Eigentlich darf man öfter gelassener durchs Leben gehen – das zeigt oft der Rückblick.
So habe ich es auch heute erlebt.
Habe seit gestern einen grippalen Infekt und für übermorgen eine Ladung als Zeuge bei Gericht. Heute bekam ich die Nachricht, dass der Gerichtstermin abgesagt wurde und auch kein Nachfolgetermin angesetzt werden wird.
Manchmal fügt sich das Leben einfach wunderbar! Danke Gott!
Das wichtigste Fest …?
Diana Damrau (Sopranistin) sagte bei einem Interview am 29.11.2022 im zdf Morgenmagazin, dass Weihnachten das ‘wichtigste Fest im ganzen Jahr’ sei.
Das, was Diana Damrau ausgesprochen hat, ist die Haltung und das Gefühl von vielen Menschen in unserem Land.
Mich macht das immer auch etwas traurig.
Ja, Weihnachten ist wohl das rührseligste christliche Fest, das wir im Jahreskreis begehen: viel Wärme in der Kälte, viel Zärtlichkeit in der Härte, viel Licht in der Dunkelheit, das Kleine im Großen, das Verletzliche in der Brutalität, … all das geht an Gefühlen und Sehnsüchten von diesem Fest aus. Und das soll es auch.
Doch nach christlichem Verständnis ist das längst nicht das Wichtigste und das Größte, was wir als Christ:innen feiern können und woran wir glauben.
Denn das Wichtigste und das Größte ist, dass wir das
Leben
feiern, trotz Sterben und Tod.
Da das Größte, was wir feiern zugleich mit einem der größten Tabus in unserer Gesellschaft einher geht – nämlich dem Sterben und dem Tod -, wird es von vielen von uns ausgeblendet.
Dabei: seit Weihnachten, seit der Geburt Jesu in Betlehem, strebt doch SEIN ganzes Leben hin auf sein erlösendes Sterben und seinen erlösenden Tod, der nicht das letzte Wort hat, sondern das
Leben
in SEINER Auferstehung!
Um es auf den Punkt zu bringen: Krippe und Kreuz gehören zusammen!
Es lohnt sich, dieses Bild zu betrachten, denn es lässt nichts fehlen, was uns an Weihnachten so wichtig ist, aber verbindet es zugleich mit dem ‘Mysterium’ des Lebens Jesu Christi, das – irdisch gesehen – am Kreuz endet, aber dessen Ende nicht das Kreuz ist und bleibt, sondern das Leben über den Tod hinaus.
Nun aber: schau dir doch noch mal das Bild ganz oben an.
Vielleicht fällt es dir jetzt, nach meinen Gedanken auf: augenscheinlich, sehen wir hier eine Krippendarstellung, wie sie uns bekannt ist, die Geburtsszene auf den Feldern von Betlehem. Doch wenn wir uns den Stern im Hintergrund anschauen, dann können wir es auf den zweiten Blick ganz deutlich erkennen: im Stern zeichnet sich zugleich das Kreuz ab.
Für mich bleibt das wichtigste christliche Fest im ganzen Jahr das Osterfest. Daran möchte ich festhalten, auch wenn diese Sicht über den Tellerrand des Todes hinaus, vielen Menschen in heutiger Zeit so schwer fällt.
Stärker als jeder absolutistischer Herrscher: Christus König
Impuls zum Christ-König-Sonntag 2022
Erinnern Sie sich an die Staatstrauer und an die Beisetzung von Queen Elizabeth II. vor einigen Wochen? Ich war da gerade in Urlaub und ich wollte eigentlich nicht viel davon sehen. Aber irgendwie kommt man dann doch nicht ganz daran vorbei. In den Medien sah man Bilder der Queen, von ihren jungen Jahren, von ihrer Krönung, in anderen festlichen Roben, geschmückt mit Diademen, Kronen und Juwelen. Und auch während der Staatstrauer: ihre Krone, der Reichsapfel und das Zepter auf ihrem Sarg. Am Ende der Trauerfeier, bevor der Sarg von ihr herabgelassen wurde, entfernte man feierlich diese Insignien ihrer Königinnenschaft.
Das waren Bilder vom Tod einer Königin in heutiger Zeit.
Ganz anders das Bild des Mannes, den wir heute als Christ-König feiern: Jesus Christus. Geschunden, gemartert, verhöhnt, entehrt, bestialisch hingerichtet ziert sein Haupt keine Krone aus Edelmetall und Edelsteinen, sondern eine Dornenkrone, deren langen Dornen sich in die Kopfhaut eingebohrt haben.
Die Bilder aus London waren schön, voller Pracht – für viele eine Augenweide. Die Bilder aus Jerusalem, das Bild des getöteten Christus: wer mag das ansehen wollen?
Gegenbild: Gekreuzigter Christus des Isenheimer Altars
Der Maler Matthias Grünewald hat mit dem Isenheimer-Altar die Kreuzigungszene für den Bettensaal eines mittelalterlichen Krankenhospiz gemalt, die wir heute noch verstörend empfinden können. Matthias Grünewald hat versucht, den leidenden Menschen seiner Zeit einen durch und durch ebenbürtigen mitleidenden Christus buchstäblich gegenüberzustellen.
Aber dies tat er nicht, um die Kranken noch mehr zu belasten, sondern aus einem anderen Grund:
Wie oft höre ich von ziemlich kranken Menschen Worte wie: „Aber ich kann ja nicht klagen. Anderen Menschen geht es noch schlechter!“
Solche Sätze sagen mir: im eigenen Leid blicken manche Menschen auf das Leid anderer und setzen ihr eigenes Leid im Verhältnis zum Leid der anderen. Das ist kein Tipp, den ich als Außenstehender geben würde und kann. Aber für jene Kranke, die das tun, kann sich die Sicht auf das eigene Leid verändern.
Bitte: Niemals als Ratschlag!
Auf das Leid der anderen zu blicken im eigenen Leid, kann das eigene Leid erträglicher machen.
Ich sage das nicht, als Ratschlag oder als Tipp. Ich sage das nur als Wahrnehmung.
Denn als Außenstehende müssen wir uns davor hüten, kranken und leidenden Menschen zu sagen: „Schau mal, anderen geht es doch viel schlechter als dir!“ Relativierung des Leids steht jenen, die leidende Menschen begleiten, nicht an und es ist nicht hilfreich, sondern oft genau das Gegenteil. Der leidende Mensch kann das so verstehen, dass ein eigenes Leid nicht ernst genommen wird. Nur der Leidende selbst kann für sich den Vergleich mit anderen leidenden Personen anstellen und das in aller Freiheit.
Dann aber kann es passieren, dass das eigene Leid als nicht mehr so arg wahrgenommen wird.
Das ist eine Art Solidarisierung der Leidenden unter einander, auch wenn sie gegenseitig davon nichts wissen.
Solidarität II
Der Isenheimer Altar thematisiert aber noch eine andere Solidarisierung: die göttliche Solidarisierung!
Den kranken Menschen wird mit dem Altarbild ein Bild von leidenden Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der ganz und gar in der Geburt in Betlehem Mensch wurde, gezeigt.
Damit will dieses Bild den kranken und leidenden Menschen sagen: Dein Gott, an dem du auch in deinem Leid glaubst und dem du vertrauen willst, hat sich als Mensch selber dem menschlichen Leiden ausgeliefert. Auch wenn sein Leid und dein Leid immer getrennt voneinander sein werden, so möchte dies ein Zeichen sein:
Gott liebt dich so sehr und möchte so sehr um die liebende Beziehung mit dir werben, dass er sich selber nicht verschont hat, sondern wie es bei Paulus heißt: Jesus Christus
„… war Gott gleich, / hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich / und wurde wie ein Sklave / und den Menschen gleich. / Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich / und war gehorsam bis zum Tod, / bis zum Tod am Kreuz….“
(Phil 2,5-8)
Der Schächer, der neben Jesus Christus am Kreuz hing, hat das erkannt und sich in einem letzten Augenblick seines eigenen Lebens dazu bekannt. So wurde für ihn das Bekenntnis zum leidenden Gott, zum mit-leidenden Gott die Quelle der eigenen Erlösung.
Für mich ist das ein Bild, ein Vor-Bild, damit ich lernen kann, dass er auch mich im Leiden und im Tod nicht fallen lässt.
Die Monarchie in Großbritannien und viele andere Monarchien sind Monarchien mit viel Glanz und Pomp, aber ohne wirkliche Macht.
Die Monarchie des Christus unseres Königs ist genau das Gegenteil davon: eine Monarchie ohne Glanz und Pomp, aber mit viel Macht, wenn auch nicht irdischer Macht; aber mit der Macht uns von dem zu befreien, was für Viele oft das Ende des eigenen Lebens zu sein scheint: der Macht, uns vom Tode zu befreien.
Ökum. Gottesdienst zum Ruhr-Pride 2022
In unserem Vorbereitungskreis, bei dem die Aidshilfe Essen e.V., die katholische Beratungsstelle “Die Schleife”, die alt-katholische Kirche, die evangelische Kirche und die römisch-katholische Kirche mit von der Partie sind, haben wir uns davon ansprechen lassen, dass viele Queer-People sich nicht gemeint fühlen, wenn von Queer-People die Rede ist. Wir denken da an Trans-, Inter, Bi-, A-sexuelle, nonbinäre Personen und viele andere mehr.
Die Vielfalt der verschiedenen Banner für diese Sexualitäten zeigt dies sehr deutlich. Mittlerweile ist daraus die so genannte “Progress Pride Flag” entstanden:
Wir erkennen, dass diese Vielfalt unter den queerpeople auch wahrgenommen werden will.
Mit unserem Gottesdienst wollen wir auf diese gottgewollte Vielfalt aufmerksam machen und für Respekt und Anerkennung dieser Vielfalt werben.
Braucht es noch Erntehelfer:innen im Acker Gottes?
Am 14. Sonntag (2./3.7.2022) hören wir im Evangelium von der Aufforderung Jesu, für Erntehelfer:innen im Acker Gottes zu beten. Doch ist dieses Gebet überhaupt noch nötig in der gegenwärtigen Zeit der Kirche und angesichts massiver Kirchenaustritte? Dazu meine Predigt an diesem Sonntag, die ich hier etwas mehr mit konkreten Beispielen ‘unterfüttert’ habe.
„Zeitenwende“ – so nennt Olaf Scholz das, was in mir Erinnerungen der 1970er und 80er Jahre hervorruft: Strategie der Abschreckung, NATO-Doppelbeschluss, Kalter Krieg, Angst vor einem Atomkrieg…
Viele von uns, die wir hier heute sitzen, dürften diese Begriffe bekannt sein.
Diejenigen, denen diese Begriffe nichts mehr sagen, fehlen zumeist auch heute hier in der Kirche, denn auch in unserer Kirche leben wir seit einigen Jahren in einer Zeitenwende. Jüngere Menschen erreichen wir an unseren ‚Pastoralen Standorten‘, wie wir es heute nennen, nur noch sehr schwer.
Erst vor wenigen Tagen kam die Meldung, dass weniger als 50% der Bevölkerung in Deutschland einer der beiden großen Kirchen (römisch-katholisch oder evangelisch) angehören.
Innerhalb unserer eigenen Kirche in Deutschland gibt es eine große Unruhe und viel Bewegung. Wir erleben in unserer Kirche eine historische Phase, die zuletzt wohl nur mit der Zeit der Reformation verglichen werden kann.
Mit einem Unterschied: damals gehörten fast alle Menschen in Deutschland zu einer christlichen Kirche, wenn sie nicht zum Judentum gehörten.
Wenn wir die aktuellen Kirchenaustrittszahlen sehen, stellen Viele als erstes die Frage, wie das gestoppt werden kann?!
Eine fatale Frage, weil sie versucht, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Viel wichtiger scheint mir, erst einmal zu schauen, warum die Menschen aus der Kirche austreten!
Denn, die schwindende Akzeptanz der Kirche(n) ist Folge einer zunehmenden Bedeutungslosigkeit der Kirchen.
Es wäre ein Irrtum, daraus auf eine zunehmende Bedeutungslosigkeit des Glaubens oder des Religiösen zu schließen.
Im Gegenteil: heute suchen die Menschen mehr denn je nach religiösen Angeboten. Die Esoterik hat seit vielen Jahren großen Zulauf.
Ich denke oft, die Menschen sind nicht weniger religiös, sondern weniger kirchlich geworden.
Woran kann das liegen?
Eine vollständige Analyse lässt sich hier nicht liefern.
Aber ich möchte einen Aspekt mal heraus greifen, der symptomatisch für die Situation in unserer Kirche ist.
Wir setzen oft amtskirchliche Lehraussagen mit Glauben gleich. Doch das ist ein Irrtum!
Kritiker, die die heutige Reformbewegungen (z.B. Synodaler Weg) in unserer Kirche ablehnen, sind sehr schnell mit Äußerungen bei der Hand, dass man sich von den Glaubenswahrheiten entferne, die in unserer Kirche gelten.
Dabei geht es den Menschen heute gar nicht um diese Glaubenswahrheiten, sondern es geht ihnen um ihren Glauben, um ihre eigene und persönliche Religiösität.
Ob sie zur Geltung kommen kann, entscheidet oft darüber, ob Menschen in der Kirche bleiben oder nicht. Oder anders ausgedrückt: ob die Menschen in unserer Kirche eine religiöse Heimat finden, ist das oft das Entscheidende, nicht, ob sie den Aussagen des Lehramtes zustimmen.
Vor einigen Tagen habe ich begonnen, ein kleines Büchlein zu lesen. Es trägt den Titel: „Wie werde ich ein Christ?“ – Es gibt auszugsweise Texte des christlichen Philosophen Sören Kierkegaard (aus Dänemark) wider.
„Was mir eigentlich fehlt, ist, dass ich mit mir selbst ins reine darüber komme, was ich tun soll, nicht darüber, was ich erkennen soll. (…) Es kommt darauf an, meine Bestimmung zu verstehen, zu sehen, was die Gottheit eigentlich will, das ich tun solle; es gilt, eine Wahrheit zu finden, die Wahrheit für mich ist, die Idee zu finden, für die ich leben und sterben will. Und was nützte es mir dazu, wenn ich eine sogenannte objektive Wahrheit ausfindig machte; wenn ich mich durch die Systeme der Philosophen hindurcharbeitete (…) was nützte es mir, dass ich die Bedeutung des Christentums entwickeln und viele einzelne Erscheinungen erklären könnte, wenn es für mich selbst und mein Leben keine tiefere Bedeutung hätte?…“
„Wie werde ich ein Christ – Sören Kierkegaard – Texte vom Glauben, Präsenzverlag 2013, S. 29f. *1
Sören Kierkegaard unterscheidet hier ganz deutlich zwischen religiösen Wahrheiten und einem persönlichen Glauben, der für das ganz persönliche und individuelle Leben bedeutsam ist.
Und genau an dieser Stelle bricht Kirchlichkeit und persönliche Religiosität heutzutage auseinander.
Und in ihrer persönlichen Religiosität sind die Menschen auch heute immer noch Suchende.
Diese Suche nach Gott ist übrigens schon für Benedikt von Nursia das entscheidende Kriterium dafür, zu entscheiden, ob Anwärter in ein Kloster aufgenommen werden können. Die Suche nach Gott geht nämlich einer Sehnsucht nach Gott voraus, die sich konkretisiert in religiösen Fragen und auch praktischem religiösen Tun.
Im Psalm 14 finden wir das Wort: „Der Herr blickt vom Himmel herab auf die Menschen, ob noch ein Verständiger da ist, der Gott sucht.“
Suchen wir also in unserer Kirche, in unseren Gemeinschaften, an unseren ‘Standorten kirchlichen Lebens’ noch die Menschen, die Gott suchen? Gehen wir dabei über die Kreise der Menschen hinaus, die sowieso immer noch zu uns kommen?
Hier deutet sich schon an: konkrete Nachfolge ist auch das Suchen und Aufsuchen der Menschen, die auf der Gottsuche sind.
Natürlich können wir dabei bei uns selber anfangen, aber wir dürfen dabei nicht stehen bleiben, dürfen keine Nabelschau betreiben.
Die eigene Gottsuche, aber auch die der anderen – teils unbekannten Menschen – ist die Suche nach der Bedeutung und Alltagstauglichkeit meines Glaubens, unseres Glaubens.
Wenn die Kirche und ihr Dienst für die Menschen nicht mehr für deren konkretes Leben bedeutsam sind, dann werden die Kirchen überflüssig und bedeutungslos.
Der französische Bischof Jaques Gaillot hat einmal den Satz getan: „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts!“
Eine Kirche also, die die Lebensrealitäten der Menschen nicht wahrnimmt oder sie sogar nach ihrer eigenen Doktrin umzumodeln versucht, ist fehl am Platze.
Und da sind wir bei vielen konkreten Beispielen in unserer Gesellschaft.
Wenn es z.B.
um die Frage nach der Geschlechtergerechtigkeit geht,
wenn es darum geht, wie Menschen heute gut und sinnvoll leben könnten,
wenn Angst und Sorgen der Menschen auch Auswirkungen hat auf gegenseitige und gesellschaftliche Solidarität,
wenn Menschen versuchen, ihrer Geschlechtlichkeit auf die Spur zu kommen und merken, dass es nicht nur Mann und Frau gibt, sondern eine große biologische Vielfalt, die für betroffene Menschen zu einer echten Herausforderung wird, sich selber zu finden.*2
Wenn es darum geht, das Thema “sexualisierte Gewalt” konkret vor Ort auch zu behandeln, also in unseren Gemeinschaften offen und ohne Tabus darüber zu sprechen und in der Breite die Verhinderung solcher Verbrechen zum Thema zu machen.
Wenn es darum geht, dass Menschen sich die Frage stellen, ob und wie lange sie sich dem unheilbaren Leiden am Leben und an einer Krankheit aussetzen müssen, ohne für sich entscheiden zu dürfen, wann es gut ist.
Allein diese letzte Frage, ist so brandaktuell und ich kann nicht sehen, dass wir uns in unseren kirchlichen Gemeinschaften vor Ort damit beschäftigen. Dabei geht es überhaupt nicht zuerst um die Frage des „assistierten Suizids“, sondern schon allein um die Frage, ob wir Menschen zur Seite stehen, die durch passive Verhaltensweisen sagen: „Nun ist es genug!“ – Gemeint ist das sogenannte „Sterbefasten“. – Haben Sie schon mal etwas davon gehört?! – Nein?
Kurzer Exkurs zu „Sterbefasten“
Beim Sterbefasten geht es um ein Verhalten von alten und/oder kranken Menschen, die sich ähnlich – wie Eliah (s.u.!) – sagen: „Nun ist es genug!“ und durch bewussten Verzicht auf Nahrung und Trinken ihren Sterbeprozess unterstützen wollen. Für Zugehörige oft eine krasse Situation, weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, weil sie sich nicht die Frage gestellt haben, ob ein solches selbstbestimmtes Sterben auch ethisch und moralisch akzeptabel sein kann. Viel Leid entsteht durch eine solche Verunsicherung auf beiden Seiten.
Ich nenne nur ein Beispiel: eine demenzerkrankte Person verweigert bewusst die Aufnahme von Essen und Trinken. Ist es da wirklich ethisch und moralisch geboten, diese Person gegen ihren eigenen Willen über eine Magensonde mit Nahrung oder über eine Infusion mit Flüssigkeit zu versorgen?
[1 Kön 19,4-5: Er selbst (Eliah) ging eine Tagereise weit in die Wüste hinein. Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. Er sagte: Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben; denn ich bin nicht besser als meine Väter.Dann legte er sich unter den Ginsterstrauch und schlief ein.]
Selbst für den gottesfürchtigen Propheten Eliah gab es die Option, sein Leben durch Nahrungs- und Getränkeverweigerung ein Ende zu setzen. Allein der Hinweis Gottes, dass ER noch einen Auftrag für ihn habe, durchkreuzte Eliahs Pläne.
An dieser Stelle möchte ich keine voreilige ethische Bewertung zu diesem Themenkomplex vornehmen, sondern möchte dafür sensibilisieren, dass das konkrete Fragen und Herausforderungen heutiger Menschen mitten unter uns sind. Vielleicht stellen Sie sich sogar selber solche Fragen? Wo sind wir also als Kirche bei den Menschen und in solchen Fragestellungen?!
Und so sehen wir, dass wir in unserem etablierten kirchlichen Leben oft nur Platz haben für ganz bestimmte Vorstellungen und Arten von kirchlichem Leben und Themen und die Frage nach der persönlichen Religiosität quasi keinen adäquaten Platz findet.
Wenn Jesus uns als heute uns also auffordert: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter:innen für seine Ernte auszusenden!“ – dann müssen wir wohl gleichzeitig darum beten, dass wir die Augen dafür geöffnet bekommen, wo die Menschen um uns herum (uns selber eingeschlossen) nach Gott in ihrem Leben suchen und in ihrer konkreten Lebenssituation religiöse Fragen haben und Antworten suchen.
*1: Ursprüngliche Quelle:
Das Zitat stammt aus seinen Tagebüchern Band 1, S. 16f (Tagebucheintrag “Gilleleie, den 1. Aug. 1835”)
erschienen in: Sören Kierkegaard, Gesammelte Werke und Tagebücher, übersetzt und herausgegeben von Emanuel Hirsch, Hayo Gerdes und Hans Martin Junghans, Grevenberg Verlag Dr. Ruff & Co. OHG, Band 28: Die Tagebücher, Erster Band, Simmerath 2003.
Am 12. Juni 2022 begehen wir den Dreifaltigkeits-Sonntag. Dahinter steckt eine Glaubensüberzeugung, die sich in den ersten Jahrhunderten nach Christus konkret ausgeformt hat.
Heute sehen wir, dass das Christentum unter den Religionen der Welt wirklich eigenartig ist.
Gott ist Person
In den Religionen gibt es manche, die an Gott resp. an Gött:innen glauben und jene, die in ihrer Religion keinen Gott kennen.
Zur letzteren Gruppe gehört der Buddhismus. Buddha gilt zwar als ‘Erleuchteter’, aber er ist kein Gott. Ebenfalls der Taoismus gehört dazu.
Dann gibt es noch die Religionen, die an einen Gott resp. Gött:innen glauben. Am Einfachsten lässt sich dies an religiösen Handlungen fest machen. Während Taoismus und Budhhismus zwar eine göttlicher Macht kennen, werden sie sich in ihren Gebeten nicht an ein ‘Gegenüber’ wenden; ihre ‘Gebete’ sind mehr schweigend, meditierend.
Die Religionen, die Gott kennen, haben im Gebet ein Gegenüber: nämlich Gott oder die Gött:innen.
So besitzt z.B. der “Gott Abrahams” (Juden, Christen, Moslems) Eigenschaften, die es ihm ermöglichen, mit den Menschen in Kontakt und Beziehung zu sein. Schon im Alten Testament können wir dieses sehr deutlich erkennen. Gott spricht zu den Menschen und die Menschen sprechen zu Gott, auch insbesondere in ihren Gebeten. Die alttestamentlichen Psalmen legen davon eindrückliches Zeugnis ab. Aber Gott spricht nicht nur mit den Menschen, sondern er ist auch ein handelnder Gott: als Schöpfer, als Lenker und Retter (Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei, Einsetzung von Königen und Propheten) und als Richter.
Darin kann man – vereinfacht ausgedrückt – einen Unterschied zwischen Religionen mit und ohne Gott/Gött:innen erkennen.
Unser Christentum glaubt also an einen Gott, der personal ist. Gott ist also wer, wenn wir es so ausdrücken wollen. Wir können zu ihm sagen: “Du, Gott!” Jedoch mit dem gleichzeitigen Hinweis, dass Gott keinem Geschlecht zugeordnet werden kann. Die Person Gottes nach christlichem Verständnis ist geschlechtslos. (Was aber zu Verwirrungen führen kann, wenn wir erkennen, dass Jesus Gott “seinen Vater” nennt.)
Der personale Gott ist also ein ‘Gott in Beziehung’, wie wir z.B. auch sehr eindrücklich in den Worten Jesu im Johannes-Evangelium, da besonders die ‘Abschiedsreden’ Jesu nach Johannes, Kapitel 14-17.
Ein Gott – drei Personen
Sicherlich wenig logisch erscheint uns auf dem ersten Blick der christliche Glaube an einen Gott in drei Personen.
Das ist reichlich ungewohnt. Entweder kennen wir, wie z.B. aus der vorchristlicher Zeit und der Antike oder auch aus altägyptischer Zeit, den Glauben an viele verschiedene Götter und Göttinnen. Heute finden wir diesen ‘Polytheismus’, wie der Fachausdruck dafür ist, auch z.B. im hinduistischen Glauben. Unter ihnen gehört das Dreiergespann der Götter Brahma, Vishnu und Shiva vermutlich zu den bekanntesten Göttern.
Dem gegenüber stehen Religionen, die nur einen Gott allein kennen (Monotheismus). Dazu gehören die jüdische Religion, der Islam und das Christentum; die alle drei als die ‘abrahamitischen Religionen’ bezeichnet werden, weil sie alle auf Abraham zurück gehen. Die zentrale Aussage dieser drei Religionen ist: Es gibt nur EINEN GOTT!
Aber einen Gott in drei Personen?! – Ist das nicht widersprüchlich?
Nun, zumindest ist es für andere Religionen nicht denkbar und wird auch nicht geglaubt: außer im Christentum!
Um solchen Glauben haben zu können, sind weitere Überzeugungen nötig:
2. Gott ist in der Geschichte allen Seins gegenwärtig und erfahrbar. (vgl. dazu auch Joh 1,1-17)
Ausgehend von diesen Grundüberzeugungen können wir von einen Gott ausgehen, der sich personal in der Weltgeschichte zeigt und zwar
1. Als Gott-Schöpfer der ‘sich in seiner Schöpfung zeigt und in allem, was ist’. Das bedeutet, dass wir anhand des Werkes den ‘Urheber des Werkes’ erkennen können, durch den alles ist, der der Urgrund und Ursprung allen ist, was existiert. Im Alten Testament finden wir in den Schöpfungsberichten dafür zwei Sichtweisen auf diesen Schöpfergott, die auf dem kulturellen Hintergrund der damaligen Menschen entstanden sind: da ist zum einen Gott, der durch das ‘Wort schafft’ (diesen Gedanken finden wir dann auch im Johannes-Evangelium im 1. Kapitel wieder) und da ist Gott, der ‘durch seiner Hände Arbeit schafft, in dem er den Menschen aus der Erde ‘formte’ und ihm ‘Lebensodem einhauchte’. Später zeigt er sich in der Geschichte ‘seines Volkes Israel’ in seinen konkreten historischen Erfahrungen, sei es die ägyptische Sklaverei oder die babylonische Gefangenschaft usw.! Auf diesen Gott der Juden wird sich später auch Jesus von Nazareth berufen und ihn mit “Vater” anreden – besonderer Ausdruck seiner innigen Beziehung zu Gott, ‘seinem Vater’.
2. Gott als Gott des Bundes mit den Menschen und des Heils für die Menschen. Nachdem der Gott Israels, der alles ins Dasein gesetzt hat, immer wieder erfahren hat, dass sein Bundesangebot mit seinem auserwählten Volk nicht den ‘notwendigen Erfolg’ brachte und Israel immer wieder die Erfahrung von Not, Elend, Unterdrückung und Vertreibung erleben musste (worin das Volk Israel eine Kausalität erkannte, weil es Gott nicht die Treue gehalten hat), war es göttlicher Wille, dass er selber als Mensch in die Welt kommt, leibhaftig und historisch, um für seinen Bund mit den Menschen zu werben und diesen Bund unverbrüchlich zu besiegeln. – So zumindest glauben wir Christ:innen das Leben und Handeln und auch den Tod Jesus von Nazareth, der in seiner eigenen Verkündigung davon geredet hat, der in Liebe mit Gott so innig verbunden war, dass er von sich aus sagen konnte: “ich und der Vater sind eins” (vgl. Joh 10,30) oder “wer mich sieht, sieht den Vater” (vgl. Joh 14,9) Das Werben Jesu Christi für den Heilsbund Gottes mit uns Menschen ist der rote Faden im Neuen Testament.
Christus war so sehr eins mit dem Vater und nichts konnte ihn von Gott, seinem Vater trennen (‘absondern’, vgl. die Bedeutung des Wortes ‘Sünde’), so dass sie quasi eins waren und als der historische Jesus Gott selbst in die Erdenzeit, in die Dimension von Zeit und Raum leibhaftig eingetreten ist. Dies feiern wir Christ:innen am Weihnachtsfest. Ein schönes Glaubenszeugnis dieses Verständnisses finden wir im Philipperbrief, 2, 6-11.
3. Als Gott, der in der Welt bleibt, wenn gleich nicht leibhaftig als Mensch, sondern in seinem Heiligen Geist Jesus Christus, der Sohn Gottes, beendet seine Lebenszeit hier auf der Erde durch seinen Tod am Kreuz. Aber er ist durch seine Auferstehung in eine neue Seinsform hinübergegangen und – wie er sagte – zu seinem Vater gegangen.
Er wusste aber zugleich, dass die Menschen und die Schöpfung ohne die Gegenwart Gottes immer wieder in der Gefahr sind, von den Wegen des Heiles abzukommen, weil alle Schöpfung noch nicht vollkommen ist; weil Liebe zwar da, aber bruchstückhaft ist; weil das Reich Gottes angebrochen, aber noch nicht vollendet ist.
Ohne ihren ‘Meister’ leben zu müssen, war auch für seine Jünger:innen unvorstellbar. Er, Jesus, erkannte diese Not und versicherte ihnen den bleibenden Beistand, bevor er zu seinem Vater heim ging. Und der Evangelist Johannes berichtet in einem der Abschiedsreden Jesu davon. Es lohnt sich wirklich, diese Texte zu lesen und zu meditieren. Es spricht so viel Liebe und Fürsorge aus ihnen, die Jesus für seine Jünger:innen empfindet.
Wenn wir also an diesem Sonntag Gott in seiner Dreifaltigkeit bekennen und feiern, dann bekennen wir damit den einen und denselben Gott, der Person ist und sein Wesen in dreifaltiger Weise uns zur Erkenntnis gebracht hat.
Ich wünsche uns, dass dieser Glaube uns stärkt in Hoffnung und Zuversicht, in Liebe und Barmherzigkeit; uns selber gegenüber aber auch allem um uns herum!
Gott,
der du Schöpfer und Schöpferin bist, wir glauben dich als Person, die alles ins Dasein gerufen hat und ohne die nichts ist.
Gott, der du Gottes Sohn bist, der in innigster Liebe mit dir, dem Vater verbunden ist, der du eins warst und bist als wahrer Mensch und wahrer Gott, Jesus Christus,
Gott, Heiliger Geist, du ewiger Beistand, von dem schon die Schöpfungsgeschichte kündet, dass du über allem schwebtest, bevor es ins Dasein gerufen wurde und der auch heute noch in der Welt gegenwärtig bist, auch wenn wir dich manchmal nicht erkennen,
Du, Dreifaltiger in Person, erfülle unsere Herzen und unseren Geist mit dem Glauben und der tiefsten Hoffnung, dass du der Einzige bist, der alles ist und in dem Alles ist und wir nie von dir getrennt werden. Du, Gott der Beziehung, vertiefe unseren Glauben, dass wir dich – wie auch immer – persönlich ansprechen und bekennen,
als sorgender Vater als liebende Mutter als die Heilige Geistkraft
als das, was du bist
der/die EINE und EINZIGE
gestern, heute und morgen, im Kleinsten und in der Fülle, hier und dort und überall.