Füreinander …

… beten

„Schließen Sie mich bitte in Ihr Gebet ein!“ „Beten Sie für mich!“„Denken Sie an mich im Gottesdienst!“

Solche oder ähnliche Bitten oder Aufforderungen bekommen wir SeelsorgerInnen immer wieder.

Mitunter erwidere ich diese Bitte, in dem ich sage: „Beten Sie auch bitte für mich!“

Solche (gegenseitigen) Bitten zeigen mir: wir geben was auf die Für-Bitte anderer.

In den gemeinsamen Gottesdiensten hat dieses fürbittende Gebet einen ganz zentralen Ort und ist von großer Bedeutung.

Aber gerade in Corona-Zeiten gibt es kaum öffentliche und gemeinschaftliche Gottesdienste.

Wie ist es dann möglich, dieses fürbittende Gebet regelmäßig aufrecht zu erhalten?

Bei uns in der Krankenhaus-Seelsorge im Johanniter-Krankenhaus in Oberhausen haben mein evangelischer Kollege und ich dafür eine Möglichkeit gefunden:

Wir haben einen Gottesdienstvorschlag aus der evangelischen Kirche aufgegriffen und bieten nun jeden Mittwoch mittags um 13.00 Uhr einen

Stellvertretungsgottesdienst

an.



Über Flyer haben wir die PatientInnen im Haus informiert und sie eingeladen, ihre Gebetsanliegen entweder schriftlich oder auch per sms auf mein Seelsorge-Handy an uns zu übermitteln.
Wir sammeln dann auf den Stationen diese Zettel am Mittwoch Vormittag ein und bringen sie bei diesem Gottesdienst mit ein.

In der Kapelle steht die entzündete Osterkerze und auf dem Altar eine Schale mit Sand gefüllt.

Fürbitt-Gottesdienst als stellvertretendes Gebet in Corona-Zeiten.
Die Osterkerze im Gottesdienst erinnert an die Gegenwart Christi, als das „Licht der Wetl“ Foto: Gerd Wittka, 2020

Während des Gottesdienst, in dem ein Psalm gebetet, ein biblisches Schriftwort gelesen und Musik gehört wird, werden dann auch im fürbittenden Teil kleine Vigilkerzen an der Osterkerze entzündet. Es wird das Gebetsanliegen formuliert und dann dazu die brennende Vigilkerze in die Schale gestellt. Nach jeder Bitte erfolgt ein gesungener Kyrie-Ruf.

Eine kleine Kerze wird an der Osterkerze entzündet – Foto: Gerd Wittka, 2020

Danach erfolgt eine kurze Gebetsstille.

Der Gottesdienst wird abgeschlossen durch das Vater-unser-Gebet und einen Segen.

Jede kleine Kerze steht für ein konkretes Gebetsanliegen – Foto: Gerd Wittka, 2020

Nun kann man sich fragen: kann ein solcher Gottesdienst, wo ich zum Beispiel ganz allein bin, wirklich ein Ersatz für „gemeinschaftliche“ Gottesdienste sein?

Ich frage anders herum: sollen wir ganz auf förmliche Gottesdienste verzichten, nur weil wir nicht mehr ohne weiteres in Gemeinschaft zusammen kommen können?

Wir von der Krankenhaus-Seelsorge meinen: Nein!
Wir meinen auch deshalb, dass wir auf Gottesdienste nicht verzichten sollten, weil solche Gottesdienste durchaus in der Glaubenstradition stehen und gerade auch im Hinblick auf das fürbittende Gebet.

Ich meine: diese Corona-Pandemiezeit kann uns die Bedeutung des persönlichen Gebets wieder bewusster vor Augen stellen.

Diese Pandemie kann uns aber auch daran erinnern, dass es liturgische Feiern gibt, die auch dann begangen werden können und sollen, wenn man sie allein vollzieht.

Im „TE Deum – das Stundengebet für den Alltag“ finde ich in diesem August in der Einleitung folgende Worte von Sr. Charis Doepgen OSB:

„In der Themenreihe „Heilige Zeit“ geht es in diesem Monat um das persönliche Gebet und um Formen, es einzuüben und zu pflegen.
Das persönliche Gebet als Ausdruck einer individuellen Gottesbeziehung liegt dem gemeinsamen Gebet voraus.

Wenn letzteres wegfällt, wird uns nicht der Zugang genommen, sondern wir werden auf das Fundament unserer Gottesbeziehung zurückgestellt.“
(aus: TE DEUM, August 2020, S. 4)

Ich finde dieses Gedanken sehr wertvoll, weil sie uns auch deutlichen machen können: offizielle liturgische Feiern und Gottesdienste, die von einer Person allein gefeiert werden, können sinnvoll sein, weil in diesem alleinigen, vereinzelten und persönlichen Gebet die Grundlage für die Gottesbeziehung liegt, die auch für gemeinschaftliche Gottesdienste und Gebetsformen existentiell ist.




Das Licht erscheint

… der Tag hebt sich

Spirituell zu leben heißt für mich, auch das, was um mich herum ist, als Gabe und als Geschenk anzunehmen.
Dieses „Drumherum“ kann nämlich zum Werkzeug oder sogar für sich genommen als Impuls für mein Gotteslob dienen, ob am frühen Morgen, im Laufe des Tages oder am Abend bis in die Nacht.

Ich bin gerne morgens früh auf, denn der Morgen ist für mich eine Zeit, die mir niemand so leicht abspenstig machen kann.
Am Morgen ist alles noch so neu, unverbraucht.
Oft strahlt der Morgen eine Ruhe und einen Frieden aus, welche mir helfen, mich für den Tag zu bereiten und die Herausforderungen, die der Tag mir bringt, annehmen zu können.

Heute, am 01. August 2020 durfte ich einen großartigen Sonnenaufgang erleben.
Mit meinem Smartphone habe ich schnell einige Bilder gemacht.

Zu den Bildern kamen mir drei Stophen aus dem Stundengebet in den Sinn, die so gut zu diesen Bildern passen und ausdrücken, was in diesem Augenblick in mir war:

Nacht und Gewölk und Finsternis,
verworrnes Chaos dieser Welt,
entweicht und flieht! Das Licht erscheint,
der Tag erhebt sich: Christus naht.

Jäh reißt der Erde Dunkel auf,
durchstoßen von der Sonne Strahl,
der Farben Fülle kehrt zurück
im hellen Glanz des Taggestirns.

So soll, was in uns dunkel ist,
was schwer uns auf dem Herzen liegt,
aufbrechen unter deinem Licht
und dir sich öffnen, Herr und Gott.

(zitiert nach: https://www.evangeliums.net/lieder/lied_nacht_und_gewoelk_und_finsternis.html)




Ein Auge ist’s …

Bild von beate bachmann auf Pixabay

„Ein Auge ist’s
was alles sieht,
selbst, wenn’s in finstrer Nacht
geschieht.“

(traditionells Sprichwort)

Viele von uns kennen noch dieses traditionelle Sprichwort.
Unter denen, die es kennen, gibt es sicherlich welche, die – wenn sie dieses Wort wieder hören oder lesen – ein gewisses Unbehagen entwickeln.

Und das kommt nicht von Ungefähr!
Meistens fiel dieses Wort in einem vermeintlich ‚erzieherischen‘ Kontext.

Sie können ja einmal selber darüber nachspüren, in welchen Zusammenhängen oder Situationen Ihnen dieses Wort begegnet ist oder gesagt wurde….



Ich kann mich selber nicht daran erinnern, dass mir dieses Wort ernsthaft – von meinen Eltern – gesagt wurde.
Aber mir sind Erzählungen bekannt, wo Kinder dieses Wort von ihren Eltern gesagt bekommen haben.
Das Ziel war eindeutig: Selbst da, wo die eigenen Eltern die Verfehlungen der eigenen Kinder nicht wahrnehmen (können), sagt man dem Kind damit: Aber EINER sieht alles, und das ist GOTT höchstpersönlich!

Damit wurde ein Gottesbild vermittelt, das uns Gott als Oberaufpasser und Bestrafer glauben lassen sollte.

Ich finde dieses Gottesbild oft belustigend, vor allem aber auch tragisch.

Gott als „big brother is watching you!“ ?!
Hat Gott wirklich nichts Besseres zu tun, als wie ein totalitärer Diktator alles und jeden zu überwachen?!

Ich bin davon überzeugt, dass solche Sprichwörter einer dringenden Umdeutung bedürfen!

Heute Morgen, beim Morgenlob aus dem TE DEUM bekomme ich einen Hymnus vorgelegt, in dessen fünfter Strophe es heißt:

„Ein Auge schaut auf uns herab,
das über unser Leben wacht.
Es sieht voll Güte unser Tun
vom frühen Morgen bis zur Nacht.“

(Quelle: Te Deum, Juli 2020, S. 299)

Nein, dieser Hymnus ist nicht neueren Datums. Der älteste Teil dieses Hymnus „Lux ecce surgit aurea“ geht auf den Anfang des 5. Jahrhunderts (um 405 n.Chr.) zurück, und die zitierte Strophe oben entstand im 7.-8. Jahrhundert.

Dieser Text ist also mindestens schon 1200 Jahre alt!

Mag sein, dass dieser Hymnus die Grundlage für den ganz oben einschüchternden Text aus dem Volksmund gebildet hat.

Wie dem auch sei: ich bin der Überzeugung, dass solche ‚erzieherischen‘ und einschüchternden Verse dringend der Vergangenheit angehören müssen!

Und wem der Spruch „Ein Auge ist’s, was alles sieht….‘ so in Fleisch und Blut übergegangen ist, dem biete ich eine befreiende Neudeutung an, um mit solchen verinnerlichten Sprüchen gut leben zu können, indem sie bewusst umgedeutet werden.

Ich kann nämlich das Wort „Ein Auge ist’s…“ nicht als Drohung sondern als liebende Versicherung verstehen.

Hier mein Versuch:

Wenn Gott alles sieht, was geschieht, wenn er, der mich „geformt und im Schoß meiner Mutter gebildet hat“ (vgl. Psalm 139, 13ff.) und wenn ER ein liebender, gnädiger und verzeihender Gott ist (davon bin ich überzeugt), dann ist ER auch derjenige, vor dem ich so sein darf, wie ich bin (mit meinen Stärken aber auch mit meinen Schwächen).

Ich brauche mich vor ihm nicht zu verstellen.
Ich brauche mich nicht vor ihm zu verbergen und nicht versuchen, ETWAS vor IHM geheim zu halten.

Er liebt mich so, wie ich bin.

Vor Gott kann ich ganz ICH sein, kann ICH ICH sein!

Dann wird aus der Drohung ein BEFREIUNGSSPRUCH!

Wir erleben in unserem Leben immer wieder Situationen, wo wir nicht so sein dürfen, wie wir sind: weil es die vermeintliche Etikette so fordert, weil ‚man das so tut‘, oder weil ‚man das NICHT tut‘.
Wir müssen uns verstellen, um uns selber nicht zu schaden, um unsere Chancen nicht zu verbauen, um uns zu schützen!

Doch bei Gott brauche ich das alles nicht.
Vor IHM kann ich FREI sein, weil er mich annimmt, mich ernst nimmt und mich liebt … so wie ICH BIN.

Für mich persönlich gibt es keine größere, keine grenzenlosere Freiheit als

meine Freiheit vor Gott!


Gebet:

Guter Gott,
du kennst mich, so wie ich bin.
Vor dir kann ich ’nackt‘ sein, ohne entblößt zu werden.
Deine Liebe ummantelt mich, birgt mich, schützt mich.
Wenn Menschen auch meine Schwächen und Fehler gegen mich einsetzen,
du lässt mich nicht fallen.
Meine Schuld machst du nicht zu einer Waffe gegen mich.
Meine Schuld und mein Versagen ist dir Anfang und Grund deiner Vergebung und deiner Liebe.

Dafür danke ich dir.

Ich bitte dich: lass mich lernen von deiner Liebe, damit ich das Gute in anderen groß werden lasse und Fehler und Schwächen anderer nicht ausnutze.

So können meine Fehler und die der anderen nicht zu Stolpersteinen werden, die zu Fall bringen, sondern verändert werden zu einem Fundament, auf dem Vergebung geschieht und Gutes aufgebaut werden kann.

(copyright: Gerd Wittka, 30. Juli 2020)




22. Juli: Maria Magdalena

Die einzigartige Apostelin

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mary_Magdalen_by_Bernini.jpg
by: sailko / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Seit dem 3. Jahrhundert wird diese Frau – Maria Magdalena – als „Apostolin der Apostel“ genannt. Kein Geringerer als Hippolyt von Rom bezeichnete sie so.

Aber es mussten gut 1600 Jahre vergehen, bis diese einzigartige Frau und Zeugin der Auferstehung Jesu Christi auch offiziell und liturgisch durch eine eigene Festtags-Liturgie in diesen Rang erhoben wurde.



Ja, es ist schade, dass erst Papst Franziskus I. diesen Mut und diese Stärke dazu besaß.
Und ja, es ist gut, dass es überhaupt geschah.

Dazu fand ich folgenden Text des Fundamentaltheologen Hans Waldenfels SJ (* 1931):

„Er (Jesus) gibt ihr den Auftrag: „Geh zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott“ Hier wird Maria von Magdala die „Apostolin“. (…) In einer Zeit, in der die kirchenrechtliche Stellung der Frau in der katholischen Kirche neu bedacht wird, sind auch die biblischen Aussagen neu zu bedenken.“
Zitiat nach: Te Deum, Juli 2020, S. 223

Ja, ich freue mich über diesen Festtag, den ich – auch wenn ich an diesem Tag keine Eucharistie feiern kann – mit allen liturgischen Möglichkeiten des Stundengebets und der persönlichen Andacht – begehen werde.

Ich wünsche und hoffe, dass von diesem Festtag starke geistliche Impulse ausgehen, für die Frauen in unserer Kirche, die sich für die Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche einsetzen und für die Männer in unserer Kirche, die sich diesem Anliegen verschreiben und sich mit den Frauen in der Kirche solidarisieren.

Ich hoffe und bete, dass der Heilige Geist die Mächtigen in der Kirche bewegt, sich der biblischen Wahrheit zu öffnen, nach der die Frauen im Neuen Testament eine herausragende Aufgabe im Zeugnis und in der Weitergabe der Auferstehung des HERRN haben.


Gebet:

Herr Jesus Christus, du hast die Frauen, die dir nachgefolgt sind, zu herausragenden Zeuginnen deiner Auferstehung werden lassen. Du hast ihnen als erste geboten, diese frohe Botschaft zu verkündigen.
Doch in deiner Kirche werden Frauen wegen ihres Geschlechts noch immer zurückgesetzt; sie erfahren nicht die Achtung und Anerkennung, die du ihnen – als Haupt deiner Kirche – gegeben hast.

So bitte ich dich: Bewege in der Kraft des Heiligen Geistes die Herzen und Spiritualität der Menschen, die in unserer Kirche noch immer das Sagen haben. Erleuchte ihren Geist, damit sie Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen wegen der Geschlechtlichkeit eines Menschen erkennen und Wege der Erneuerung wagen.

Stärke alle Frauen und Männer, die sich um diese Gleichberechtigung mühen, stelle ihnen Menschen an die Seite, die sich solidarisch mit ihnen verhalten und lass sie in ihrem Kampf um Gerechtigkeit, Respekt und Menschenwürde nicht müde werden.
Amen.

(c) Gerd Wittka, 22.07.2020




Angesprochen

Ich fand heute einen Gedanken, der mich sehr angesprochen hat und in dem ich mich gut wiederfinden kann:

Quelle: www.pixabay.com

Ich danke allen, die meine Träume belächelt haben.
Sie haben meine Fantasie beflügelt.

Ich danke allen, die mich in ihr Schema pressen wollten.
Sie haben mich den Wert der Freiheit gelehrt.

Ich danke allen, die mich belogen haben.
Sie haben mir die Kraft der Wahrheit gezeigt.

Ich danke allen, die nicht an mich geglaubt haben.
Sie haben mir zugemutet, Berge zu versetzen.

Ich danke allen, die mich abgeschrieben haben.
Sie haben meinen Trotz geschürt.

Ich danke allen, die mich verlassen haben.
Sie haben mir Raum gegeben für Neues.

Ich danke allen, die mich verraten und missbraucht haben.
Sie haben mich erwachsen werden lassen.

Ich danke allen, die mich verletzt haben.
Sie haben mich gelehrt, im Schmerz zu wachsen.

Ich danke allen, die meinen Frieden gestört haben.
Sie haben mich stark gemacht, dafür einzutreten.

Ich danke allen, die mich verwirrt haben.
Sie haben mir meinen Standpunkt klar gemacht.

Vor allem aber danke ich all denen, die mich lieben, so wie ich bin.
Sie geben mir die Kraft zum Leben! Danke.

(Paulo Coelho) – Quelle: http://www.k-l-j.de/Gebet_persoenlich.htm