Welttag der geistlichen Berufe – Predigt

Bayerischer Rundfunk – Meldung:
08.05.2019, 15:26 Uhr
„Papst: Keine schnelle Entscheidung beim Diakonat der Frau
Eine schnelle Entscheidung zur Einführung eines Frauendiakonats in der Katholischen Kirche wird es so bald nicht geben. Das bestätigte Franziskus auf dem Rückflug von seiner dreitägigen Balkan-Reise gegenüber mitreisenden Journalisten.
Die von ihm eingesetzte Kommission, die seit zweieinhalb Jahren den kirchengeschichtlichen Hintergrund aufklären sollte, habe ihre Arbeit beendet, sei aber nicht in allen wichtigen Punkten zu einer einheitlichen Sichtweise gekommen….“

(zitiert nach: https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/papst-katholische-frauen-werden-nicht-so-bald-diakonin,RPrXJi4 )

Bild von Andrys Stienstra auf Pixabay

Liebe Schwestern und Brüder,

ich sehe schon wieder die enttäuschten Gesichter derer vor mir, die sich möglichst schnell und kurzfristig eine Entscheidung des Papstes für das Diakonenamt der Frau in unserer Kirche gewünscht hätten.

Die Frage nach der Zulassung zum Weiheamt in unserer Kirche wird seit Jahrzehnten diskutiert und hat durch das „Basta“ von Papst Johannes Paul II. nur eine kurzfristige Abschwächung erlebt.
Aber in den letzten Monaten brandet dieses Diskussion wieder auf. Und selbst Bischöfe kommen aus ihren Büschen und wagen vorsichtig zustimmende Äußerungen in den Fragen, sei es die Zulassung von verheirateten Männern zum Priesteramt oder die Abschaffung des Pflicht-Zölibates oder die Zulassung der Frauen zu Diakonen- und sogar Priesteramt.



Und ja, ich wäre einer der Ersten mit, der sich über Veränderungen in diesem Bereich freuen würde. Ich würde mich über verheiratete Priester genauso freuen wie über Frauen im Diakoninnen- und Priesterinnen-Amt.
Ich bin aber nicht dafür, nur weil wir „so wenig Priesternachwuchs“ haben.

Diese „5.-Rad-am-Wagen-Mentalität“ in unserer Kirche muss aufhören. Das habe ich schon damals kritisiert, als es um die Frage der Messdienerinnen ging und das kritisiere ich auch heute wieder.

Was ist das für eine Haltung?! – Damit wird keine grundsätzliche Wertschätzung zum Ausdruck gebracht!

Apropos ‚Wertschätzung‘!
Die Frage nach der mangelnden Wertschätzung dürfen wir auch für andere kirchlichen Ämter in den Blick nehmen.
Noch immer gilt der Dienst eines Priesters – sei es bei Taufe, Trauung oder Beerdigung – mehr als der Dienst eines Diakons oder einer Gemeindereferentin oder eines Pastoralreferenten.

Noch immer gibt es Menschen, die die Kommunion in der Eucharistie lieber ‚aus der Hand eines Priesters‘ als aus der Hand einer Kommunionhelferin empfangen.
Da muss man sich doch an den Kopf fassen:
Geht es etwa um meine – diese – Hände hier?
Oder geht es um den Herrn, der in der Form des geweihten Brotes uns allen in die Hände gegeben wird und der zu uns allen gleichermaßen kommen will?!

Wir können also nicht nur eine mangelnde Wertschätzung ‚von oben‘ sondern auch ‚von unten‘ erkennen und beklagen.

Dabei gibt es so viele gute und kompetente Kolleginnen und Kollegen in den verschiedensten Diensten und kirchlichen Berufen, deren Einsatz ich nicht missen möchte, die ich sehr schätze und die ich als eine unschätzbare Bereicherung empfinde.
Aber die Frage nach den Zulassung zu den Weihämtern oder die Frage, welche Aufgaben auch Kolleginnen und Kollegen im Verkündigungsdienst ohne Weihe übernehmen können, ist doch nicht alles entscheidend.

Ich denke da an so manche Situation, in der jemand beklagte, dass die Zahlen der Priester immer weiter zurück gehe.
Im Gegenzug frage ich dann meistens: „Wieviele Priester sind denn aus Ihrer Familie hervorgegangen?“ oder: „Welcher Ihrer Söhne interessiert sich denn für den Priesterberuf?“

Sie können es sich denken: da ist dann meistens Schweigen-im-Walde!

Und genau das ist es, was mich seit Jahren umtreibt:
Wie sieht es bei uns in der Gemeinde, in der Pfarrei aus mit der Atmosphäre, in der geistliche Berufungen wachsen, gefördert und erkannt werden können?

Wie sieht es damit aus, zu begreifen, unter welchen erschwerten Bedingungen heute sich jemand zum priesterlichen Dienst entscheiden muss?

Vor fünfundzwanzig Jahren, als ich zum Priester geweiht wurde, sahen meine Perspektiven noch ganz anders aus.
Hätte ich damals gewusst, was heute auf mich und uns allen im Verkündigungsdienst zugekommen ist, ich hätte meine Entscheidung von ganz anderen Faktoren und Überlegungen abhängig machen müssen.
Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht wieder dazu entschieden hätte.

Heute glaube ich; ich hätte mich wieder dazu entschieden.

Und ich möchte Ihnen auch sagen warum:
• Nicht, weil die Kirche ein so toller Arbeitgeber ist;
• nicht, weil es mir die Menschen in den verschiedenen Gemeinden immer so leicht gemacht haben (wobei es viele gab, die mich gestärkt haben), …

… sondern allein weil ich damals eine Berufung von Christus her gespürt habe und von der ich mich auch heute – mal mehr und mal weniger – getragen fühle.

Heute, am Weltgebetstag um geistliche Berufungen, geht es für mich allein um die entscheidende Frage:

Wo und wie können Menschen heute noch gefördert, ermutigt und bestärkt werden, eine echte, lebendige, tiefgreifende Christusfreundschaft zu entwickeln?

Und allein daraus, wird dann der oder die Einzelne für sich erkennen, wohin ihr/sein Weg geht und wozu er/sie berufen ist:

  • ob zum Dienst in einem Weiheamt oder
  • zu einem Leben im Orden oder
  • zum Verkündigungsdienst ohne Weihe
    aber auch
  • zu einem ehrenamtlichen Dienst der Verkündigung und der Gemeindeleitung und nicht zuletzt auch
  • zu einem Leben in einer christlichen Partnerschaft oder Familie.

Eine liebe Kollegin, eine Gemeindereferentin in der Krankenhaus-Seelsorge, hat in einem geistlichen Wort zu den Pfarrnachrichten ihrer Pfarrei an diesem Sonntag geschrieben:

„Es gilt, füreinander zu sorgen und beim Anderen Fähigkeiten und Talente zu entdecken. In unserem Alltag mit Hektik und Lärm fällt es uns nicht immer leicht, Christus und seinen Ruf zu vernehmen. Eher in der Stille sind wir empfänglich für die Frage: Was ist der Ruf an mich?
Die Berufung des Menschen ist ein Geheimnis, das in der Tiefe seiner Person verborgen ist. Jugendliche und Kinder und auch wir Erwachsene brauchen Offenheit und Vertrauen und sogenannte Türöffner, die uns zum Beispiel in einem Gespräch helfen, den Sinn und die uns gestellte Lebensaufgabe (neu) zu entdecken, die Aufgabe, die uns „voll macht“, damit wir „Leben in Fülle“ haben.“

(aus: Dorothea Bertz, Ruf- Beruf – Berufung, Pfarrnachrichten St. Marien, Oberhausen, Nr. 9/2019 vom 12.05.2019)

Sie hat – meiner Meinung nach – so Recht!




Friedensprojekt: EUROPA

Bild von Greg Montani auf Pixabay

In vierzehn Tagen, am 26. Mai 2019, sind wir als deutsche EuropäerInnen aufgefordert, ein neues Europaparlament zu wählen.
Nach Jahrhunderten, in denen Katastrophen, Kriege, Bürgerkriege und menschenverachtende Ideologien und Regime auf diesem Kontinent gewütet haben, entstand die Idee des Friedensprojektes ‚EUROPA‘.

  • Als 56-jähriger Mann habe ich an der ‚Gnade der späten Geburt‘ Anteil und lebe seit meiner Geburt in relativ sicheren politischen und sozialen Verhältnissen.
  • Als geschichtsinteressierter Mensch weiß ich, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Und dafür bin ich dankbar!
  • Friede fällt nicht vom Himmel, sondern ist immer auch auf unsere Initiative angewiesen.
  • Als glaubender Mensch verlasse ich mich dabei aber nicht allein auf unsere menschlichen Fähigkeiten, sondern auch auf das Wirken des Heiligen Geistes in dieser Welt.



Vor 14 Jahren hat Kardinal Martini zum 26. Mai 2005 ein „Gebet für Europa“ verfasst, das mir in diesen Tagen besonders am Herzen liegt:

Vater der Menschheit,
Herr der Geschichte,
Sieh auf diesen Kontinent,
dem du die Philosophen,
die Gesetzgeber und die Weisen gesandt hast,
Vorläufer des Glaubens an deinen Sohn, der gestorben und wieder
auferstanden ist.

Sieh auf diese Völker, denen das Evangelium verkündet wurde,
durch Petrus und durch Paulus,
durch die Propheten, durch die Mönche und die Heiligen.
Sieh auf diese Landschaften,
getränkt mit dem Blut der Märtyrer,
berührt durch die Stimme der Reformatoren.
Sieh auf diese Völker, durch vielerlei Bande miteinander verbunden,
und getrennt durch den Hass und den Krieg.

Gib uns, dass wir uns einsetzen
für ein Europa des Geistes,
das nicht nur auf Wirtschaftsverträgen gegründet ist,
sondern auch auf Menschlichkeit und ewigen Werten:
Ein Europa, fähig zur Versöhnung,
zwischen Völkern, Kirchen und Religionen,
bereit um den Fremden aufzunehmen,
respektvoll gegenüber jedweder Würde.
Gib uns, dass wir voll Vertrauen unsere Aufgabe annehmen,
jenes Bündnis zwischen den Völkern zu unterstützen und zu fördern,
durch das allen Kontinenten zuteilwerden möge
die Gerechtigkeit und das Brot,
die Freiheit und der Frieden.
(nach Kardinal Martini, ursprünglich verfasst zum 26. Mai 2005)

Frieden – سلام (salam) – שלום (shalom)




Über Freundschaft und Liebe

Bild von Holger Schué auf Pixabay

Bezugstext: Johannes-Evangelium 21, 15 – 19 ( 3. Ostersonntag – Lesejahr C)

Man stelle sich folgende Situation vor:
In einer Ehe, einer Partnerschaft oder Beziehung fragt der eine Teil den anderen: „Liebst du mich?!“

Diese Frage würde aufhorchen lassen.
Würde diese Frage abgewandelt: „Liebst du mich überhaupt noch?“, dann könnte es sein, dass die gefragte Person schon mal die Kontaktdaten eine Ehe- oder Beziehungsberatungsstelle heraussucht. Ähnliches gilt sicherlich auch für Freundschaften oder für andere sehr vertraute Beziehungen.



„Liebst du mich?“ – „Bin ich immer noch dein (bester) Freund/deine (beste) Freundin?“

Wer solche Frage dann gleich dreimal gestellt bekommt, dessen Gefühle werden wohl beginnen Achterbahn zu fahren
Fragen stellen sich in den Raum:

  • Kriselt es in unserer Beziehung?
  • Habe ich was falsch gemacht?
  • Was habe ich falsch gemacht?
  • Werde ich dem/der anderen nicht mehr gerecht?

und damit können auch Gefühle verbunden sein:

  • Unsicherheit
  • Hilflosigkeit
  • Traurigkeit
  • vielleicht sogar Ärger und Wut.

Fragen in einer Beziehung zu stellen, die die Beziehung betreffen, sind immer gefährlich; gefährlich deshalb, weil sie Missverständnissen Tür und Tor öffnen können.

Mit solchen Fragen sollte man deshalb behutsam umgehen und sich sorgfältig überlegen, in welchem Setting, in welcher Situation, man solche Fragen stellt.

Kein Wunder, dass die dreimalige Frage Jesu an Petrus: „Liebst du mich?“ ihn ‚traurig‘ gemacht hat, wie es in der Schriftstelle heißt.

Kann Jesus sich denn nicht denken, dass er (Petrus) ihn liebt?Was mir auffällt, ist, dass Jesus und Petrus in ihrer Beziehung so unkompliziert von „Liebe“ sprechen können.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass in den biblischen Texten Jesus von Liebe spricht, wenn er über seine Beziehung zu den Jüngerinnen und Jüngern redet.

In unseren eigenen Beziehungen verwenden wir den Begriff ‚Liebe‘ doch nur sehr exklusiv: wir können sagen dass wir unsere PartnerIn lieben, vielleicht auch noch unsere Eltern und Großeltern oder unsere Geschwister.

Aber können wir auch bei den anderen Menschen in unserem Leben, zu denen wir ein vertrauliches Verhältnis haben, von „Liebe“ sprechen?

(Sie können ja mal ein Experiment machen, in dem Sie Ihrer Freundin oder Ihrem Freund sagen, dass sie sie/ihn lieben. Es könnte zu überraschenden oder irritierenden Reaktionen kommen. Warum?)

Ich denke, dass fällt uns eher schwer, weil das in unserer Kultur so nicht üblich ist.

In der Kultur Jesu und auch parallel dazu in der antiken römischen Kultur hatte man damit aber keine Probleme.

Der antike Schriftsteller Cicero hat sich zu diesem Thema in seiner Schrift „Laelius de amicitia“ ausgelassen. Darin beschreibt er unter anderem das Wesen der Freundschaft. Das lateinische Wort „amicitia“ beinhaltet den Wortstamm „amare“ der „lieben“ bedeutet.

Der Alte Lateiner kannte also noch ganz selbstverständlich den Zusammenhang von „Freundschaft und Liebe“

Warum ich das so weit ausführe? Weil ich deutlich machen möchte, dass die selbstverständliche Rede in der Bibel für unseren Alltag heute gar nicht so selbstverständlich ist und daher die Quelle von Missverständnissen sein kann.

Wenn Jesus also im Evangelium Petrus heute fragt: „Liebst du mich?“, dann will er den Kern dieser Freundschaft in den Blick nehmen; das, was diese Beziehung prägt und auch zusammenhält.

Und ja, er geht damit ans Eingemachte!

Warum? Weil Jesus vielleicht ahnt, dass die Beziehung zwischen ihm und Petrus Einiges wird aushalten müssen, wenn sie nicht zerbrechen will?

Vielleicht, weil er Petrus genau darauf mental vorbereiten will?

Diese Frage ist also nicht so sehr eine Vergewisserung für Jesus, sondern eine Selbstvergewisserung für Petrus?

Und so gesehen dürfen wir uns selbst von Jesus auch immer wieder diese Frage stellen lassen, ohne unsicher oder traurig zu werden.

Auch unsere Beziehung zu Jesus Christus wird immer wieder herausgefordert werden.

  • Sie kann zur Belastung werden, wenn die Botschaft Christi für unser konkretes Leben unbequem wird.
  • Sie kann nur Belastung werden, wenn wir hoffen, auf Christus ganz und gar vertrauen zu können, aber Zeiten der Zweifel auftreten.

Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, dieser Frage, der die frohe und schöne Seite unserer Christus-Beziehung in den Blick nimmt.

Wenn Menschen sich wichtig sind, dann – hoffe ich – dass sie sich immer wieder gegenseitig sagen können, dass sie sich lieben.

Dieses Liebesbekenntnis ist nicht nur wichtig für den Teil, dem dieses Bekenntnis gesagt wird.

Es ist mindestens genau so wichtig für den selber, der es sagt.

Denn indem wir jemand anderem sagen können:
• dass er oder sie unser tiefstes Vertrauen genießt,
• dass wir ihn oder ihr einen ganz besonderen Platz in unserem Leben geben,
• dass ohne ihn oder sie unser Leben nur halb so schön und lebenswert ist
• dass er oder sie tiefe Freude und Lebenslust weckt,

hat das auch eine tiefgreifende Wirkung auf jenen, der das Bekenntnis abgibt.

Dann kann dieser Mensch mit tiefer Freude und Stolz erfüllt werden, dass es für ihn diesen Menschen gibt.

Und aus dieser Freude und diesem Stolz erwächst auch Kraft und Motivation für das eigene Leben.
So kann die Frage Jesu an Petrus auch verstanden werden:
Jesus möchte Petrus helfen, sich seiner Freude und Stärke bewusst zu werden, die für ihn selbst aus der Liebesbeziehung zu Jesus Christus entspringt.

Liebe Schwestern und Brüder,
ich wünsche uns für unser Leben, dass wir alle solche erfüllenden Liebesbeziehungen finden, ob bei Partnerinnen und Partnern, ob bei Eltern und Geschwistern oder bei vertrauten Freunden und Freundinnen.

Und ich wünsche uns, dass wir alle auch dieses in unserer Liebesbeziehung zu Jesus Christus finden.




Angefragt: Assistierter Suizid

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Eine herausfordernde offene Frage an mich persönlich gestellt

Auf einen Kommentar, den ich auf Facebook zum Thema „Assistierter Suizid“ gegeben habe, meldet sich ein 34-Jahre junger Mann, der erklärt, das es für ihn schon seit dem 14. Lebensjahr feststeht, dass er Suizid begehen wird, obwohl er derzeitig ‚kerngesund‘ sei.
Aber es gebe für ihn Voraussetzungen, von den er es abhängig macht, weiterzuleben oder nicht. In einem weiteren Kommentar erklärt er, dass er sich sicher ist, dass diese Voraussetzungen für den Suizid schon vor dem 65. Lebensjahr erfüllt sein würden.

Und dann fordert er mich heraus …



Er schlägt ein Verfahren vor, dass der Gesetzgeber billigen solle, nachdem er zum Hausarzt ginge und ihm sage, dass er nicht mehr leben wolle.
„Daraufhin muss man sich für 6 Monate in psychologischer Behandlung geben. Ist nach einem halben Jahr der Wunsch immer noch da, bekommt man vom Hausarzt eine Pille. ..“
Und dann stellte er an mich direkt die offene Frage: „Was halten Sie [von dem] Vorschlag, Herr Gerd A. Wittka?“

Diese offene Frage fand ich sehr mutig und ehrlich.
Und da ich erlebt habe, dass man manche Kommentar von mir einfach so missbilligt hatte, dies aber bei diesem jungen Mann so ehrlich und aufrichtig rüberkam, war es für mich sehr wichtig, ihn ernst zu nehmen und es zu wagen, ihm – in diesem öffentlichen Raum von Facebook aber doch auch persönlich – eine Antwort zu geben.

Ich habe ihm geantwortet:

„Ich weiß nicht, womit ich beginnen soll, auf Ihre Frage zu antworten. Das Thema ist so komplex, dass es sich eigentlich nur in einem persönlichen Austausch erörtern ließ. Nur einige Aspekte, die mir einfallen:

  1. Ich kenne sehr viele Menschen, die jenseits der 65 sind und gerne leben, auch wenn es Einschränkungen des Alters oder sogar von Krankheiten gibt. Können wir heute schon wissen, wie wir mit 65+ denken und fühlen?
  2. Woher kommt JETZT der Wunsch, unter bestimmten Voraussetzungen den Suizid wählen zu wollen? Gibt es Sorgen, was ansonsten passieren könnte? Wie kann ich sonst noch mit diesen Sorgen und Fragen umgehen? Brauche ich noch Antworten auf offene Fragen? Wo bekomme ich Antworten?
  3. Die eigene persönliche Einstellung zum Leben. Da bin ich jetzt persönlich bei mir. Ich bin persönlich immer noch der Überzeugung, dass mein Leben ein Geschenk ist und dass es auch einen Sinn hat, wenn ich nicht mehr fit sein sollte, vielleicht sogar krank, auch sterbenskrank. Das ist aber jetzt meine Einstellung. Wie meine Einstellung dann wirklich sein wird, weiß ich jetzt noch nicht. Und ich bin auch nicht so vermessen, zu behaupten, dass das meine Einstellung bis zum natürlichen Lebensende bleiben wird, auch wenn ich es mir sehr gerne wünsche. In meinem 56-jährigen Leben habe ich selbst und auch bei anderen Menschen immer wieder erfahren, dass das Leben und die Einstellung zum Leben dynamisch und nicht statisch ist. Heute kann ich nur so denken und fühlen, wie es heute ist. Morgen kann es schon ganz anders sein. Da spielen sicherlich auch noch weitere Erfahrungen, die ich machen werde, eine wichtige Rolle.
  4. Daraus folgt für mich ganz persönlich. Ihr Vorschlag ist für mich derzeitig keine Option. Aber ich weiß auch, dass es für andere – wie für Sie? – durchaus eine Option sein kann.
  5. Die Frage, wie der Staat dann mit solchen Optionen seiner BürgerInnen umgeht, ist wiederum eine andere Frage und wird sicherlich auch dadurch beantwortet werden müssen, inwieweit sich der Staat juristisch und moralisch verpflichtet sieht, das Leben – in welcher Situation und Lebensphase auch immer – zu schützen?
  6. Ein Leben im Alter und in Krankheit ist sicherlich auch eine große Herausforderung und auch eine Aufgabe. Die Frage, die jede/r für sich beanworten muss, ist, ob er/sie sich dieser Herausforderung stellen will?
    Joachim (Blacky) Fuchsberger ist dieser Frage anhand seiner ganz persönlichen Lebenserfahrungen nachgegangen und kommt in seinem Buch zu dem (sicherlich auch provokanten) Resümee: „Altwerden ist nichts für Feiglinge“.
    https://www.youtube.com/watch?v=DZdS87BQmCQ

Ich würde das vielleicht so nicht formulieren, aber ich würde auch formulieren: Alt und krank zu werden/zu sein erfordert Mut, sehr viel Mut …

LEBENSMUT!




Unzerstörbar

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Die brennende Kathedrale von Paris zeigt mir, dass ich von der Vergänglichkeit umgeben bin. –
Dies zu bedenken, hilft vielleicht auch, zu erkennen, was wirklich in meinem Leben zählt?
Und das sind nicht Dinge, so großartig und bestaunenswert sie auch sind.
Was für mich wirklich zählt sind Menschen, die ich liebe und die mich lieben.
Und diese Liebe überdauert selbst den Tod!