Christ-König-Sonntag

Liebe Schwestern und Brüder,
kennen Sie noch Pfarrer Heinrich Albertz?
Pfarrer Albertz war evangelischer Pfarrer in Berlin, er lebte von 1915 bis 1993 und war in den Jahren 1966-67 regierender Bürgermeister von Berlin.

Pfr. Heinrich Albertz (links) mit Heinrich Lübke (1966), Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/00/Bundesarchiv_B_145_Bild-F023743-0013%2C_Bonn%2C_L%C3%BCbke_mit_Berliner_B%C3%BCrgermeister_Albertz.jpg

Ich kenne ihn noch.
Jetzt fragen Sie sich sicher, woher?

So richtig kenne ich ihn zwar nicht, aber er ist mir in sehr guter Erinnerung.
Es muss irgendwann in den 1970er Jahren gewesen sein und Pfarrer Albertz hielt eine Fernsehansprache zum „Totensonntag“.
Bereits dort – und daran erinnere ich mich ganz gut – legte Pfarrer Albertz dar, dass der Totensonntag schon damals in der evangelischen Kirche „Ewigkeitssonntag“ heißt.
Pfarrer Albertz war es wohl sehr wichtig, einen wichtigen theologischen Akzent dieses letzten Sonntags im Jahreskreis zu erörtern.

Seit seiner TV-Ansprache beschäftige ich mich immer wieder mit der Frage, nach dem Grund dieses Festes. Und im Laufe der Jahre wurde mir immer klarer, dass der „Ewigkeitssonntag“ in der evangelischen Kirche und der „Christ-Königs-Sonntag“ in unserer katholischen Kirche sich eigentlich im Wesentlichen sehr nahe sind.



Es sind zwei Bezeichnungen für einen Sonntag, der genau das selbe in den Blick nimmt, nämlich unserer gläubige Zukunft.

Ich möchte das an einem augenfälligen Beispiel erläutern:
schauen Sie hier in diese Kirche.
Wenn ich hier am Altar stehe, sehe ich Sie, die Gemeinde vor mir (wenn auch in riesiger Entfernung) und ich sehe hier auf dem Altar ein Kreuz.
Das Kreuz erinnert mich selber in der Heiligen Messe, woher die Eucharistiefeier ihren Anfang genommen hat: in der Passion des Herrn, angefangen im Abendmahlssaal.

Sie aber, sie sehen nicht nur das Kreuz auf diesem Altar. Sie sehen buchstäblich weiter.
Sie sehen nämlich das, was sich bei meiner Zelebration in meinem Rücken befindet: dieses große Bild hier im Altarraum hinter mir.

Altarbild in St. Clemens, Oberhausen-Sterkrade, © Gerd Wittka, 21.11.2020

Es zeigt Jesus Christus, den Auferstandenen. Zu seinen Füßen das noch leicht geöffnete und überwundene Grab.
Jesus schwebt gleichsam darüber, so als wäre er schon auf dem Weg in den Himmel.
Und tatsächlich verbindet dieses Altarbild das Ostergeschehen mit der Christi-Himmelfahrt.

Da ist aber noch mehr: schauen Sie sich den Gesichtsausdruck an. Der ist friedlich, fast schon ein verschmitztes Lächeln zeigt sich auf seinen Lippen. Er blickt Sie freundlich an.
Und die Arme sind – sehr schwungvoll – erhoben.
So zeichnet sich in der Form seiner Gestalt die Form des Kreuzes nach, die sich auch hinter der Christusfigur noch mal abbildet.
Aber das ist nicht alles: Die Arme sind geöffnet – in Ihre Richtung hin geöffnet.
Dieser Auferstandene öffnet in friedlich-freundlicher Art Ihnen SEINE Arme!

Diese Darstellung des Auferstandenen erinnert mich sehr stark an dem Typus des Christus auf romanischen Kreuzen; diese Kreuze – auch Triumphkreuze genannt – zeigen den Gekreuzigten als den Auferstandenen am Kreuz.
Und nicht selten trägt dieser Auferstandene an romanischen Kreuzen eine Krone auf seinem Haupt – das Zeichen eines Königs.

REX TRIUMPHANS, Stiftskirche Innichen, Südtirol – User: A,Ocram, Public domain, via Wikimedia Commons

Sie sehen, liebe Schwestern und Brüder, wie sich hier das Ostergeschehen mit dem Namen des heutigen Sonntags verbinden.

Der Christ-König, der Auferstandene verweist uns katholische Christen wie auch die evangelischen ChristInnen am Ewigkeitssonntag auf unsere eigenen Zukunft hin:
Hinter allen Kreuzen des Lebens, hinter allen Durchkreuzungen unseres Lebens und hinter dem Tod erwartet uns nicht ein Nichts!
Sondern es erwartet uns in seiner Ewigkeit unserer auferstandene Herr Jesus Christus.

Die Ansprache von Pfarrer Albertz in den 1970er Jahren im Fernsehen hat mir den Blick geöffnet, mein Leben mehr im Licht der Ewigkeit zu sehen.
Ich bin davon überzeugt, dass (nicht nur) durch seinen damaligen Impuls auch mein Leben und mein Glaube eine religiöse Umorientierung ermöglicht hat, die mir in meinem konkreten Alltag zur Hilfe kommt.

So beschließen wir dieses Kirchenjahr 2019/2020, das uns bisher so viel zugemutet hat, mit dem Blick nicht auf den Tod, sondern mit dem Blick auf das Leben. Der Christ-Königs-Sonntag und Ewigkeits-Sonntag ist also ein Sonntag der noch einmal in ganz besonderer Weise ein wahrlich „österlicher Sonntag“ ist.

Ich wünsche uns allen, dass wir mit diesem Gedanken gut das jetzige Kirchenjahr beenden und mit dem nächsten 1. Adventssonntag hoffnungsvoll in das neue Kirchenjahr starten können.


Christkönig-Sonntag

König –
damit habe ich nicht viel am Hut
damit kann ich nichts anfangen

Könige heute
yellowpress-Prominenz

Du, Christus,
in der Gestalt des Königs
berührst mich nicht –
ich bin Demokrat und
bin in einer Republik
aufgewachsen.

Doch auch mit Funktionen
oder Posten
einer Republik
möchte ich dich nicht vergleichen

Solche Bilder sind
immer schief und
viel zu menschlich

Ich muss lernen,
dich nicht in solche Begrifflichkeiten
zu denken und
zu glauben.

Zeitlos und bedeutsam
bist du für mich
mit dem, wofür du gegangen bist
und wofür du stehst:

Der Sohn Gottes,
der gekommen ist,
nicht um den glimmenden Docht zu löschen,
nicht um das geknickte Rohr zu brechen.

Du bist gekommen,
zu befreien,
zu erlösen.

Du bist für mich,
was du gelebt und
verkündet hast:

Liebe
Demut
Güte
Barmherzigkeit
Gnade,
Freiheit,
Versöhnung,
Friede,
Leben,
Erlösung.

Ich halte dich nicht
für einen
König;
ich halte dich für den,
der mir Perspektiven
und
Zukunft
und
Leben
eröffnet.

© Gerd Wittka, 20.11.2020


Meine Predigt im Audio-Format finden Sie hier:




Nutze deine Fähigkeiten

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Schriftlesung: Mt 25, 14-30

Das Talent war eine ursprünglich altbabylonische Maßeinheit der Masse. Dieses Talent sowie davon abgeleitete kleinere Talente waren in der Antike gebräuchlich.
Wie andere antike Maßeinheiten wurde das Talent durch Aufwiegen von Silber (seltener Gold oder Kupfer) als Währung benutzt.
Ein Talent ist also eine Währungseinheit zu biblischer Zeit.

Heute benutzen wir diesen Begriff eigentlich nur noch, wenn es darum geht, Fähigkeiten oder gute Eigenschaften eines Menschen zu beschreiben: „Der oder die hat ziemlich viel Talent!“

Zum Verständnis des heutigen Evangeliums dürfen wir deshalb sehr gerne beide Bedeutungen des Begriffes heranziehen: das Talent als einen „Geld“-Betrag aber auch das oder die Talente als gute Eigenschaften des Menschen.

Eine Grundaussage dieses Evangeliums ist:
Talente können dann nur ihre vollen Möglichkeiten entfalten, wenn sie genutzt werden; wenn sie eingesetzt werden. Anderenfalls bewirken sie nichts. Sie sind zwar vielleicht (noch) da, aber sie werden buchstäblich nicht umgesetzt. Aus ihnen geschieht nichts Neues; es wächst nichts daraus, materiell aber auch immateriell.



Nicht aus *Furcht* nichts tun

Quelle: Pixabay.com

Und die Rolle, liebe Schwestern und Brüder, in der sich die Zuhörenden befinden, ist klar:
Wir sind die Dienenden, denen der Herr sein Vermögen anvertraut.
Ob da nun mehr oder weniger ist, ist gar nicht so entscheidend.
Das zeigen die beiden ersten der hier agierenden Diener.
Entscheidend ist, wie man mit den Talenten umgeht, egal wie viele es sind.
Arbeit ist angesagt für jede und jeden von uns.
Arbeit mit dem, was uns anvertraut wurde.
Dienende sein ohne einen Dienst zu tun, das geht nicht und das ist auch keine Möglichkeit.
Inaktive Mitgliedschaft in einem Verein ist hier nicht möglich.
Ein Lippenbekenntnis zur Botschaft Jesu ist kein gangbarer Weg, es braucht das Engagement in der Wirklichkeit, in der ich lebe.

Und so hält das heutige Evangelium für uns alle eine Botschaft bereit: als einzelne Person aber auch als kirchliche Gemeinschaft, als Mitglieder der Kirche aber auch als Mitarbeitende in der Kirche, insbesondere auch im seelsorglichen Dienst.

Gerade die Corona-Pandemie lädt uns ein, zu schauen, was und wo unsere Talente sind. Und diese Talente ermöglichen uns neue und ungewohnte Wege einzuschlagen.

In dieser Zeit können wir nicht so weitermachen wie bisher.
Gerade auch für die Seelsorge gilt: wir können uns nicht wegducken, die Decke über den Kopf ziehen oder gar den Kopf in den Sand stecken und meinen, wir bräuchten untätig nur auf das Ende der Pandemie zu warten.

„Skills“ (engl. = Fähigkeiten, Begabungen, Talente), Quelle: www.pixabay.com

Genau das Gegenteil ist nötig.
Die Pandemie fordert uns gerade zu heraus, eingetretene Pfade zu verlassen, andere Wege zu gehen und damit qualitative und professionelle Seelsorge zu betreiben, die angepasst ist auf die derzeitige Situation und unsere Antwort mit unseren Talenten auf diese Situation.

Aber es gilt auch für jeden Christenmenschen.
Wo kann ich mich neu engagieren? Wo kann ich Brücken bauen zu Menschen, die in dieser Zeit besonders einsam sind?
Wo kann ich – auch mit kleinen Mitteln – Unternehmen helfen, dass sie weiter arbeiten können?

Wo kann ich auch neue technische Möglichkeiten nutzen, die Generationen vor uns noch nicht einmal zur Verfügung gestanden haben?

Wenn wir das nicht tun, dann könnte uns das passieren, was im Gleichnis jenem widerfahren ist, der aus Furcht seine Talente einfach nur verbuddelt hat.
Dies ist keine Drohung! Sondern genau das Gegenteil:
Jesus sagt uns: Egal, wie streng Gott auch sei. Er wird niemals unberücksichtigt lassen, was wir mit dem angefangen haben, das uns von ihm als Begabungen und Fähigkeiten geschenkt worden ist.
Dies ist eine Ermutigung, nicht aus vermeintlicher Furcht untätig zu bleiben, sondern darauf zu vertrauen, dass Gott das Gute nicht übersehen wird, was wir tatsächlich erbracht haben, auch wenn es noch so wenig sein sollte.

Ich möchte mit einem ermutigenden Gedanken von Roger Schutz, dem Gründer und ersten Prior der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé enden, der einmal schrieb:

„Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast.
Und wenn es noch so wenig ist.
Aber lebe es.“




Trauer in Hoffnung

Ansprache zum 32. Sonntag – A – 2020

Schriftlesungsgrundlage: 1 Thess 4, 13-18

Hoffnung – Bildquelle: Bild von My pictures are CC0. When doing composings: auf Pixabay

Vor etwas über eineinhalb Jahren haben sich die Seelsorgerinnen und Seelsorger unserer Pfarrei St. Clemens in Oberhausen darauf verständigt, stärker als bisher sogenannte Zielgruppen-Seelsorge in den Blick zu nehmen.

Eine Zielgruppe ist jene, die trauern und die einen lieben Menschen verloren haben.

Deshalb haben wir einen „Arbeitskreis Trauerpastoral“ gegründet.
Ja, ich weiß: bei dem Stichwort „Arbeitskreis“ wird manchen von Ihnen wieder das geflügelte Wort in den Sinn kommen: „Und wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis!“

Aber dem ist nicht so. Ich wage das zu behaupten, nicht nur weil ich selber diesem Kreis angehöre. Wir sind insgesamt zur Zeit sechs Mitglieder. Vier davon sind hauptamtliche SeelsorgerInnen in unserer Pfarrei und aus verschiedenen Bereichen der Seelsorge. Dazu gehören dem Kreis noch zwei Frauen an, die ehrenamtlich tätig sind.
Alle Mitglieder haben eine hohe fachliche Qualifizierung in verschiedenen Bereichen wenn es um Sterbende, Tod und Trauer geht.
(Und das ist ein Pfund, mit dem wir in unseren Kirchen wuchern können: fachlich hochqualifizierte Personen engagieren sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich!)

Einmal im Monat – an jedem ersten Donnerstag – laden wir zu einem Erinnerungsgottesdienst ein, der keine heilige Messe ist. Eingeladen sind alle Menschen, die spüren, dass sie in Trauer sind. Dabei ist es völlig egal, wie frisch der Verlust ist oder wie lange die Trauerphase schon anhält.
Wir wollen einen Raum schaffen, wo diese Trauer sein darf, weil die Trauer wesentlich zur menschlichen Existenz dazugehört und sie eine wirkmächtige Phase im Leben eines Menschen sein kann.

Wenn mir die Frage gestellt würde, warum ich in diesem Kreis mitarbeite, dann würde ich unterschiedliche Aspekte benennen können.
Einer ist sicherlich auf die heutige Lesung zurück zu führen:



„Schwestern und Brüder, wir wollen euch über die Entschlafenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung mehr haben. (…) Tröstet also einander …“ (1. Thess 4, 13 ff.)

Ich möchte Menschen in Trauer unterstützen, die Trauer als eine wichtige Phase in ihrem Leben wahr- und anzunehmen.
Ich möchte sie einladen, die Trauer als ein Weg der Heilung zu erfahren, der ihrem Leben einen Reichtum gibt, der leider nicht ohne Schmerz und Wunden vonstatten geht.

Liebe Schwestern und Brüder,
diejenigen von Ihnen, die mich bereits länger kennen, wissen, dass ich in meinen Predigten auch gerne Zeugnis ablege von meinem ganz persönlichen Glauben.
So auch bei diesem Thema:
Ich bin der festen Überzeugung, dass meine Trauer im christlichen Glauben eine Trauer ist, zu der die Hoffnung wesentlich dazu gehört.

Bild von Shepherd Chabata auf Pixabay

Sie alle, die selbst solche Trauer erlebt haben, können nachvollziehen, wie der Tod eines geliebten Menschen gleichsam den Boden unter den Füßen wegziehen kann.
Die Welt um einen herum scheint still zu stehen und vieles scheint so banal, so unwichtig.
Schmerz, Zweifel und Unsicherheiten sind die eine Seite der Trauer. Doch ich habe immer wieder – mal stärker, mal schwächer – auch die andere Seite der Trauer erfahren dürfen: die Seite der Hoffnung, der Zuversicht und des Glaubens.

Paulus erlebt schon zu seiner Zeit, wie die Trauer einen Menschen zutiefst erschüttern kann. Auch die frühen Christen war nicht frei von Zweifeln und Anfechtung, wenn sie vom Tod anderer oder auch mit ihrem eigenen Tod konfrontiert wurden.

Hier ein Angebot der Hoffnung zu machen, war damals schon dem heiligen Paulus wichtig, denn in solchen Zeiten ist es nötig, durch Hoffnung zu trösten.
Viele jedoch, die trösten wollen, fragen sich: wie?

Können das nur Fachleute, die als TrauerbegleiterInnen ausgebildet sind?

Nein, liebe Schwestern und Brüder,
jede und jeder von uns kann in Trauer Trost und Hoffnung geben.
Jeder Mensch, der selbst durch die Trauer und Hoffnunglosigkeit gegangen ist und diese nicht verdrängt hat, bringt eine ganz wesentliche Voraussetzung mit, um selber Trost und Hoffnung zu geben.

Was das ist?

Die Fähigkeit, der Trauer und der Hoffnungslosigkeit nicht auszuweichen, sondern sie auszuhalten.

Dunkelheit – Quelle: Bild von skeeze auf Pixabay

Dazu eine kleine Erfahrungsgeschichte:

Während einer Abwesenheit konnte ich nicht ins Krankenhaus gerufen werden.
Das Kind einer jungen Mutter war gestorben.
Ein junger Priesterkollege – der nicht aus der Krankenhaus-Seelsorge kam – war bereit, sich nachts auf den Weg ins Krankenhaus zu machen, um diese junge Mutter zu begleiten.
Einige Tage später rief ich meinen Kollegen an und fragte ihn, wie er mit dieser Situation klar gekommen sei, denn schließlich wurde er damit quasi ins kalte Wasser gestoßen.
Da sagte er mir, auch etwas enttäuscht: „Mich hatte das Schicksal dieser jungen Mutter sehr berührt, ich konnte nicht viel machen. Ich hatte keine Worte. Ich konnte nur da sein und da bleiben!“

Bild von Peter H auf Pixabay

Liebe Schwestern und Brüder,
ich habe große Hochachtung vor meinem Kollegen.
Und ja, er hat alles richtig gemacht. Zwar glaubte er „nicht viel machen zu können“, dabei hat er alles gegeben, was er geben konnte: seine Anwesenheit, seine Nähe.
Er hat nicht die Flucht vor diesem Leid der jungen Mutter ergriffen, sondern hatte den Mut, da zu bleiben, vermeintlich ohnmächtig.

Und ich bin mir sicher, dass er dieser Frau unendlich viel in diesem Augenblick gegeben hat: er war bereit mir ihr in dieser Zeit in ihre Not hinabzusteigen, sie nicht allein zu lassen.
Und in seiner Sprachlosigkeit hat er der Sprachlosigkeit der Mutter einen Raum geben und somit auch eine Berechtigung.

Anderen Menschen Trost geben zu können, ist also nicht allein eine Frage der fachlichen Qualifikation, sondern des Mutes, sich selber dieser ( dunklen ) Seite im Leben zu stellen und nicht zu fliehen.


Gebet:

Die Hoffnung ist die Schwester des Glaubens. Von ihr sagt der heilige Paulus im Römer-Brief: (Römer 8, 24ff)

„… Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Denn wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld. So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, was wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern….“

So lasset uns beten:

Heiliger Geist, du unser Beistand, du Atem Gottes, der alles lebendig macht.

Du zerreißt die finstre Nacht der Trauer, du spendest Trost in Leid und Tod.

Wirke du und bete du in uns, wo die Quellen unserer Worte angesichts der Trauer versiegt sind.
Halte du in uns den Lebensodem aufrecht, damit wir in der Trauer die Hoffnung spüren, die unsere Wunden, die uns der Tod geschlagen hat, heilen lässt.

Darum bitten wir dich durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herren, der auch für uns von den Toten auferstanden ist und mit dir und dem Vater liebt und lebt in Ewigkeit.
Amen.

© Gerd Wittka, 05.11.2020




Selig sind …

Gedanken zu Allerheiligen in der Corona-Pandemie 2020

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wir in unserer römisch-katholischen Kirche leben mit ihnen, den unzähligen Heiligen, nach dem das heutige Fest benannt wurde.

„Selig sind, …“ – sind damit vielleicht jene gemeint, die nach dem Verständnis der Kirche als Vorstufe der Heiligen angesehen werden, die Seligen?

Wohl kaum, liebe Schwestern und Brüder; damit hatte Jesus offensichtlich wenig am Hut.

Wenn Jesus Menschen selig nennt, dann nicht, um ihnen eine besondere Form der Verehrung entgegen zu bringen.
Wenn Jesus Menschen selig nennt, dann, um sie zu ermutigen und zu stärken:



jene Menschen, die sich letztendlich allein bedürftig sehen vor Gott. Die in der Welt leben in dem Bewusstsein, dass nur Gott sie wirklich erfüllen und reich machen kann.

jene Menschen, die trauern; die trauern über einen geliebten Menschen, die trauern über den Verlust dessen, was ihnen im Leben wichtig war, ihnen Mitte gab; die aber auch trauern über Verluste in unseren Gesellschaften und in unserer Welt; die trauern über verloren gegangene Solidarität und Gemeinsinn; die trauern über verloren gegangene Teile der Schöpfung, seien es Geschöpfe oder ganze ökologische Systeme; die trauern, weil sie den Verlust nicht aufhalten oder ihm etwas entgegensetzen konnten.

jene, die in einer Welt der Ellenbogen-Mentalität Sanftmütigkeit oder Barmherzigkeit walten lassen.

jene, denen die unzähligen Facetten von Gerechtigkeit ein Herzensanliegen sind und sich danach sehnen, dieser Gerechtigkeit immer mehr Raum und Gewicht zu geben.

jene, für die der Friede nicht nur die Abwesenheit von Krieg, Terror und Gewaltkriminalität bedeutet, sondern eine grundlegende Form des Miteinanders, sodass Hass, Neid und Diskriminierung überwunden werden.

jene, die in ihrer guten Gesinnung Benachteiligung ausgesetzt oder gar verfolgt werden.

Eigentlich all jenen Menschen, die in ihrer Lebenssituation konkrete Worte der Hoffnung und des Mutes brauchen.

Auch heute – in den Zeiten der Corona-Pandemie – kommt es wieder auf solche Seligpreisungen an.
Heute kommt es darauf an, dieses Evangelium neu und ganz konkret in unsere Zeit zu übersetzen.

Kirche der Seligpreisungen (Tabgha – See Genesareth – Israel) – Bild von Reijo Telaranta auf Pixabay

Viele Menschen leiden körperlich, seelisch, aber auch wirtschaftlich und sozial unter dieser Pandemie.
Und wir ahnen alle gemeinsam, dass wir noch eine lange Durststrecke vor uns haben.

Was wird da wichtig?

Wichtig wird, dass jenen Mut und Zuversicht gemacht wird, denen es daran fehlt.
Wichtig wird, dass wir uns untereinander bestärken, durch einen wohlwollenden und liebevollen Umgang miteinander.
Wichtig ist es, uns gegenseitig zuzugestehen, dass bei dem einen oder der anderen auch mal die Nerven blank liegen und wir deshalb einmal mehr manch schroffes Wort nicht auf die Goldwaage legen, da wir wissen, dass dieser Mensch sonst anders ist.
Wichtig wird, dass denen materielle Hilfe zuteil wird, die darauf angewiesen sind.
Wichtig wird, dass wir einander stärken und uns nicht aus den Augen verlieren.

Ich möchte das mal an einem konkreten Lebensbeispiel von mir verdeutlichen:

Als ich im Januar 1982 mit dem Abendgymnasium begann, das berufsbegleitend stattgefunden hat, waren wir insgesamt 50 Studierende, wobei ich damals mit noch 18 Jahren der „Benjamin“ unter ihnen war. Die anderen waren z.T. deutlich älter.

Unter diesen 50 NeuanfängerInnen hatte sich eine Clique gebildet von fünf Mitstudierenden, der auch ich angehörte. Fehlte einer von uns mal an einem Abend bei Unterricht (der oft bis 21.45 Uhr ging), kam spätestens am nächsten Tag ein Anruf von jemand anderem aus der Clique und es wurde gefragt, warum man nicht da war? Gab es keinen trifftigen Grund, außer, dass man z.B. zu kaputt von der Arbeit war, dann wurde einem wohlwollend klargemacht, dass man heute wieder zu erscheinen habe.
So haben wir gegenseitig auf uns geachtet und sind allesamt bis zum Abitur am Ball geblieben.

Das war für mich eine prägende Erfahrung dafür, was es heißen kann, andere mitzunehmen.

So in etwa denke ich, könnten wir auch in diesen Tagen füreinander da sein, wir hier in unserer christlichen Gemeinschaft aber auch ganz besonders für jene, die nicht in unseren Reihen sind – vielleicht gerade für diejenigen, die sonst auf sich allein gestellt sind.

Jesus hat damals den Menschen, die in Nöten waren, Hoffnung machen wollen.
Heute sind wir es, die den Menschen sagen und zeigen können, dass auch sie getröstet oder satt werden und das Licht am Ende des Tunnels erwarten dürfen, durch den wir alle gemeinsam und zusammen gehen.




“ … mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken …“

Impuls zum 30. Sonntag – Lesejahr A – 2020 –
Bezugstext: Mt 22, 34 – 40

https://www.bibleserver.com/EU/Matth%C3%A4us22,34-40


Wissen Sie eigentlich im Detail, welche Schutzregeln jetzt gerade wegen der Corona-Pandemie im öffentlichen Leben und auch hier in der Kirche gelten? —

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wenn ja, dann haben Sie in den letzten Tagen aufmerksam die Nachrichten aus der Kommune und seitens unseres Bistums und unserer Pfarrei verfolgen können.

Wenn nicht, dann bin ich mir sicher, dass Sie damit nicht allein sein.

Die Herausforderung unserer jetzigen Zeit ist, dass sich immer wieder Regelungen und Empfehlungen im Umgang mit der Corona-Pandemie ändern. Diese Änderungen sind der aktuellen Infektionslage aber auch der besseren wissenschaftlichen Erkenntnis im Umgang mit diesem Virus geschuldet.

Dennoch habe ich Verständnis dafür, dass viele Menschen das als verwirrend empfinden.
Hingegen habe ich kein Verständnis dafür, dass manche dahinter irgendwelche Verschwörungen wittern oder diese gefährliche Pandemie mit einer gewöhnlichen Erklärungskrankheit gleichsetzen, wie ich es am vergangenen Donnerstag in einem Forum gelesen habe.

Neben diesen – gefühlt – sich ständig ändernden Schutzregelungen gegen Corona gibt es noch eine Fülle von Gesetzen und Regeln, die wir – so ganz nebenbei und unbewusst – ständig und tagtäglich in unserem Lebensalltag integrieren müssen. Das fängt schon bei den Verkehrsregeln an, die für alle VerkehrsteilnehmerInnen gelten. Das setzt sich fort bei unserem friedvollen gesellschaftlichen Zusammenleben.

Ich könnte Ihnen noch so viele Regeln skizzieren, die für uns ständig gelten und nach denen wir uns zu richten haben.



Welch eine Wohltat ist es dann, wenn wir heute im Evangelium hören, dass Jesus alle Glaubensregeln in diese Worte zusammenfasst:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“

Wow!

Das war es, liebe Schwestern und Brüder.
Mehr brauchen wir als ChristInnen und Christen in der Nachfolge Christi eigentlich nicht ‚beherzigen‘.
Ich sage ganz bewusst nicht: „Mehr brauchen wir nicht zu wissen!“

Denn bei den göttlichen Geboten geht es nicht allein darum, sie zu wissen und zu befolgen, sondern sie sich „zu Herzen zu nehmen“.

Das Herz ist der Sitz unserer Liebe.
Wenn wir diese Gebote beherzigen oder uns „zu Herzen nehmen“, dann schauen wir auf sie mit Liebe und entdecken darin auch die Liebe Gottes zu uns Menschen.

Es geht also darum, diese wichtigen Gebote der Gottesliebe, der Nächstenliebe und der Selbstliebe gleichsam mit dem Herzen zu ‚lesen‘.

Wie befremdlich ist es dann, wenn es unter uns Christen immer noch welche gibt, die meinen, die Kirche müsste permanent, für alles und jeden bis ins Detail Regeln erlassen?

Alle kirchlichen Verhaltensregeln müssen sich mit der Aussage Jesu aus dem heutigen Evangelium überprüfen lassen und müssen damit in Einklang zu bringen sein. Die Kirche muss eben nicht alles ‚bis ins Schlafzimmer hinein‘ regeln.
Es sollte vielmehr selbstverständlich sein, dass die Kirche immer die Regeln des guten Anstands, der Eigenverantwortung und der Freiheit der Kinder Gottes zu achten und zu schützen hat.

Wenn wir heute dieses Evangelium hören, dann darf dies für uns eine Ermutigung sein, sich mit unserem Verstand und unserem Herzen mit diesen Geboten zu beschäftigen und sie in unserer Leben zu integrieren.

Mit Herz und Verstand dieses dreifache Liebesgebot sich zu Herzen zu nehmen und sich zu eigen zu machen: Das ist eigentlich alles und zugleich so anspruchsvoll!

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“




Liebe schuldig …

Bild von Joseph Redfield Nino auf Pixabay

Gedanken zum 23. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr A – 2020

Lesungstext: Röm 13, 8-10 https://www.bibleserver.com/EU/R%C3%B6mer13%2C8

Machen Sie gerne Schulden?
Ich nicht! Ich versuche möglichst ohne Schulden und ohne Kredite durchs Leben zu kommen oder sie möglichst schnell wieder los zu werden.

Durch Schulden habe ich das Gefühl, ein Stück meiner eigenen Freiheit zeitweise eingeschränkt zu haben.

Wenn ich Schulden losgeworden bin oder Kredite abbezahlt habe, fühle ich mich sofort etwas freier!

Wie geht es Ihnen?

Heute hören wir die Worte in der Lesung aus dem Römer-Brief:

„Bleibt niemandem etwas schuldig, nur die Liebe schuldet ihr einander – immer.“

Wenn man – wie ich – so ein negatives Bild von Schulden hat, dann kann man sich bei solchen Worten etwas erschrecken.
Will Paulus uns dadurch etwas unserer eigenen Freiheit berauben oder uns Druck machen?

Ich habe gelernt dieses Wort im Kontext mit einem Wort des heiligen Augustinus zu sehen und zu verstehen.
Augustinus hat das so formuliert:

„Liebe! – Und tue, was du willst!“

Für Augustinus ist sogar das Streben nach Liebe eine Möglichkeit, freier durch das Leben zu gehen.
Ich muss nämlich gar nicht mehr sklavisch fragen: habe ich alle Vorschriften eingehalten, habe ich bestimmte Vorschriften nicht eingehalten oder übertreten?

Augustinus sagt: Wir müssen in unserem Leben nur immer der Liebe folgen, dann werden wir eigentlich nichts falsch machen können.

Aber der Liebe zu folgen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.

Doch wer Liebe gelebt und erlebt hat, wird zugleich auch wissen, wie schön die Liebe ist, wenn ich sie gebe und wenn ich sie erfahre.

Also: wenn wir die Liebe einander niemals schuldig bleiben, dann manchen wir nicht nur das Leben anderer sondern auch unser eigenes heller, freundlicher, friedlicher und freier.

Liebe, und tue was du willst und du wirst spüren: die Liebe, die du immer schuldig bleiben wirst, spornt dich an, zu Taten der Freiheit und Selbsthingabe, zu Taten des Respekts und der Achtung.

„Bleibt niemandem etwas schuldig, außer der gegenseitigen Liebe. Wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. (…) (Denn) die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.“ (Röm 13, 8-10)