Angesprochen

Ich fand heute einen Gedanken, der mich sehr angesprochen hat und in dem ich mich gut wiederfinden kann:

Quelle: www.pixabay.com

Ich danke allen, die meine Träume belächelt haben.
Sie haben meine Fantasie beflügelt.

Ich danke allen, die mich in ihr Schema pressen wollten.
Sie haben mich den Wert der Freiheit gelehrt.

Ich danke allen, die mich belogen haben.
Sie haben mir die Kraft der Wahrheit gezeigt.

Ich danke allen, die nicht an mich geglaubt haben.
Sie haben mir zugemutet, Berge zu versetzen.

Ich danke allen, die mich abgeschrieben haben.
Sie haben meinen Trotz geschürt.

Ich danke allen, die mich verlassen haben.
Sie haben mir Raum gegeben für Neues.

Ich danke allen, die mich verraten und missbraucht haben.
Sie haben mich erwachsen werden lassen.

Ich danke allen, die mich verletzt haben.
Sie haben mich gelehrt, im Schmerz zu wachsen.

Ich danke allen, die meinen Frieden gestört haben.
Sie haben mich stark gemacht, dafür einzutreten.

Ich danke allen, die mich verwirrt haben.
Sie haben mir meinen Standpunkt klar gemacht.

Vor allem aber danke ich all denen, die mich lieben, so wie ich bin.
Sie geben mir die Kraft zum Leben! Danke.

(Paulo Coelho) – Quelle: http://www.k-l-j.de/Gebet_persoenlich.htm




Eucharistiefeiern – was kommt nach ‚Corona‘?

Wie die Corona-Pandemie auf das Teilnahmebedürfnis an der Eucharistie durchschlagen könnte

Seit Monaten finden die gewohnten Eucharistiefeiern (hl. Messe) nicht mehr in unseren Kirchen statt.
Einige Wochen gab es überhaupt keine gemeinschaftlichen Messen in unseren Kirchen. Später – bis heute – werden in einigen Kirchen und unter ganz besonderen Vorsichtsmaßnahmen Messen gefeiert, aber mit Beschränkungen der TeilnehmerInnen-Zahlen und geradezu synthetischen Bedingungen (Abstand zum/zur Nachbarin, kein beherztes Singen, Kommunionausteilung fast aseptisch und steril, …)
Menschen aus den Risikogruppen trauen sich zu großen Teilen gar nicht mehr in die Kirche.
Ähnliche Zustände auch bei Zielgruppen-Gottesdiensten, so sie denn überhaupt noch angeboten werden (Kindermesse, Jugendmessen, Seniorenmessen, Messe für Menschen mit Handycap).

Bild von My pictures are CC0. When doing composings: auf Pixabay

Ich frage mich, wie sich das auf die Menschen auswirkt, die vor der Corona-Pandemie noch selbstverständlich und regelmäßig die Sonntagsmesse mitgefeiert haben?

Diese Frage müssen wir uns stellen, nicht nur in Gedanken, sondern ganz laut und in den verschiedenen Seelsorgeteams und Gremien von Gemeinden und Pfarreien!

Wir müssen auch – jetzt schon- darüber nachdenken, ob und wie sich das Bedürfnis zur Mitfeier der Eucharistie dadurch verändert (hat)?

Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf das geistliche und gottesdienstliche Bedürfnis überhaupt noch haben wird?

Was, wenn die Menschen, die heute allein durch die Corona-Pandemie für sich mehr und mehr feststellen, dass die regelmäßige Mitfeier der Eucharistie für sie ‚verzichtbar‘ geworden ist; dass ihnen nicht mehr viel fehlt, wenn sie nicht dabei sind?

Ja, solche Gedanken sind nur schwer zu ertragen für jene, denen die Eucharistiefeier und die Gottesdienstgemeinde am Sonntag existentiell wichtig sind.

Menschen von heute – unter uns, unterwegs in unseren Straßen – Bild von Free-Photos auf Pixabay

Wie wollen wir diese Menschen dann wieder ansprechen und erreichen?

Allein mit Appellen werden wir die Menschen nicht ‚hinter dem Ofen locken‘ können.

Wir werden sehr gezielt und sehr konkret nach ihren geistlichen Bedürfnissen fragen müssen.

Wir werden fragen müssen, in welcher Welt sie sich bewegen und welche Rolle konkret dort für sie der christliche Glaube und der christliche Gottesdienst hat?

Wir werden sehr persönlich mit ihnen ins Gespräch und in die Begegnung kommen müssen und ihnen von Neuem ein Angebot machen müssen, das für sie attraktiv und einladend ist.

Wir werden noch viel, viel mehr als bisher werbend und einladend sein und eine echte und glaubwürdige Willkommenskultur an den Tag legen müssen.

Die sonntägliche Gottesdienstteilnahme wird durch floskelhafte Hinweise, wie, dass „die Eucharistie Mittelpunkt der christlichen Gemeinde“ sei, nicht zufriedenstellen können.

Noch mehr als bisher müssen unsere Eucharistiefeiern – schon vor Beginn und nach dem Ende – Orte der echten menschlichen Begegnung und sozialer Verbindung werden, ähnlich wie den Hauskirchen in der frühen Kirche.

Sehr konkret werden wir sicherlich auch organisatorische Angebote machen müssen.
Ich stelle mir da zum Beispiel Fahrgemeinschaften vor, die angeboten und gebildet werden; auch Abhol-Services können dazu gehören. Dies wird um so wichtiger sein, um so mehr Kirchen geschlossen und die Wege zu den Gottesdiensten zwangsläufig weiter sein werden.

Auch wäre es sicherlich nicht schlecht, auf die frühkirchlichen Agape-Gemeinschaften zu schauen und zu überlegen, ob und wie diese als Angebot nach der Eucharistie zur Gemeindebildung genutzt werden kann.

Manche schauen verunsichert und skeptisch in die Zukunft.
Manche wollen das ‚alte Leben‘ wieder zurück haben, aber das wird es nie mehr geben in unseren Pfarreien und Gemeinden.
Manche sehen die Situation als Herausforderung, die kreativ und christlich gestaltet werden will.

Wir tun gut daran, uns mit jenen zu verbünden, die nach vorne gehen wollen. Wir sollten jene nicht allein lassen, die unsere Unterstützung dabei brauchen.
Und wir sollten uns alle Mut machen, die Realität anzuschauen und anzunehmen, wie sie ist.

Alles andere würde nur in die falsche Richtung führen.


Und zum Schluß … ein Gebet:

Um drei Dinge bitte ich

Herr, zeige mir die Möglichkeiten,
die Dinge zu verändern, die ich verändern kann,

und gib mir die Kraft,
die Dinge zu ertragen, die ich nicht ändern kann,

und gib mir die Weisheit,
eines vom anderen zu unterscheiden.

(aus Irland)




„Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz…“

Bild von Bruno Müller auf Pixabay

Gedanken zur Lesung am 17. Sonntag im Jahreskreis

Bezug: 1 Könige 3,5.7-12

Einen Teil dieser Lesung möchte ich vornean stellen:

“ In jenen Tagen erschien der HERR dem Sálomo nachts in einem Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll! Und Sálomo sprach: (…) Verleih (.) deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht! (…)
Es gefiel dem Herrn, dass Sálomo diese Bitte aussprach.
Daher antwortete ihm Gott: Weil du gerade diese Bitte ausgesprochen hast und nicht um langes Leben, Reichtum oder um den Tod deiner Feinde, sondern um Einsicht gebeten hast, um auf das Recht zu hören, werde ich deine Bitte erhören. Siehe, ich gebe dir ein so weises und verständiges Herz, dass keiner vor dir war und keiner nach dir kommen wird, der dir gleicht.“


Dieser Text ist ein Schlüsseltext, der uns erklärt, warum die ‚Weisheit Sálomos‚ so legendär ist!

Sálomo hätte auch – wie viele andere Herrscher vor und nach ihm – um langes Leben, Reichtum oder den Tod seiner Feinde bitten können.
Aber das hat er gerade nicht getan.

Warum?

Weil er vielleicht gemerkt hat, dass das für sein Amt als König unbedeutend ist?

Ein langes Leben – das ist schnell bedroht und beendet.
Ich denke da gerade an einen tragischen Autounfall, bei dem ein Oberhausener vor wenigen Tagen auf seiner Reise in den Urlaub ums Leben kam. Heute noch stehen wir in Saft und Kraft … und morgen sind wir bereits tot. Ein langes Leben ist relativ.

Reichtum – der ist nicht für die Ewigkeit.
‚Das letzte Hemd hat keine Taschen!‘ – so sagt der Volksmund. Damit greift dieses Wort die Binsenweisheit auf, dass wir an materiellen Gütern nichts mitnehmen können. Irgendwann einmal wird auch der größte Reichtum ein NICHTS sein. Durch Krisen, Schicksalsschläge oder spätestens durch den eigenen Tod verlieren wir jeden materiellen Reichtum.

Seinen Feinden den Tod wünschen
Unabhängig davon, ob diese Bitte aus christlicher Sicht moralisch gut ist (was ich bezweifele), ist dieser Wunsch auch oberflächlich.
Wenn ich ‚meinem Feind‘ den Tod wünsche, weil er sich vielleicht gegen mich oder andere, die in meiner Obhut stehen, vergangen hat oder wenn er für Gewalt und Leid verantwortlich ist, was würde dann nach dessen Tod kommen?
Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass dann ein anderer Mensch kommt, der ähnlich gewalttätig und niederträchtig ist.
Durch den Tod eines Feindes ist das Grundübel nicht beseitigt, den die Erfahrung lehrt, dass immer ein neues Grundübel nachkommen kann und auch sehr wahrscheinlich wird.
Mit dem ‚Tod meines Feindes‘ wird die Welt also nicht automatisch besser.

Das Bessere erwählen

Ein ‚hörendes Herz‘, dass Sálomo befähigt, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, das ist die einzige Bitte Sálomos.

Welche Bedeutung hat das ‚Herz‘ im Alten Testament (AT)?

Dazu möchte ich aus einem Aufsatz zitieren:

“ …Salomo bittet als König um ein „hörendes Herz“ und damit ist Verstand und Einsicht in die Ordnung der Schöpfung ebenso gemeint wie die Fähigkeit zur Pflege kultureller Leistungen.
Salomo gilt deswegen als biblischer Inbegriff der Weisheit, weil er durch sein hörendes Herz das Volk einen und verbinden konnte, nämlich v.a. durch gerechte Gerichtsurteile (vgl. das salomonische Urteil 1 Kön 3,16ff.) (…)
Es ist deutlich geworden, dass im alten Israel das Herz nicht primär Sitz der Gefühle oder der Liebe ist. „In der Bibel ist das Herz vor allem der Sitz der Vernunft und des Verstandes, des geheimen Planens und Überlegens und der Entschlüsse.“
Die meisten Belege des hebräischen Wortes für Herz stehen im Zusammenhang von intellektuellen und rationalen Tätigkeiten….“

Quelle: Br. Karl M. Schnepps ofm, Das Herz im Alten Testament

Wenn wir diese Bedeutung des Herzens im Alten Testament zugrunde legen, dann erkennen wir, dass Sálomo (obwohl sehr jung an Jahren) intuitiv ‚verstanden‘ hat, worauf eine gute Regentschaft wirklich gründen sollte: auf Vernunft und Verstand, auf intellekturelle und rationale Tätigkeiten.


Wenn ich mir über diese Textstelle Gedanken mache, dann merke ich, dass sie auch heute große Bedeutung hat.

Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay

Ob in Staat und Gesellschaft, ob in Religionen und Kirche: Weisheit und Vernunft sind wesentlich, damit wir in der heutigen Welt gut leben können.

Dabei müssen wir wahrscheinlich uns immer wieder neu orientieren und fragen, woran wir uns in unserem Leben fest machen wollen: an den vergänglichen Gütern, an oberflächlichen Wünschen oder an buchstäblich fundamentalen Eigenschaften, die die Grundlage für (soziale) Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und Wohlstand bilden?

Wir dürfen uns als ChristInnen auch fragen, was diese Textstelle heute für uns als ChristInnen bedeutet?
Was macht das Wesen des Christentums aus?
Worauf kommt es an, wenn ich als ChristIn leben will? Was ist meine Berufung als ChristIn in der Welt?

Ich denke, von der Beantwortung dieser Fragen wird viel auch für eine Kirche der Zukunft abhängen.
Nicht ‚tote Steine‘ werden wesentlich sein, sondern ‚lebendige Steine‘!

„Lasst euch selbst als lebendige Steine zu einem geistigen Haus erbauen,
zu einer Priesterschaft, die Gott geweiht ist und die ihm,
vermittelt durch Jesus Christus, Opfer darbringt,
Opfer geistiger Art, an denen er Gefallen hat,
nämlich den Opferdienst des ganzen Lebens…“

vgl. 1 Petrus 2,5

Nicht Kirchen und Gemeindezentren werden also wichtig sein, sondern unser gelebtes Christentum für die Welt.

Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass wir uns auch gerade bei der Frage der strukturellen Veränderungen in der Kirche auf diese Aspekte christlicher Exitenz besinnen müssen.

Ist es nicht jetzt an der Zeit, dass auch wir Gott stärker den je um ein „hörendes Herz“ bitten?

Sie ahnen es! Ich meine: ja!


Herr, die Weisheit, die unsere Welt zum Guten verändern kann, ist nicht oberflächlich, sie neigt sich nicht dem Materiellen zu und sucht nach unvergänglichen Gütern und Gaben.
Schenke uns – wie Sálomo – ein hörendes Herz, damit wir das Gute vom Bösen zu unterscheiden lernen. Motiviere uns, als ChristInnen Sauerteig in der Welt und für die Welt zu sein, und
schenke uns Mitgefühl für die Menschen in unserer Zeit und die Fähigkeiten, die in dieser Welt heute so not-wendig sind.
(c) Gerd Wittka, 21.07.2020




Untertrieben – maßlos

Bild von Reimund Bertrams auf Pixabay

Im heutigen Evangeliumstext lese ich im Matthäusevangelium, Kapitel 12, Verse 38-42 (Mt 12, 38-42):

„… Diese (…) Generation fordert ein Zeichen, aber es wird ihr kein anderes gegeben werden als das Zeichen des Propheten Jona.
Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird auch der Menschensohn drei Tag und drei Nächte im Innern der Erde sein…“

[Der Hintergrund:
Schriftgelehrte und Pharisäer fordern von Jesus ein Zeichen seiner göttlichen Vollmacht. Darauf reagiert Jesus mit den oben genannten Worten.]



Als rechtgläubige Juden wollen Schriftgelehrte und Pharisäer ‚Sicherheit‘ dass Jesus das, was er tut und wofür er göttliche Vollmacht für sich in Anspruch nimmt, auch wirklich tun darf. Nichts wäre fataler, als dass jemand mit (vermeintlich) göttlicher Vollmacht auftritt, aber sie gar nicht besitzt. Das würde schließlich nur religiöse und spirituelle Unruhe bei den Juden erzeugen. Um dieses besorgt, fordern sie also von Jesus ein Zeichen seiner Vollmacht.
Dieses Zeichen sollte am Besten ganz unmittelbar, unverzüglich und eindeutig sein.

Aber Jesus handelt anders als sie es erwarten (mal wieder!).
Er will keinen religiösen oder spirituellen ‚fastfood‘ verteilen; es geht ihm nicht um den schnellen und flüchtigen Effekt. Jesus geht es offenbar um eine viel tiefergehende Dimension: dem Glauben.

Und so weist er die Pharisäer und Schriftgelehrten darauf hin, dass er keine schnelle Antwort geben wird; sie wird mindestens drei Tage und drei Nächte auf sich warten lassen und auch nur dann, wenn die Zeit gekommen ist, nämlich die Zeit, an der Gott durch seine Passion und seine Auferstehung durch Jesus Christus selbst verherrlicht werden soll.

Fatal an dieser Situation – aus der Sicht der Schriftgelehrten und Pharisäer ist – dass sie eben nicht eine schnelle Beglaubigung der göttlichen Vollmacht Jesu bekommen werden. Und dramatisch ist es, dass sie selbst und ihr Verhalten erst später diesen ‚göttlichen Vollmachtsbeweis‘ durch die Anklage und Hinrichtung Jesu herbeiführen werden.

Und welches wird der Vollmachtsbeweis sein:
das Leiden und Sterben und die Auferstehung Jesu selbst.

Jesus nutzt das Bild des Jona um auf seinen eigenen irdischen Tod und seine Auferstehung hinzuweisen.
Aber konnten die Schriftgelehrten und Pharisäer das damals verstehen?

Mir scheint: nein! Die spätere Entwicklung des Lebens Jesu legen davon Zeugnis ab.

Und noch eines fällt mir auf:

Jesus wählt das Stilmittel der ‚Untertreibung‘, um auf seine Bevollmächtigung hinzuweisen: „… es wird ihr kein anders [Zeichen] gegeben erden als das Zeichen des Propheten Jona….“

Das Zeichen ist die Auferstehung selbst, also das, was völlig großartig und nicht zu topen ist!

Und Jesus sagt: ich werde mich mit kleinen, vergänglichen Zeichen meiner Bevollmächtigung nicht abgeben. Sondern, ihr werdet das Zeichen erhalten, das niemand überbieten und zu keiner Zeit getopt werden kann:

der Sieg des Lebens über den Tod!

Damit wählt Jesus ein letztgültiges und unüberbietbares Zeichen, welches aber auch zugleich die größte Herausforderung im Glauben darstellt:

den Glauben an die Auferstehung und das ewige Leben bei Gott!

Mein Impuls für Sie zum Weiterdenken:

Inwieweit prägt der Glaube an die Auferstehung und der Glaube, das Leiden, Not und Tod niemals das ‚letzte Wort‘ haben werden, Ihren Glauben und Ihren Alltag?

Ich möchte mit einem Gebet enden, das ich heute im Te Deum, vom 20.07.2020 gefunden und gebetet habe:

Herr, du bist kein Gott, an den man nur mithilfe übersinnlicher Kräfte glauben kann. Du bist kein Gott der okkulten Sensationen.
Hilf uns, dich dort zu suchen, wo du dich gezeigt und verkörpert hast: im Antlitz der Menschen. Amen.“

(Quelle: TeDeum, Juli 2020, S. 207.)




Rarität – gute geistliche Literatur

oder: die eigene kritische Haltung bei wohlmeinender Literatur nicht an der Garderobe abgeben!

Auch ich brauche (geistliche) Impulse

Als Seelsorger, geistlicher Begleiter und Priester bin ich auch immer wieder auf geistliche Impulse und geistliche Begleitung angewiesen.

Dies schreibe ich deshalb gleich zu Beginn, weil ich der tiefsten Überzeugung bin, dass niemand zu Lebzeiten geistlich vollendet sein wird. Denn ich meine, das der eigene geistliche Weg engstens mit der eigenen Lebensgeschichte verwoben ist, also auch mit all ihren Höhen und Tiefen, mit ihren starken und schwachen Phasen.

Und so fand ich vor einigen Wochen ein Buch, dessen Titel mich sehr ansprach, weil es offensichtlich auch „meine“ Themen in den Blick nahm.

Es ist das Buch von
Ronald Rolheiser, Beten – Offen werden für Gott,
erschienen im Herder-Verlag 2013

Doch leider verließ mich schon auf den ersten Seiten die Motivation, dieses Buch weiterzulesen; es verließ mich auch auf diesen ersten Seiten schon die Hoffnung, dass dieses Buch mir auf der Suche MEINES geistlichen Lebensweges wertvoller Impulsgeber sein könnte.

Warum? Das will ich hier darlegen …



Was erwarten Sie?

Oder: ich warte noch etwas, bevor ich meine Gedanken darlege und frage Sie unumwunden: Was würden Sie von einem solchen Buch erwarten? Welche Voraussetzungen müsste es mitbringen, dass Sie sich angesprochen und gemeint fühlen?

Ich würde annehmen, dass Sie sich und Ihre eigene Lebenssituation irgendwie wiederfinden wollen. Dieses Buch sollte Ihnen in Ihrer ganz konkreten Lebensituation Impuls geben, die Sie aufgreifen und weiterdenken können, um Ihren eigenen geistlichen Weg finden und gehen zu können.

Schubladen-Denken

Das wiederum bedeutet:
– Das Buch muss sich zurückhalten bei Einredungen
– Es darf nicht nur so von ‚Setzungen‘ wimmeln. Damit meine ich unbewiesene oder auch unbegründete Behauptungen in den Raum zu stellen, die dann als Basis für weitere Gedankengänge genutzt werden.
– Das Buch muss Offenheit und Weite ausstrahlen. Gerade diesen Aspekt nimmt der deutsche Titel des Buches auf: „OFFEN werden für Gott“. Im englischen Originaltitel heißt es: „Prayer – our deepest longing“! (übersetzt: „Gebet – unsere tiefstes Sehnsucht“). Offenheit und Respekt davor, dass jedeR seinen/ihren eigenen spirituellen Weg finden muss, ist Grundlage einer geistlichen Begleitung, die das menschliche Individuum als Ebenbild Gottes ernst nimmt.

Doch genau da beginnt schon das „Problem“ dieses Buches.

Bereits die ersten Seiten wimmeln nur so vor Formulierungen, die in mir das Gefühl zurück lassen, dass der Autor (s)eine Definition von Welt und Wirklichkeit setzen will, auf die er dann seine weiteren Gedanken aufbaut.

Dabei stellt er diese Definition(en) so allgemeinverbindlich dar, dass man meinen muss, dass sie auch allgemeingültig sind. Sind sie aber nicht!
Sie sind allenfalls die Meinung, die Auffassung, das Dafürhalten einer Welt, wie sie sich dem Autor subjetiv darstellt.

Ich möchte das an einigen Textbeispielen verdeutlichen:

„Wir leben in einer Welt, die die Realität auf das Stoffliche reduziert hat: auf das, was man empirisch messen, sehen, anfassen, schmecken oder riechen kann. Wir leben in einer Welt des spirituellen Analphabetismus…“ (S. 9)

Stimmt das aber?
Oder ist das lediglich verbales Kauderwelsch oder gar eine schlechte Übersetzung aus dem Englischen?
Was können wir denn „empirisch riechen“? Verstehen Sie, was der Autor damit meint?
Und ist unsere Realität tatsächlich auf das Stoffliche reduziert?

Was ist dann mit der Psychologie, mit den Geisteswissenschaften? Was ist mit solchen Erfahrungen und Wahrnehmungen von Liebe und Hass, von Zuversicht und Hoffnung auf der einen oder Resignation und Perspektivlosigkeit auf der anderen Seite?

Hat der Autor recht, dass wir nur die „stoffliche Realität“ in unserem Leben zulassen?

Ich bin sicher: Nein!

Jeder Mensch, der Zuneigung zu anderen Menschen spürt, auch das, was wir Liebe nennen, lebt zumindest hier schon einmal aus einer nichtstofflichen Realität, die zudem eine nicht zu unterschätzende Rolle in unserem Leben spielt, wenn es um das eigene Glück geht.

„Wir leben in einer Welt des spirituellen Analphabetismus. (…) Wenn nur die Oberfläche zählt, dann ist es schwer, sich verzaubern zu lassen, von Poesie, vom Glauben, von der Liebe.“ (ebd. S. 9)

Was für ein Geschwurbel?!
Erst sagt er, dass wir in einer Welt leben, wo das rein Stoffliche gilt. Dann aber erwähnt er ganz selbstverständlich, dass es die Poesie, den Glauben und die Liebe gibt.
Wenn es sie gibt, sind sie dann keine Realität?

„Wir haben unsere Sehnsucht trivialisiert, domestiziert. Statt uns nach dem Transzendenten zu sehnen, betäuben wir uns und lenken uns ab, indem wir unsere Sehnsüchte auf das „gute Leben“ ausrichten. auf Sex, Geld, Erfolg und all die anderen Dinge, die vermeintlich „jeder hat“.“ (S.10)

Liebe LeserInnen, erkennen Sie sich da wieder? Herr Rolheiser ‚analysiert‘ Sie gerade, Sie und Sie und mich und dich … jedeN LeserIn!

Sie trachten also in Ihrem Leben nach Sex und Geld, Erfolg?!
Jetzt würde ich gerne Ihr Gesicht sehen und Ihre Gedanken lesen können! 😉

Entweder, Sie schmunzeln oder lachen lauthals oder Sie ärgern sich jetzt!
Beides ist berechtigt.

Ich ärgere mich über einen solchen „Mitbruder“, der mal wieder die Moralkeule schwingt und mal so eben nonchalance uns alle in ein- und dieselbe Schublade steckt!

Vielfalt statt Einfalt!
„Ist es nicht auch jener Theo in uns allen…?“ (Otto Waalkes)

Der Autor präsentiert fröhlich und frei die erste große Schwäche seines Buches gleich zu Beginn, im Vorwort:
Mit Pauschalierungen versucht er seine Leserschaft einzunorden; er sagt, was Sache ist … und dabei kennt er doch die wenigsten seiner Leserschaft persönlich.

Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ja, der Autor darf auch mit Subjektivierungen arbeiten. Ja, er darf von seinen eigenen Erfahrungen ausgehen oder er darf auch Beispiele nennen aus seiner seelsorglichen Praxis. Solche Beispiele können hilfreich sein, insbesondere dann, wenn wir zwischen uns und den Beispielen Übereinstimmungen erkennen, wo wir dann sehr persönlich einsteigen können; aber auch in dem Bewusstsein, dass der/die andere niemals ich sein kann und ich niemals der/die andere bin!

Solche subjektiven Beispiele können Einstiegshilfen sein, an denen sich eine Beobachtung erklären lässt.
Sie dürfen aber niemals zur Verallgemeinerung führen, die meistens mit solchen Worten entlarvt werden: „Ihr“, „wir“, „wir alle“ …

Das erinnert mich sehr stark an den Beitrag von Otto Waalkes und seiner „Predigt“ über das Lied „Theo, wir fahr’n nach Lodz“

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Wenn Sie jetzt schmunzeln können, aber gleichzeitig etwas von dieser von Otto überzogenen Haltung in manchen Äußerungen von Predigern unserer heutigen Zeit wieder finden, dann nicht zu unrecht.
Der Autor Rolheiser verfällt in diesen pseudopastoralen Habitus, der sich eigentlich verbietet.
Denn es geht ihm hier ja nicht darum, dass er sich mit seiner Leserschaft solidarisiert, sondern er normiert sie.

Eine solche Normierung verbietet sich auch in der geistlichen Impulsgebung.

Das Beispiel Jesu

Wenn Sie Zeugnisse und Beispiele aus der Bibel brauchen, dann schlagen Sie einfach nur die Stellen auf, wo es zu Begegnungen zwischen Jesus und den Menschen kommt, die nicht selten buchstäblich heilsam sind. Sie sind deshalb heilsam, weil Jesus sich auf die je eigene Geschichte und auf das je eigene Bedürfnis der Menschen einlässt, denen er begegnet.

Wir sind so verschieden …!

In den Texten des 06. Juli 2020 der Reihe „Te Deum“ fand ich als Ora-et-labora-Gedanken für den Tag folgenden Text:

Die Heilung wurde nicht durch Jesus „an und für sich“ möglich, sondern durch Jesus in Beziehung. Heilen und die Intimität, die es begründet, ist ein gegenseitiger Prozess, in dem der Heilende vom Geheilten ergriffen wird.“
( Carter Heyward, * 1945, us-amerikanische feministische Theologin und Pfarrerin)

Wenn wir nach geistlichen Impulsen in unserem Leben suchen, oder wenn wir selbst geistliche Impulse geben wollen, dann ist es hilfreich, sich daran zu erinnern, dass der geistliche Weg ein individueller Weg ist und das geistliche Begleitung diese Individualität immer wieder berücksichtigt und respektiert.

Ich für meinen Teil werde noch weiter in diesen Buch – kritisch – lesen, aber ich habe keine große Hoffnung mehr, dass ich dort von einer Quelle trinken werde, die mir wirkliche geistliche Nahrung wird.

Aber: wer weiß! Denn: Gott schreibt auch auf krummen Zeilen gerade!




Jesus hat Grenzen überwunden – und wir?

Grenzen – eiskalt! Bild von Thomas B. auf Pixabay

In unserer katholischen Kirche befinden wir uns in einer radikalen Umbruchsituation. Von außen und auch von innen, sind wir gefordert, neue Wege zu gehen. Dabei werden die inneren und äußeren Faktoren wesentlich mitbestimmt von finanziellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Diese sind wiederum stark abhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen in unserem Land; von Menschen, die nur wenig oder kein steuerpflichtiges Einkommen haben und deshalb auch keine Kirchensteuer zahlen; von Menschen, die der kirchlichen Gemeinschaft den Rücken gekehrt haben.

In dieser historischen Situation sind Gemeinden und Pfarreien genötigt, ungewohnte und vielleicht auch unbequeme Entscheidungen zu treffen.
Das aber erfordert – bei notwendigen strukturellen Veränderungen -, dass die Gemeinden und Pfarreien und in ihnen auch ganz konkret die Menschen, Grenzen überwinden.

Doch das Gegenteil ist oft der Fall.



Ist das nicht paradox?

Jesus hat DIE Grenze schlechthin überwunden, die nie und nimmer überwindbar erschien: die Grenze des Todes.
Durch IHN ist der Tod für alle zum Tor des Lebens geworden!

Und wir?!
Wir schaffen es noch nicht einmal, die Grenzen der eigenen Gemeinde und Pfarrei zu überwinden!

Welch ein armseliges Glaubenszeugnis!

Bei aller berechtigter Trauer, wenn Gewohntes gelassen und Vertrautes buchstäblich verlassen werden muss:

Wenn wir diese Phase der Kirche nicht auch als geistliche Herausforderung an- und ernstnehmen, dann wird jede Entscheidung, jedes Votum, jede Umstrukturierung unwesentlich bleiben.

Wir werden dann oberflächlich bleiben, weil es mehr um uns selber geht, als um das, was unseren christlichen Glauben ausmacht: Salz der Erde, Sauerteig und VerkünderInnen der frohen und befreienden Botschaft in der Welt und für die Welt zu sein.

Herr, erwecke deine Kirche
und fange bei mir an.
Herr, baue deine Gemeinde
und fange bei mir an.

(Gebet eines unbekannten chinesischen Christen)