Werde still … und staune

Corona-Weihnacht 2021

Anmerkung:
Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich hier nur zu Weihnachtsliedern verlinken, die z.B. bei youtube zu finden sind.

Musik zur Einstimmung:
„Maria durch ein Dornwald ging“

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Quelle: https://youtu.be/JRXhY5px9Hs



Gebet am Beginn:
Gott,
in dieser Stunde kommen wir zu dir.
Wir wollen Weihnachten feiern, indem wir die Frohe Botschaft dieser Heiligen Nacht hören.
Sie stellt uns den Anfang unserer Erlösung vor Augen, die ihren Ursprung allein in dir und deiner Liebe zu uns Menschen hat.
Öffne unseren Geist und unser Herz, damit auch in diesem Jahr wir wieder froh dieses Weihnachtsfest begehen.
Darum bitten wir dich durch Christus im Heiligen Geist.
Amen.

Lied: „Menschen, die ihr wart verloren“

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https://youtu.be/i5P8_-gV6Fs

Evangelium von der Heiligen Nacht – Das Weihnachtsevangelium nach Lukas (Lk 2,1-14):

https://www.bibleserver.com/EU/Lukas2%2C1-14

In audio-visueller Form:

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https://youtu.be/054zwuGN11Q

Geistlicher Impuls:
Wie fühlen Sie sich gerade, an diesem Weihnachtsfest?
Wie haben Sie sich gefühlt in den Tagen vor Weihnachten und als auch bei Ihnen die Frage hoch kam, wie Sie dieses Jahr Weihnachten feiern wollen oder können?

Auch in diesem Jahr findet unser Weihnachten 2021 wieder ganz unter dem Vorzeichen der Corona-Pandemie statt. –
Ja, auch ich bin es langsam leid.
Ich bin es leid, dass die Adventszeit so wenig adventlich für mich war, mit so wenigen Gottesdiensten und schönem Adventsgesang. (Allein singt es sich nicht so schön und gerne zuhause).
Auch ich bin es leid, dass ich nicht ohne Bedenken und Befürchtungen in einen weihnachtlichen Gottesdienst gehen kann; dass ich ohne ‚meine‘ Gemeinde aus der Krankenhauskapelle diesen Heiligen Abend begehen muss.

Die Herausforderung für uns alle ist: unter diesen Bedingungen wieder einmal das christliche Weihnachtsfest gut feiern zu können.
Ich denke aber, die Chancen stehen gar nicht mal so schlecht.

Dazu möchte ich Sie auf ein Experiment einladen.
Schauen Sie sich mal bitte einen Augenblick die folgende ‚Wortwolke’ an:

Copyright: Gerd Wittka

(Für jene, die sie nicht gut lesen können) – Sie besteht aus folgenden Wörtern:

Nacht
Armut
bitter
Bitterkeit
Blut
Elend
Finsternis
Furcht
Gefangen
Jammertag
klein
Knecht
Kälte
Not
Schmerzen
Schuld
Sünde
Tod
Todesnacht
Verlorenheit
Winter
Gericht
Armut
Niedrigkeit

Bringen Sie diese Begriffe mit Weihnachten in Verbindung?!
Oder vermissen Sie darunter nicht vielleicht ganz andere Worte?

Vielleicht überrascht es Sie (oder auch nicht): aber diese Wörter kommen alle in dem einen oder anderen uns sehr bekannten Weihnachtslied vor, von denen viele auch gerade am Heiligen Abend in den Christmetten gesungen werden. Alle finden sich im Stammteil unseres „Gotteslob“.

Ich finde es sehr interessant, weil eben nicht das gute und sorgenfreie Leben, Wohlstand, Friede, Freude, Gesundheit, Ehre und Ansehen den Hintergrund bilden, auf dem uns die Botschaft der Heiligen Nacht erreichen soll.

Die Botschaft der Heiligen Nacht ist eine Botschaft, die sich an Menschen richtet, auf die mindestens einer der genannten Begriff in ihrer Lebenssituation zutrifft.

Die Botschaft der Heiligen Nacht ist die Botschaft auf dem Hintergrund des Leidens, der Belastungen und Herausforderungen unseres Lebens.

Die Botschaft der Heiligen Nacht geht deshalb auch nicht in erster Linie in das Getümmel und in den Rummel von Weihnachtsmärkten, Weihnachtsfeiern mit vielen anderen Leute, in Jubel und Trubel dieser winterlichen Zeit.
Sie drängt vielmehr in Situationen von Stille, Einsamkeit, Sorgen und Angst.
Diese sind die Rahmenbedingungen, unter denen die Weihnachtsbotschaft sich Gehör verschaffen möchte.

Auch dazu möchte ich Ihnen eine Wortwolke präsentieren:

Auch das wieder alles Begriffe, die in unseren allseits bekannten Weihnachtsliedern vorkommen.

Diese beiden Wortwolken machen deutlich, mit welchen Begrifflichkeiten die Botschaft der Weihnacht erfüllt ist:

Copyright: Gerd Wittka

liebe
friede
freude
hoffnung
licht
gott
himmel
stern
heiland
kunde
jubel
jauchzen
heilig

retter
lob
botschaft
wärme
helligkeit
engel
gloria
ehre
glanz
froh
dankeslieder
geburt

duft
süße
rose
heiland
kunde
jubel
christkind
erlösung
stärke
sonne
leben
wonne
schein
knieen
beten

wunder
geheimnis
jauchzen
heilig

Was kann das für unser Weihnachtsfest 2021 bedeuten, das wir wieder einmal unter Corona-Bedingungen feiern?

Zu Weihnachten 2013 sagte Papst Franziskus folgende Worte:

Weihnachten ist oft ein lautes Fest: Es tut uns aber gut, ein wenig still zu werden, um die Stimme der Liebe zu hören.“
(Papst Franziskus, Weihnachten 2013)

Mir sagen diese Worte:
• es ist egal, wenn wir auch in diesem Jahr vertraute Formen des Weihnachtsfestes entbehren müssen;
• es ist egal, wenn wir nicht im Kreis vieler lieber Menschen diese Weihnachtstage begehen.

Das alles wird uns nicht daran hindern, frohe und gesegnete Weihnachten feiern zu können.

Wir können gerade dann erfüllte Weihnachten feiern, wenn wir alles das, was uns in diesem Jahr „fehlt“, einmünden lassen in Augenblicke der Stille, der Ruhe, um auf die Stimme der Liebe Gottes zu lauschen, mit der er heute durch den Engel zu uns spricht:

„Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; ER ist der Christus, der Herr.“

Vielleicht hilft es auch, in diesem Jahr ein Wort von Angelus Silesius wieder neu zu ver-innerlichen, das die Sichtweise auf Weihnachten nicht nach außen, sondern nach innen lenken will:

Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren,
und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren.

Angelus Silesius

Nicht erst heute, im Jahr 2021, erfahren wir, dass das Wesentliche der Heiligen Nacht in uns selber stattfindet und nicht von Äußerlichkeiten abhängig ist.

Wenn wir in dem Adventslied „Macht hoch die Tür“ den Text singen „… mein Herzens Tür dir offen ist…“, dann geht es genau darum:
Die weihnachtliche Botschaft zu hören und zugleich mit zu hören, dass Jesus in dieser Zeit auch in uns geboren werden möchte, damit wir mehr und mehr von ihm und seiner Liebe erfüllt werden und diese Liebe gerade auch in Zeiten der Herausforderungen nach außen sichtbar werden lassen können.

Ich möchte mit einem Gedicht von Hermann Hesse enden, das auch nichts an Aktualität verloren hat:
Weihnachten von Hermann Hesse

https://weihnachten.tagesspiegel.de/weihnachten-von-hermann-hesse/
Quelle: Weihnachten (tagesspiegel.de)

Ich wünsche Ihnen und allen Ihren Lieben in diesem Sinne und von Herzen ein frohes, gesegnetes und trostreiches Weihnachten 2021.
Möge die Wärme und das Licht der Heiligen Nacht ihre Nächte, Ihre Sorgen und Ihre ganze Lebenszeit erfüllen.

Lied: „Oh du fröhliche…“

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Quelle: https://youtu.be/6bOzowjVeGw

Bittgebet:

Guter Gott, in dieser hochheiligen Nacht ist der Welt, Christus das Licht, aufgestrahlt, um all unsere Dunkelheit zu erhellen.
Er will hinweg nehmen, allen Kummer, alle Trauer und allen Schmerz.

  • Wir schließen in unsere Gedanken und unser Gebet alle Menschen ein, die weltweit unter Krieg und Naturkatastrophen leiden; deren Leben bedroht wird und die um ihr Überleben kämpfen.
  • Wir denken in diesem Augenblick auch an alle, die allein zuhause dieses Weihnachtsfest feiern müssen und die die gewohnte Gottesdienstgemeinde an diesem Abend vermissen.
  • Wir beten auch für die vielen Menschen, die sich nach Frieden sehen, in der Familie oder auch in sich selbst.
  • Wir beten für jene, die die Corona-Pandemie ganz besonders in Anspruch nimmt und herausfordert: für das medizinische und pflegerische Personal in den Krankenhäuseren, für jene, die sich in Impfzentren und Arztpraxen an der Impfkampagne beteiligen, für jene die in Wissenschaft und Politik nach angemessenen Lösungen zur Bekämpfung der Pandemie suchen.
  • Wir beten für jene, die sich solidarisieren und aus einem gemeinsamen Verantwortungsbewusstsein heraus solidarisch gegen die Pandemie kämpfen und wir bitten für jene, die sich dieser Solidarität entziehen.
  • Wir denken an jene, die unter vielfältigsten Krankheiten leiden und denen manchmal die Lebensfreude zu schwinden droht.
  • Und wir schließen in unser fürbittendes Gebet auch all unsere Verstorbenen ein, die dieses Weihnachtsfest nun in deiner Gegenwart feiern.

Für Sie alle beten wir und für unsere persönlichen Anliegen, in dem wir nun gemeinsam das Vaterunser beten:

„Vater unser im Himmel, …“

Abschluss-Gebet:
Guter Gott,
dieses Weihnachtsfest drängt uns wieder einmal besonders deutlich, für uns die Frage zu beantworten, was uns an Weihnachten wichtig und wesentlich ist?
Vielleicht stupst uns auch dieses Corona-Weihnachten wieder mit der Nase drauf, worauf es bei Weihnachten wirklich ankommt.
Lass uns für diese geistliche Lektion dankbar sein und uns auf die Botschaft konzentrieren, die den Kern der Heiligen Nacht ausmacht.
Erfülle uns dafür mit deinem Heiligen Geist, damit Christus auch in uns wieder neu geboren werden kann und wir ihm in der Krippe unseres Herzens neuen Raum schaffen.
Denn ihm sei die Ehre, unser Lobpreis und unser Dank in dieser heiligen Nacht.
Amen.

Segen:

Guter Gott, du hast uns deinen Sohn gesandt,
damit es im Dunkel unserer Tage licht und hell wird.
Segne uns und unsere Welt, damit Hass und Zwietracht in Frieden gewandelt wird.
Segne die traurigen und hoffnungslosen Menschen, damit sie Freude finden.
Dein Segen bewahre uns an diesem Weihnachtsfest und im neuen Jahr
in deiner Gnade.
Amen.

Zum Abschluss:

Lied: Stille Nacht, Arr.: John Rutter

Englische Version:

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Quelle: https://youtu.be/JLz3ToyIiUc (englisch)

Deutsche Version:

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Quelle: https://youtu.be/CvORPqfA4bk (deutsch)



Ein für alle mal! – Botschaft für die Zweifler und Skeptiker

Schriftstelle: https://www.bibleserver.com/EU/Hebr%C3%A4er10%2C11-14.18

Vor einigen Wochen habe ich von den religiösen und geistlichen Skrupulanten gesprochen.

Heute wendet sich der Hebräerbrief an eine andere Personengruppe unter den Christinnen und Christen, die eigentlich auch nicht so richtig glücklich mit ihrem Glauben werden.

Ich meine die Skeptiker und Zweifler.
Hier besonders jene, die an der grenzenlosen Vergebung Gottes zweifeln.

Die Geschichte des Christentums ist voll von der Frage macher Menschen, ob und wie sie die Vergebung der Sünden erlangen können? Sie fragen sich allenthalben:

Was muss ich dafür tun?
Welchen Preis muss ich dafür zahlen, dass mir Vergebung Gottes zuteil wird?
Wie kann Gott mir vergeben?

Fragen, liebe Schwestern und Brüder, die der Vergangenheit angehören?
Mitnichten!



Gegen die geistliche Angst

Foto: www.pixabay.com

„Meine Schuld ist zu groß, als dass Gott mir dafür Vergebung schenken wird!“ – solche oder ähnliche Sätze bekomme ich immer wieder in seelsorglichen Gesprächen zu hören.
Solche Sätze zerreißen mir das Herz, sehe ich doch dahinter Menschen, die so sehr nach Erlösung schreien und meinen, sie nicht zu bekommen.

Welch eine seelische und geistliche Not sich hinter solchen Aussagen verbirgt?!

Die Überzeugung, dass man selber nicht in den Genuss der Sündenvergebung durch Gott kommt, kann Menschen auch buchstäblich krank werden lassen.

Manche von ihnen finden sich auch in psychiatrischen Kliniken. Doch viele versuchen irgendwie mit dieser geistlichen Not klar zu kommen.
Wie wäre ihnen wenigstens zu wünschen, dass sie an gute und erfahrene geistliche Begleiter:innen geraten, die ihnen helfen können, sich von dieser Bürde der geistlichen Angst zu befreien!

Mir scheint, dass Paulus heute im Hebräerbrief auch solche Menschen vor Augen hat.
Denn wenn man davon ausgeht, dass er in der heutigen Lesung eine Antwort gibt, dann können wir auch in Gedanken überlegen, welche Frage dem wohl voraus gegangen ist?

Ich bin davon überzeugt, dass es solche Fragen sind, die ich gerade eben skizziert habe.

Menschen, die solche Fragen haben, müssen ernst genommen werden. Wir sollten sie deshalb nicht schelten. Wir sollten auch nicht über ihren vermeintlich mangelnden Glauben urteilen.

Vergebung wirklich für alle und alles möglich?!

Quelle: www.pixabay.com

Denn ihre Fragen, ihre Zweifel und ihre Skepsis hat sicherlich auch mit dem unfassbar großen Werk der Erlösung zu tun, das Jesus für uns und an uns getan hat.

Es ist eine der größten Fragen des Christentums, ob und wer die Vergebung der Sünden erfahren wird? Und – wenn wir ehrlich sind – mutet uns es doch geradezu unmöglich an, dass selbst den Menschen mit den größten Verbrechen die Vergebung ihrer Sünden möglich ist.
In verschiedenen Diskussionsrunden bringen es Menschen auf den Punkt: Können selbst Menschen wir Adolf Hitler Vergebung finden? Ist Jesus auch für ihre Sünden gestorben? —
Unglaublich, oder?

JA!

Die große und großartige Antwort des heiligen Paulus auf so viele Fragen der Menschen nach Vergebung von Schuld und Sünde ist:

Ein für alle Mal ist das einzigartige Versöhnungsopfer Christi erfolgt, das die Menschen mit Gott versöhnt hat.

Herausforderung: Opfer-Theologie

Paulus macht diese Aussage natürlich auf dem Hintergrund der damaligen Opfermentalität des Judentums aber auch anderer damaliger Religionen.
Der Grundgedanke dahinter: Opfer sollen Gott beziehungsweise die Götter milde stimmen und sie wohlgefällig gegenüber den Menschen machen.
Je mehr Opfer, um so höher die Chance, dass es was wird mit den wohlgefälligen Göttern oder dem wohlgefälligen Gott.

Doch schon im Alten Testament zeichnet sich eine Veränderung dieses Glaubens ab; denn was können die Menschen Gott schon opfern, was ihm nicht schon längst gehört, weil es von ihm kommt?!

Wer also könnte Gott so ebenbürtig sein, ihm ein Opfer zu bringen?
Nur ER selber – in seinem menschgewordenen Sohn Jesus Christus.

Liebe Schwestern und Brüder,
ich weiß, die ganze Opfertheologie ist für uns heute mit vielen schwierigen Fragen verbunden, die ich hier jetzt nicht alle ansprechen kann.

Für uns und heute ist nur wichtig, dass Paulus diese Opfertheologie aufgreift, die damals noch viel mehr das Glaubensleben der Menschen prägte, als sie es heute ist.

Deshalb versucht er seinen Zeitgenossen eine befriedigende Antwort gegen ihre geistliche Angst zu geben; eine Antwort, die auch uns heute helfen kann.

Heute: Selbsterlösungs-Phantasien

Heute wollen wir uns weniger Gott durch Opfer gefällig machen.
Heute ist es vielmehr der Selbsterlösungsglaube, der den Menschen zu schaffen macht:

  • Du musst es nur wollen.
  • Jeder ist seines Glückes Schmied.
  • Selbstoptimierung durch Coaching
  • Nur wer etwas leistet, kann auch etwas für sich beanspruchen.

Das kann zu einem Leistungsgedanken auch in religiösen Dingen führen: nur wenn ich etwas leiste, wenn ich mehr und richtig glaube und liebe, dann kann ich auch erlöst werden.

Eine solche Haltung wird den Menschen auf Dauer körperlich, seelisch und geistlich überfordern und ihn im Letzten ruinieren.

Die Lesung aus dem Hebräerbrief hat für uns heute nur dann einen Sinn, wenn wir für uns akzeptieren, dass wir uns niemals so sehr selbst optimieren können, um letztlich ohne Fehl und Makel da zu stehen.

Der barmherzige Vater, Quelle: www.pixabay.com

Wer das anerkennt, der bejaht auch die eigene Erlösungsbedürftigkeit.
Und wenn wir das erkannt haben, dann bekommt auch das Wort aus der heutigen Lesung für uns eine tröstliche, erbaulich und motivierende Dimension, die uns nach vorne schauen und uns nicht voller Skepsis zurück lässt:

„Denn durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt. Wo also die Sünden vergeben sind, da gibt es kein Opfer für die Sünden mehr.“ (Hebr. 10,18)

Ich wünsche uns, dass uns dieses Vertrauen in Christus immer wieder ergreift, dass ER ein für alle Mal für uns und für unsere Sünden gestorben und auferstanden ist.




So einfach wie möglich …

Predigt zum 31. Sonntag – 2021

Schriftstelle: Mk 12, 28-34

Mezuzah mit dem Schema Jisrael (hebräisch שְׁמַע יִשְׂרָאֵל šma‘ yiśra’el; deutsch ‚Höre, Israel!‘) – www.pixabay.com

Liebe Schwestern und Brüder,

unser Leben und unsere Welt ist ganz schön kompliziert geworden – so jedenfalls erfahren es viele Menschen in unserer Zeit.

So viel Neues wirkt auf uns ein: unterschiedliche Themen, die in Staat, Kirche und Gesellschaft diskutiert werden, wie Klimawandel, Corona-Pandemie, soziale Gerechtigkeit, Digitalisierung, …

Manchen ist das einfach zu viel und sie drängen auf einfache Anworten.



Jeder würde zustimmen, dass es sinnvoll ist, es den Menschen so einfach wie eben möglich zu machen.

Doch die Sehnsucht, es immer besonders einfach und mundgerecht zu bekommen, birgt auch eine Gefahr in sich.
Wir können das insbesondere im politischen Alltag sehen.

Vereinfachung kann zu einer mangelnden Unterscheidung führen.
Vereinfachungen machen aus einer bunten, vielfältigen Welt eine eintönige Schwarz-Weiß-Landschaft.

Eine solche Haltung birgt die Gefahr einer Ideologisierung und messerscharfen Abgrenzung; es gibt starre Grenzen und keine fließenden Übergänge mehr.

Von Albert Einstein soll der kluge Satz stammen:

„Mache die Dinge so einfach wie möglich, aber nicht einfacher“.

Gilt dieses Anliegen auch in religiösen Dingen?

Ich denke, in gewisser Weise schon.

Im Laufe der beiden letzten Jahrtausende haben sich im Christentum, und hier insbesondere in der römisch-katholischen Kirche eine Fülle von Regelungen und Vorschriften eingeschlichen.
Ursprünglich entstanden aus sehr konkreten Alltagsfragen, wurden Antworten niedergeschrieben, Konzilien abgehalten, Dekrete erlassen und nicht zuletzt auch verschiedene Katechismen bis hin zum sogenannten Lasterkatalog.

Die Menschen – so meinte man – bräuchten eher klare Ansagen, als irgendwelche grundlegenden Aussagen, die sie dann mit ihrem Verstand und dem Wirken des Heiligen Geistes in ihr konkretes Leben übersetzen können.

Nicht selten wurden und werden immer noch deshalb manche Katholik:innen zu Skrupulant:innen, in der Sorge, sich nicht ausreichend genug nach den vielen verschiedenen Regeln gehalten zu haben.

Es scheint einen Zusammenhang zu geben, zwischen der Komplexität unserer Umwelt, die wir tagtäglich erfahren und dem Wunsch nach klaren Regeln, damit man sich nicht länger als nötig mit bestimmten Fragen des Christseins auseinander setzen muss.

„Mache die Dinge so einfach wie möglich, aber nicht einfacher“, so könnte man das vielleicht umschreiben, wir Jesus sich im heutigen Evangelium verhält.

Als Jesus heute von einem Schriftgelehrten nach dem ersten Gebot gefragt wurde, antwortet Jesus – ganz aus jüdischer Tradition heraus – mit dem „schema Israel“: „Höre, Israels, der Herr, unser Gott ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele…“.
Und dann fügt er hinzu:
„Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.“

Quelle: www.pixabay.com

Wenn wir diese Aussage Jesu vergleichen mit den Traktaten von Vorschriften und Verordnungen aus der Kirche, dann erkennen wir einen gravierenden Unterschied.

Nicht die bis ins kleinste Detail erörterten Fragen und deren Antworten sind es, worauf es beim Christsein ankommt.
Das wäre so einfach: aufschlagen, lesen, verinnerlichen und danach handeln.

Mit seiner Antwort liegt Jesus eigentlich ganz im Gedankengang von Albert Einstein.
Seine Antwort ist so einfach; aber zugleich ist es sie auch nicht.

Denn seine Antwort muss von den Menschen mit gläubigen Herzen aufgenommen und verstanden werden.
Nur dann kann eine solche allgemeine Aussage auf unseren Lebensalltag herunter gebrochen werden. Nur dann müssen wir uns selber immer wieder mit konkreten und neuen Sachverhalten auseinander setzen und dort auch eine christliche Position einnehmen.

Dies geht aber nur, wenn wir uns immer wieder neugierig und staunend mit den Fragen beschäftigen: wie konkret wird Gottesliebe und Nächstenliebe in meinem Leben umgesetzt?
Genau so wichtig ist auch die Beantwortung der Frage: In wieweit liebe ich mich selber so, dass ich andere Menschen lieben kann?

„Mache die Dinge so einfach wie möglich, aber nicht einfacher“.

Ich denke, das ist ein Gedanke, den wir aus dem heutigen Evangelium mitnehmen können:

Wenn das Leben um uns herum zu kompliziert und vielschichtig wird, können wir uns auf das Wesentliche besinnen, um dann davon unser Christsein und Handeln abzuleiten.




Aufstehen, um für sich einzustehen

Textgrundlage: Eine heilsame Begegnung zwischen Jesus und dem blinden Bartimäus

Ich habe meine eigene, persönliche Geschichte mit dem heutigen Evangelium.
Es ist das Evangelium, das wir uns zu unserer Diakonenweihe 1993 ausgesucht haben.
Später, an meiner ersten Kaplanstelle habe ich vertretungsweise Religionsunterricht in der 3. und 4. Klasse gegeben. Da stand dann im dritten Schuljahr auch dieses Evangelium auf dem# Lehrplan und wir arbeiteten damals mit den wirklich sehr prägnanten Bildern aus der Neukirchener Kinderbibel von Kees de Kort.

Irgendwie hat mich dieses Evangelium immer wieder berührt und begleitet. Und erst sehr viel später wurde mir klar, was mich daran so begeistert.

Begegnung – Foto: www.pixabay.com

Es ist diese kurze Geschichte einer Begegnung zwischen Jesus und einem Mann, die das Leben dieses Mannes von Grund auf veränderte. Urplötzlich werden die Ereignisse geschildert, aber sie haben trotz ihrer Radikalität nichts Beunruhigendes. Diese Begegnung verändert zumindest das Leben des Bartimäus von einer Sekunde auf die andere, doch:
Die Radikalität der Ereignisse führt nicht zu einer Krise, sondern zu einer großen heilsamen Wendung im Leben des Mannes.



Ich denke, wir können für uns viel aus diesem Heilungswunder mitnehmen, und zwar, wenn wir uns an die Stelle des blinden Mannes setzen, aber auch, wenn wir an die Stelle Jesu treten.

Es lohnt sich, einige Teile gleichsam wie unter einem Spotlicht zu betrachten.

Wir erfahren von Jesus, dass er mit seinen Jüngern in Jericho war und nun die Stadt verlassen.
Wir können davon ausgehen, dass sie auf dem Weg nach Jerusalem waren, denn in Kapitel 11 erfahren wir, dass sie in Jerusalem angekommen sind.
Die Strecke Jericho – Jerusalem sind über 40 km und führt durch sehr trockene, fast wüstenhafte Gegend; südlich von Jericho beginnt das Tote Meer.

Israel – Wüste – Foto: www.pixabay.com

Wer also Jericho zu Fuß verließ, musste wissen wohin er geht und sich für die Strecke gut vorbereiten.
Will man die Strecke an einem Tag schaffen, muss man schon recht zügig und ohne große Pausen laufen.
Auf dieser Strecke kommt es am Weg zur Begegnung mit dem blinden Bartimäus.

Bartimäus erfährt nur vom Hörensagen, dass da Jesus bei ihm vorbei kommt. Doch was er von Jesus sonst noch gehört hat, lässt in ihm unmittelbar die Hoffnung aufsteigen, hier jetzt die Chance seines Lebens nutzen zu können.
„Jetzt oder nie“, wird er sich vielleicht gedacht haben. Und mit ganzer Kraft ruft er Jesus.

Die Begleiter Jesus wissen, dass man zügig auf dem Weg bleiben sollte, damit das Ziel Jerusalem gut zu erreichen ist. Wollen sie deshalb den Bartimäus abschütteln?

Doch Jesus lässt sich ansprechen, lässt sich unterbrechen und ruft Bartimäus her.

Das erinnert mich manchmal an Situationen im eigenen Leben: da ist was geplant, vorbereitet und auf einmal kommt etwas Unerwartetes, so unerwartet, dass man es vielleicht als Störung empfinden.
Unsere Pläne würden über den Haufen geworfen, wenn wir uns dem Unerwarteten zuwenden würden.
Wie sind wir dann eher drauf? Die Störung vermeiden, das Unerwartete buchstäblich links liegen lassen?

Jesus hat die Freiheit, sich ‚stören‘ zu lassen und so kommt es zu dieser folgenreichen Begegnung.

Vielleicht kennen wir auch so etwas: wir haben geplant, doch etwas Unerwartetes, vielleicht auch eine nicht angekündigte Begegnung, bringt uns von unserem Plan ab. Wir lassen uns ein und erkennen, dass diese Begegnung sehr gut und wichtig war.

Manchmal erlebe ich im Krankenhaus solche Begegnungen, wenn ich unterwegs durchs Haus bin. Da spricht mich eine Mitarbeiterin oder ein Patient an, oder buchstäblich beiläufig kommt es zu einer Begegnung, zu einem kurzen Gespräch, von dem ich den Eindruck habe, es war gut, auch für meinen Gesprächspartner.
Wir nennen das in Seelsorge-Kreisen auch manchmal „Seelsorge zwischen Tür und Angel“.

Bei Jesus hören wir oft von solchen ‚beiläufigen‘ Begegnungen „zwischen Tür und Angel“, die nicht lang, aber oft nachhaltig und folgenreich sind.

Als die Umherstehenden der Intervention Jesu nachgeben, rufen sie dem Bartimäus zu: „Hab Mut! Steh auf! Er ruft dich.“

Das ist schon das erste Wunder in dieser Erzählung. Jene, die auf Planerfüllung drängten werden von Jesus ermutigt, auch mal Fünfe gerade sein zu lassen.

Ich nehme ihnen ihr „Hab Mut!“ ab. Ich nehme ihnen ab, dass Jesu Verhalten auch sie schon verändert hat und sie offener gemacht hat für diesen Augenblick.

„Hab Mut“ – ich glaube, das ist auch ein wichtiges Wort in dieser Erzählung.
Da gibt es Situationen, die wollen wir beherzt angehen und starten auch den ersten Schritt. Dann kann es geschehen, dass wir auf einmal Angst vor der eigenen Courage bekommen. Wie gut, wenn dann da Umstehende sind und sagen: „Mensch, jetzt geh aber auch den Weg weiter für den du dich entschieden hast“. „Jetzt nicht den Schwanz einziehen und den Rückzug antreten!“
Ich danke für solche Menschen, die mir dann sagen: „Hab Mut!“

Und dann kommt es noch zu einer ganz wichtigen Passage in dieser Begegnung.
Jesus fragt den Bartimäus: „Was willst du, das ich dir tue?“
Hätte Jesus sich das nicht denken können? Die Menschen haben doch von den Heilungswundern Jesu gehört. Da ist es doch naheliegend, dass der BLINDE Bartimäus wieder sehen will, oder?

Foto: www.pixabay.com

Ja, es ist naheliegend.
Und vielleicht ahnte und wusste Jesus schon, was Bartimäus von ihm wollte. So hätte er sich diese Frage eigentlich auch sparen können.

Aber nein! Es geht nicht nur darum, dass Jesus erfährt, was Bartimäus will, sondern es geht vielmehr um Bartimäus selber.
Denn durch die Frage: „Was willst du, das ich dir tue!“ sichert Jesus diesem Mann seine Souveränität und Autonomie zu.

Wie oft wird Bartimäus erfahren haben, dass andere sich um ihn gekümmert und gesorgt haben. Sie haben es vielleicht oft gut mit ihm gemeint und für ihn gehandelt, in dem Bewusstsein, zu wissen, was ihm guttut oder was er braucht.

Doch dahinter steckt auch eine Gefahr, nämlich die Gefahr der Bevormundung oder gar Entmündigung.

Jesus macht es nicht so. Er sagt Bartimäus nicht, was er braucht, sondern er fragt Bartimäus, was er bräuchte.

Was für einen gewaltigen Unterschied es machen kann, anstelle etwas zu sagen, etwas zu fragen!

Auch hier erfahren wir wieder einmal mehr, wie es Jesus um den Menschen geht: er stellt den Menschen in die Mitte seiner Sorge, er stellt Menschen auf die eigenen Beine, er lässt die Menschen für sich selber spüren und klären, was sie brauchen.
Das alles hat etwas mit Ansehen, Respekt und Würde zu tun.

Und so kann das Wunder geschehen: Menschen werden heil, weil sie erkennen und benennen können, was unheil in ihrem Leben ist.

Menschen stehen für sich ein, weil sie für sich aufzustehen lernen und darin auch noch ermutigt werden.

Was für ein Evangelium und was für eine Botschaft für uns, auch für uns als Kirche!

Nicht Ansagen und Vorschriften oder Regeln sind das Wichtigste, was wir den Menschen unserer Zeit mitgeben können, sondern echte personale Begegnung, die den Menschen in den Blick nimmt, die seine Würde bewahrt, ihnen Achtung und Respekt entgegen bringt und sie sich selber klar werden lässt, was sie brauchen und was ihnen zum Heil und zur Heilung dient.




„Bei euch aber soll es nicht so sein…“

Predigt zum 29. Sonntag im Jahreskreis – 16./17.10.2021

Lesungstext: Markus-Evangelium, Kapitel 10, VV. 42-45

Wissen Sie, wie man unter Seelsorgerinnen und Seelsorgern eine lebhafte Diskussion anfachen kann?
Man muss als Kollege einfach nur mal den Satz fallen lassen: „Wir sind doch alle Dienstleister!“

Dienstleister



Schon werden sich spontan welche finden, die so in etwa sagen: „Nein! So kann man das nicht sagen! Wir können uns nicht sehen wir andere Dienstleistungsunternehmen, deren Leistung man so einkaufen kann.“
Andere wiederum sagen: „Doch, wir sind auch Dienstleister:innen, aber wir sind nicht – wie kommerzielle Dienstleister – wirtschaftlich Handelnde. Unser Dienst wird nicht vom „Kunden“ bezahlt (abgesehen von Gebühren, die für bestimmte kirchliche Handlungen vorgenommen werden).“

Ohne hier diese Diskussion weiter präsentieren zu wollen, glaube ich, dass diese Diskussion sehr gut unter dem Licht des heutigen Evangeliums betrachtet werden kann.

Ich selber bin davon überzeugt, dass wir als Seelsorgende durchaus Dienstleister:innen sind, aber sicherlich nicht im kommerziellen Sinne.

Jesus selbst formuliert die Nachfolge als einen Dienst, wenn er im Johannesevangelium in Kapitel 12,26 sagt:
„Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein.“
Nachfolge Christi ist für ihn also ganz klar ein Dienst an dem Herrn.

Der frühere französische Bischof von Évreux, Jaques Gaillot, schrieb mal ein Buch mit dem Titel:
„Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts!“

Allein dieses Zitat ist geeignet, sich in einer geistlichen Übung mit dem Verständnis des Dienstes der Kirche und der in ihr tätigen Seelsorgenden zu beschäftigen.
Ich vertrete ganz klar die Auffassung, dass unsere Aufgabe ein Dienst ist und das unsere seelsorgliche Leistung eine Dienst-Leistung ist und zwar in dem oben genannten Verständnis von Nachfolge Christi.

Heute hören wir zugleich von Jesus einen zweiten Aspekt seiner Sendung: „Denn der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“

Der Herr Jesus Christus versteht sich also zugleich als Diener!
Jesus Christus versteht sich also in einer Art Doppelrolle, als HERR, dem jene dienen, die ihm nachfolgen wollen und zugleich als Diener, um sich selber FÜR andere aufzuopfern.

Problematisch wird es nur, wenn jene, die ein Amt in der Kirche ausüben, dieses Doppelverständnis Jesu auch auf sich selber übertragen, nämlich Diener und Herren zugleich sein zu wollen!

In unserer Zeit erfahren wir mit aller Wucht, welche Bedrohungen von so einem Selbstverständnis in der Vergangenheit ausgegangen ist und heute auch noch immer möglich ist.
Ich möchte nur einige Stichworte nennen, die es – bis in unserem heutigen Sprachgebrauch – benennen:
„Hochwürdiger Herr“ „Hochwürden“„Pfarrer“ = Pfarrherr, „Monsignore“ = mein Herr, „Prälat“ = der Vorgezogene, „Eminenz“ = der Herausragende, ….

Dies alles sind – noch – gebräuchliche Anreden und Titel in unserer Kirche, die von ihrem Wesen her automatisch mit Macht verbunden werden und die den Unterschied zu anderen in Kirche und Gemeinde buchstäblich zementieren.
Solche Titel und Bezeichnungen bergen auch die Gefahr, das Bewusstsein derer zu verändern, auf denen solche Titel angewandt werden oder die sogar solche Titel im alltäglichen Sprachgebrauch für sich einfordern.

Allein an diesem sprachlichen Beispiel können wir erkennen, dass wir uns in unserer Kirche dringend mit dem Thema „Macht“ beschäftigen müssen, gerade auch mit der vermeintlichen Macht der Seelsorgenden und zwar in erster Linie die der Kleriker.

Damit verbunden sind notwendige Auseinandersetzungen mit den Erfahrungen von missbrauchter Macht, die nicht nur zwischenmenschlich sondern sogar auch geistlich zu Tage tritt.

„Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und (…) ihre Macht gegen sie missbrauchen…“ – so hörten wir gerade im Evangelium.

Im Zusammenhang mit der Enttarnung sexualisierter Gewalt durch Kleriker in unserer Kirche ist das Thema „geistlicher Missbrauch“ sehr deutlich geworden.

So geht es heute nicht mehr!

Beide Themen haben zwangsläufig nichts miteinander zu tun! Sexualisierte Gewalt ist auch ohne geistlichen Missbrauch möglich und geistlicher Missbrauch geht auch ohne sexualisierte Gewalt.
Aber wenn sexualisierte Gewalt durch Kleriker ausgeübt wird, dann geht das eigentlich immer mit geistlichem Missbrauch einher.

Geistlicher Missbrauch kann dabei schon viel früher beginnen; nämlich da, wo man in der Ausübung des seelsorglichen Dienstes die ratsuchende Person manipuliert, wo man ein Verhalten oder ein Geschehen bewertet, beurteilt oder gar Personen verurteilt und dies mit einer geistlichen oder religiösen Begründung versieht.

Ich thematisierte dieses so deutlich – wenn auch nicht ausführlich, weil es den Rahmen einer Predigt immer sprengen würde -, um diese Themen im öffentlichen Raum aus der Tabu-Zone zu holen.

Denn immer noch wird darüber in unserer Kirche viel zu viel geschwiegen.

Die Medien sind voll von diesem Thema, aber es ist eine Schande, dass wir vor Ort uns kaum offensiv mit diesem Thema des Missbrauchs – ob sexuell oder geistlich – beschäftigen.

Noch immer gibt es, auch hier bei uns in Oberhausen, die Scheuklappen vor dieser Thematik.

Da reicht es nicht aus, dass wir im Seelsorgeteam Präventionsbeauftragte haben, die dieses Thema bis in die Basis bringen wollen. Die Widerstände auch in unserer Pfarrei, sich dem Thema Vorbeugung zu stellen, sind noch allzu sichtbar.

Sie merken, liebe Schwestern und Brüder,
das heutige Evangelium hat – wenn wir es ernst nehmen und in unseren Alltag in der Kirche herunterbrechen – eine explosive Brisanz.

Denn es geht nicht nur um die Frage, welchen Platz wir einst im Himmel einnehmen werden. Es geht vielmehr darum, ob wir ehrlich und glaubwürdig hier auf Erden und zum Wohle der uns anvertrauten Menschen uns breit mit diesen Themen beschäftigen, bei denen es letztendlich um das seelische und geistliche Überleben von Menschen oder deren seelischen und geistlichen Tod geht.


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