten an Leitung von Kirche zu schaffen.
  • Frauen und Männer in Kirche gleich zu stellen und daher Frauen Zugang zu allen kirchlichen Ämtern zu gewähren.
  • Sich aktiv dafür einzusetzen, den Pflichtzölibat abzuschaffen.
  • In der kirchlichen Sexualmoral die vielfältigen Lebensformen und Lebenswirklichkeiten positiv anzuerkennen.
  • Entwicklung einheitlicher Standards bei der Ausbildung für den priesterlichen Dienst auf der Ebene der Deutschen Bischofskonferenz.
  • die Verantwortung und Entscheidungskompetenz aller Getauften und Geweihten auf allen Ebenen für die Kirche zu verwirklichen.

(vgl. https://www.zdk.de/veroeffentlichungen/reden-und-beitraege/detail/Synodaler-Weg-Leitantrag-des-Praesidiums-424e/  )

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Warum ist der synodale Weg so wichtig für die Kirche in Deutschland?

„Es geht darum, Vertrauen wieder aufzubauen, um glaubwürdig evangelisieren zu können: Es geht um die Frage, wie wir Menschen davon überzeugen, dass es bereichernd ist, zu glauben.“ (Thomas Sternberg, Präsident des ZdK, vgl. auch: https://www.kirche-und-leben.de/artikel/zdk-zu-reformprozess-der-kirche-vertrauen-wieder-aufbauen/ )

Kritiker des synodalen Weges

Aus den Reihen der Deutschen Bischofskonferenz gibt es aber auch Kritiker zum synodalen Wegen. Unter ihnen der Regensburger Bischof Voderholzer, der sich nur mit Vorbehalt an diesem Weg beteiligen will. vgl. https://www.kirche-und-leben.de/artikel/voderholzer-wirft-synodalem-weg-pseudowissenschaftlichkeit-vor/
Auch der Erzbischof von Köln, Kardinal Woelki,  wird sich nur distanziert am Dialog des synodalen Weges beteiligen. (s.o.)

Synodaler Weg ./. Einheit der Kirche ?

Inhaltlich wird nicht selten von KritikerInnen des synodalen Weges vorgehalten, dass dieser Weg gegen den Einheitsgedanken der römisch-katholischen Kirche stehe. 

Dem entgegnet der in Münster lehrende Moraltheologe Daniel Bogner, das dem eine irreführende, unrealistische und weltfremde Vorstellung von Einheit zugrunde liege.

“… „Die Kirche steht mit dem Rücken zur Wand“, erklärte der Moraltheologe. Sie müsse daher auch auf die systemischen Gründe der Missbrauchskrise schauen. Ziel des Synodalen Weges sei nicht, „in erster Linie den Glauben zu neuer Blüte zu führen“. Vielmehr sei er eine Antwort auf die Faktoren, die den Missbrauchsskandal begünstigt hätten.

Bogner findet es nicht verwunderlich, dass es in der Deutschen Bischofskonferenz zum Synodalen Weg auch von der Mehrheit abweichende Voten gibt. „Nur in der Kirche wundert man sich immer, wenn man nicht 100 Prozent Einigkeit hat“, meinte der Theologe. „Es gehört zum Problem der Kirche, dass sie eine Vorstellung von Einheit hat, die irreführend, unrealistisch und weltfremd ist.“

Der Moraltheologe unterstrich, man sollte nicht jede teilkirchliche Bemühung um Aufbruch und Verändern mit dem Totschlag-Argument Weltkirche ausbremsen. Vielmehr könnten die Teilkirchen innovative Vorschläge machen – „anderswo sagt man best practice“ – und innerhalb der Weltkirche sagen: Wir möchten, dass darüber diskutiert wird….”
Quelle: https://www.kirche-und-leben.de/artikel/theologe-bestimmte-einheitsvorstellungen-der-kirche-sind-irrefuehrend/

Bild von LuckyLife11 auf Pixabay

Warum ich persönlich den ‘synodalen Weg’ in Deutschland für unverzichtbar halte:

  • Den Opfern und Betroffenen von sexueller und spiritueller Gewalt durch kirchliche Mitarbeiter geschuldet.

Der sogenannte “Missbrauchs-Skandal” hat nur das ins öffentliche Bewusstsein und in die öffentliche Diskussion gezerrt, was seit Jahrzehnten, wenn nicht sogar seit Jahrhunderten an Verbrechen geschehen ist.
Die Opfer sind im überwiegende Maße Kinder, Jugendliche und Schutzbefohlene.
Doch der Kreis der davon Betroffenen geht noch darüber hinaus, denn auch Eltern, Familienangehörige und Freunde dürfen und müssen als Betroffene gelten, wenn sie schuldlos die Opfer nicht in Schutz nehmen konnten und später selbst auch unter großen Schuld- und Versagensgefühlen leiden.

Wie die MHG-Studie zeigen konnte, fällt auf die Kirche und kirchliche Amtsträger große Verantwortung und Schuld, wenn sie Täter geschützt, Opfern nicht geglaubt und eine Strafverfolgung vereitelt haben.

Dieses wurde nicht selten auch begünstigt durch strukturelle Gegebenheiten oder durch ein falsch verstandenes Kirchenbild, nach dem die Kirche nach außen hin gerne ohne Fehl und Makel verkauft wurde.

Die Machtstrukturen in der Kirche, die geprägt sind von Oberen und Untergebenen, von Treue und Gehorsam und deren missbräuchliche Interpretation begünstigten solche Verhaltensweisen, wodurch die Opfer immer wieder und mehrfach auch nach den eigentlichen Taten zu Opfern wurden.

Die fehlende Unterstützung und Hilfeleistung den Opfern gegenüber verschärfte dabei das Leid und die oft auch traumatischen Lebensumstände, unter denen die Opfer über Jahre und Jahrzehnte leben mussten.

Der ‘synodale Weg’ mit seinen Fragen zur Machtstruktur und zu Fragen der Macht- und Gewaltenteilung in der Kirche (auch im Hinblick auf die Gesetzgebung, die Rechtsprechung und die Exekutive) ist ein notwendiger Prozess, um bisherigen Opfern Recht und Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und zukünftig eine wirksame Prävention und eine gute Abwehr und wirksame Strafverfolgung zu garantieren.

Das zuvor beschriebene strukturelle Versagen der Kirche, dass auch begünstigt wird durch eine falsch verstandene hierarchisch-verfasste Kirche, ist nur möglich, weil es eine besonders privilegierte Gruppe in der Kirche gibt, die neben dem geistlichen Amt auch noch mit besonderer weltlicher Macht ausgestattet ist. 

Wird diese Macht theologisch überhöht, entwickelt sich ein schädlicher Klerikalismus.
Diese strukturelle Prägung der Kirche hat nachweislich auch historisch-machtpolitische Ursachen. (vgl. z.B. die Konstantinische Wende).

Dabei wissen wir auch, dass gerade in den Anfängen der Kirche es in breitem Maße Gemeindestrukturen gab, die presbyterial verfasst waren und nicht durch ein Weiheamt (Ordo) mit seinem Anspruch auf apostolische Sukkzession geprägt waren.
Der Jakobus-Brief berichtet darüber und diese Schriftstelle hat gerade auch beim Sakrament der Krankensalbung eine herausragende Bedeutung.

Die Rückbesinnung darauf, dass Kirche anfangs nicht nur streng hierarchisch, sondern zugleich auch eine breitere presbyteriale Verfassung kannte, kann uns heute zur theologischen Begründung dienen, diese frühchristliche Kirchenstruktur für eine Kirche der Zukunft wieder zum Recht zu verhelfen.

  • Aus Respekt und Achtung den Nicht-Klerikern in der Kirche gegenüber als ein vom Heiligen Geist erfüllten Volk Gottes und in der einen, gemeinsamen Sendung.

Jesus Christus hat nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt seinen Jünger*innen einen Beistand zugesagt, der für immer bei ihnen bleiben wird, den Heiligen Geist

In den Initationssakramenten (Taufe, Eucharistie und Firmung) bekennen wir uns in der Kirche dazu, dass wir alle – als Einzelne und als Kirche als Ganzes – Träger*innen des Heiligen Geistes sind.

Im Vatikanum II wurde daraus auch das Verständnis vom “allgemeinen Priestertum aller Gläubigen” abgeleitet. 

So gibt es also in dieser Hinsicht zwischen ordinierten Personen und nicht-geweihten Personen in der Kirche keinen wesentlichen Unterschied, was , denn wir alle sind “Schwestern und Brüder in Christo” (vgl. Matthäus 12, 48-50). 

Der wesentliche Unterschied zwischen Weiheamt und Nicht-Klerikern kann aber keine theologische Begründung dafür sein, die Verantwortung für einen ‘synodalen Weg’ allein bei den geweihten Mitgliedern der Kirche anzusiedeln. 

Die Mitverantwortung der Laien muss deshalb auch faktisch sein und sich in einer praktischen Mitverantwortung und einem Mitentscheidungsrecht und einer Mitentscheidungspflicht der Laien widerspiegeln. ‘

Dabei ist die Einsicht selbstverständlich, dass gerade aus den Reihen der Laien viele hochqualifzierte und fachkundige Frauen und Männer zu finden sind, die die Kirche gerade auch für ihre geistliche Sendung nötig hat und auf die sie nicht verzichten darf.

  • Aus Respekt und Achtung vor der Gleichwertigkeit der Frau in Gesellschaft und Kirche.

In Folge der Aufklärung und der europäischen Frauenbewegung des 18. und 19. Jahrhunderts ist in der modernen Welt die Überzeugung entstanden, dass die Frau dem Mann gleichwertig und gleichberechtigt ist.
Dies bezieht sich auf alle Bereiche sozialen und politischen Lebens.

Die geschlechtlichen Unterschiede können dabei nicht zu einer Auf- oder Abwertung des einen oder anderen Geschlechts herangeführt werden.

In viele Verfassungen und Gesetzen hat diese Erkenntnis auch rechtsstaatlich ihren Niederschlag gefunden.

Aber in der römisch-katholischen Kirche sind bestimmte Aufgaben nur einer Geschlechtsgruppe – nämlich den männlichen Mitgliedern der römisch-katholischen Kirche – vorbehalten. 

Angesichts der Spannung, die Christ*innen in diesem offensichtlichen Widerspruch zwischen gesellschaftlicher und politischer Realität einerseits und kirchlicher Realität andererseits erleben, empfinden sie die Stellung und Rolle der Frau in der Kirche gegenüber ihren männlichen Geschlechtsgenossen zu Recht als diskriminierend.

Notwendigerweise fragen sie sich auch, ob dies irgendwie mit dem Lebenszeugnis und der Lehre Jesu Christi begründet werden kann?

Unter Berücksichtigung der damaligen gesellschaftlichen und politischen Stellung der Frau, die ja auch überwunden wurden, wird man heute mit Fug und Recht nicht mehr behaupten können, Jesus Christus würde auch heute – und den geänderten politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten – an einer nachgeordneten Stellung der Frau gegenüber dem Mann festhalten. 

Deshalb sind die Anfragen z.B. der Kampagne “Maria 2.0” in heutiger Zeit zutiefst gerechtfertigt, und die Frauen in der Kirche habe ein Recht darauf, dass ihre derzeitige Rolle und Position in der Kirche hinterfragt und den Realitäten der heutigen Zeit angepasst wird.

Die diversen theologisch-dogmatisch-kritischen Anfragen aus den akademischen Kreisen zeigen, dass das ‘Basta’ in der Kirche sich nicht zweifelsfrei auf dogmatische Aussagen zurückziehen kann, da der Gang der Kirche durch die Geschichte ebenso zeigt, dass sich die Kirche gerade in Fragen des Amtes immer wieder verändert und ggfs. erneuert hat.

Ich verweise z.B. nur auf die Veränderung des Bischofsamtes (die Möglichkeit Fürstbischof sein zu können ohne Priesterweihe) oder auch die Veränderung des Klerikerstandes von den verschiedenen Weihestufen, die früher nicht nur diese drei (Diakon, Priester, Bischof) waren.

  • Aus Anerkennung der modernen empirischen Forschungen und deren allgemein anerkannten Ergebnisse in der Sexualforschung.

Betrachtet man die empirischen Erkenntnis verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen in der Sexual- und Genderforschung, entsteht zu Recht der Eindruck, dass diese modernen Erkenntnisse in der Sexuallehre der römisch-katholischen Kirche zum Teil völlig außer Acht gelassen werden.
Dies gilt z.T. auch noch immer beispielsweise für die Haltung und den Umgang mit Homosexualität.

Die fehlende Akzeptanz der Ergebnisse verschiedener Disziplinen (beispielhaft seien hier nur Anthropologie, Medizin, Psychologie, Soziologie, Biologie, … genannt) offenbart einmal mehr die Diskrepanz zwischen modernen Forschungsergebnissen einerseits und der lehramtlichen Haltung der römisch-katholischen Kirche andererseits in diesem Themenkomplex.

Dies führt aber auch – und das macht es so schlimm – z.B. bei homosexuellen Menschen zu Diskriminierung. Die Folgen daraus können fatal sein.

Der ‘synodale Weg’ in Deutschland bringt hingegen die Chance mit sich, dass sich die Kirche diesen aktuellen und grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen stellt und dies auch in ihrer Theologie und pastoralen Praxis mit berücksichtigt.

  • Als folgerichtige Fortschreibung der Theologie des Vat. II, der Würzburger Synode und den Verlautbarungen von Papst Franziskus zum zukunftsorientierten synodalen Weg der Gesamtkirche.

Bereits im Oktober 2015 hat der derzeitige Papst Franziskus unmissverständlich darauf aufmerksam gemacht, dass die Kirche der Zukunft eine synodale Kirche sein wird.
Diese Aufwertung der Ortskirchen hat auch ganz konkrete Anfragen und Folgen für einen solchen ‘synodalen Weg’, wie ihn die deutschen Bischöfe und das ZdK mit den Katholik*innen in Deutschland gehen wollen.

Dieser ‘synodale Weg’ ist damit keine neue ‘Würzburger Synode’, sondern die angemessene Umsetzung dessen, was bereits über die Kirche und die Kollegialität im Vat. II niedergeschrieben und in der ‘Würzburger Synode’ für Deutschland konkret heruntergebrochen wurde.
-> https://www.katholisch.de/artikel/6655-das-dritte-jahrtausend-braucht-eine-synodale-kirche 

Fazit:

Den ‘synodalen Weg’, der nun also in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland beschritten wird, halte ich für unverzichtbar.

Ihn zu kritisieren oder gar abzulehnen, ohne die Ursachen und Umstände auch nur zu erwähnen oder auch zu berücksichtigen, die zu diesem ‘synodalen Weg’ geführt haben, ist eine Missachtung derer, die sich mit aller Ernsthaftigkeit und persönlicher Spiritualität in diesen Prozess einbringen wollen!

Zu allerletzt möchte ich noch daran erinnern, dass die Forderung nach Reformen in der Kirche zumeist dann auf kamen, wenn die Kirche große historische Fehler begangen hat, z.B. durch weltlichen und geistlichen Machtmissbrauch.

Auch heute erkennen wir, dass die römisch-katholische Kirche in Deutschland und weltweit viele und ungeheuerlich große Fehler gemacht und dadurch unsäglich viel Schuld auf sich geladen hat.

Die Menschen, ob in oder außerhalb der Kirche, fordern deshalb zu Recht, dass die Kirche sich dieser Schuld stellt und ihrer Verantwortung gerecht wird.

Sollte sich die Kirche – in Teilen oder auch im Ganzen – diesem Prozess versagen, wird das erheblich Konsequenzen haben.

Denn schon jetzt erkennen wir, dass die Menschen heute so nicht mehr mit sich umspringen lassen, sondern ‘mit den Füßen’ abstimmen.

Von daher werde ich alle Initiativen unterstützen, die bereit sind, sich mit und in der Kirche auf den Weg ins 21. Jahrhundert zu machen; einer Kirche, die sich ihrer Sendung von Christus her wieder bewusster wird.

Weiterführende Links:

https://www.kirche-und-leben.de/nc/themen/themenbereich/Synodaler+Weg/

https://www.zdk.de/ueber-uns/unsere-arbeit/synodaler-weg/

https://www.kirche-und-leben.de/nc/themen/themenbereich/Synodaler+Weg/

https://www.deutschlandfunk.de/katholische-kirche-in-deutschland-aufbruch-aufstand-abbruch.2540.de.html?dram:article_id=458592

https://www.mariazweipunktnull.de/



Über die Barmherzigkeit Gottes

Predigt zum 24. Sonntag – C – 2019

Bild von Jeong Eun Lee auf Pixabay

zu Lukas 15, 1- 32

Vor fast genau vor drei Jahren stand ein Artikel auf der Homepage von www.katholisch.de, der mit diesen Worten begann:
„Barmherzigkeit schafft nach Aussage von Papst Franziskus die Sünde nicht ab. Einen Sünder zu verurteilen, sei nicht deshalb verkehrt, weil es keine Sünde gebe, sondern weil dies das brüderliche Band zerstöre und die Barmherzigkeit Gottes verachte, (…). Gott wolle auf keines seiner Kinder verzichten. (…)
Innerkirchliche Kritiker des Papstes beanstanden immer wieder, dass er mit seiner Auffassung von Barmherzigkeit die Sünde abschaffe. Franziskus bezog sich bei seinen Äußerungen auf den Evangelien-Vers „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist“.

Quelle: https://www.katholisch.de/artikel/10588-papst-barmherzigkeit-schafft-die-suende-nicht-ab



Die Fülle biblischer Gottesbilder

So oder anders gibt es immer wieder kritische Stimmen, auch aus dem innersten Kreis unserer Kirche selbst, die meinen, die Barmherzigkeit Gottes würde in unserer Zeit überbetont.

Nach biblischem Zeugnis sei Gott noch viel mehr als nur barmherzig. Er sei auch streng, zornig, rachsüchtig, eifersüchtig und würde in der Bibel auch als strafender Richter in Erscheinung treten, der bisweilen sogar nicht davor zurückschrecke, Unheil über die Menschen zu bringen (→ Sintflut, …).

Ja, dieser Einwand ist berechtigt und richtig.
Die Bibel schildert uns die vielfältigsten Seiten Gottes, die manchmal sogar widersprüchlich anmuten.

Die Frage ist also, wie wir damit umgehen können?

Ich glaube, es ist hilfreich und gut, wenn uns ein bestimmtes Gottesbild einen besonders guten Zugang zum personalen Gott unseres Glaubens ermöglicht.
Und Jesus selbst hat uns die verschiedenen Facetten des göttlichen Vaters vor Augen gestellt.

Und es ist nicht verwerflich, die persönliche Beziehung zu Gott mithilfe eines bestimmten – wenn auch nicht vollständigen – Gottesbildes zu erleichtern.

Von hilfreichen und ‚gefährlichen‘ Gottesbildern

Für Jesus war es das Verständnis vom ‚Vater‘.
Auch das ist ja nicht immer hilfreich; ich denke z.B. an jene Menschen, die in ihrem konkreten Leben einen schlechten Vater erfahren haben. Ich denke da z.B. an Kinder, die von ihrem Vater Gewalt erfahren oder durch ihn misshandelt wurden.
Ihnen wird es besonders schwer fallen, über das Bild des Vaters eine gute persönliche Gottesbeziehung aufbauen zu können.

Welcher Zugang ist ‚heilsam‘?

Heute bietet uns Jesus – und das sehr detailliert – das Bild des barmherzigen Vaters an.
Und das hat seinen guten Grund.
Ich bin davon überzeugt: Jesus hätte dieses Bild nicht in einem solchen ausführlichen Gleichnis entwickelt, wenn er nicht gespürt hätte, dass die Menschen seiner Zeit dieses Bildes besonders bedurften.

Und wir heute?
Auch heute leben wir in einer Zeit, wo der „barmherzige Vater“ für uns ein heilsamer und segensreicher Zugang zu Gott sein kann.
Diesen Zugang sollten wir nutzen.

Gott ist nichts gleich-gültig

In diesem Zusammenhang ist wichtig, zu betonen, dass das Bild vom „barmherzigen Vater“ ja nicht dem Verständnis unterliegt: wir können machen und tun, was wir wollen, Gott nimmt es nicht so genau und wird uns schon alles durchgehen lassen.

Eine solche Sichtweise ist nämlich mit dem heutigen Gleichnis auch nicht zu begründen.

Schauen wir deshalb noch mal genauer hin.
Wann erfährt der eine Sohn, der ‚ausgewandert‘ ist und sein Erbe verschleudert hat, die barmherzige Liebe seines Vaters?

Doch
• erst, nachdem er – als er mitten im persönlichen Schlamassel steckte – erkennt, was er da getan hat;
• erst, nachdem er in sich gegangen ist und sein Verhalten selbstkritisch reflektiert hat;
• erst, nachdem er erkannt hat: ich muss den Weg der Umkehr – zurück – zu meinem Vater gehen.

Vor aller barmherzigen Liebe steht also mindestens auch ein genau so wichtiger und entscheidender Beitrag des vermeintlich ‚verlorenen Sohnes‘.

Er ist den Weg der inneren kritischen Auseinandersetzung mit sich selbst gegangen und die Erkenntnis, die er daraus gewonnen hat, zeigt ihm, dass ihn jetzt nur noch die Liebe des Vaters retten kann.

Auf die Liebe des Vaters vertrauend, verliert der Sohn nicht sein Gesicht, sondern erhält so das frühere Ansehen von seinem Vater in vollem Maße zurück.

Wenn das kein Grund ist, das Bild vom ‚barmherzigen Vater‘ als persönlichen Zugang zu meiner Gottesbeziehung zu nutzen?!




Eintracht und Segen

Psalm 133, 1.3

Gewidmet meinen lieben Brüdern Thomas, Michael, Jörg, Eric (+), Andy!




„Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er…“ (Hebr. 12, 6)

Am 21. Sonntag im Jahreskreis des Lesesjahres C wird uns in der zweiten Lesung ein Text aus dem Hebräer-Brief vorgelegt: Hebr. 12, 5-7.11-13.
Dieser Text ist für heutige Menschen eher verstörend, passt er doch so gar nicht in ein Verständnis heutiger moderner Erziehungsmethoden.
Und auch das Gottesbild, dass dort präsentiert wird, mag nicht so recht in das Bild eines Gottes passen, der seine Kinder liebt.
Zugleich ist dieser Text gesetzt und für mich als Prediger eine Herausforderung, der ich mich – auch aus professioneller und spiritueller Hinsicht – stellen will und muss.
Heute möchte ich zu dieser Textstelle meine Predigt-Gedanken präsentieren.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie meine Zeilen und Gedanken lesen und mir gerne Ihre Gedanken dazu schenken würden.



Anstiftung zur Züchtigung?

Tut mir leid, liebe Schwestern und Brüder,
aber in meinen Ohren hören sich die Worte der heutigen Lesung echt grauenvoll an.
„Wen der Herr liebt, den züchtigt er!“ – das ist schon fast ein geflügeltes Wort und galt – gerade auch in früherer Zeit – als moralische Legitimation, dass Eltern ihre eigenen Kinder züchtigten. Das bedeutet, dass sie ihnen körperliche Gewalt antaten mit der Absicht oder Überzeugung, damit ihre Kinder zu guten Menschen erziehen zu können.

Für unser heutiges Verständnis ist es schon ein starkes Stück, dass ein biblischer Text für die körperliche Gewalt gegenüber Kindern herhalten muss.

Aber es wundert doch nicht, denn schließlich malt Paulus hier ein Bild von Gott, der es selbst als angemessen hält, seine „Kinder“ zu züchtigen, in dem er sie zurechtweist und sie „schlägt mit der Rute“.

Kommen dem einen oder der anderen von uns da nicht eigene Gedanken oder Erinnerungen hoch. Erinnern sie – gerade vornehmlich die Älteren unter uns – sich nicht noch an Zeiten, wo auch unsere Eltern oder Großeltern Schläge oder die verniedlichende „Backpfeife“ als adäquates Erziehungsmittel hielten?!

Heute gibt es mehrheitlichen Konsens, dass die Züchtigung von Kindern kein angemessenes Mittel ist.
Heute herrscht die Überzeugung vor, dass man Kinder nicht mit Gewalt erziehen kann. Dies gilt übrigens nicht nur für körperliche sondern auch psychische Gewalt, wie z.B. Liebesentzug.
Heute trägt unser Staat dem Rechnung, insofern es ein Züchtigungsverbot gibt und Gewalt gegenüber Kinder, auch als zweifelhaftes Erziehungsmittel, unter Strafe steht.

Es ist gut, dass diese Zeiten – zumindest in Deutschland – vorbei sind und ich hoffe, dass das auch so bleibt!

Provokante Konfrontation

Aber das, liebe Schwestern und Brüder, ändert nichts an der Tatsache, dass uns heute diese Lesung vorgelegt wird.

Wenn Sie häufiger meinen Predigten gelauscht haben, dann wissen Sie vielleicht schon, dass ich gerade bei sperrigen Texten frage, ob ich auch den Kern der „frohen Botschaft“ dort entdecken kann.
Ich suche den Schlüssel zum Verständnis eines Textes, den wir offenbar so wortwörtlich nicht mehr in unsere Zeit übernehmen können und dürfen.
Ich suche dann immer nach der Relevanz des Textes für unsere heutige Zeit und für mein Leben.

Und dann finde ich diesen berühmten ‚springenden Punkt‘ am Ende der Lesung:
„Mach die erschlafften Hände und die wankenden Knie stark, schafft ebene Wege für eure Füße, damit die lahmen Glieder (…) geheilt werden.“

Soteriologische ‚Mitte‘

DAS ist es.
Hier finden wir die Zielaussage.

Paulus will den Leser ermutigen.
Er will den Leser ermutigen, der sich in seinem Leben kraftlos fühlt, der das Gefühl hat, dass die Knie wegsacken.
Er hat Menschen vor Augen, die offenbar vor sich steinige und steile Wege erleben, die es ihnen schwer machen, mit lahmen Gliedern bezwungen zu werden.

Die Lesung ist eine Mutmachlesung.

Und Paulus deutet uns an, dass wir in unserem Leben gestärkt werden sollen, für die Widrigkeiten des Lebens.

Und – was als Erstes – widersprüchlich anmutet, ist der Gedanke, dass diese Stärkung durch Leid erfolgen kann.

Auch diese Logik wirkt erst einmal ziemlich befremdlich, vor allem, wenn Gott dieses Leid bringen sollte, um uns zu stärken.

Dieser Gedankengang ist aber der damaligen Zeit geschuldet. Damals glaubten noch viel mehr Menschen, dass das Leid von Gott geschickt und gewollt sei.
Da aber schon Paulus an einen liebenden Gott geglaubt hat, der uns retten will, war es für ihn folgerichtig, dass dieses Leid uns zum Heil führen soll.
So ist nach damaligem Denken gottgewolltes Leid ein Mittel zum Heil.
Um ganz klar zu sein, liebe Schwestern und Brüder,
dieser Gedankengang ist heute nicht mehr Gegenstand unseres Glaubens an einen liebenden Gott.

Durch Leid und Not wachsen und reifen

Und dennoch sollten wir diesen Text nicht vorschnell verwerfen.

Denn, wenn wir einmal davon absehen, dass das Leid von Gott gewollt und von ihm uns geschickt wurde – dann können wir dennoch auch erkennen, dass wir manchmal durch das Leid, was wir verarbeitet und überwunden haben, gestärkt wurden.

Bleiben wir doch einmal bei diesem Gedanken und denken darüber nach, wo wir in unserem Leben leidvolle Erfahrungen gemacht haben?
Denken wir einmal darüber nach, wie es uns ergangen ist, als wir uns diesem Leid gestellt und nachdem wir es überwunden haben?

Hat sich dadurch nicht auch unsere Sicht auf unser Leben und auch unser Verständnis vom Leben verändert? —-

Ich bleibe mal bei zwei wichtigen Leiderfahrungen meines Lebens.
Da ist einmal die langjährige Krankheit meines Vaters, der mit 38 Jahren an einen Hirntumor erkrankte und dann mit 45 Jahre 1981 starb; da war ich 18. Wir haben unseren Vater in den letzten Jahren gemeinsam in unserer Familie gepflegt. Seine Krankheit hat mich auch eines wichtigen Teils meiner Jugend beraubt. Schon sehr früh wurde ich als Pubertierender in die Mitverantwortung und Mitpflege meines Vaters eingebunden – wie meine anderen Brüder auch.

Der Tod meines Vaters, obwohl absehbar, war für mich eine Zeit großen Schmerzes. Neben der Dankbarkeit, dass sein Leiden überwunden war, hatte ich Wut auf Gott: „Warum?!“ – und ich war sauer, dass ich Gott nicht begreifen konnte.

Oder als im Oktober 2013 mein zweitjüngster Bruder im Alter von 48 Jahren ganz plötzlich an einem geplatzten Aneurysma im Kopf starb.

Es gibt Vieles, was ich aus diesen Erlebnissen für mein Leben lernen konnte. Dazu gehört als wichtigste „Lehre“, dass mein Leben einmalig und kostbar ist und es jeder Tag es wert ist, dankbar dafür zu sein.

Diese Dankbarkeit stärkt mich in so machen anderen Situation, wo das Leben oder auch die Arbeit für mich schwer wird. Diese Dankbarkeit zeigt mir auch, was Wesentlich in meinem Leben ist, wofür es sich lohnt, zu leben, zu lieben und zu kämpfen.

Liebe Schwestern und Brüder,

ich möchte die Wahrheitsdeutung des heutigen Lesungstextes nicht für mich pachten, aber wenn ich vor dem Hintergrund meiner leidvollen Erfahrungen, wo ich durch Schmerz und Trauer zu einer neuen Ebene der Reifung in meinem Leben geführt wurde, diesen Text lese, dann kann ich ihm einen gewissen Sinn und auch eine gewisse Berechtigung abgewinnen.

Wir können durch erfahrenes und überwundenes Leid wachsen und lernen und stärker werden für unser Leben. Und darin kann dann auch so etwas wie „Heil im Leiden“ stecken.
Davon bin ich heute überzeugt.

Und Sie?


Alle Bilder: www.pixabay.com




Sturm und Feuer

Photo by Ralph W. lambrecht from Pexels

Jahrhundertsommer 2018. Weite Teile Deutschlands sind von brütender Hitze gefangen. Die Felder dörren total aus, Regen wäre bitter nötig.
Die Waldbrandgefahr in Wäldern ist auf höchster Stufe ausgerufen. Das Rauchen am und im Wald sowie Lagerfeuer und Grillen sind strengstens verboten.
Doch dann fliegt er, diese eine Funke, der das Feuer entzündet. Lichterloh schlagen die Feuerzungen gen Himmel, eine Rauchsäule ist kilometerweit zu sehen. In Ostdeutschland brennt ein Wald.
Fast zeitgleich wüten gigantische Waldbrände in Kalifornien. Menschen verlassen ihr zuhause – manche zu spät und kommen in den Flammen um. Die Luftzirkulation, die durch die Hitze entfacht wird, verstärkt die Winde, die das Feuer über riesige Wald- und Steppenflächen treibt.

Hier wie dort, sind die Menschen in Angst und Schrecken, fürchten um ihr nacktes Überleben. Ihr bis dahin sicher geglaubtes Leben wird nun existentiell bedroht.

Am letzten Montag dann die Unwetterwarnung für unsere Stadt: heftigste Gewitter und Unwetter mit Starkregen, Hagel und Sturm.
Ich denke: jetzt muss ich doch wieder um die Pflanzen auf meinen Balkon bangen und hoffe, dass der Sturm nicht wieder alles durcheinander wirbelt.
Im letzten Jahr fiel ein großer Baum direkt vor unserem Haus, aber – Gott sei Dank – weder auf das Haus noch auf Passanten.

Jemand sagte mir am Mittwoch: „Bei dem Gewitter in der Nacht von Montag auf Dienstag habe ich es schon etwas mit der Angst bekommen.“

Angst hatten auch die Jüngerinnen und Jünger Jesu, als sie sich nach der Himmelfahrt Jesu in das Obergemach zurückzogen und sich verbarrikadierten. Sie hatten Angst, auch Angst um ihr Leben und dass die Juden ihnen nach dem Leben trachten könnten, jetzt, da ihr Herr nicht mehr unter ihnen war. Und sie beteten.
Sie taten es so, wie der Herr ihnen aufgetragen hatten.
Aber: sie hatten Angst.



Und dann geschah dieses unglaubliche Ereignis, das die Apostelgeschichte umschreibt mit den Bildern von Feuerzungen und Sturmesbraus.

Gelesen hört sich das so harmlos an. Und auch so manche Bilder von Pfingsten, wo die Christengemeinde einmütig zusammensteht und über ihnen die Feuerzungen zu sehen sind – geradezu idyllisch.

Aber, liebe Schwestern und Brüder,
ich ahne mehr und mehr, dass dem nicht so war.

So, wie sich Menschen im letzten Jahr vor dem Feuer und dem Sturm fürchteten und Angst um ihr Leben haben mussten, so kann auch das Wirken des Heiligen Geistes bedrohlich und zerstörerisch empfunden werden.

Ich glaube, wir tun gut daran, das Pfingstereignis damals – und auch heute – nicht als ein harmloses Geschehen zu betrachten.

Auch heute leben wir in einer Zeit und in einer Kirche, wo es zu massiven Auseinandersetzungen kommt. Es bilden sich Lager, die sich offenbar oder vermeintlich gegenüber stehen.

Manche befürchten gar eine Kirchenspaltung. Und so dreschen welche aus dem konservativ-traditionalistischem Lage auf jene ein, die Kritik üben und sich das selbständige Denken nicht verbieten lassen wollen.

Auch hier zeigt sich Angst.
Und in diese Angst hinein will der Heilige Geist heute zu uns kommen.
Aber zuerst nicht beschwichtigend und beruhigend, sondern auch hier und heute kann es richtig rund gehen in unserer Kirche, wenn der Sturm des Heiligen Geistes Bestehendes durcheinander wirbelt und wenn die Feuersglut des Heiligen Geistes von Menschen Erbautes niederbrennt.
Ich persönlich mache mich schon lange darauf gefasst, dass wir mittendrin sind in einer stürmischen Zeit.
Und ich hoffe darauf, dass sich in diesem Sturm – der sich durchaus auch auf manche von uns beängstigend auswirkt – der Heilige Geist selber am Werk ist.

Vielleicht zerstört der Heilige Geist sogar unsere ganzen bisherigen Sicherheiten und Zufluchtsorte und drängt uns, das sichere Umfeld zu verlassen und hinaus zu gehen, in die Welt, in die Sorgenwelten der Menschen, in die Angst und Not dieser Zeit.

Vielleicht ist es gerade das stürmische Wirken des Heiligen Geistes, das uns eine neue, eine andere Sprache, finden lässt in dieser Welt und für diese Welt.

Bild von Gordon Johnson auf Pixabay

Denn das ist für mich das Tröstliche des heutigen Tages: Feuer und Sturm können als Bedrohung erfahren werden, aber sie setzen etwas frei – Energie und Engagement. Sie setzen in uns Fähigkeiten frei, die wir bislang zu wenig oder gar nicht mehr genutzt haben, nämlich zum Beispiel, wieder zu lernen, die Sprache der Menschen um uns herum zu sprechen und nicht in unserem kirchlichen Jargon zu bleiben, den – außer uns – sowieso keiner mehr versteht.

Das Tröstliche für mich ist, dass diese neue Sprache offenbar von den Menschen verstanden wird und sie selbst am meisten darüber erstaunt sind, dass sie uns (wieder) verstehen! Denn: geglaubt haben sie es eigentlich nimmer mehr, dass die Christen in der heutigen Zeit der Welt noch etwas mitzuteilen und zu geben haben.

Tröstlich für mich ist auch, dass aus einer bedrohlichen Kraft die Menschen spüren, dass dahinter etwas sehr Konstruktives und Kreatives steckt, nämlich die Schöpferkraft des Heiligen Geistes.

Ich wünsche uns allen, dass wir uns von dieser Kraft des Heiligen Geistes vertrauensvoll anstecken lassen und darauf vertrauen, dass das Pfingstereignis damals in Jerusalem kein einmaliges Pfingstwunder war.
Es kann und – daran glaube ich ganz fest – es wird auch heute in unserer Zeit wieder geschehen.
Lassen wir es zu und hindern wir den Heiligen Geist nicht, das göttliche Werk zu vollenden.