Brain Fog

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Heute möchte ich über meine Brain Fog-Erfahrungen bei meiner Long-Covid-Erkrankung berichten.



Brain Fog, übersetzt mit „Gehirnnebel“, bezeichnet eine Symptomatik, die auch bei Long-Covid bekannt ist. Es handelt sich dabei um eine Form der Konzentrationsstörung.

Quelle: https://www.oberbergkliniken.de/pressemitteilung/brain-fog-nebel-im-kopf

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Hierfür zwei Beispiele aus meinem Leben.

Gestern vor einer Woche hatte ich für meinen Gottesdienst eine Einleitung geschrieben. Doch kurz vorher hatte ich eine andere Idee, die ich für den Einstieg viel besser hielt. Also entschied ich mich, diese Einleitung spontan zu ändern und sie frei zu formulieren, da ich sie nicht aufgeschrieben hatte.
Mein Gedankengang war ganz klar in meinem Kopf. Diesen Gedankengang hatte ich mir mehrfach vor dem Gottesdienst in Erinnerung gerufen.
Doch dann am Ambo ging gar nichts mehr. Der Anfang war klar. Danach – gefühlt für mich – nur Gestammel. Ich wollte ein Liedanfang zitieren, doch bekam ich ihn nicht mehr zusammen. So kamen mir Gottesdienstteilnehmende zu Hilfe und ergänzten für mich das, was ich sagen wollte.
Es waren nur wenige Sekunden, aber ich verlor total den Faden, was ich sonst eigentlich nicht kannte.
Etwas hatte es mich schockiert und es war total stressig für mich.
Nach dem Gottesdienst kam dann jemand auf mich zu und sprach mich drauf an.
Ich konnte ihn beruhigen, denn nach dieser Episode verlief der Gottesdienst unauffällig.
Nur ich merkte zwischendurch immer wieder, dass ich mich auch sehr auf das Geschriebene konzentrieren musste und manchmal schien Worte, die ich las, nicht direkt aus dem Munde kommen zu wollen, so dass ich unmerkliche Zäsuren einfügte.

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Ein zweites Beispiel von gestern.

Ebenfalls Gottesdienst. Wir hatten keinen Kirchenmusiker. Deshalb konnten wir nur a cappella singen. Natürlich habe ich die Lieder ausgesucht und musste sich auch anstimmen. Abgesehen vom Küster- und Lektorendienst kommen mir dann in einem solchen Gottesdienst alle Dienste zu, auch den des ‚Kantors‘. Ich bin in solchen Gottesdiensten also etwas mehr ‚gefordert‘. Aber das ist bislang überhaupt kein Problem.
Dann kam die Gabenbereitung. Zur Gabenbereitung habe ich kein eigenes Lied singen lassen, sondern lediglich einen bekannten Vers, den die Gemeinde auswendig singen kann.
Über die Gaben von Brot und Wein spricht der Priester – wenn ein Lied gesungen wird – für sich leise die Gabenbereitungsgebete, die mit den Worten beginnen: „Gepriesen bis du, Herr unser Gott, Schöpfer der Welt, du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht, damit es uns zum Brot des Lebens werde.“

Bei jeder heiligen Messe (und wie viele habe ich in den über 30 Jahren meines Priesterseins gebetet), bete ich diese Worte.
Doch gestern: Gestammel!
Mir war das so peinlich. Ich fühlte mich total gestresst. Gedanken tobten in meinem Kopf: „Was machst du da?!“ Ich habe dann versucht, den Inhalt des Gebetes sinngemäß zu sprechen mit den entsprechenden Schlüsselbegriffen.
Kalter Schweiß brach mir aus. Ich bin halt Perfektionist! 😉
Dann kam der gesungene Kehrvers und ich war wieder drin.
Das zweite Gebet über den Wein kam in gewohnter Souveränität über meine Lippen.

Gerade an einer zentralen Stelle der Eucharistie dieser Patzer.
‚Kann es sein?!‘ Kann es sein, dass ich zur Zeit wirklich alles vor mir schriftlich liegen haben muss, damit ich es auf die Reihe bekomme?
Ja, es waren jeweils nur wenige Sekunden, aber die mich schon erschrecken.

Ich habe den Gedanken im Kopf. Ich verlasse mich auf einen sehr vertrauten Text, von dem ich behaupten würde, den zitiere ich dir sogar im Schlaf. Doch dann geht es nicht.
Und ich kann noch nicht einmal sagen, dass ich in diesen Augenblicken ’nicht ganz bei der Sache gewesen‘ sei.

Am Ende des Gottesdienstes, bei den Vermeldungen, habe ich mich dann bei der Gemeinde entschuldigt und ihnen erklärt, dass das wohl mit meinem Brain Fog zusammen hängt. Und ich habe ihnen erklärt, was das ist, ‚Brain Fog‘.

Die Rückmeldungen waren sehr verständnisvoll, sogar ermutigend.

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Mir hilft es, dass ich damit offen umgehe.
Ich finde, ich bin es der Gemeinde schuldig, dieses transparent zu machen.
Und dass ich den Mut hatte, hat mir selber auch viel zurück gegeben.

So ziehe ich daraus zwei Konsequenzen:
1. Ich kann weiterhin den Gottesdienst feiern, den ich ja sowieso am Wochenende besuchen würde.
2. Ich kann mich vor solchen Situationen weitgehendst wappnen, wenn ich wirklich alle Texte, auch die vertrautesten, im Messbuch aufschlage und dann ggfs. diese Texte auch ablesen kann, wenn ich mal wieder ‚den Faden verliere‘.




Nicht, wie es scheint …

Es sieht aus, wie Freizeit, ist aber ‚Arbeit‘, Foto: Gerd Wittka, 11.7.2024

Was hier aussieht wie ein zufriedenes Gesicht in meiner Freizeit, ist aber für mich ‚richtige Arbeit‘.



Meine Long-Covid-Symptomatik bringt es mit sich, dass ich meinen Rahmen finden muss, in dem ich aktiv sein kann, ohne einen ‚Crash‘ zu verursachen, d.h. also, ohne mich zu übernehmen.
Den Rahmen zu finden, in dem ich gut aktiv sein kann, darum geht es beim Pacing.

Und so bin ich heute am frühen Mittag aufs Fahrrad gestiegen und habe knapp 18 km Richtung Heidhof gemacht. Etwas über eine Stunde war ich unterwegs. Und nach ca. 15 Kilometern habe ich gespürt, wie die Kräfte deutlich nachließen und ich mehr Unterstützung durch den E-Motor meines Bikes benötigte.

Foto: Gerd Wittka, 11.7.2024

Natürlich habe ich dabei auch diese Natur genossen. Das ist ja kein Widerspruch. Ich genieße ja auch die Natur und den Park am Krankenhaus, wenn ich – auf einer Bank sitzend – ein seelsorgliches Gespräch mit Patient:innen führe.

Am Ende zählt aber während meiner AU, dass ich es immer klarer bekomme, wo meine Kapazitäten und wo meine Belastungsgrenzen sind.
‚learning by doing‘, wie der ‚alte‘ Engländer sagen würde! 😉

Jetzt, gegen 16.00 Uhr, bin ich ‚hundemüde‘ und werde mich wieder etwas hinlegen. Dies geschieht aber in dem Bewusstsein, dass ich wieder etwas für mich und hoffentlich auch gegen mein Long-Covid getan habe.

Hier im ‚Revier‘ ist es einfach (auch) schön! – Foto: 11.7.2024
Ist das Natur- oder Kulturlandschaft? Woher kommt das Wasser? Spätfolgen des Steinkohlebergbaus hier im Revier? – Foto: Gerd Wittka, 11.7.2024



Seele lüften

Foto: Gerd A. Wittka, 07.07.2024

Eine ungewöhnliche Formulierung habe ich für diesen Beitrag gewählt …



Ja, es geht wieder um mein Long-Covid und mein Umgang damit.

Ich habe mir heute Zeit genommen für einen Spaziergang in der Nähe. Mal eine dreiviertel Stunde nur in Ruhe durch die Natur laufen, den Wind um die Nase spüren, das Lichtspiel von Bäumen, Sträuchern und Blättern und den Duft riechen, den manche Bäume in diesen Tagen verbreiten.

Es war herrlich und ich konnte in mein Symptom-Tagebuch zu diesem Augenblick schreiben:
„Mental und physisch geht es mir rundum gut!“

Ich habe diese Augenblicke genossen; auch deshalb genossen, weil ich wusste, dass es einige Zeit später wieder anders werden wird.
Und es war auch wieder nach eineinhalb Stunden anders und ich konnte mich nur noch *ablegen*, ins Bett und wieder Kräfte tanken.

Ja, es ist lästig; ja, es ist bisweilen deprimierend.
Aber sollte ich mir deshalb die Freude nehmen lassen?
Nein!

Stattdessen möchte ich die Augenblicke nutzen, die mir geboten werden.

„Pflücke den Tag!“ – heißt ein altes Sprichwort.
Ich möchte lernen, zufrieden zu werden, wenn es nicht ein ganzer Tag ist, sondern schon einige Stunden oder auch nur ein paar Minuten am Tag.

Augenblicke, wo ich meine Seele etwas durchlüften konnte!

Danke, Gott!




Mit Nazis reden?

Heute so aktuell wie damals 1993:



Wiglaf Droste, 2.9.1993, Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/439417.mit-nazis-reden.html

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

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Sing‘

für die Zukunft



Nach Sturm,
Donner, Blitze, Regen und
apokalyptisch anmutenden Zuständen

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sitzt eine Amsel
früh morgens
im leichten Morgenregen
hoch oben auf einem Baum
und

Foto: www.pixabay.com

singt, singt, singt …

Was für eine Energie!
Was für ein Vertrauen
in die Zukunft!

Das wirkt ansteckend und anregend auf mich!

Danke, liebe Schwarzdrossel
für deinen Beitrag
gegen meinen ‚morning blues‘!




An Tagen wie diesen …

Bild von pavlelederer2 auf Pixabay

Es gibt sie, diese Tage, wo man das Gefühl hat ‚mit dem linken Bein zuerst aufgestanden zu sein‘;



es gibt Tage, da scheint es einfach keinen Grund zu geben, warum man nicht bester Laune ist und Vieles nicht leicht von der Hand geht;
es gibt Tage, an denen wünschte man sich, dass er (noch) gar nicht begonnen hätte, mit der Chance, anders zu beginnen;
es gibt Tage, da fühlt man sich einfach ‚fehl am Platze‘ …

Heute ist ein solcher Tag für mich.

Menschen nehmen solche Tage unterschiedlich wahr.
Manche schieben das negative Karma einfach zur Seite; andere hingegen können es nicht so einfach.
Nicht, dass sie nicht wollten; sie können es einfach nicht.

Ich tue mich an solchen Tagen eher schwer damit, komme ins Grübeln, warum es so sei und überlege angestrengt, wie ich wieder in eine gelassenere Haltung kommen kann.

Dabei weiß ich zugleich, dass es wieder andere Tage geben wird.
Also versuche ich, mit diesem ‚miesen Gefühl‘ durch den Tag zu gehen und zu sagen:
„C’est la vie!“ – So ist das Leben!

Also, versuche ich nach vorne zu schauen und erinnere mich daran, dass ich Erfahrungen mit solchen Tagen habe. Daraus kann eine Resilienz entstehen, die mir hilft, solche Tage zu überstehen, weil ich weiß:

Solche Tage hat es in der Vergangenheit gegeben und solche Tage wird es auch wieder in der Zukunft geben. Doch dazwischen gab es auch viele schöne und gute Tage.
An Tagen wie diesen geht es darum, dass man in sich hineinhorcht und sich daran erinnert, dass solche Tage auch wieder gehen – oft so plötzlich, wie sie gekommen sind.
Dieses Sich-Zurück-Erinnern an ähnliche Erfahrungen aus der Vergangenheit und wenn ich mir gewahr werde, dass ich solche Situationen in der Vergangenheit gut überstanden habe und auch jetzt die berechtigte Hoffnung haben werde, dass ich diese Situation wieder gut überstehe, ist eine Rückgriff auf meine Ressourcen.
Sie werden gebildet auch durch meine Erfahrungen in der Vergangenheit.
Meine Ressourcen sind auch, sich dann zu erinnern, wie man in der Vergangenheit solche Situationen gemeistert hat.
Welche Strategien und Verhaltensweisen waren hilfreich und welche haben mir nicht geholfen, mich vielleicht sogar noch mehr belastet?

Bild von Wim Kantona auf Pixabay

Solche Tage fordern mich, fordern uns heraus.
Gut ist es, wenn man dann nicht untätig bleibt, sondern sich aktiv dieser Situation stellt und damit umgeht.
Dann kann die Stimmung sich ändern, sie ist vielleicht nicht mehr ganz so bleiern schwer wie am Anfang.
Und ich spüre – hoffentlich – dann auch so einen inneren Impuls, der mich handeln lässt.

Und dann sieht die dunkle Welt um mich schon wieder ganz anders aus.

Übrigens: allein jetzt darüber geschrieben zu haben, hilft mir schon.
Ebenso kann es helfen, mit jemandem darüber zu reden, oder diese Gedanken in sein Tagebuch einzutragen.

Denn ich habe die Erfahrungen gemacht: Alles, was an Belastendes unser Kopf durch Worte oder Bilder (gesprochen, geschrieben oder gemalt) verlassen hat, kann man distanzierter betrachten.

Versuche es einfach mal selber aus!