Am fünften Fastensonntag wagen wir einen ganz großen Ausblick auf das Osterfest. „Steh auf vom Tod!“ oder „Lazarus, kommt heraus (aus deinem Grab)“ – Das ist die heutige klare Botschaft.
Lassen wir uns bewegen von dieser vor-österlichen Botschaft, die uns unseren Blick auf das neue Leben lenkt, dass uns blüht, schon in dieser Welt und in diesem Leben!
Da das Evangelium im Gottesdienst nicht in der gekürzten Fassung vorgetragen wird, weil es dann um seine ganze Kraft, Dramatik und spirituelle Bedeutung gebracht wird, habe ich als anschließenden Impuls nur einen kurzen Text verfasst, den ich hier als eine Art meditativen Impuls widergeben möchte.
Merk-Sätze
Lazarus ist tot. „Tot ist tot!“, meinen wir!
Im Evangelium aber geht es weiter
über den Tod hinaus
ganz anders. Das hat einen konkreten Grund: Jesus Christus – er ist der Grund.
Wo etwas unabänderlich erscheint, schafft Christus eine ganz neue Zukunft.
Mit Christus kann uns immer wieder ein unerwarteter Neuanfang blühen.
Jesus zeigt: selbst dort ist immer ein Neuanfang möglich, wo der Tod scheinbar das letzte Wort hat.
Er ist der Grund für die Hoffnung auf Auferstehung und Leben.
Wie oft ist nach menschlichem Ermessen als entschieden, unabänderlich? – Sprachlos bleiben wir zurück.
Doch Jesus bleibt nicht sprach-los. Jesus spricht das lebensspendende Wort: Lazarus, komm heraus! Er spricht und es geschieht.
Im Schöpfungsbericht spricht Gott – und Leben entsteht. Im Evangelium spricht Jesus – und Leben entsteht.
Das ist kein Zufall. Gottes Wort schafft Leben. Jesu Wort ist Leben.
Steh auf vom Tod! – Steht auf vom Tod!
(Gerd Wittka)
Voll Gesang
Hinter’m Haus ist’s voll von Gesang. Meisen und Rotkehlchen ist’s nicht bang. Auf meinem Balkon lebhaftes Flitzen; und Solitärbienen – in den Ritzen des ‚Bienenhaus‘ – bauen neue Wohnungen aus. (Gerd Wittka, 19.03.2023)
„Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt…“ (Johannes 9, 5), so spricht der Herr heute zu uns.
ER war in der Welt und der Blinde konnte durch ihn wieder sehen. Das Licht konnte hineinleuchten, in seinen Körper, in seine Seele.
Erhellend war es für den Blinden. Er sah auf einmal klar. Er erkannte die Welt um sich herum, die kleine, die kleingeistige Welt: Er erkannte die Engstirnigkeit und durchschaute die Angst der Menschen (hier der Pharisäer), tiefer zu fragen. Für sie war es scheinbar leichter, blind dem Buchstaben von Gesetzen und Regeln zu folgen, anstatt dem Sinn auf die Schliche zu kommen.
Deshalb hatten sie auch schon Probleme mit diesem Jesus von Nazareth. Für sie muss er manchmal wie ein Kind gewesen sein, dass in seinem Wissensdurst nicht aufhört zu fragen: „Warum?“ und nicht Ruhe gibt, aber nicht, weil er selber Antworten suchte. Denn er, der fragte, wusste die Antwort: ER war selber die Antwort.
Er erhellt, was im Dunkeln munkelt. Er führt die Menschen nicht hinters Licht, sondern ins Licht, damit auch sie erfüllt werden vom Licht und erkennen, so wie der Blinde.
Für den Geheilten nicht ohne Konsequenzen! Er war jetzt im Fahrwasser Jesu. Der Argwohn gegen Jesus wurde zum Verdachtsmoment gegen ihn, den jetzt Sehenden und Erkennenden.
Sie forderten von ihm Bekenntnis und er bekannte sich zu dem, der ihm zur Erkenntnis verhalf: Jesus Christus.
Seine Erkenntnis führt zu Klarheit.
Jener, der blindlings zu ihrer Gemeinschaft gehörte, wurde – nun sehend und erkennend – zur unerwünschten Person. Und sie warfen ihn aus der Gemeinschaft der Synagoge hinaus!
Denn er kann und will denen nicht dienen, die ihn für ihre Ideologie oder ihre intriganten Spielchen gegen Jesus missbrauchen wollen. Das scheint er durch seine Heilung auch erkannt zu haben.
So, wie er auch erkannt haben wird, dass viel Zeitgenossen die blinden und hilfsbedürftigen Menschen in der Gesellschaft brauchen, gebrauchen und sogar missbrauchen, um sich mit der eigenen Wohltätigkeit gut darstellen zu können.
Doch durch die erhellende Tat Jesu, kann dieser geheilte Blinde dafür nun nicht mehr herhalten.
Wie oft im Leben: Menschen, die durch-schauen, sind nicht immer beliebt.
Entlastet von Blindheit, kann Erkenntnis belastend werden, wenn wir sehen und verstehen, hinterfragen und auch beklagen.
Dem Sehenden war es das wert. Er erkannte den neuen und tieferen Wert seines eigenen Lebens und das ließ ihn frei werden, und mutig und stark.
Es lohnt sich, das Schicksal des Blinden zu meditieren. Denn: zu sehen und zu verstehen, zu erkennen und zu benennen, macht das Leben nicht leichter, auch für uns nicht. Aber wahrhaftiger!
Am Donnerstag bekam ich eine Online-Umfrage, in der es auch darum ging, ob und wie ich in der Fastenzeit fasten würde? – Das mit dem Fasten ist ja so eine Sache. Für viele bedeutet es, auf etwas zu verzichten: Süßes, Alkohol, andere Konsum- oder Genussartikel, und, und, und… Andere wiederum nehmen sich vor, etwas in ihrem Leben oder an ihrem Lebensstil zu verändern. … und am Ende der Fastenzeit oder vielleicht später wird Resümee gezogen. Wie das wohl ausfallen wird?
Meist bedeutet das Fasten im allgemeinen Verständnis, etwas zu tun, etwas zu leisten. Und was ist dann das Ergebnis? Eine schlankere Figur, besseres körperliches oder seelisches Befinden, das Erfolgsgefühl, etwas erreicht zu haben?! – Denn Leistung muss sich doch lohnen, heißt es manchmal.
Für religiöse Menschen bedeutet das Fasten mitunter auch, eine gewisse Leistung gegenüber Gott erbringen zu wollen; Jetzt zeig ich es ihm mal, wie ernst ich es meine! – Jetzt zeig ich es ihm mal, wie stark ich glaube, denn ich bin ja ein guter Christ, eine gute Christin. Wie oft höre ich, auch z.B. von Angehörigen sterbender Menschen: „Mein Vater, meine Mutter, … waren gute Christ:innen!“
Wer will das wissen?! – Ich will es nicht wissen und mir ist es auch im Hinblick meiner seelsorglichen Arbeit völlig egal, wie gut oder nicht gut er oder sie ihren christlichen Glauben lebt oder gelebt hat.
Erwartet man von mir eine andere, bessere Qualität meiner Leistung wenn jemand vermeintlich guter Christ, gute Christin, guter Katholik, gute Katholikin ist?! Was für eine krude Vorstellung! Aber leider gibt es diesen Leistungs- und Gegenleistungsgedanken noch immer. Und leider gibt es diese Haltung dazu auch noch gegenüber Gott.
Gesetzt also den Fall, ich meine, ein guter Christ, eine gute Christin zu sein: Erwarte ich danach eine bessere Gegenleistung von Gott? Eine Art Anerkennung, einen Preis oder Bonuspunkte wie bei payback oder so?!
Wer etwas aus religiöser Motivation tut, weil er sich dadurch etwas von Gott erhofft, gehört eher zu den Menschen, die meinen, etwas leisten zu müssen, damit Gott ihnen gewogen ist oder sie vielleicht bei ihm noch mehr ‚herausholen können‘.
Heute hören wir jedoch in der Lesung: „Gerecht gemacht aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott ….“
Wie sieht dann unser Beitrag dazu aus? Was müssen wir dafür tun? Wir haben entschieden zu glauben! – Ist es also unsere Leistung, dass wir gerecht gemacht worden sind?!
Ich bin mir nicht sicher, ob es hilft, so an die Sache heran zu gehen. Denn einige Stellen vorher schreibt Paulus im Vers 24 und folgende: „…
Röm 3,24: „Ohne es verdient zu haben, werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus.“
Röm 3,26: „…er (Gott) erweist seine Gerechtigkeit in der gegenwärtigen Zeit, um zu zeigen, dass er gerecht ist und den gerecht macht, der an Jesus glaubt.“
Röm 3,28: „Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes.“
Natürlich zeigt sich unser christlicher Glaube auch in unseren Taten und unseren Werken.
Aber der heutige Lesungstext rückt ins rechte Verständnis, dass diese Taten und Werke nicht Mittel zum Zweck sind. Sie sind nicht die Leistung, die wir bringen müssen, um unser Heil durch Gott gleichsam verdienen zu können.
Vielmehr sind unsere Werke und Taten Ausdruck unseres Glaubens; eines Glaubens, der aus der Hoffnung lebt, dass Christus uns Erlösung gebracht hat. Es ist dieser Glaube, es ist diese Hoffnung, die uns motiviert zum tatkräftigen Zeugnis des Glaubens.
Heute, quasi fast am Scheitelpunkt der diesjährigen Fastenzeit, wird uns noch einmal in Erinnerung gerufen, was wir bereits sind und uns nicht verdienen müssen: Wir SIND gerecht gemacht aus unserem Glauben. Und wir haben durch Jesus Christus HABEN wir im Glauben Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir STEHEN!
Hier geht es also nicht um eine zukünftige Verheißung, sondern um die Beschreibung eines IST-Zustandes. Es ist eine Zusage, keine Vision!!
Wenn wir diesen Gedanken in dieser Zeit verinnerlichen, dann können wir diese Fastenzeit ganz entspannt und ohne den Anspruch, etwas leisten zu müssen, dafür nutzen, die Freude im Glauben zu vertiefen, da wir schon längst gerettet sind, durch Jesus Christus.
Denn, so heißt es auch vorher: Jetzt aber ist (…) die Gerechtigkeit Gottes offenbart worden, (…), die Gerechtigkeit Gottes aus dem Glauben an Jesus Christus, offenbart für alle, die glauben.
So, wie der Schnee auf dieser Tulpe anscheinend die Hoffnung auf Frühling verdeckt
so verdecken die ‚bad news‘ dieser Zeit bisweilen die Hoffnung auf friedliche Zeiten.
Doch wie die Pflanze sich aus innerer Kraft den Weg nach oben bahnt, sich nicht abhalten lässt, zu wachsen und zu blühen
so werden sich auch die Menschen guten Willens aus innerer Kraft und Hoffnung nicht abhalten lassen immer wieder neue Schritte des Friedens der Versöhnung und der Geschwisterlichkeit zu wagen.
Diese Fastenzeit hält mich an, mich auf diese inneren Kräfte neu zu besinnen. So ist in dieser Zeit nicht die Enthaltsamkeit meine Herausforderung, sondern die Beständigkeit zu suchen im guten Reden und Tun.
(c) Gerd Wittka, 08.03.2023
Wie es sein könnte …
Ferienhaus… direkt in der NaturNachdenken über die WeltSehnsucht nach Einklang
Einige Tage durfte ich wieder Urlaub machen in meinem Lieblingsurlaubsland Dänemark. Diesmal ging es auf die Insel Röm, nördlich von Sylt. Wie schon im letzten Jahr, war dieser Urlaub aber wieder mit geprägt vom Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine. In diesem Jahr beging ich hier den ersten Jahrestag des Kriegsausbruchs von 2022.
Wie gerne würde ich diese Gedanken alle abstreifen, doch in der Ruhe und Idylle dieses Urlaubs geht das nicht. Einer meiner Brüder fragte mich dieser Tage: „Kannst du nicht einfach mal Urlaub machen?“ – Auf diese wohlgemeinte Intervention antwortete ich – auch mit ein wenig Humor: „Kann man im Urlaub das Denken aussetzen?! – Das machen doch schon zu viele – auch außerhalb des Urlaubs…!“
Und so saß ich dort – umgeben von friedlichster Stimmung. Die Rinder, die hier vor unserer Terrasse regelmäßig vorbei gingen, gingen buchstäblich zu mir auf Tuchfühlung. Ich konnte sie streicheln. Ein Rind schleckte mir mit seiner dunklen, rauhen Zunge die Hand ab. Es hatte so viel friedliches und Einklang mit der Natur.
So kommen mir natürlich auch in solchen Situationen Gedanken:
Warum kann es nicht immer so friedlich sein? Es wäre doch alles so einfach! Und ich frage mich: Kennen Menschen, wie Putin denn auch solche Situationen? Oder sind sie in ihrer ideologischen Gedankenwelt so gefesselt, dass sie gar nicht mehr wissen, was Frieden ist und um die wertvolle Dimension für unser aller Leben?
Manchmal denke ich, Putin hat noch nie wirklich die Frage an sich herangelassen, wieviel Leid und Unheil er angerichtet hat und wofür er verantwortlich ist!
Es braucht Orte und Zeiten zum Nachdenken! – Foto: (c) Gerd Wittka, Februar 2023
Ich denke in meiner abgeschiedenen friedlichen Urlaubswelt an die Menschen in der Ukraine. Ich stelle mir konkret ihre Lebenssituation vor; nehme einen fiktiven ukrainischen Menschen in Gedanken in den Blick, wie er jetzt friert, nicht das Nötigste zum Leben hat, ängstlich in die kommende Nacht schaut und von ferne das Dröhnen der Bomben hört. Und immer wieder das Geheul der Sirenen. Ich denke an die Soldaten in ihren Gefechtsstationen, die einerseits im Bewusstsein kämpfen, das sie sich verteidigen dürfen und müssen und sich zugleich zurück sehnen nach zuhause. Ich denke an sie, die in diesem Augenblick bei geliebten Menschen sein könnten. Und ich denke, wie oft auch bei ihnen die Angst hochkommt, sie würden an der Front sterben – das junge Leben beenden müssen, das doch noch so viel Potential hätte.
Je mehr ich darüber nachdenke, kommt mir die Frage in den Sinn: „Wie kann man nur?!“ oder konkreter: „Wie kannst du nur, Wladimir Putin, all das zulassen?“ – „Wie glaubst du, vor dem Gericht der Geschichte und dem Gericht des Ewigen bestehen zu können?!“
Und in meiner Einfalt und Naivität wünsche ich mir, dass Gott genau diese meine Fragen in sein Herz pflanzen möge. Ich wünsche mir, dass Putin selbst mal innehalten und Abstand nehmen würde und einfach mal nur ganz als Mensch und voller Empathie sich hineinversetzen würde in das je eigene Schicksal der Menschen, über die er so viel Leid, Not und Tod bringt. Ich wünsche mir, dass ihm dies dann solche Gewissensqualen bescheren würde und er den Weg der Umkehr zu Frieden und Gerechtigkeit, zur Liebe und Menschenfreundlichkeit finden würde.
Ja, das wünsche ich mir, angesichts des eigenen Erlebens von friedvollen Tagen, in denen mir das Leiden der Menschen in Krieg und Not nicht gleich sein kann und ich auch gedanklich besonders herausgefordert bin, weil ich diese große Diskrepanz spüre, jetzt dieses Privileg friedlicher Zeit in Dänemark erlebt zu haben und zugleich von Krieg, Not und Tod in anderen Teilen der Erde zu wissen.