Selig sind …

Gedanken zu Allerheiligen in der Corona-Pandemie 2020

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Wir in unserer römisch-katholischen Kirche leben mit ihnen, den unzähligen Heiligen, nach dem das heutige Fest benannt wurde.

„Selig sind, …“ – sind damit vielleicht jene gemeint, die nach dem Verständnis der Kirche als Vorstufe der Heiligen angesehen werden, die Seligen?

Wohl kaum, liebe Schwestern und Brüder; damit hatte Jesus offensichtlich wenig am Hut.

Wenn Jesus Menschen selig nennt, dann nicht, um ihnen eine besondere Form der Verehrung entgegen zu bringen.
Wenn Jesus Menschen selig nennt, dann, um sie zu ermutigen und zu stärken:



jene Menschen, die sich letztendlich allein bedürftig sehen vor Gott. Die in der Welt leben in dem Bewusstsein, dass nur Gott sie wirklich erfüllen und reich machen kann.

jene Menschen, die trauern; die trauern über einen geliebten Menschen, die trauern über den Verlust dessen, was ihnen im Leben wichtig war, ihnen Mitte gab; die aber auch trauern über Verluste in unseren Gesellschaften und in unserer Welt; die trauern über verloren gegangene Solidarität und Gemeinsinn; die trauern über verloren gegangene Teile der Schöpfung, seien es Geschöpfe oder ganze ökologische Systeme; die trauern, weil sie den Verlust nicht aufhalten oder ihm etwas entgegensetzen konnten.

jene, die in einer Welt der Ellenbogen-Mentalität Sanftmütigkeit oder Barmherzigkeit walten lassen.

jene, denen die unzähligen Facetten von Gerechtigkeit ein Herzensanliegen sind und sich danach sehnen, dieser Gerechtigkeit immer mehr Raum und Gewicht zu geben.

jene, für die der Friede nicht nur die Abwesenheit von Krieg, Terror und Gewaltkriminalität bedeutet, sondern eine grundlegende Form des Miteinanders, sodass Hass, Neid und Diskriminierung überwunden werden.

jene, die in ihrer guten Gesinnung Benachteiligung ausgesetzt oder gar verfolgt werden.

Eigentlich all jenen Menschen, die in ihrer Lebenssituation konkrete Worte der Hoffnung und des Mutes brauchen.

Auch heute – in den Zeiten der Corona-Pandemie – kommt es wieder auf solche Seligpreisungen an.
Heute kommt es darauf an, dieses Evangelium neu und ganz konkret in unsere Zeit zu übersetzen.

Kirche der Seligpreisungen (Tabgha – See Genesareth – Israel) – Bild von Reijo Telaranta auf Pixabay

Viele Menschen leiden körperlich, seelisch, aber auch wirtschaftlich und sozial unter dieser Pandemie.
Und wir ahnen alle gemeinsam, dass wir noch eine lange Durststrecke vor uns haben.

Was wird da wichtig?

Wichtig wird, dass jenen Mut und Zuversicht gemacht wird, denen es daran fehlt.
Wichtig wird, dass wir uns untereinander bestärken, durch einen wohlwollenden und liebevollen Umgang miteinander.
Wichtig ist es, uns gegenseitig zuzugestehen, dass bei dem einen oder der anderen auch mal die Nerven blank liegen und wir deshalb einmal mehr manch schroffes Wort nicht auf die Goldwaage legen, da wir wissen, dass dieser Mensch sonst anders ist.
Wichtig wird, dass denen materielle Hilfe zuteil wird, die darauf angewiesen sind.
Wichtig wird, dass wir einander stärken und uns nicht aus den Augen verlieren.

Ich möchte das mal an einem konkreten Lebensbeispiel von mir verdeutlichen:

Als ich im Januar 1982 mit dem Abendgymnasium begann, das berufsbegleitend stattgefunden hat, waren wir insgesamt 50 Studierende, wobei ich damals mit noch 18 Jahren der „Benjamin“ unter ihnen war. Die anderen waren z.T. deutlich älter.

Unter diesen 50 NeuanfängerInnen hatte sich eine Clique gebildet von fünf Mitstudierenden, der auch ich angehörte. Fehlte einer von uns mal an einem Abend bei Unterricht (der oft bis 21.45 Uhr ging), kam spätestens am nächsten Tag ein Anruf von jemand anderem aus der Clique und es wurde gefragt, warum man nicht da war? Gab es keinen trifftigen Grund, außer, dass man z.B. zu kaputt von der Arbeit war, dann wurde einem wohlwollend klargemacht, dass man heute wieder zu erscheinen habe.
So haben wir gegenseitig auf uns geachtet und sind allesamt bis zum Abitur am Ball geblieben.

Das war für mich eine prägende Erfahrung dafür, was es heißen kann, andere mitzunehmen.

So in etwa denke ich, könnten wir auch in diesen Tagen füreinander da sein, wir hier in unserer christlichen Gemeinschaft aber auch ganz besonders für jene, die nicht in unseren Reihen sind – vielleicht gerade für diejenigen, die sonst auf sich allein gestellt sind.

Jesus hat damals den Menschen, die in Nöten waren, Hoffnung machen wollen.
Heute sind wir es, die den Menschen sagen und zeigen können, dass auch sie getröstet oder satt werden und das Licht am Ende des Tunnels erwarten dürfen, durch den wir alle gemeinsam und zusammen gehen.




“ … mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken …“

Impuls zum 30. Sonntag – Lesejahr A – 2020 –
Bezugstext: Mt 22, 34 – 40

https://www.bibleserver.com/EU/Matth%C3%A4us22,34-40


Wissen Sie eigentlich im Detail, welche Schutzregeln jetzt gerade wegen der Corona-Pandemie im öffentlichen Leben und auch hier in der Kirche gelten? —

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wenn ja, dann haben Sie in den letzten Tagen aufmerksam die Nachrichten aus der Kommune und seitens unseres Bistums und unserer Pfarrei verfolgen können.

Wenn nicht, dann bin ich mir sicher, dass Sie damit nicht allein sein.

Die Herausforderung unserer jetzigen Zeit ist, dass sich immer wieder Regelungen und Empfehlungen im Umgang mit der Corona-Pandemie ändern. Diese Änderungen sind der aktuellen Infektionslage aber auch der besseren wissenschaftlichen Erkenntnis im Umgang mit diesem Virus geschuldet.

Dennoch habe ich Verständnis dafür, dass viele Menschen das als verwirrend empfinden.
Hingegen habe ich kein Verständnis dafür, dass manche dahinter irgendwelche Verschwörungen wittern oder diese gefährliche Pandemie mit einer gewöhnlichen Erklärungskrankheit gleichsetzen, wie ich es am vergangenen Donnerstag in einem Forum gelesen habe.

Neben diesen – gefühlt – sich ständig ändernden Schutzregelungen gegen Corona gibt es noch eine Fülle von Gesetzen und Regeln, die wir – so ganz nebenbei und unbewusst – ständig und tagtäglich in unserem Lebensalltag integrieren müssen. Das fängt schon bei den Verkehrsregeln an, die für alle VerkehrsteilnehmerInnen gelten. Das setzt sich fort bei unserem friedvollen gesellschaftlichen Zusammenleben.

Ich könnte Ihnen noch so viele Regeln skizzieren, die für uns ständig gelten und nach denen wir uns zu richten haben.



Welch eine Wohltat ist es dann, wenn wir heute im Evangelium hören, dass Jesus alle Glaubensregeln in diese Worte zusammenfasst:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“

Wow!

Das war es, liebe Schwestern und Brüder.
Mehr brauchen wir als ChristInnen und Christen in der Nachfolge Christi eigentlich nicht ‚beherzigen‘.
Ich sage ganz bewusst nicht: „Mehr brauchen wir nicht zu wissen!“

Denn bei den göttlichen Geboten geht es nicht allein darum, sie zu wissen und zu befolgen, sondern sie sich „zu Herzen zu nehmen“.

Das Herz ist der Sitz unserer Liebe.
Wenn wir diese Gebote beherzigen oder uns „zu Herzen nehmen“, dann schauen wir auf sie mit Liebe und entdecken darin auch die Liebe Gottes zu uns Menschen.

Es geht also darum, diese wichtigen Gebote der Gottesliebe, der Nächstenliebe und der Selbstliebe gleichsam mit dem Herzen zu ‚lesen‘.

Wie befremdlich ist es dann, wenn es unter uns Christen immer noch welche gibt, die meinen, die Kirche müsste permanent, für alles und jeden bis ins Detail Regeln erlassen?

Alle kirchlichen Verhaltensregeln müssen sich mit der Aussage Jesu aus dem heutigen Evangelium überprüfen lassen und müssen damit in Einklang zu bringen sein. Die Kirche muss eben nicht alles ‚bis ins Schlafzimmer hinein‘ regeln.
Es sollte vielmehr selbstverständlich sein, dass die Kirche immer die Regeln des guten Anstands, der Eigenverantwortung und der Freiheit der Kinder Gottes zu achten und zu schützen hat.

Wenn wir heute dieses Evangelium hören, dann darf dies für uns eine Ermutigung sein, sich mit unserem Verstand und unserem Herzen mit diesen Geboten zu beschäftigen und sie in unserer Leben zu integrieren.

Mit Herz und Verstand dieses dreifache Liebesgebot sich zu Herzen zu nehmen und sich zu eigen zu machen: Das ist eigentlich alles und zugleich so anspruchsvoll!

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“




Liebe schuldig …

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Gedanken zum 23. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr A – 2020

Lesungstext: Röm 13, 8-10 https://www.bibleserver.com/EU/R%C3%B6mer13%2C8

Machen Sie gerne Schulden?
Ich nicht! Ich versuche möglichst ohne Schulden und ohne Kredite durchs Leben zu kommen oder sie möglichst schnell wieder los zu werden.

Durch Schulden habe ich das Gefühl, ein Stück meiner eigenen Freiheit zeitweise eingeschränkt zu haben.

Wenn ich Schulden losgeworden bin oder Kredite abbezahlt habe, fühle ich mich sofort etwas freier!

Wie geht es Ihnen?

Heute hören wir die Worte in der Lesung aus dem Römer-Brief:

„Bleibt niemandem etwas schuldig, nur die Liebe schuldet ihr einander – immer.“

Wenn man – wie ich – so ein negatives Bild von Schulden hat, dann kann man sich bei solchen Worten etwas erschrecken.
Will Paulus uns dadurch etwas unserer eigenen Freiheit berauben oder uns Druck machen?

Ich habe gelernt dieses Wort im Kontext mit einem Wort des heiligen Augustinus zu sehen und zu verstehen.
Augustinus hat das so formuliert:

„Liebe! – Und tue, was du willst!“

Für Augustinus ist sogar das Streben nach Liebe eine Möglichkeit, freier durch das Leben zu gehen.
Ich muss nämlich gar nicht mehr sklavisch fragen: habe ich alle Vorschriften eingehalten, habe ich bestimmte Vorschriften nicht eingehalten oder übertreten?

Augustinus sagt: Wir müssen in unserem Leben nur immer der Liebe folgen, dann werden wir eigentlich nichts falsch machen können.

Aber der Liebe zu folgen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.

Doch wer Liebe gelebt und erlebt hat, wird zugleich auch wissen, wie schön die Liebe ist, wenn ich sie gebe und wenn ich sie erfahre.

Also: wenn wir die Liebe einander niemals schuldig bleiben, dann manchen wir nicht nur das Leben anderer sondern auch unser eigenes heller, freundlicher, friedlicher und freier.

Liebe, und tue was du willst und du wirst spüren: die Liebe, die du immer schuldig bleiben wirst, spornt dich an, zu Taten der Freiheit und Selbsthingabe, zu Taten des Respekts und der Achtung.

„Bleibt niemandem etwas schuldig, außer der gegenseitigen Liebe. Wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. (…) (Denn) die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.“ (Röm 13, 8-10)




Erneuerung des Denkens

Predigt am 22. Sonntag – A – 2020
Lesungstext: Röm 12, 1-2

„… Ich ermahne euch also, Brüder und Schwestern, kraft der Barmherzigkeit Gottes, eure Leiber als lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen – als euren geistigen Gottesdienst.
Und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene!…“

Quelle: https://www.bibleserver.com/EU/R%C3%B6mer12

Sammlung und Nachdenken – Quelle: Bild von Pexels auf Pixabay

Liebe Schwestern und Brüder,
zu welcher Art Menschen gehören Sie?
Lieben Sie die Veränderung, sei es geplant oder auch spontan?
Oder gehören Sie eher zu den Menschen, die das Gewohnte und Vertraute vorziehen, die sich sicherer und wohler fühlen, wenn das Leben ‚nach Plan läuft‘?

Diese Fragen sind völlig wertfrei zu verstehen.

Es kann hilfreich sein, für sich zu erkennen, wie man selber tickt.
Wenn wir das nämlich verstanden haben, dann verstehen wir auch unsere Reaktionen darauf, wenn Veränderungen in unserem Leben von außen her auf uns zukommen.

Wer keine Veränderung mag, wird schnell bemüht sein, das Alte und Gewohnte zu verfolgen und wenn es sich verändert, den vorherigen Zustand wieder herzustellen.
Wer keine Veränderung mag, wird viel Energie darauf verwenden, Veränderungen zu verhindern.



Anders der Menschenschlag, der für sich erkannt hat, dass das Leben wesentlich von der Veränderung lebt.

Es liegt so sehr auf der Hand, dass diese Erkenntnis schon geradezu banal ist.
Junge Eltern schauen gebannt und gespannt auf die Veränderung des eigenen Kindes, wenn es gerade ein paar Tage oder Wochen alt ist. Wann wird es anfangen zu krabbeln, wann wird es so kräftige Hände und Füße haben, dass es versucht, sich aufzurichten? Und wann wird es das erste Mal „Mama“ oder „Papa“ sagen?
Und so geht es fort und fort. Mal sieht es dem Papa ähnlich, mal der Mama und später entdecken die Eltern ganz eigene Züge an ihrem Kind.

Schon allein biologisch gesehen, ist alles im Leben auf Veränderung und Verwandlung ausgerichtet … bis zum letzten Atemzug.

Ja, liebe Schwestern und Brüder,
dieses Beispiel scheint so banal; es zeigt uns aber auch, dass unser Leben gar nicht sein kann ohne Veränderung und ohne Wandlung!
Wenn wir einmal erkannt haben, dass „alles fließt“, also stetem Wandel unterworfen ist, dann wird es keine Frage mehr sein, ob Veränderung sein wird oder nicht?

Metamorphose – von der Kaulquappe zum Frosch. Quelle: Bild von Hans Hansen auf Pixabay

Dann wird die Frage nur noch lauten können:

Wie findet diese Veränderung statt?

Wie und wohin werden wir uns verändern, als einzelner Mensch, als Gesellschaft, als Kirche, als Gemeinde und Pfarrei?

Wie werden wir uns verändern unter den Vorzeichen der Corona-Pandemie, die auch an uns nicht spurlos vorübergehen wird?

Wie werden wir uns verändern, gerade auch im Hinblick auf unvermeidliche Prozesse – nicht nur struktureller Art – in unseren Gemeinden, in unserer Pfarrei in unserer Kirche?

In der heutigen Lesung schreibt der heilige Paulus an die Gemeinde von Rom:
„… lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist….“

Großartig, diese Worte des heiligen Paulus!

Er sagt damit: gebt euer Denken nicht auf.
Gebt euren Verstand nicht ab: vor der Tür, wo auch immer: vor der Arbeitsstelle, in der Kirche, in der Gesellschaft!

Für Paulus ist das eigene Denken, das Vor-Denken und das Nach-Denken und die Wandlungsfähigkeit im Denken eine Grundvoraussetzung, damit wir heute noch in unserer Zeit den Willen Gottes erkennen können.

Bevor Paulus uns durch Verwandlung zur Erneuerung des Denkens ermutigt, schreibt er: „… und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens…“

Hier predigt Paulus nicht eine generelle und permanente Opposition zur Welt das Wort, sondern er verbindet die Warnung, sich einfach so der Welt anzugleichen mit der Aufforderung, im immer wieder erneuerten Denken uns selbst zu wandeln.

Dieses „gleicht euch nicht dieser Welt an …“ setzt Paulus also nicht absolut.
Es geht ihm darum, nicht einfach so alles hinzunehmen, was alle andere tun, sondern es mit unserem Verstand zu hinterfragen. Und als Christen ist unser Verstand auch eine Quelle, um die Antwort darauf zu finden, was Gottes Wille heute ist.

Und manchmal entdecken wir dann auch den Willen Gottes in dem, was in der Welt ist und in unserer Gesellschaft, auch wenn es nicht rein christlich motiviert ist. Dann wäre es klug, mit der Welt ‚an einem Strang zu ziehen‘, aber nicht blindlings.

Christen von heute sind also denkende Menschen; sind Menschen, die vom Verstand her begründen können, was sie für richtig und wahr erkannt haben und so auch als Wille Gottes erkennen.

Christen können mit ihrem Denken Antwort darauf geben, was aufgrund unseres Glaubens „gut, wohlgefällig und vollkommen“ ist, wie Paulus sagt.

Dieses Denken findet aber nicht um luftleeren Raum statt. Dieses Denken wird beeinflusst durch Erfahrungen, die wir selbst mit Gott gemacht haben.

Und eine solche wichtige Erfahrung ist, dass Gott seine Barmherzigkeit an uns vollzieht.

Das eigene Denken, die erfahrene Barmherzigkeit und die Überzeugung, dass Gott ein Gott der Liebe ist, sind einige Kriterien, die uns helfen können, zu erkennen, was der Wille Gottes in unserer Zeit ist, was Gott von uns heute will.

Haben wir den Mut dazu? Haben wir den Mut, Veränderungen in unserem Leben zu zulassen und zu bejahen?




„Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz…“

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Gedanken zur Lesung am 17. Sonntag im Jahreskreis

Bezug: 1 Könige 3,5.7-12

Einen Teil dieser Lesung möchte ich vornean stellen:

“ In jenen Tagen erschien der HERR dem Sálomo nachts in einem Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll! Und Sálomo sprach: (…) Verleih (.) deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht! (…)
Es gefiel dem Herrn, dass Sálomo diese Bitte aussprach.
Daher antwortete ihm Gott: Weil du gerade diese Bitte ausgesprochen hast und nicht um langes Leben, Reichtum oder um den Tod deiner Feinde, sondern um Einsicht gebeten hast, um auf das Recht zu hören, werde ich deine Bitte erhören. Siehe, ich gebe dir ein so weises und verständiges Herz, dass keiner vor dir war und keiner nach dir kommen wird, der dir gleicht.“


Dieser Text ist ein Schlüsseltext, der uns erklärt, warum die ‚Weisheit Sálomos‚ so legendär ist!

Sálomo hätte auch – wie viele andere Herrscher vor und nach ihm – um langes Leben, Reichtum oder den Tod seiner Feinde bitten können.
Aber das hat er gerade nicht getan.

Warum?

Weil er vielleicht gemerkt hat, dass das für sein Amt als König unbedeutend ist?

Ein langes Leben – das ist schnell bedroht und beendet.
Ich denke da gerade an einen tragischen Autounfall, bei dem ein Oberhausener vor wenigen Tagen auf seiner Reise in den Urlaub ums Leben kam. Heute noch stehen wir in Saft und Kraft … und morgen sind wir bereits tot. Ein langes Leben ist relativ.

Reichtum – der ist nicht für die Ewigkeit.
‚Das letzte Hemd hat keine Taschen!‘ – so sagt der Volksmund. Damit greift dieses Wort die Binsenweisheit auf, dass wir an materiellen Gütern nichts mitnehmen können. Irgendwann einmal wird auch der größte Reichtum ein NICHTS sein. Durch Krisen, Schicksalsschläge oder spätestens durch den eigenen Tod verlieren wir jeden materiellen Reichtum.

Seinen Feinden den Tod wünschen
Unabhängig davon, ob diese Bitte aus christlicher Sicht moralisch gut ist (was ich bezweifele), ist dieser Wunsch auch oberflächlich.
Wenn ich ‚meinem Feind‘ den Tod wünsche, weil er sich vielleicht gegen mich oder andere, die in meiner Obhut stehen, vergangen hat oder wenn er für Gewalt und Leid verantwortlich ist, was würde dann nach dessen Tod kommen?
Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass dann ein anderer Mensch kommt, der ähnlich gewalttätig und niederträchtig ist.
Durch den Tod eines Feindes ist das Grundübel nicht beseitigt, den die Erfahrung lehrt, dass immer ein neues Grundübel nachkommen kann und auch sehr wahrscheinlich wird.
Mit dem ‚Tod meines Feindes‘ wird die Welt also nicht automatisch besser.

Das Bessere erwählen

Ein ‚hörendes Herz‘, dass Sálomo befähigt, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, das ist die einzige Bitte Sálomos.

Welche Bedeutung hat das ‚Herz‘ im Alten Testament (AT)?

Dazu möchte ich aus einem Aufsatz zitieren:

“ …Salomo bittet als König um ein „hörendes Herz“ und damit ist Verstand und Einsicht in die Ordnung der Schöpfung ebenso gemeint wie die Fähigkeit zur Pflege kultureller Leistungen.
Salomo gilt deswegen als biblischer Inbegriff der Weisheit, weil er durch sein hörendes Herz das Volk einen und verbinden konnte, nämlich v.a. durch gerechte Gerichtsurteile (vgl. das salomonische Urteil 1 Kön 3,16ff.) (…)
Es ist deutlich geworden, dass im alten Israel das Herz nicht primär Sitz der Gefühle oder der Liebe ist. „In der Bibel ist das Herz vor allem der Sitz der Vernunft und des Verstandes, des geheimen Planens und Überlegens und der Entschlüsse.“
Die meisten Belege des hebräischen Wortes für Herz stehen im Zusammenhang von intellektuellen und rationalen Tätigkeiten….“

Quelle: Br. Karl M. Schnepps ofm, Das Herz im Alten Testament

Wenn wir diese Bedeutung des Herzens im Alten Testament zugrunde legen, dann erkennen wir, dass Sálomo (obwohl sehr jung an Jahren) intuitiv ‚verstanden‘ hat, worauf eine gute Regentschaft wirklich gründen sollte: auf Vernunft und Verstand, auf intellekturelle und rationale Tätigkeiten.


Wenn ich mir über diese Textstelle Gedanken mache, dann merke ich, dass sie auch heute große Bedeutung hat.

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Ob in Staat und Gesellschaft, ob in Religionen und Kirche: Weisheit und Vernunft sind wesentlich, damit wir in der heutigen Welt gut leben können.

Dabei müssen wir wahrscheinlich uns immer wieder neu orientieren und fragen, woran wir uns in unserem Leben fest machen wollen: an den vergänglichen Gütern, an oberflächlichen Wünschen oder an buchstäblich fundamentalen Eigenschaften, die die Grundlage für (soziale) Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und Wohlstand bilden?

Wir dürfen uns als ChristInnen auch fragen, was diese Textstelle heute für uns als ChristInnen bedeutet?
Was macht das Wesen des Christentums aus?
Worauf kommt es an, wenn ich als ChristIn leben will? Was ist meine Berufung als ChristIn in der Welt?

Ich denke, von der Beantwortung dieser Fragen wird viel auch für eine Kirche der Zukunft abhängen.
Nicht ‚tote Steine‘ werden wesentlich sein, sondern ‚lebendige Steine‘!

„Lasst euch selbst als lebendige Steine zu einem geistigen Haus erbauen,
zu einer Priesterschaft, die Gott geweiht ist und die ihm,
vermittelt durch Jesus Christus, Opfer darbringt,
Opfer geistiger Art, an denen er Gefallen hat,
nämlich den Opferdienst des ganzen Lebens…“

vgl. 1 Petrus 2,5

Nicht Kirchen und Gemeindezentren werden also wichtig sein, sondern unser gelebtes Christentum für die Welt.

Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass wir uns auch gerade bei der Frage der strukturellen Veränderungen in der Kirche auf diese Aspekte christlicher Exitenz besinnen müssen.

Ist es nicht jetzt an der Zeit, dass auch wir Gott stärker den je um ein „hörendes Herz“ bitten?

Sie ahnen es! Ich meine: ja!


Herr, die Weisheit, die unsere Welt zum Guten verändern kann, ist nicht oberflächlich, sie neigt sich nicht dem Materiellen zu und sucht nach unvergänglichen Gütern und Gaben.
Schenke uns – wie Sálomo – ein hörendes Herz, damit wir das Gute vom Bösen zu unterscheiden lernen. Motiviere uns, als ChristInnen Sauerteig in der Welt und für die Welt zu sein, und
schenke uns Mitgefühl für die Menschen in unserer Zeit und die Fähigkeiten, die in dieser Welt heute so not-wendig sind.
(c) Gerd Wittka, 21.07.2020