In einer Begegnung mit Seminaristen hat Papst Leo XIV. auf zwei wichtige Aspekte hingewiesen, die mir im Laufe meines priesterlichen Lebens immer wichtiger geworden sind: Christusfreundschaft vertiefen und die Beziehung zur Heiligen Geistkraft pflegen.
Theologische Bildung ist ein wesentliches Element der Priesterausbildung. Angesichts der täglichen Herausforderungen im konkreten Dienst und auch beim Blick auf die Veränderungen in Kirche und Gesellschaft gibt es mindestens noch zwei ebenso wichtige Säulen, die in der priesterlichen Existenz nötig sind: Die Vertiefung der Christusfreundschaft und die intensive Beziehungspflege zur Heiligen Geistkraft.
Deshalb bin ich froh und dankbar, dass Papst Leo XIV. genau auch diese beiden Aspekte bei der Begegnung mit Seminaristen in diesen Tagen beton hat.
Kann man die Dreifaltigkeit Gottes den Menschen leicht verständlich machen? Nein!
Kann man die Gegenwart Christi in der hl. Kommunion leicht verstehen? Nein!
Kann man Gott verstehen, der den Menschen unbedingt liebt, trotz seiner Schuld, trotz seines Versagens, trotz seiner mangelnden Liebe? Nein!
Kann man verstehen, dass Jesus Christus den Tod am Kreuz auf sich genommen hat, um uns zu retten? Nein!
Kann man jemals in religiöser Bildung, in Katechese, Glaubensgesprächen und Predigten dies alles verständlich machen? Nein!
Kann man deshalb nicht lieber den christlichen Glauben ganz aufgeben, weil er nicht zu fassen ist? Nein!
Warum?
Weil ich hinter all diesem Un-glaublichen eine große Liebe und Sehnsucht Gottes nach den Menschen erahne, die mich gerade deshalb an das Un-glaubliche glauben lässt.
Denn dieses Un-glaubliche zu glauben, bedeutet für mich, dass das Un-glaubliche wahr sein kann!
Dreifaltigkeit
Impuls zum Dreifaltigkeitssonntag 2025
„Wer von Gott nicht weiß, dass er dreieinig ist, weiß nichts vom Christentum.“ Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Was kann ich Ihnen zur Dreifaltigkeit sagen?
Ich habe schon einmal erklärt, dass wir das Geheimnis der Dreifaltigkeit besser verstehen können, wenn wir anschauen, wie dieser eine Gott sich in der Geschichte der Welt zeigt:
- Der Vater, der Schöpfer des Himmels und der Erde, von allem Sichtbaren und Unsichtbaren, wie es im Glaubensbekenntnis verankert ist.
- Der Sohn, der wahrhaftig als Mensch in unsere Welt gekommen ist, um uns zu erlösen.
- Die Heilige Geistkraft, die bei uns bleibt, unsere Nähe sucht und uns durchs Leben leiten möchte.
Aber werden wir damit dem Glauben an die Dreifaltigkeit Gottes gerecht?
Also suchen wir weiter, meist auch nach Bildern, um uns irgendwie diesem Geheimnis näheren zu können.
So vergleiche ich die Dreifaltigkeit manchmal mit Wasser, weil es in drei verschiedenen Zuständen existieren kann: fest als Eis, flüssig als Wasser und gasförmig als Dampf. In all diesen Formen bleibt es dennoch Wasser – seine Wesensart verändert sich nicht. Es ist stets die gleiche Substanz, nur in unterschiedlichen Erscheinungsweisen.
In den letzten Sonntagen haben wir im Johannes-Evangelium gehört, wie sich die drei Personen des einen Gottes in ihrer Beziehung zueinander und zu uns zeigen. Jesus sagt zum Beispiel: „Ich und der Vater sind eins!“ und „Wer mich sieht, sieht den Vater!“ Er verspricht auch: „Ich werde euch nicht allein lassen, sondern einen Beistand senden, der für immer bei euch bleiben wird.“
Unser dreifaltiger Gott ist ein Gott der Beziehung:
Die drei Personen des einen Gottes stehen in gegenseitiger Verbindung.
Gleichzeitig pflegen der Vater, der Sohn und die Heilige Geistkraft jeweils eine Beziehung zu uns.
Unser Glaube an den dreifaltigen Gott zeigt sich darin, wie wir zu den drei Personen in Beziehung stehen und wie sie untereinander verbunden sind.
Und dennoch wird der Glaube an die Dreifaltigkeit oft viel zu vereinfacht dargestellt.
Ganz offen: im Studium der Dogmatik habe ich die Trinitätslehre nie wirklich verstanden. Aber vielleicht ist das auch nicht weiter schlimm.
Denn eine Legende aus dem Leben des heiligen Augustinus macht mir etwas deutlich:
Eines Tages spazierte Augustinus am Strand entlang, während er mitten in den Vorbereitungen für sein Buch über die Heilige Dreifaltigkeit stand. Plötzlich entdeckte er einen Jungen, der mit einem Löffel immer wieder Meerwasser in ein kleines, selbstgegrabenes Loch schaufelte.
Neugierig hielt Augustinus an und fragte den Knaben, was er da tue. Der Junge erklärte, er wolle das Meer austrocknen, indem er es in dieses Loch gieße.
Amüsiert und ein wenig mitleidig lächelnd, wies Augustinus darauf hin, dass das Meer dafür viel zu groß sei. Doch der Junge konterte: „Wahrscheinlicher wirst du das Meer auf diese Weise leer bekommen, als du mit deinem Verstand das Geheimnis der Dreifaltigkeit auch nur annähernd ergründen kannst. Es ist einfach zu groß.“
Dabei verglich der Knabe das Meer mit der Dreifaltigkeit, sein Loch, das er aushob, mit Augustinus’ entstehendem Buch und den Löffel mit dessen Verstand.
Diese Geschichte zeigt mir: Wir können das Geheimnis der Dreifaltigkeit nicht mit unserem Verstand fassen. Es ist einfach zu groß.
Der Dreifaltigkeitssonntag bleibt geheimnisvoll. Es ist aber ein Geheimnis, das mit mir, das mit uns zu tun hat.
Bild: ‚Dreifaltigkeitsknoten‘, Gerd A. Wittka, mit KI generiert
Ich habe für mich gefunden, meinen Glauben der Dreifaltigkeit Gottes mit meiner Beziehung zu Gott zu verknüpfen.
Denn schließlich strebe ich und sehne ich mich danach, immer wieder in eine lebendige Beziehung mit Gott treten zu dürfen und zu können.
Ich glaube an Gott, den Vater, der alles geschaffen hat und der Ursprung von allem ist. Wenn ich staune über die Vielfalt und die Geheimnisse der Natur – über biologische, physikalische und chemische Abläufe –, vertraue ich darauf, dass er dahintersteht. Ich glaube, dass er uns Menschen in diese Welt gesetzt hat und uns mit allen Geschöpfen verbindet: mit Pflanzen und Tieren, mit Mikroben, Bakterien und Viren – mit allem Leben auf der Erde und im Universum. Er hat uns mit Geist, Verstand und Freiheit ausgestattet, hat uns aber damit auch eine Verantwortung gegeben, die uns oft an unsere Grenzen bringt.
Ich glaube an Gott, den Sohn, der als Mensch gezeigt hat, wie Gottes Liebe in unserer Liebe zu anderen Menschen und zur ganzen Schöpfung lebendig wird. Er war wirklich unter uns und hat unsere Schwächen und Fehler gekannt. Er wusste um unsere Schuld und unsere Sünden. Durch sein Erlösungswerk dürfen wir aber darauf vertrauen, dass Gott uns und seine Liebe nicht endgültig verlässt, wenn wir an ihn glauben.
Ich glaube an die Heilige Geistkraft, die mich berät, leitet und führt. Ich bin sicher, dass sie mich in meinen Zweifeln, offenen Fragen und meiner Sehnsucht nicht alleinlässt. Wenn mir Kraft und Lebensmut fehlen und alles sinnlos erscheint, schenkt sie mir neue Stärke.
So glaube ich an den dreieinigen Gott – Vater, Sohn und Heilige Geistkraft –, der mein Leben und die ganze Schöpfung liebevoll umgibt, vom Anfang bis zur Vollendung.
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung!“ Martin Buber
Heute feiern wir Pfingsten – den Tag, an dem Gottes Heiliger Geist uns neu erfüllt. Wir erinnern uns an die Jünger im oberen Raum von Jerusalem: Da war plötzlich ein Brausen wie vom Wind, und Flammenzungen leuchteten über ihren Köpfen. Aus Unsicherheit und Zweifel wurden sie mutige Erzähler, die in unterschiedlichen Sprachen von Gottes großen Taten berichten (Apg 2,1–4). Doch was kann das heute für uns bedeuten? Wie trägt dieser Geist bei uns persönlich, unseren Gemeinden und in unserem Alltag dazu bei, dass wir lebendiger und freudiger werden? Muss der Heilige Geist in vertrauten Ritualen bleiben – oder möchte er uns gerade herauslocken und uns ermutigen, kleine Abenteuer im Glauben zu wagen?
Die Gänse auf dem Hof (nach Kierkegaard)
Sören Kierkegaard erzählt in einem Gleichnis von Gänsen, die sonntags gespannt den Worten eines erfahrenen Gänserichs lauschen, der von früheren Flügen berichtet. Doch die Gänse bleiben lieber auf dem sicheren Hof, weil dort das Futter reichlich und das Leben bequem ist. Dieses Gleichnis lädt uns liebevoll ein, darüber nachzudenken, ob wir uns manchmal in wohlbekannten Abläufen einrichten, ohne wirklich aufzubrechen: • Wir treffen uns zum Gottesdienst, hören inspirierende Worte, danken Gott – und gehen danach in den Alltag zurück, ohne größere Veränderungen vorzunehmen. • Wir bewundern Menschen wie Paulus oder Stephanus für ihren Mut, finden aber häufig nicht den Impuls, selbst den nächsten Schritt zu wagen.
An Pfingsten dürfen wir das mit einem Augenzwinkern eingestehen: Der Heilige Geist ist kein Ausstellungsstück, das wir nur bestaunen können. Er ist eher wie ein frischer Wind, der uns behutsam ermutigen will, den sicheren Hafen zu verlassen und uns auf Neues einzulassen.
Denn:
„Gottes Heiliger Geist gehört in Abenteurerhand!“
Dieses Motto klingt prägnant und herausfordernd zugleich. Es erinnert uns daran, dass wir nicht zum Stillstand bestimmt sind, sondern zum Fliegen – zum Entdecken neuer Horizonte in unserem Glaubensleben. Pfingsten schenkt uns den Heiligen Geist, damit wir mutig leben und Gottes Liebe weitergeben können: Wie die Jünger damals dürfen auch wir peu à peu unsere Komfortzone verlassen. Natürlich können wir weiterhin über Glaubensfragen nachdenken und diskutieren. Doch wenn unser Denken und Wissen nicht in Taten mündet, verschenken wir die Chance, den Heiligen Geist wirklich wirken zu lassen.
In ihrem Gedicht ‚Aus der Traum‘ beschreibt Marianne Willemsen, wie der Heilige Geist den Trugschluss von einer sorgenfreien, gleichförmigen Existenz durchbricht. Er weckt die im Verborgenen schlummernde Sehnsucht, befreit sie aus dem gelangweilten „Dornröschenschlaf“ und schenkt Mut und Kraft, Ängste zu teilen und neue Herausforderungen anzunehmen. Quelle:Der Geist des Herrn erfüllt das All | Pfarrbriefservice.de
Diese Zeilen weisen mit klaren Worten darauf hin: Pfingsten möchte uns behutsam aus dem Dornröschenschlaf holen, damit wir den Mut finden, unsere Sehnsucht auszudrücken und Neues zu wagen. Es ist keine Aufforderung zum Perfektionieren, sondern eine Einladung, in unserer eigenen Kraft zu stehen und uns gegenseitig zu ermutigen.
„Gottes Heiliger Geist gehört in Abenteurerhand!“ Dieses Bild ist eine Einladung, den Glauben aktiv und mit offenem Herzen zu leben. Vielleicht ergibt sich daraus:
1. Spontane Gespräche zulassen Wenn wir im Alltag aufeinander zugehen – sei es im Café, in der Bahn oder am Arbeitsplatz – dürfen wir ganz selbstverständlich von unserer Hoffnung erzählen. Dabei genügt ein offenherziges Gespräch, ohne Druck oder Erwartung.
2. Gemeinsam Nachhaltigkeit gestalten Junge Menschen organisieren eine Kleidertausch-Aktion und zeigen, wie bereichernd nachhaltiger Konsum sein kann. So entsteht Gemeinschaft und Bewusstsein für Gottes Schöpfung.
3. Eigene Gaben entdecken und teilen Jede Begabung ist wertvoll – sei es Musik, Handwerk, Sprache, Organisation oder Zuwendung. Wenn wir unsere Talente bewusst einsetzen, wird unsere Gemeinschaft bunter und reicher.
4. Fehlerfreundlich unterwegs sein Neues auszuprobieren bedeutet manchmal, dass nicht alles glatt läuft. Aber gerade dann können wir aus unseren Erfahrungen lernen und miteinander wachsen. Glaube ist kein perfektes Programm, sondern eine Reise, die wir gemeinsam gestalten.
5. Klare Kante zeigen Der Heilige Geist befähigt uns heute, klare Positionen einzunehmen. Das heißt, wir können ganz einfach unsere Meinung äußern, wenn wir einem Standpunkt nicht zustimmen, zum Beispiel indem wir sagen: „Ich teile deine Meinung nicht!“. Ebenso sollten wir Missstände ansprechen, wenn etwas aus unserer Sicht falsch läuft. Persönlich habe ich erfahren, dass mein Eintreten andere ermutigt. Andererseits kann mich das Engagement von Mitmenschen gegen Ungerechtigkeit anspornen, diese aktiv zu unterstützen – in Wort und Tat. So holt uns der Heilige Geist aus unserer Komfortzone und motiviert uns, für Wahrheit und Gerechtigkeit einzustehen. Ein Beispiel, wie es gehen kann, zeigt das Video unten.
6. Dem Geist vertrauen Wir sind nicht allein: Der Heilige Geist, der damals auf die Jünger herabkam, begleitet uns heute genauso. Er schenkt uns Mut und Mitgefühl – auch wenn wir uns innerlich unsicher fühlen.
Bild: Gerd A. Wittka, 2025
Wenn wir diese Einladungen annehmen, bleibt Pfingsten nicht nur ein einmaliger Tag im Kalender, sondern wird zum täglichen Licht in unserem Leben. Dann dürfen wir, getragen vom Geist Gottes, kleine und große Abenteuer wagen und miteinander erleben, wie wir wirklich fliegen können – statt am Boden zu verharren.
Ich würde gerne mit Ihnen und mit vielen anderen in unserer Kirche wieder fliegen!