Als ich 1993 als Diakon mit meiner damaligen Gemeinde eine Studienreise nach Israel gemacht habe, wurden wir von einer sehr guten Frau (Guide) begleitet. In ihrer Reiseführung sprach sie immer wieder auch politische Themen an. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass sie auch über einen Konflikt sprach, der unter der Oberfläche in Israel schon damals brodelte: die Spannung zwischen liberalen Israelis und orthodoxen Israelis.
Damals sagte sie beiläufig und sinngemäß: Hätten wir nicht den Konflikt mit den Palästinensern, wäre die Gefahr eines Bürgerkrieges sehr groß.
Nun gibt es weiterhin den Konflikt mit den Palästinensern (von denen viele auch Christ:innen sind) und zugleich ist die Gefahr eines Bürgerkriegs in Israel sehr hoch.
Allein durch die Privilegien, die orthodoxe Juden in Israel immer noch genießen, wurde der Konflikt auf kleiner Flamme immer am Kochen gehalten.
Schade, dass man schon vor gut 30 Jahren solche Stimmen und Äußerungen wie der unserer damaligen Guide nicht ernst genug genommen hat!
Unterschied
Bei mir stehen
Respekt und Toleranz
an erster Stelle.
Bei der AfD
ist es Ideologie!
Phantom?!
Hast du in deinem Fahrzeug vielleicht auch eine so genannte „Christophorus-Plakette“? Heute, am 24.07. ist der Gedenktag des heiligen Christophorus.
Doch über diesen Mann wissen wir nicht viel: eigentlich gibt es nur Legenden über ihn. Und diese führten dazu, dass eine Zeit lang dieser ‚Heilige‘ aus dem Heiligen-Kalender der katholischen Kirche geschmissen wurde, bevor er Anfang der 2000er Jahre wieder in den Heiligen-Kalender aufgenommen wurde.
Verehren wir also in diesem Mann ein Phantom? – Man könnte es glauben!
Ist es also sinnvoll, sich eine Plakette des ‚heiligen Christophorus‘ ins Auto zu kleben?
Wenn ich an einen Menschen erinnern will, der existiert haben soll, dann ist dieser Brauch fragwürdig. Aber wenn ich eine spirituelle Botschaft damit verknüpfe, dann kann es durchaus sinnvoll sein.
Denn: der ‚heilige‘ Christophorus gilt als einer der 14 Nothelfer und als Schutzpatron der Reisenden. Deshalb ist sein Bildnis auch an vielen Kirchen zu sehen, insbesondere an Kirchen, die alte Handelswege begleiteten.
Ein Bild des Christophorus im Auto kann uns also während der Fahrt immer darauf aufmerksam machen, dass Gott alle unsere Wege begleitet und dass wir auch auf Reisen um seinen Segen bitten dürfen. Es macht uns ferner auf unsere Verantwortung im Straßenverkehr aufmerksam, nämlich, dass wir durch unser eigenes Handeln und Tun zum Schutz und Segen für andere und für uns selber werden können.
Aber dieses Plakette macht uns auch darauf aufmerksam, dass wir in unserem ganzen Leben ‚Reisende‘ sind, von einem Punkt zum anderen, von einem Aufbruchspunkt zu einem Ziel.
So kann die Plakette uns darauf hinweisen, dass unser ganze Leben eine Reise ist, eine LEBENS-REISE. Und es kann uns darauf aufmerksam machen, dass wir so manche Last auf dieser Reise zu tragen haben aber zugleich – und das kann uns das Bild von Christus auf den Schultern des Christophorus sagen – haben wir Christus immer bei uns.
Ich wünsche uns, dass wir unser Wege und unsere Reisen mit dem Bewusstsein erleben: wir sind unterwegs und unterwegs von Gott begleitet.
Dem Zerstörerischen Einhalt gebieten
Ich habe bei meiner Wohnung einen netten Balkon, recht groß und sehr sonnig. Im Frühjahr überlege ich immer wieder, wie ich ihn nun gestalten und bepflanzen könnte. Und wenn ich dann die Solitärbienen sehe, die heimelig surrend meine Insektenhotels umschwirren, denke ich mir: “ … Du musst auch an sie denken. Gestalte es also möglichst insekten- und bienenfreundlich…“ Denn bei uns am Haus ist es fast gar nicht bienenfreundlich: immergrüne Pflanzen, Lorbeer-Hecken, Rasen, aber nichts, was wirklich blüht und für Insekten auch nur halbwegs interessant wäre – eine ‚grüne Wüste‘, wie ich es immer bezeichne.
Da möchte ich einen Kontrapunkt zu setzen. Also säe ich Blumensamen aus, am besten viele verschiedene Kräuter, die zu unterschiedlichen Zeiten wachsen und blühen, und in vielen verschiedenen Farben.
Wenn die Sämlinge dann austreiben und heranwachsen, sehe ich zwischendurch auch einige Grasbüschel, die sich da breit machen wollen.
Soll ich die einfach herausreißen? Sie wissen vielleicht, dass manche Gräser eine blöde Eigenschaft besitzen: sie treiben unterirdisch ziemlich breites Wurzelwerk aus. Wenn ich jetzt daran ziehe, rupfe ich mit einem Mal auch die Pflanzen aus, die ich eigentlich wachsen lassen wollte. Nun ist guter Rat gefragt. Also halte ich diese Gräser im Blick und schneide sie immer wieder und beharrlich ab, damit sie den anderen Blühpflanzen keine Nahrung weg nehmen, diese weiter wachsen können und ich sie nicht zusammen mit dem Gras herausreiße.
Ich weiß nicht, ob das gerade gärtnerisch ‚richtig‘ ist, aber ich mache es so. Das erinnerte mich an das heutige Evangelium.
Da ist unter die ‚gute Saat‘ etwas gekommen, was sich in verschiedener Weise destruktiv auf diese gute Saat auswirkt.
Im Evangelium heißt es „Unkraut“. Und dieses Unkraut wurde immer wieder mit dem Bösen gleich gesetzt.
Ich bezeichne es – um im Bild des heutigen Evangeliums zu bleiben – als das Destruktive. Das ist offener und zugleich klarer. Denn das Destruktive sind Einflüsse und Umstände, die das, was Erstrebenswert ist, hindern, zu wachsen und zu reifen.
Und dieses Erstrebenswerte kann Vieles sein; zuallererst natürlich die Liebe. Ist sie destruktiven Kräften ausgesetzt, wird sie klein gehalten oder verkümmern. Deshalb bezeichne ich auch den Gegensatz von Liebe nicht als das Böse, sondern als ‚Mangel an Liebe‘.
Immer wieder dort, wo die Liebe zurückgedrängt, begrenzt und eingeengt wird und nicht zur Entfaltung kommen kann, haben wir es mit der Macht des Destruktiven zu tun.
Das heutige Gleichnis sagt mir: Ich möchte die gute Saat aussäen, ich möchte, dass die gute, die gewollte und beabsichtigte Saat aufgeht und wachsen kann. Wenn ich dann sehe, dass dazwischen auch destruktive Saaten anfangen zu gedeihen und zu wachsen, dann mag ich sie – oberflächlich betrachtet – einfach herausreißen wollen. Aber bei näherer Betrachtung kann ich sehen, dass die Wurzeln des Destruktiven auch schon ihr Werk getan haben; sie sind viel tiefer ins Erdreich hinein gewachsen, oberflächlich kaum zu erkennen und sie nähern sich dem Wurzelwerk der guten Saat gefährlich, so dass ich die gute Saat zusammen mit der destruktiven Saat ausreißen würde, wenn ich das Destruktive jetzt gewaltsam am Schopf packen würde.
Das Ergebnis wäre das, was wir mit dem Sprichwort umschreiben: „Das Kind mit dem Bade ausschütten.“
Damit wäre das Ergebnis noch verheerender, als wenn wir das Destruktive weiter im Auge behalten und ‚beschneiden‘, damit es selber nicht noch aufblühen und eigene Saaten bilden kann.
So kann ich nämlich die guten Pflanzen hegen und pflegen, sie blühen und gedeihen lassen. Dadurch werden sie – trotz der destruktiven Bedrohung – zur Nektarquelle für Insekten und Bienen und dann später, wenn sie ihre Bestimmung erfüllt haben, zusammen mit den unnützen Gras herausgerissen.
Das anschauliche Evangelium lehrt mich eine gewisse gelassene Haltung, die das Destruktive in unserem Leben nicht ignoriert oder relativiert. Sie erkennt die Gefahr, die vom Destruktiven ausgeht und nimmt sie ernst. Sie übersieht nicht ihre schädlichen Wurzelwerke, sondern versucht, mit intelligentem Vorgehen, es in Schach zu halten.
Der Umgang mit dem Destruktiven, erfordert Klugheit, Achtsamkeit, vorausschauendes Handeln und Besonnenheit.
Radikales Vorgehen – übrigens ein Vorgehen von Extremisten – bedroht im wahrsten Sinne des Wortes, letztendlich auch das gute Wurzelwerk und damit das Wachstum und die Stärkung der guten Saat.
Heilig – oder nicht?
Ein Sturm der Entrüstung macht sich in der islamischen Welt breit, weil in Schweden ein Buch, ein Koran, mit Füßen getreten wurde. Als Folge wird die schwedische Botschaft gestürmt, Gewaltexzesse machen sich breit …
Das führt mich zu der grundsätzlichen Frage, was etwas heilig macht …?
BTW: Ich verurteile solche Aktion als respektlos! Da will ich keine Unklarheiten lassen. ABER: die Proteste und Gewaltaktionen, das diplomatische Gezerre darum sind aus meiner Sicht völlig übertrieben!
Was macht etwas ‚heilig‘?
Nur weil ich – oder jemand anderes oder gar eine Religion – etwas für ‚heilig‘ hält, ist es objektiv noch lange nicht ‚heilig‘.
Für jemanden, der mit Religionen allgemein nichts anfangen kann, der keinen spirituellen oder emotionalen Zugang zum Religiösen hat, sind religiöse Gegenstände (und dazu zähle ich auch Druckwerke religiösen Inhalts) per se nicht ‚heilig‘.
So kann ein Buch, auf dem „Koran“ steht und dessen Druckwerk den Inhalt des Korans widergibt, per se auch einfach nur als ein Buch angesehen und erkannt werden. Ein Buch ist definiert, sowohl von der Gestalt wie von der Machart. Ganz wertfrei ausgedrückt kann für jeden Menschen ein Buch erst einmal ein Gegenstand sein, dass aus gebundenen Seiten besteht auf denen mit Farbe (Tinte) gedruckte Zeichen stehen, die wir Buchstaben nennen. Mehr kann deshalb für einen nicht-religiösen Menschen auch ein Buch sein, das mit „Koran“ betitelt ist. Sachlich macht es für ihn keinen Unterschied, ob es sich hierbei um eine Cartoon, ein Magazin, oder sonst was handelt.
Heilig oder nicht?
Als Mensch kann ich folglich nur das als ‚heilig‘ bezeichnen, was mir persönlich, in meinen eigenen Augen aus der Sicht meiner eigenen Weltanschauung oder meiner Religion als ‚heilig‘ erachtet wird. Das eigene Bewusstsein lässt also etwas ‚heilig‘ sein oder werden.
So kann z.B. ein ganz banaler Gegenstand, der mich z.B. mit Vorfahren verbindet, für mich ‚heilig‘ sein. Diesen Gegenstand kann ich besonders in Ehren halten und besonders ehrwürdig damit umgehen, weil sich mit diesem Gegenstand meine eigene Geschichte, meine Erfahrungen und vielleicht auch meine geistige Verbindung zu Vorfahren verbunden hat.
Wenn andere Menschen auf ein und denselben Gegenstand treffen, verspüren sie vielleicht auch nicht eine Spur von Ehrwürdigkeit oder gar ‚Heiligkeit‘, die von diesem Gegenstand ausgeht. Warum? Weil nicht der Gegenstand an sich ‚heilig‘ ist, sondern das, was dieser Gegenstand für mich, ganz subjektiv ausdrückt und bedeutet.
Um es an einem ganz konkreten Beispiel auszudrücken:
Seit Jahrzehnten besitze ich eine Bibel, eine Schulbibel, die ich zu Zeiten meines Besuchs des Abendgymnasiums besorgt habe. Ich habe mit diesem Buch, dieser Bibel ‚gearbeitet‘, ich habe dort Anmerkungen hineingeschrieben und Markierungen vorgenommen, die mir sehr wichtig beim Studium der Bibel erschienen. Nun steht dieses Buch, diese Bibel im Regal, ist ziemlich abgenutzt und vergilbt. Immer wieder kommt mir der Gedanke, dass ich dieses Buch entsorgen könnte. Für Menschen, die z.B. mal meinen Haushalt auflösen müssten und emotional oder geistlich mit diesem Buch, au dem „Bibel“ steht, nichts verbinden, wäre es vielleicht überhaupt kein Problem, dieses Buch zusammen mit anderen Druckerzeugnissen dem Altpapier zuzuführen.
Aber mir fällt es schwer, dieses Buch ‚einfach so zu entsorgen‘.
Warum? Weil es dinglich ein Buch bleibt, aber geistlich-spirituell für mich ein ‚heiliges Buch‘ geworden ist.
Doch meine Sicht auf das, was (für mich) heilig ist, ist und bleibt immer relativ.
Ein ganz einfaches Beispiel:
Wäre der Buchdruck nicht (von Gutenberg) erfunden worden, gäbe es heute keine Bücher mit der Aufschrift „Koran“. Allein die Existenz eines Gegenstandes, das wir „Buch“ nennen, ist dadurch relativ und kann deshalb auch niemals objektiv als ‚heilig‘ vorausgesetzt werden. ‚Heilig‘ wird jemand oder etwas immer nur durch meine eigene Sichtweise, meine eigene Geisteshaltung, … und diese kann niemals allgemeingültig und allgemeinverbindlich sein.
Dessen ungeachtet und davon getrennt muss die Frage erlaubt sein, wie wir in einer freiheitlichen und pluralen Welt mit Weltanschauungen, Sachverhalten und Dingen umgehen wollen, die anderen ‚heilig‘ sind.
Dies hier ist ein schönes Beispiel, wie man mit Dingen oder Umständen, die anderen ‚heilig‘ sind, respektvoll umgehen kann:
Ich kann und darf aber nicht verlangen, dass der Ayers Rock von allen Menschen auf der ganzen Welt und zu jeder Zeit als ‚heilig‘ anerkannt wird!
Erfolg
Nicht bloß das Tun, nicht bloß die Tatsache der hinterlassenen Leistung gibt uns ein Recht auf ehrende Anerkennung, sondern auch das Streben selbst, und gar besonders das unglückliche Streben, das gescheiterte, fruchtlose aber großmütige Wollen.
Heinrich Heine, 1797-1856, Christian Johann Heinrich Heine (Harry Heine), deutscher Dichter und Romancier, ein Hauptvertreter des Jungen Deutschland, Begründer des modernen Feuilletons
Ich fand heute morgen dieses Zitat von Heinrich Heine … und war sehr erstaunt. Ich bin erstaunt, wie aktuell dieser Gedanke von ihm ist und was wir von der Aufklärung und der Frucht der Aufklärung, dem Humanismus, gerade heute noch lernen können.
In einer Welt, die nur Ergebnisse sehen will … und meist diese auch nur würdigt, ist das humanistische Menschenbild umfassender und ganzheitlich.
So, wie die Aufklärung und der aus ihr entstandene Humanismus wesentlich mitgeprägt wurde von der Geisteswelt damaliger Philosophen, Schriftsteller, Dichter und Denker, zeigt er uns, dass das wahre Menschsein nicht allein vom Oberflächlichen abhängig ist.
Die Geisteshaltung, der Geist, der unserem Denken und Tun vorausgeht, ist wesentlich für die Einordnung dessen, was erstrebenswert in unserem Leben ist.
Das Wort Heinrich Heines macht mir deutlich, dass dies nicht allein vom Erfolg her beurteilt werden kann und darf.
Um einem Menschen gerecht werden zu können, gilt es – nach Heine – auch die zugrundeliegende Geisteshaltung, den Ethos, die Absicht, die gute Idee mit zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob das daraus resultierende Denken und Tun von vermeintlichem Erfolg gekrönt wird.
‚Erfolg‘ in unserere Postmodernen meint eigentlich immer nur das ‚Erreichen von Zielen‘, die tatsächliche Umsetzung von Ideen und Initiativen.
Für Heinrich Heine, für die Philosophie der Aufklärung ist aber schon die Idee, der Gedanken, allein das Streben nach dem Wahren und Guten anerkennenswert.
Scheitern als Gegenpol von Erfolg wird dadurch relativiert.
Findet sich in dieser Idee des Humanismus nicht so viel christliches Gedankengut und viel vom jesuanischen Menschenbild und seiner Ethik?
Für Jesus war entscheidend, ob der Mensch sich allein ernsthaft darum bemüht, den ’neuen Weg‘, den Weg der Umkehr und der Versöhnung zu gehen. Für Jesus war entscheidend, welche Geisteshaltung die Menschen prägte, die es mit ihm zu tun bekommen haben.
Der Zöllner, die Ehebrecherin, die arme Witwe, der Blinde (der vermeintlich nichts leisten konnte und nur auf Almosen angewiesen war): sie alle genießen hohe Wertschätzung. Während jene, die zwar in den Augen der Welt erfolgreich waren, ihren festen Platz in der Gesellschaft eingenommen und gefunden haben, die hofiert wurden: deren Geisteshaltung hinterfragt Jesus und entlarvt sie als umkehrbedürftig.
„Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du da vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen.“
Mt 11,25
„Erfolg ist kein Name Gottes!“, so ein geflügeltes Wort. Das Zitat von Heinrich Heine macht uns darauf aufmerksam, dass wir in der Würdigung und Anerkennung nicht nur allein Erfolg als Kriterium nutzen dürfen, weil schon allein die Absicht, die Geisteshaltung, das eigene Ethos, das Wollen der Anerkennung bedarf.
Wenn wir Menschen in ihren guten Absichten bestärken, dann wird sich zwangsläufig, auch nach vielen Niederlagen, der Erfolg einstellen. Wer aber nur den schnellen Erfolg anstrebt, ist leicht in der Gefahr, seine Ideale zu verraten.