Sei nicht geknickt…!

Impuls zum Fest ‚Taufe des Herrn‘ am 7./8. Januar 2023

Quelle: pixabay.com

Seit Jahren begleitet mich dieses heutige Wort des Propheten Jesaja in meinem Dienst: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus. Ja, er bringt wirklich das Recht.“ (Jes. 42,3)

Diese Worte hat später Jesus auf sich bezogen. So lesen wir im Matthäus-Evangelium im 12. Kapitel 15-17.20:
„15 Als Jesus das erfuhr, ging er von dort weg. Viele folgten ihm nach und er heilte sie alle. 16 Er gebot ihnen, dass sie ihn nicht bekannt machen sollten, 17 damit erfüllt werde, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist: (…)
20 Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen / und den glimmenden Docht nicht auslöschen, / bis er dem Recht zum Sieg verholfen hat. …“

Ich liebe beide Texte sehr.
Sie wurden für mich zu Schlüsseltexten, wenn ich über die Barmherzigkeit Gottes nachsinne.



Und so mögen Sie es mir verzeihen, wenn ich dieses Thema wiederholt anspreche und Sie diesen Gedanken von mir schon kennen.
Ich möchte aber nicht müde werden, diese Worte für unser Leben fruchtbar werden zu lassen.
Mein Schlüsselerlebnis mit diesem Wort war ein Gottesdienst als Gefängnisseelsorger, wo diese Lesung in einem Gottesdienst gelesen wurde.
Inhaftierte lasen diese Lesung vor und währenddessen schaute ich in die Menge der anderen inhaftierten Frauen und Männer.
Über sie alle war Gericht gehalten worden und sie ‚wurden gerichtet‘. Und das Urteil, das über sie gesprochen wurde, hinterließ bei manchen negative Folgen: als geknickte oder sogar gebrochene Menschen fristeten sie ihr Leben. Diese Realitäten müssen wir immer mit berücksichtigen, wenn wir auf der Suche nach ‚gerechter‘ Bestrafung sind! Die alttestamentliche Ansicht: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ gilt seit Christus nicht mehr.

Denn ER sagt: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ (Mt 5,44-45)

Was für eine Botschaft!

Jesus ist als Mensch in unsere Welt gekommen, um genau das Gegenteil zu bewirken: anstatt zu knicken – aufzurichten, anstatt auszulöschen – zu entfachen.

Bild von MURAT KARAKAYA auf Pixabay

Das geknickte Rohr, das aufgerichtet wird, kann weiter wachsen und leben. Die glimmende Flut, die nicht gelöscht sondern entfacht wird, kann weiter Wärme und Licht verbreiten.
Dazu ist Jesus in die Welt gekommen.

Wo wir Brüche in unserem Leben haben, möchte er aufrichten und festigen, damit wir an den Brüchen nicht zugrunde gehen, sondern das Leben in uns spüren und erleben können.

Wo die Lebensglut in uns zu erkalten droht und nur noch zaghaft glimmt, will er mit dem Brausen der Heiligen Geistkraft unsere Lebensflamme wieder zum lodern bringen.

Und auch, wenn wir uns die Frage stellen, wie wir als Geschwister Jesu Christi in seine Fußstapfen treten können, wie wir IHM nachfolgen können, dürfen wir uns an diesen Worten ein Beispiel nehmen:
• Wo wir geknickten Existenzen in unserem Leben begegnen, dürfen wir uns fragen, wie wir diese Menschen in ihrer Situation aufrichten können. Wie können wir sie stärken, damit ihr Leben Sinn behalten kann; damit ihr Leben gelingen kann; damit sie gestärkt werden zu einem Leben mit Zukunft?
• Wo wir Menschen begegnen, die zu erkalten drohen, in ihren Gefühlen aber auch in ihrem Handeln; die hartherzig sind. Wie machen wir uns auf die Suche, mit ihnen und in ihnen die glimmende Glut der Liebe, der Sehnsucht nach Frieden und Hoffnung zu entdecken? Wo können wir, diese Glut, die wir finden, vielleicht gemeinsam und mit dem Wehen des Heiligen Geistes neu entfachen, damit in ihnen Herzlichkeit, Liebe, Respekt und Achtung neu entzündet werden kann?

Denn am Ende steht nicht ein Gericht, das zerbricht und auslöscht, sondern DER, der uns aufrichtet, heilt und die Glut des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in uns lebendig hält.




Gott tritt für uns ein …

… in dem Zwischenraum der Mächte

Predigt zu Weihnachten 2022

Weihnachten 2022 in Deutschland:
unsere Häuser stehen, unsere Heizungen laufen und auch auf den Lichterglanz müssen wir dank funktionierender Kraftwerke nicht verzichten.
Materiell fehlt es uns eigentlich an nichts, dieses Fest so zu feiern wie viele andere Jahre zuvor auch.
Selbst Corona hat uns nicht mehr so fest im Griff, wie noch die letzten beiden Winter –.

Und dennoch scheint eine ungetrübte Leichtigkeit nicht so leicht zu erkennen.



So unterschiedlich auch die Herausforderungen und Belastungen, das Leid und das Elend ist … eines ist ihnen mindestens gemeinsam:

Das Gefühl und die Erfahrung von Ohnmacht!
Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

  • Die einen sehen zwar, dass wir eigentlich alles haben könnten – nur fehlt ihnen wegen der Inflation das Geld.
  • Die anderen – und das konnte ich vor einer Woche in unserer Trauergruppe spüren – gehen mit beklemmenden Gefühle in diese Feiertage, weil sie den Tod eines geliebten Menschen betrauern.
  • Wiederum andere sind mit einer Krankheit konfrontiert, die ihnen die Rückkehr ins alte und gewohnte Leben unmöglich erscheinen lassen. Hier in der Krankenhaus-Kapelle wissen wir uns deshalb ganz besonders mit jenen Menschen verbunden, die dieses Weihnachtsfest hier in diesen Mauern verbringen müssen: als Patient:innen oder als Mitarbeitende.
  • Ich denke aber auch an jene, die die Katastrophen und die Kriege unserer Erde nicht kalt lassen, die besorgt sind, dass gut 100 Jahre nach dem ersten Weltkrieg wieder ein Krieg auf europäischem Boden tobt. Wieder werden unschuldige Menschen Opfer von Machtwahnsinn und diktatorischen Strukturen.
  • Ich denke an die verfolgten Menschen, die wegen ihrer Sexualität, Religion oder Weltanschauung verfolgt werden. Ich sehe auch jene, die das Leben und die Freiheit lieben und deshalb mit Haft, Folter und Tod bedroht sind.
  • Und dann gibt es jene, die solche Verhältnisse umtreibt und die so gerne etwas tun würden, wenn sie nur könnten. Stattdessen bedrückt sie das, was sie tagtäglich in den Medien an schlechten Nachrichten hören. …

Ohnmacht ist eine Erfahrung, die eigentlich alle Menschen kennen, nicht nur jene, von denen ich gerade gesprochen habe.
Ohnmacht kennen Pflegekräfte oder ärztliches Personal, wenn sie mit Leiden und Krankheit konfrontiert werden. Ohnmacht ist auch eine Grunderfahrung von uns Seelsorger:innen in Grenzsituationen des Lebens.
Zwar meinen viele, dass wir auch in schweren Situationen unseren Dienst leisten können; doch oft werden unsere Handlungen von dem Gefühl begleitet, nicht noch mehr tun zu können. Wir stoßen an unsere Grenzen des Machbaren.

Ohnmacht ist also eine menschliche Grunderfahrung. Und so kann ich das Evangelium des heutigen Festes unter dem Vorzeichen der Ohnmacht lesen.
Das ist uns so vertraut, beim direkten Blick auf das Kind. Die Lieder der Weihnacht singen davon, von dem Kind, „… nackt und bloß in einem Krippelein“ oder „wird niedrig und gering…“ usw. usw.!

Die Themen Macht bzw. Ohnmacht tauchen literarisch kunstvoll im Evangelium auf.
Anfangs wird uns die weltliche Macht vor Augen geführt. Da ist vom Kaiser Augustus und von seinem Statthalter Quirinius die Rede. Da ist von staatlichem Recht, dem Steuerrecht, die Rede. Hier tritt vor dem Ereignis von Bethlehem die weltliche Macht auf.
Und am Ende des Evangeliums ist von einer anderen Macht die Rede, nämlich von der göttlichen Macht. Sie wird verkörpert durch die Engel.

Und genau in diesem Zwischenraum, diesen beiden Mächten, findet die Geburt Jesu statt.
Das ist uns ein Zeichen, in dieser Nacht, an diesem Fest.

Bild von Robert Cheaib auf Pixabay

Jesus wurde also in der „Welt dazwischen“ Mensch.
Gott wird in Jesus Christus Mensch in dieser Zwischenwelt, die zugleich oft eine Welt der Ohnmacht ist.

Und als sei das noch nicht alles, wählt er dazu eine Umgebung, die nicht nur ohnmächtig, sondern total hilfsbedürftig ist.
Was gibt es Hilfe-bedürftigeres als ein neugeborenes Kind unter diesen Umständen?!
Was ist das für eine göttliche Weisheit, der weltlichen Macht weltliche Ohnmacht entgegenzusetzen?!
Wäre es nicht wirksamer, wenn Gott machtvoll der weltlichen Macht ein Gegengewicht geworden wäre?
Ist es nicht genau diese scheinbare Tatenlosigkeit, die Menschen an Gott zweifeln lässt, weil sie sich von ihm im Leiden und in der Ohnmacht ein Zeichen der Stärke erhoffen?!

Warum schreitet er nicht ein gegen himmelschreiendes Unrecht?
Warum tut Gott nichts, wenn wir selber nichts tun können, sondern ohnmächtig und hilflos nur zuschauen können?!

Stattdessen nur jubilierende Heerscharen von Engeln!
Es ist doch wirklich manchmal zum Verzweifeln, oder?!

Aber so ist es nun mal mit der Botschaft von Weihnachten: Kein heroischer Messias kommt auf die Erde, auch später nicht, wie wir erkennen müssen. Die Hoffnung eines schlagkräftigen Messias wird nicht nur damals bei den Juden enttäuscht, sondern sicherlich auch heute immer wieder bei uns.

Es wäre doch so einfach, wenn Gott einfach dreinschlagen würde.
Doch das ist die Crux des christlichen Glaubens.
Wer es einfach haben möchte, wer eine ‚einfache‘ Religion oder Weltanschauung sucht, ist bei uns Christen definitiv an der falschen Stelle.

Gibt es dennoch Erfreuliches zu berichten an diesem Abend?

Ja, vielleicht, wenn wir den Mut haben, unsere Erwartungen und unsere Maßstäbe hintenan zu stellen.
Und wenn wir die Offenheit besitzen, nicht nur mit den Ohren und unserem Verstand die Botschaft der Weihnacht zu hören, sondern mit dem Herzen und mit unseren Gefühlen.

Dann passiert nämlich etwas mit uns, wenn wir z. B. die Worte der heutigen Lesung, mit dem Herzen, hören:

Menschen in der Finsternis sehen ein Licht. Jene, deren Leben verdunkelt ist, sehen in der Ferne ein Licht.
Und dieses Licht löst etwas aus, es bewirkt etwas.
Es kann eine Sehnsucht erwachen, die in der Dunkelheit nicht entstehen könnte.
Dieses Licht kann uns stärken, um neuen Mut zu schöpfen.
Es kann uns darauf aufmerksam machen, dass wir Kräfte in uns tragen, zu hoffen, aus der Hoffnung zu handeln oder wenigstens die erfahrene Ohnmacht auszuhalten und bei Menschen zu bleiben, die unsere Nähe brauchen, weil sie sonst nichts anderes mehr haben.
Dieses kleine Licht kann uns lehren, zu hoffen wider alle Hoffnung und unser Leben zu er-tragen, wie es ist.

Dann wird zwar nicht – auf einen Schlag – alles Übel und alle menschenfeindliche weltliche Macht vernichtet, aber unsere Ohnmacht verliert womöglich ihre Schrecken. In der Ohnmacht bleibt die Hoffnung lebendig, dass alles Lebensfeindliche nicht das letzte Wort haben wird, nicht die Welt des Todes, sondern die Welt, die wir nach Möglichkeit mitgestalten und einst von allen Ketten des Leids und des Todes befreit sein wird.
Ich möchte glauben: in der weihnachtlichen Botschaft zeigt sich eine Mächtigkeit in der Ohnmacht, die nicht von dieser Welt ist.

Irgendwie scheinen solche Formulierungen paradox. Aber ist Weihnachten an sich und in seiner Szenerie nach menschlichem Dünken nicht ebenso paradox?!
Und das ist ein Geheimnis, dass sich so schwer in Worte fassen lässt.

Ich möchte glauben, dass `sich von dieser ‚mächtigen Ohmacht‘ in mir ein innerer tiefer und stiller Friede ausbreitet, der die Dunkelheit dieser Welt nicht ignoriert, sondern damit zu leben lernt, und dies nicht tatenlos und ohne Perspektive hinnimmt!
Denn am Ende steht: Ostern!




Sich stärken

Impuls zu den Lesungstexten des 3. Adventssonntages – Lesejahr A – 2022

Lesungstexte:

  1. Lesung: Jes 35,1-6b.10
  2. Lesung: Jak 5,7–10
Quelle: www.pixabay.de

Kennen Sie die Aktion „Kinder stark machen“? –
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) hat diese Aktion vor mehr als 25 Jahren gestartet und sie läuft immer noch. Ziel ist es, schon im frühen Alter Kinder für Suchtgefahren zu sensibilisieren, damit sie später sich vor Suchtgefahren schützen können. —-



Kennen Sie die Aktion „Macht Menschen stark!“? —
Sie läuft schon seit über 2500 Jahren. Eines der frühesten Zeugnisse diese Aktion haben wir heute in der ersten Lesung des Propheten Jesaja gehört: „Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie! Sagt den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott! (…) Er selbst kommt und wird euch retten.“

„Stärkt die schlaffen Hände…!“ – Quelle: www.pixabay.com

In der zweiten Lesung greift Jakobus diese Aktion auf, in dem er schreibt: „… macht eure Herzen stark, denn die Ankunft des Herrn steht nahe bevor…“

Und im Psalm 118,14 betet der Psalmist: „Meine Stärke und mein Lied ist der Herr; er ist für mich zum Retter geworden.“

Den Menschen stark zu machen, damit er dem Bösen (in sich) widerstehen kann; den Menschen stark zu machen, damit er fähig wird, das Gute zu tun und mit ganzem Herzen zu lieben, das ist auch die Botschaft und die Absicht Jesu.

Er selber bezieht im Matthäus-Evangelium 12,20 das Wort des Propheten Jesaja auf sich (Jes. 42,3): „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht / und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; / ja, er bringt wirklich das Recht.“

Immer da, wo wir alle als Christ:innen leben und Zeugnis abgeben wollen, sind wir Teil der Aktion „Macht Menschen stark!“

Dabei zielt diese Aktion in zwei Richtungen.

Sie gilt einmal im Hinblick auf uns selber. Das Wort des Propheten Jesaja „Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie…“ können und dürfen wir auf uns selber beziehen. Wir selber dürfen für uns sorgen, damit wir ‚wieder auf die Beine kommen‘, buchstäblich und auch im übertragenen Sinne. Wir selber dürfen und sollten in christlicher Selbstfürsorge darauf achten, stark zu werden.

„Festigt die wankenden Knie…!“ – Quelle: www.pixabay.com

Zugleich gilt das Wort des Propheten Jesaja aber auch für die Menschen, denen wir begegnen. Wenn wir es vermögen, sollen auch wir unseren Beitrag leisten, dass deren erschlafften Hände wieder stark und ihre wankenden Knie wieder gefestigt werden. Da, wo wir andere stärken können, sollen wir auch darauf achten.

Deshalb stand dieses Wort aus dem Propheten Jesaja auch als eines der wichtigsten Leitgedanken über meinen Dienst als Gefängnis-Seelsorger Anfang der 2000er Jahre.

Das ist übrigens auch ein wichtiges therapeutisches Prinzip, zumal in der Psychiatrie.
Die Patient:innen in unserem Johanniter-Krankenhaus sollen nicht allein ‚von außen therapiert werden‘, sondern sind selbst wesentliche Akteure ihrer eigenen Therapie. Sie sind als Patient:innen aktiv eingebunden in der Therapie, z. B. durch Ergotherapie und Sport, aber auch durch andere therapeutische Maßnahmen für Körper und Seele.

Je länger ich in der Psychiatrie als Seelsorger arbeite, um so mehr entdecke ich die therapeutische Dimension der Botschaft Christi.

Die Stärke, die heute in den Lesungen erwähnt wird, kann sicherlich einerseits durch uns selber geprägt und unterstützt werden. Diese Stärkung ist also ein aktives Geschehen.
Zugleich erfahren wir von außen Stärkung: durch Mitmenschen und durch Gott.

So sieht es der Psalmist, wenn er betet: Meine Stärke und mein Lied ist der Herr; ER ist für mich zum Retter geworden.

Heute, am Gaudete-Sonntag dürfen wir uns freuen, wenn wir uns einmal mehr bewusst werden, dass Gott kein Duckmäusertum möchte, sondern dass er – zu unserem eigenen Heil – uns stärken will und uns stark machen und haben möchte.

Heute dürfen wir uns freuen, weil wir als Christ:innen mit dabei sind bei der göttlichen Aktion: „Macht Menschen stark!“




Stärker als jeder absolutistischer Herrscher: Christus König

Impuls zum Christ-König-Sonntag 2022

Erinnern Sie sich an die Staatstrauer und an die Beisetzung von Queen
Elizabeth II. vor einigen Wochen?
Ich war da gerade in Urlaub und ich wollte eigentlich nicht viel davon sehen.
Aber irgendwie kommt man dann doch nicht ganz daran vorbei.
In den Medien sah man Bilder der Queen, von ihren jungen Jahren, von
ihrer Krönung, in anderen festlichen Roben, geschmückt mit Diademen,
Kronen und Juwelen.
Und auch während der Staatstrauer: ihre Krone, der Reichsapfel und das
Zepter auf ihrem Sarg.
Am Ende der Trauerfeier, bevor der Sarg von ihr herabgelassen wurde,
entfernte man feierlich diese Insignien ihrer Königinnenschaft.

Das waren Bilder vom Tod einer Königin in heutiger Zeit.



Wie man sich zu mancher Zeit "Christ-König" vorgestellt hat. Aber welches Bild gibt ER von sich selber?
Wie man sich zu mancher Zeit „Christ-König“ vorgestellt hat. Aber welches Bild gibt ER von sich selber? Quelle: Bild von AJ jaanko auf Pixabay

Ganz anders das Bild des Mannes, den wir heute als Christ-König feiern: Jesus Christus.
Geschunden, gemartert, verhöhnt, entehrt, bestialisch hingerichtet ziert sein Haupt keine Krone aus Edelmetall und Edelsteinen, sondern eine Dornenkrone, deren langen Dornen sich in die Kopfhaut eingebohrt haben.

Bild einer Dornenkrone
Bild von Jeff Jacobs auf Pixabay

Die Bilder aus London waren schön, voller Pracht – für viele eine Augenweide.
Die Bilder aus Jerusalem, das Bild des getöteten Christus: wer mag das ansehen wollen?

Gegenbild: Gekreuzigter Christus des Isenheimer Altars

Solidarität I

Mathis Gothart Grünewald 022.jpg

Bildquelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4f/Mathis_Gothart_Gr%C3%BCnewald_022.jpg

Der Maler Matthias Grünewald hat mit dem Isenheimer-Altar die Kreuzigungszene für den Bettensaal eines mittelalterlichen Krankenhospiz gemalt, die wir heute noch verstörend empfinden können.
Matthias Grünewald hat versucht, den leidenden Menschen seiner Zeit einen durch und durch ebenbürtigen mitleidenden Christus buchstäblich gegenüberzustellen.

Aber dies tat er nicht, um die Kranken noch mehr zu belasten, sondern aus einem anderen Grund:

Wie oft höre ich von ziemlich kranken Menschen Worte wie: „Aber ich kann ja nicht klagen. Anderen Menschen geht es noch schlechter!“

Solche Sätze sagen mir: im eigenen Leid blicken manche Menschen auf das Leid anderer und setzen ihr eigenes Leid im Verhältnis zum Leid der anderen.
Das ist kein Tipp, den ich als Außenstehender geben würde und kann.
Aber für jene Kranke, die das tun, kann sich die Sicht auf das eigene Leid verändern.

Bitte: Niemals als Ratschlag!

Auf das Leid der anderen zu blicken im eigenen Leid, kann das eigene Leid erträglicher machen.

Ich sage das nicht, als Ratschlag oder als Tipp. Ich sage das nur als Wahrnehmung.

Denn als Außenstehende müssen wir uns davor hüten, kranken und leidenden Menschen zu sagen: „Schau mal, anderen geht es doch viel schlechter als dir!“
Relativierung des Leids steht jenen, die leidende Menschen begleiten, nicht an und es ist nicht hilfreich, sondern oft genau das Gegenteil.
Der leidende Mensch kann das so verstehen, dass ein eigenes Leid nicht ernst genommen wird.
Nur der Leidende selbst kann für sich den Vergleich mit anderen leidenden Personen anstellen und das in aller Freiheit.

Dann aber kann es passieren, dass das eigene Leid als nicht mehr so arg wahrgenommen wird.

Das ist eine Art Solidarisierung der Leidenden unter einander, auch wenn sie gegenseitig davon nichts wissen.

Solidarität II

Der Isenheimer Altar thematisiert aber noch eine andere Solidarisierung: die göttliche Solidarisierung!

Den kranken Menschen wird mit dem Altarbild ein Bild von leidenden Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der ganz und gar in der Geburt in Betlehem Mensch wurde, gezeigt.

Damit will dieses Bild den kranken und leidenden Menschen sagen:
Dein Gott, an dem du auch in deinem Leid glaubst und dem du vertrauen willst, hat sich als Mensch selber dem menschlichen Leiden ausgeliefert.
Auch wenn sein Leid und dein Leid immer getrennt voneinander sein werden, so möchte dies ein Zeichen sein:

Gott liebt dich so sehr und möchte so sehr um die liebende Beziehung mit dir werben, dass er sich selber nicht verschont hat, sondern wie es bei Paulus heißt:
Jesus Christus

„… war Gott gleich, / hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich / und wurde wie ein Sklave / und den Menschen gleich. / Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich / und war gehorsam bis zum Tod, / bis zum Tod am Kreuz….“

(Phil 2,5-8)

Der Schächer, der neben Jesus Christus am Kreuz hing, hat das erkannt und sich in einem letzten Augenblick seines eigenen Lebens dazu bekannt.
So wurde für ihn das Bekenntnis zum leidenden Gott, zum mit-leidenden Gott die Quelle der eigenen Erlösung.

‚Jesus Christus und der Schächer‘. Bild: Privatbesitz Gerd Wittka, © Gerd Wittka, 2022

Für mich ist das ein Bild, ein Vor-Bild, damit ich lernen kann, dass er auch mich im Leiden und im Tod nicht fallen lässt.

Die Monarchie in Großbritannien und viele andere Monarchien sind Monarchien mit viel Glanz und Pomp, aber ohne wirkliche Macht.

Die Monarchie des Christus unseres Königs ist genau das Gegenteil davon: eine Monarchie ohne Glanz und Pomp, aber mit viel Macht, wenn auch nicht irdischer Macht; aber mit der Macht uns von dem zu befreien, was für Viele oft das Ende des eigenen Lebens zu sein scheint: der Macht, uns vom Tode zu befreien.




Wenn aus Hoffnung Glaube wird …

Ansprache am 32. Sonntag im Jahreskreis – C – 2022

Bild von ShonEjai auf Pixabay

Erinnern Sie sich daran, wann Sie das letzte Mal mit jemandem über unseren Glauben an die Auferstehung gesprochen haben, so richtig gesprochen im Alltag?
Erinnern Sie sich, was der Grund dafür war?

Als Krankenhaus-Seelsorger ploppt dieses Thema bei mir immer wieder in der Begegnung mit Patient:innen auf, gerade auch dann, wenn es um die Frage nach dem Ende des eigenen Lebens und den eigenen Tod geht.

„Was kommt danach?“ oder „Glauben Sie persönlich an die Auferstehung?“

Natürlich fordern mich solche Fragen heraus. Es wäre billig, einfach nur zu behaupten, dass ich schon eine sehr klare und persönliche Antwort habe, weil ich ja christlicher Seelsorger und Priester bin.

Natürlich ist die Frage nach der Auferstehung und dem Leben nach dem Tod Dreh- und Angelpunkt meines christlichen Glaubens.

Dennoch antworte ich lieber: „Ich hoffe auf die Aufstehung!“ – Damit erkenne ich an, dass es auch immer noch offene Fragen gibt oder vielleicht sogar ein Fünkchen Zweifel.

Im Erinnerungsgottesdienst am Donnerstag für die Verstorbenen, der an jedem ersten Donnerstag in unserer Pfarrei stattfindet, war die Schriftlesung aus dem Römerbrief, die wir gerade auch als Lesung gehört haben: „…. Darauf können wir zunächst nur hoffen und warten, obwohl wir schon gerettet sind….“

Als berufsmäßiger Verkündiger der Frohen Botschaft fühle ich mich bei diesen Worten des heiligen Paulus gut aufgehoben.
Wenn wir über unseren eigenen Glauben an die Auferstehung sprechen, kommen wir an der Frage des eigenen Sterbens und Todes nicht vorbei, denn Auferstehung gibt es nicht ohne Sterben und Tod.

Kein Wunder also, dass diese Frage schon zu Zeiten Jesu zu theologischen Streitgesprächen geführt hat.

Ich möchte mich heute nicht an diesem Streit aus dem Evangelium abarbeiten.
Ich möchte vielmehr darauf hören, was Jesus den Sadduzäern und somit mir und uns sagt:
Gott ist ein Gott der Lebenden und nicht der Toten.

Welche Antworten und welche Bilder für uns selber hilfreich sind, diese Zusage Jesu zu verinnerlichen, das liegt in unserer Verantwortung.

Ich möchte dazu ermutigen, sich auf die Suche solcher Antworten, Bilder und Gleichnisse zu machen, weil sie unsere Hoffnung nähren auf das, was wir noch nicht sehen, aber uns zuversichtlich darauf warten lassen, dass sich diese Hoffnung erfüllt, wie der Römerbrief sagt.

„spes“ (lat.) = „Hoffnung“ – Bild von falco auf Pixabay

Schauen wir einfach mal nach Bildern oder Gleichnissen, die uns spontan dazu einfallen:

Mir fallen dazu spontan die drei Folgenden ein:

  1. Das Bild von der Raupe und dem Schmetterling. Die Raupe führt ein mühsames Dasein, frisst und schläft und weiß nichts von der zukünftigen Verwandlung. Aber wir ‚wissen‘, was nach dem Ende des Raupendaseins kommen wird.

  1. Der Vergleich mit den Ungeborenen im Mutterleib. Damals, als wir noch im Bauch unserer Mutter waren, wussten und ahnten wir noch nicht, was da kommen würde. Dort, im Bauch, hatten wir alles, was wir zum leben brauchten: Nahrung, Geborgenheit, Fürsorge der Mutter, Schutz …! Dann der schmerzhafte Geburtsvorgang. Doch was danach kam, hätten wir uns in den kühnsten Träumen im Mutterleib nicht vorstellen können. Und heute? – Würden wir wieder zurück wollen in den Leib der Mutter, der damals für uns alles, unsere ganze Welt war?

  1. Oder das Bild vom Haus mit den verschiedenen Zimmern.
    Die einen Zimmer stehen für das Diesseits. Und jene, die sterben, durchschreiten eine weitere Tür in ein anderes, unbekanntes Zimmer, aus dem noch niemand zurück ins alte Zimmer gekommen ist. Aber wir wissen, dass wir alle in dem einen gemeinsamen Haus bleiben, nur halt durch eine Tür getrennt. Und was sich hinter der Tür verborgen hält, wissen wir nicht, sondern können wir nur erahnen.

Ich möchte uns alle ermutigen, solche Bilder und Vergleich zu suchen, die uns helfen, die Hoffnung auf Auferstehung und das ewige Leben in uns wach zu halten und damit zuversichtlich Krisen zu überwinden.

Und dann, eines Tages, werden wir es selber erleben … so, dass aus einer Hoffnung eine Gewissheit werde!




Sorge, Sorge, Vorsorge ?!

Bild von Wilfried Pohnke auf Pixabay

Impuls zum Evangelium des 18. Sonntags im Jahreskreis – 30./31.7.2022

Immer wieder flattern bei mir Angebote oder Hinweise von Versicherungen rein: „Denken Sie an ausreichenden Versicherungsschutz!“ – „Haben Sie schon genügend für Ihren Ruhestand vorgesorgt?“ usw.

Versicherung und Vorsorge: sicherlich wichtige Themen, wenn wir auf eine mögliche Zukunft blicken.
Ganze Wirtschaftszweige wollen uns glauben machen, dass das mit die wichtigsten Fragen sind: Denkt an die Zukunft!

Wer also nicht das Leben eines Bohême führen möchte, wer sein Leben nicht durch ein scheinbares In-den-Tag-Hinein-Leben führen möchte, wird an diesen Fragen der Zukunftsvorsorge nicht vorbei kommen.

Bild von Tumisu, please consider ☕ Thank you! 🤗 auf Pixabay

Im heutigen Evangelium zeichnet Jesus ein Gleichnis von einem Mann, der seine Zukunftsvorsorge sehr ernst nimmt. Er spart sich vieles fast vom „Munde ab“, in der Hoffnung, dass er es sich dann im Alter gut gehen lassen kann.

Doch wir alle wissen: Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt! – Wir wissen nicht, was uns die Zukunft bringt.
Statistische Daten über die durchschnittlicher Lebenserwartung sind eben nur relativ und nicht absolut!
Am krassen Beispiel eines viel zu frühen Todes macht Jesus deutlich, wie nutzlos solche Vorsorge schnell werden kann. Allenfalls freuen sich die erbenden Hinterbliebenen.

Das heißt aber nicht, dass Jesus Vorsorge ablehnt.
Genau das Gegenteil ist der Fall.

Er möchte nur unseren Blickwinkel weiten.

Sein Wort: „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein!“ zeigt, auf welche Dimension er uns aufmerksam machen möchte.
Es gibt für uns eine Zukunft, wo das Irdische keine Bedeutung hat und wo das, was wir hier auf Erden an materieller Vorsorge geleistet haben, vergänglich ist.

Materieller Reichtum allein, auch als Vorsorge, macht nicht wirklich reich, so will Christus uns heute auf den Weg geben.

Die Fülle eines reichen Lebens liegt auch im Nichtmateriellen.

Bild von Ruth Becerro auf Pixabay

Sie liegen darin, dass wir uns fragen, was unserem Leben tieferen Sinn gibt?
Sie liegt darin, dass wir eine Fülle des Lebens finden, die durch erfüllte Beziehungen, durch Gemeinschaft und durch Engagement für andere Anliegen bereichert wird, wie z.B. im sozial-caritativen Bereich oder in den Bereichen von Naturschutz, Engagement für Kunst, Kultur und Sport oder Politik oder anderswo …

Überall, wo Menschen den Mehrwert eines erfüllten menschlichen Lebens entdecken und sich womöglich auch dort engagieren (soweit es in ihrer Kraft steht), da kann der Mensch reich werden vor Gott.

Noch ein anderer Aspekt könnte uns helfen.

Es gibt so Vieles, was uns bewirbt, weil uns suggeriert wird, es sei wichtig für unser Leben.
Aber wenn man genauer und kritischer hinschaut, sind diese Dinge das, was in dem Roman von Michael Ende: „MOMO“ die grauen Männer sind, die sich selber als „Agenten der Zeitsparkasse“ bezeichnen, aber in Wirklichkeit Zeitdiebe sind, die einem nehmen, was man niemals mehr wiederbekommen wird: Lebenszeit.

Lebenszeit kann man nicht ansparen. Und alles Sinnvolle, was man mit seiner Lebenszeit machen kann, kann man eigentlich nicht verschieben. Denn das Verschieben birgt die Gefahr, dass man es verliert.

Aber wir können unser Leben verwarten, weil wir sagen: „Später!“ oder „Morgen!“ oder „Wenn ich in Rente bin…“

Doch das Leben findet immer nur im Jetzt statt.
Das frühere Leben: es war und kommt nicht mehr wieder.
Das zukünftige Leben: es ist noch nicht und könnte auch nicht sein. Es kommt also auf das Heute an.

Bild von Alex S. auf Pixabay

Zwei neuere geistliche Lieder fassen dies sehr gut in Worte:
„ Die Zeit zu beginnen ist jetzt, der Ort für den Anfang ist hier…. Hier und Jetzt, Hier und Jetzt“ oder auch das Lied: „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde, heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn ER kommt…“

Eine alte Botschaft, die an Aktualität nichts verloren hat.