Im 60. Lebensjahr angekommen …

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Heute ist es soweit. Ich bin in meinem 60. Lebensjahr angekommen und habe das 59. Lebensjahr vollendet; oder wie man landläufig sagt: ich bin neunundfünfzig geworden.

Es ist wohl auch die Zeit meines Lebens, in der ich mir mehr und mehr Gedanken darüber mache, was ich noch vom Leben erwarte?
Keine Sorge: ich habe noch voll Bock zu leben und ich liebe das Leben, auch wenn es manchmal nicht einfach ist und mich vor großen Herausforderungen stellt!
Und ich befinde mich auch nicht in einer midlife-crisis. Dafür bin ich dann doch schon zu alt! 😉
Aber wenn ich auch der Wahrheit Raum geben will, weiß ich, dass ich schon längst den Zenit meines Lebens überschritten habe – was meine Lebensjahre angeht.

Bei mir ist es jedenfalls so, dass ich mich frage: was ist mir (noch) in meinem Leben wichtig?
Wie fülle ich meine Lebenszeit und mit welchem unnötigen Ballast ist es angefüllt?



Vieles habe ich bisher in meinem Leben für wichtig und wesentlich erachtet – aber es verliert mehr und mehr an Bedeutung.
Und Manches, was mir von anderen als vermeintlich wichtig herangetragen wurde, ob subtil oder nicht, erkenne ich mehr und mehr als unwichtig.

Dabei spielen für die Beantwortung dieser Frage für mich auch einige Aspekte und Fragen eine wichtige Rolle:
– Womit habe ich meine kleine Welt ein Stück weit verbessern können? Und wo ist aber auch Lebensenergie in irgendeine Art von Nirwana verschwunden, ohne was Positives zu bewirken?
– Woran habe ich mich weiter entwickeln können und was hat mich persönlich weiter gebracht?
– Was hat mein Leben bisher heller und lebenswerter gemacht; und was hat mir unnötig einen Teil meiner Lebensenergie geraubt?

„Mensch, werde wesentlich!“ (Angelus Silesius)

Das Wort von Angelus Silesius begleitet mich seit vielen Jahren.
Und manchmal konfrontiert es mich, wenn ich als – ach so moderner und aufgeschlossener Mensch – mich auch in der heutigen Zeit zurechtfinden und behaupten will.

Dabei erkenne ich, dass ich oft umworben oder sogar verführt werde von Meinungen und Medien. Und überhaupt nicht subtil wird mir und uns eingebläut, dass ‚man‘ doch Dieses und Jenes unbedingt ausprobieren, nutzen oder benutzen sollte!

In unserem Streben nach Freiheit und Selbstverwirklichung sind wir – leider – auch Opfer einer durchtriebenen Werbe- und Vermarktungsstrategie.

Uns wird vorgemacht, das wir da und davon einen persönlichen Nutzen haben. Aber wenn wir genauer hinsehen, dann merken wir, dass nicht wir die Nutznießer sind, sondern jene, die uns etwas als vermeintlich Wichtiges und Wesentliches verkaufen wollen.

Und in diesem Punkt kommt die Wahrheit ans Licht: andere wollen uns etwas in unserem Leben verkaufen, in dem sie uns subtil oder weniger subtil suggerieren, dass wir was davon haben.

Aber in Wahrheit wird uns etwas verkauft und wir sind es, die den anderen etwas geben: unsere privaten Daten, unser Geld, unsere Zeit, aber auch unsere Nerven und unsere Emotionen.
… und es kommt quasi nichts wieder zu uns zurück!
Mehrwert: nein!
Nutzen: nein!
Sinnhaftigkeit: nein!

Leider ist es oft so, dass uns in den seltensten Fällen „von außen“ Sinn zu kommt.
Nicht: „Was macht mir Sinn?“ ist die Frage. Sondern: „Wodurch gebe ich meinem Leben einen Sinn?“

Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass wir durch die zweite Frage unserer Freiheit mehr auf die Spur kommen, als durch von außen eingeflößter vermeintlicher Sinnhaftigkeit.

Die Frage, wodurch ich meinem Leben Sinn geben möchte, zieht auch zwangsläufig irgendwann einmal die Frage nach sich, wofür ich meine (noch verbleibende) Zeit investieren möchte?

Denn es kommt für uns alle der Augenblick, dass wir ‚keine Zeit mehr haben‘ werden. Was dann?

Besser: uns drängt sich diese Frage und die Antwort drauf auf, wenn wir (vermeintlich) noch Zeit haben, um diese dann auch zu nutzen!

Carpe diem

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„Pflücke den Tag!“ oder „Nutze die Zeit!“, so übersetzen wir dieses lateinische Wort.

Das erinnert mich an einem mehrmonatigen Kurs, den ich zur Mitte der 1990er Jahre absolvieren durfte.
In diesem Kurs auch eine Ordensfrau, die schon über siebzig Jahre alt war. In diesen drei Monaten kam immer wieder in ihr die drängende Frage auf, ob ihr Leben eigentlich für sie ‚richtig‘ verlaufen sei. Und sie spürte: eine Kursänderung ist nötig.
Kurz vor Ende unserer gemeinsamen Zeit sagte sie dann zu mir: „Gerd, und wenn ich nur noch einen Tag zu leben habe: diesen Tag werde ich anders leben als bisher!“

Mich hat dieser Satz schon damals umgehauen, weil diese Frau gespürt hat: es ist nie zu spät, seinem Leben eine andere Richtung zu geben, wenn man erkannt hat, dass es bisher in eine Richtung lief, die ich nicht mehr bejahen kann.

Was anders als unser christlicher Begriff der „Umkehr“ steckt hinter dieser Erfahrung der Ordensfrau?!
Ja, für Umkehr ist es nie zu spät. Es kommt nämlich nicht darauf an, wie lange diese neue Wegrichtung gegangen wird, sondern DAS sie gegangen wird!

Für diese Ordensfrau schloss diese Erkenntnis mit ein, sich auch von alten Wegen verabschieden zu müssen und vor allem zu können und zu dürfen!!
In ihrer Erkenntnis hat sie sich zugleich auch das Recht zugesprochen, den Weg der (Ver-)Änderung gehen zu dürfen! Nichts und niemand würde sie davon abhalten können!

Was für eine Befreiung!!

Befreiung von Ballast

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Dies ist sicherlich ein Punkt, der zwangsläufig mit solchen Korrekturphasen einher geht: die Erkenntnis, Altes zurück lassen zu müssen und sich von Ballast zu befreien, der mich daran hindert, dem eigenen Leben eine andere, eine neue Richtung zu geben.

Leichter gesagt, als getan!
Damit gehen auch Ängste einher.

Diese Ängste spüren sicherlich die Menschen besonders hart, die sich eher unfreiwillig von Liebgewordenem verabschieden müssen: Menschen, die einen geliebten Menschen verloren haben; Menschen, die Hab und Gut verloren haben durch Schicksalsschläge, Naturkatastrophen oder durch andere gewaltsame Ereignisse wie Krieg und Gewalt.

Bevor es mir also genommen wird: ist es da nicht besser, sich in aller persönlicher Freiheit davon zu trennen?! … wenn man kann, wenn man es schafft?

Ich ahne es.

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Also richte ich in letzter Zeit mehr und mehr meine Gedanken darauf, mich von dem zu trennen, was mich emotional und materiell daran hindert, neue Akzente in meinem Leben zu setzen und Korrekturen in meinem Leben vorzunehmen.

Die letzten Jahre, vor allem als ich Anfang 2020 an einer Depression erkrankt bin und auch die Corona-Pandemie haben mich heruntergeholt von hehren Gedanken. Ich bin dabei auch Irrtümern aufgesessen. Ein Irrtum ist dabei, dass ich mich z.B. in sozialen Medien an Diskussionen beteiligen könnte und damit (m)einen Beitrag zu einem Auseinandersetzungsprozess leisten könnte.

Doch dieser Erwartung ist die nüchterne und entlarvende Erkenntnis gewichen, dass die große Welt da draußen durch meine Postings und Kommentare weder besser wurde noch für mich etwas gebracht hat außer Ärger und Frust.

Das perfide an den sogenannten ’sozialen Medien‘ ist, dass sie eher asozial sind und Sozialität, Kommunikation und echte Begegnung verhindern.
Durch die Nutzung solcher Medien habe ich keine wirklich wichtigen Begegnungen gehabt, die ich nicht auch über andere Kanäle hätte finden können.

Diese vermeintlich ’sozialen Medien‘ bringen mir als Privatmenschen eigentlich keinen wirklichen Lebenszugewinn.
Sie sind eher für Menschen oder Organisationen von Interesse, die ihre Meinung und Botschaft unter die Menschen bringen wollen.

Ganz besonders habe ich das in den letzten Wochen bei dem ukrainischen Botschafter Melnyk erkennen müssen: Er postet Tag um Tag provokante Texte in seinem twitter-Account; Texte, die sicherlich auch hier und da ihre Berechtigung haben.
Nur: Er geht niemals mit denen, die seine Postings kommentieren, tatsächlich in einen Austausch, in einen Diskurs.
Dieses Medium wird von ihm bewusst als eine mediale Einbahnstraße verwendet; von Kommunikation keine Spur!
Er nutzt also seine ‚follower‘ nur aus für seine Sichtweise.

Was soll ich also da mit meinen Gedanken, wenn ich mich genau so gut auch an die berüchtigte „Parkuhr“ stellen könnte?! – Die interessiert meine Gedanken auch nicht – und seien sie noch so intelligent und ernsthaftig.

Deshalb bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mich als einer der nächsten Schritte unter anderem auch von einigen Kanälen der vermeintlichen „sozialen Medien“ entfernen werde.
Dies mache ich aber auch noch aus einem anderen Grund, der mich zutiefst beunruhigt.

Es geht dabei um „mein digitales Erbe“.

Bei diesem Blog ist klar: wenn ich nicht mehr bin und das Geld für diese Website und Domain nicht mehr gezahlt wird, wird dieser Blog eingestellt und irgendwann ganz verschwinden.

Bei facebook, twitter und Co. erlebe ich es aber, dass dort immer noch Menschen, die ich persönlich kannte und die mittlerweile verstorben sind, mit einem eigenen Account ‚präsent‘ sind.
Hinterbliebene und andere haben daraus noch nicht einmal eine ‚Gedenkseite‘ gemacht! –

Das möchte ich nicht, dass das passiert! Ich möchte aber auch nicht, dass andere nach meinem irdischen Tod sich damit noch herumschlagen müssen.
Dies ist ein weiterer Grund, warum ich zuerst bei diesen Medien anfangen werde, meine Accounts zu löschen.

Es gilt für mich aber auch, noch andere Tummelplätze vermeintlicher Kommunikation kritisch zu hinterfragen, inwieweit sie mein Leben bereichern oder für mein Wirken dienstbar und hilfreich sind?

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Trotzdem noch erreichbar

Und ich vertrete auch nicht die irrige Ansicht, dass ich „für andere dann nicht mehr erreichbar“ sei, wenn ich mich aus manchen Medien oder Plattformen ‚verabschiede‘!
Das ist auch so ein Trugschluss!

Denn: die Menschen, die mir wichtig sind und denen ich wichtig bin, werden wissen oder herausfinden, wie wir (weiterhin) in persönlichem Kontakt bleiben können.
Für den persönlichen Kontakt brauchen wir noch viel weniger die ’sozialen Medien‘, weil persönlichem Kontakt immer auch persönliches Interesse vorangeht. Und das ist es, das dazu führen wird, dass solche Kontakte – wie auch immer – bestehen bleiben werden.

So, nun aber genug der Gedanken zum Lebensjahreswechsel.

Ich wünsche mir jetzt nur, dass das neue Lebensjahr ein von Gott gesegnetes Lebensjahr sei, wo ich Sinnvolles tun und sinnvoll leben kann; wo ich Menschen wirk-lich begegnen kann, Freundschaften pflegen und Liebe erfahren kann.
Ich wünsche mir, dass ich das Leben genießen und mich daran erfreuen kann.

Und so Gott will, darf ich in 365 Tagen auf diesen Tag zurück blicken und mich fragen, wie weit ich gekommen bin!

Es wird und bleibt spannend!




Erst einmal gelacht … !

Bei dem Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ist in meiner Kirche noch "viel Luft nach oben", wie dieses alltägliche Beispiel anschaulich zeigt.
Inter*ProgressPride-Flagge, (c) Katja Anton Cronauer (er), Quelle: https://www.transfabel.de/

Ich habe jetzt erst einmal gelacht …!

Am 11.5. findet in der katholischen Akademie „die Wolfsburg“ in Mülheim eine Tagung zum Thema:

„Kirche m/w/d – Für die Anerkennung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“

statt.

Soweit und so gut. Denn ich begrüße es, dass sich meine Kirche auch öffentlich mit dieser Thematik beschäftigt.



Da ich auch an der Vorbereitung und Durchführung des ökumenischen Gottesdienstes zum Ruhrpride in Essen teilnehme, habe ich mich natürlich auch zu dieser Veranstaltung angemeldet.

Ich hätte mich ärgern können, habe es aber erst einmal vorgezogen, herzhaft zu lachen.

Warum?
Weil der Anmeldevorgang zu dieser Veranstaltung gezeigt hat, dass bei diesem Thema gerade in meiner Kirche noch erheblich „Luft nach oben ist“.

Ich habe mir davon ein Bild gemacht (von der Online-Anmeldung zu dieser Veranstaltung). Machen Sie sich Ihr eigenes … und Sie können sich ärgern … oder vielleicht auch erst mal lachen und sich sagen:

Da ist noch „viel Luft nach oben“.

Screenshot des Online-Anmeldeformulars zur obigen Veranstaltung! (c) Gerd Wittka

Nachtrag: (25.4.2022)

Die „Katholische Akademie Die Wolfsburg“ habe ich über diese Kuriosität informiert. Und man hat mir geantwortet, dass sie diesen Hinweis für wichtig erachten und die Einwahloptionen ändern werden. Das finde ich sehr gut!

Ich möchte diesen Beitrag dennoch stehen lasse, aber nicht, weil ich irgendjemand „vorführen“will, sondern weil ich dafür sensibilisieren möchte, wie schnell im Alltag selbst bei bestem Willen wir immer wieder „etwas übersehen“.

Ich selber bin immer wieder mit Kolleg:innen im Gespräch, wie schwer der Respekt vor anderen Sexualitäten im alltäglichen Umgang umgesetzt werden kann, weil allein unsere Sprache und Begrifflichkeiten noch nicht angepasst sind.




Friede – Geist – Leben

Das Evangelium des ‚Weißen Sonntags‘ 2022

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An diesem Sonntag hören wir eine – wie ich finde – ganz bedeutsame Stelle aus dem Johannes-Evangelium:
Johannes-Evangelium, Kapitel 20, VV. 19-31

Natürlich fällt uns auf, dass der Mittelpunkt der Erzählung die Begegnung zwischen dem Auferstandenen Jesus Christus und dem ‚ungläubigen‘ Thomas ist.
Doch das möchte ich diesmal nicht in den Blick nehmen.

Dieses Mal möchte ich zentrale Formulierungen anschauen, die – wenn wir sie als Gesamtheit meditieren – eine wichtige Botschaft beinhalten, die der sogenannte ‚1. Schluss des Johannes-Evangeliums‘ hervorhebt.



Dazu möchte ich einfach mal die drei zentralen Begriff aufgreifen, die auch schon in der Überschrift genannt sind.

Friede

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Als Christus, der Auferstandene, den Jünger:innen begegnet, sagt er ihnen das Wort: „Friede sei mit euch!“.
Aber nicht nur einmal. Auch ein zweites Mal wiederholt er diesen Satz.
Damit stellt er ihn in die Mitte und macht diese Zusage zu einer zentralen nachösterlichen Aussage.
Ostern und Friede sind untrennbar miteinander verbunden.

Und wenn wir jetzt noch im Hinterkopf behalten, dass die frühen Christen zuerst Ostern und dann viel später auch Weihnachten gefeiert haben, dann wird deutlich, dass der Friede der Heiligen Nacht sich vom Osterfrieden her ableitet.

Doch als wäre es nicht genug mit der Friedenszusage, erneuert Jesus, als er nun auch den vorher abwesenden Thomas begegnet, diese Friedenszusage noch einmal.
Dreimal sagt Jesus in diesem Kapitel seinen Jünger:innen seinen Frieden zu.

Alle, die in diesen Tagen Ostern feiern, ob in der Westkirche vor einer Woche oder an diesem Sonntag in der Ostkirche, müssen sich angesichts des Krieges in der Ukraine aber auch der vielen gewaltsamen Kämpfe auf der ganzen Welt diese Friedensdimension des Osterfestes vor Augen führen.

Wer einen Angriffskrieg führt (auch wenn er ihn mit anderen Begrifflichkeiten umgibt), kann nicht zugleich Ostern feiern!
Wer den Angriffskrieg befürwortet und zugleich Ostern feiern will, lügt und heuchelt und kann nicht glaubwürdig Christ:in sein!

Österliche Menschen hingegen lassen sich von der Friedensbotschaft des Auferstandenen anrühren. Diese Botschaft geht ihnen zu Herzen und lässt eine Haltung zurück, die ‚den Frieden sucht und ihm nachjagt‘ (vgl. Psalm 34,15).

Geist

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Die Zusage seines Friedens verbindet Jesus zugleich mit der Sendung des Heiligen Geistes.

Diese Textstelle macht viele von uns stutzig: feiern wir nicht erst 50 Tage nach Ostern das Pfingstfest, das Fest des Heiligen Geistes?
Ja, das ist richtig. Aber das hat nur eine liturgische und theologische Funktion.

Die verschiedenen Textstellen aus dem Neuen Testament lassen die Sichtweise zu, dass die Auferstehung, die Himmelfahrt Christi und die Ausgießung des Heiligen Geistes in eins gefallen sind.
Dass wir 40 Tage nach Ostern Christi-Himmelfahrt und 50 Tage nach Ostern Pfingsten feiern ist keine Frage der Chronologie; damit will lediglich die hohe Bedeutung dieses Festkreises zum Ausdruck gebracht werden.

Als die Jünger:innen erkannten, dass Jesus Christus von den Toten erstanden ist und er sein Leben an der Seite seines Vaters weiterführt (Himmelfahrt), war diese Erkenntnis, dieser Glaube das Wirken des Heiligen Geistes, der die Jünger:innen in diese Wahrheit der Auferstehung eingeführt hat.

Für mich wird dadurch deutlich: wer Ostern feiert und um den österlichen Frieden bemüht ist, der wird seine Gebete auch immer an den Heiligen Geist richten, der uns zur Erkenntnis des österlichen Friedens und uns auch ganz konkret auf die Wege des Friedens führen kann und wird.

Leben

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Wir feiern an Ostern die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Wir feiern, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern, wie es in einem Kirchenlied heißt: „der Tod ist tot, das Leben lebt…“

In diesem Jahr, dem Jahr des grauenvollen Angriffskrieges gegen die Ukraine, meditiere ich viel über die Seite des Todes ./. die Seite des Lebens.
Wenn wir das Herz unseres Glaubens verstehen wollen, dann benötigen wir Bilder, die uns bildlich und klar deutlich machen, was der Kern unseres Glaubens ist.

Mir hilft in diesem Jahr die Gegensätze

Seite des Todes ./. Seite des Lebens

in den Blick zu nehmen.

Die zentrale Botschaft von Ostern ist:
„… Jesus hat den Tod bezwungen und uns allen Sieg errungen…“
(vgl. das Kirchenlied: „Halleluja, lasst uns singen, denn die Freudenzeit ist da …“)

Für mich bedeutet das, dass der wirkliche und echte Sieg der ist, der nicht auf der Seite des Todes steht, sondern wo alles Leben leben darf und kann.
Natürlich weiß ich auch, dass auf Erden letztlich alles dem irdischen Tod anheim fällt.
Aber österliche Menschen werden diesem Tod nicht noch Vorschub leisten durch Angriffskriege, durch Gewalt, Totschlag und Mord.
Österliche Menschen wenden sich in gleicher Weise gegen den physischen wie den psychischen Tod, der oft einhergeht mit sexualisierter Gewalt, seelischen oder geistlichem Missbrauch.

Österliche Menschen dienen dem Leben und leben für das Leben, von dem Jesus uns sagt, dass er gekommen ist, damit wir „das Leben haben und es in Fülle haben“. (Johannes-Evangelium Kapitel 10 Vers 10)

Quintessenz:

In diesen Wochen, gerade auch angesichts des Krieges gegen die Ukraine, wird mir im Hinblick auf Ostern immer deutlicher

Österliche Menschen suchen den Frieden und jagen ihm nach.
Österliche Menschen lassen es zu, dass sie den Heiligen Geist empfangen und sind offen für sein Wirken und Wehen und bitten um SEINE Gaben.
Österliche Menschen sind immer auf der Seite des Lebens, für das Leben und gegen den Tod in seiner Mannigfaltigkeit .

Gerd A. Wittka, 24.04.2022, Weißer Sonntag – Sonntag der Barmherzigkeit

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Oster – Frieden

Plädoyer für Frieden und gegen Krieg und Kriegstreiber

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Nach seiner Auferstehung erschien Jesus Christus auch seinen Jüngern und sprach zu ihnen: „Friede sei mit euch!“

In der österlichen Liturgie greifen wir diesen Satz vor dem Friedensgruß auf.

Heute, im Jahr 2022, wo wieder ein brutaler und grauenvoller Krieg durch die russische Armee und auf Befehl des russ. Präsidenten Putin gegen die Ukraine tobt, frage ich mich, wie weit es her ist mit diesem Oster-Frieden?!

Da ist der russische Präsident, der sich sehr offensichtlich Rückendeckung bei der russisch-orthodoxen Kirche holt. Da ist die russische-orthodoxe Kirche, die nach der Zeit ihrer gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit in der Sowjetunion nun wieder Morgenduft wittert und versucht, wieder mehr weltliche und gesellschaftliche Macht zu bekommen.

Und diese unheilvolle Verknüpfung von Staatsgewalt und Kirche findet ihren Höhepunkt in dem unseligen Missbrauch des christlichen Glaubens für die Kriegspropaganda.

Am achten Jahrestag der Krim-Annexion durch Russland hat Putin im Stadion eine Rede gehalten, in der er massiv den christlichen Glauben und die biblische Botschaft für seinen menschenverachtenden Angriffskrieg missbraucht.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass es andere Terroristen gibt, die ihren vermeintlichen Glauben für ihren Terror missbrauchen und Leid und Tod dadurch verursachen.
Bei Putin zeigt sich dieselbe Haltung, die versucht, einem Staatsterrorismus einen sakrosankten Unterbau zu verpassen. Diese soll Menschen manipulieren und zu willfährigen Akteuren eines Krieges machen, die die wenigsten von Ihnen wahrscheinlich so nicht gewollt haben.

Auf die Spitze getrieben wird das noch durch den Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau Kyrill, der diesen terroristischen Angriffskrieg Putins und seiner Getreuen gleichsam zu einem „Heiligen Krieg“ hochstilisieren möchte. Kyrill war übrigens in den 1970er Jahren KGB-Agent wie Wladimir Putin.

Bild von Peter Schmidt auf Pixabay: „Tod des Friedens“

Hier können wir mit Fug und Recht sagen:

Christen bzw. vermeintliche Christen, selbst wenn sie sich als Patriarchen sehen, spielen dem Tod in die Hände!

Es ist – mal wieder – die Pervertierung des Christentums.
Und wäre Christus nicht von den Toten erstanden – er würde sich wohl im Grabe umdrehen!

Die Frage an uns als Christen ist: wie können wir damit leben?! Wie können wir damit leben, dass die Botschaft, das Leiden, der Tod und die Auferstehung Christi so missbraucht werden?!

Mich jedenfalls erschüttert das zutiefst.

Können wir da als Christen heute überzeugend Ostern feiern?
Ich finde zumindest, dass wir es versuchen müssen.

Aber wir sollten es nicht versuchen, wegen des schönen Gefühls und Erinnerungen aus Kindertagen.
Wir sollten es versuchen um Jesu Christi willen.

Als Menschen, die an Jesus Christus glauben und seiner Botschaft noch einen Funken Daseinsberechtigung in dieser Welt geben wollen, müssen wir einen Gegenpart zu einer solchen antichristlichen Haltung und Vernichtungspolitik einnehmen!

Gerade jetzt kommt es darauf an, dass wir uns solidarisieren mit den Menschen, deren Lebensmöglichkeiten und -chancen durch Krieg, Terror und Gewalt bedroht werden.
Jetzt kommt es darauf an, dass wir für das Leben eintreten und auch jenen neue Lebensperspektiven bieten, die ihnen durch den Krieg und anderen Terror genommen werden sollte.

Wenn wir für die Würde und Bewahrung des menschlichen Lebens sind, dann zeigt sich das nicht nur in unserer Haltung zu Abtreibung oder Sterbehilfe, sondern auch bei Situationen, die den Menschen auch zwischen Geburt und Lebensende das Recht auf Leben in Freiheit und Frieden berauben wollen.

Bild von Stefan Keller auf Pixabay

An all die Putins und Kyrills unserer Zeit gerichtet:

Die Osterbotschaft ist keine Botschaft, die ihr zur Rechtfertigung menschenmordender Terrorakte missbrauchen dürft; die Osterbotschaft ist eine Botschaft vom Leben ohne Leid, Krieg und Tod.

Mit eurer Kriegstreiberei steht ihr auf der Seite des Todes!

Kommt endlich auf die Seite des Lebens und des Friedens.




Anstrengend: Frieden

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Nicht jeder, der gegen den Krieg ist, ist für den Frieden. Das sieht man besonders in Kriegszeiten und bestätigt das Wort: „Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg!“ – Die Kunst des Friedens ist anspruchsvoller als das Kriegshandwerk.

Gerd A. Wittka, 17.04.2022




„Willst du mit mir geh’n …?“

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Gedanken zum Palmsonntag

Ich gehöre zu der Generation, die mit Liedern von Daliah Lavi aufgewachsen sind. Eines dieser Lieder trägt den Titel: „Willst du mit mir gehn…?“
Dieses Lied kam mir am heutigen Palmsonntag wieder in den Sinn. Aber wohl auch deshalb, weil das Thema dieses Liedes ein häufiges Thema in meiner Arbeit als Krankenhaus-Seelsorger ist.



In dem Lied bewegt mich, dass Daliah Lavi davon singt, dass es Situationen gibt, wo man kaum noch Worte findet; wo man weiß, dass Worte manchmal sehr wichtig sind, aber Worte zugleich auch nicht alles sind, weil Worte an ihre Grenzen kommen, etwas Tieferes auszudrücken.

Sie merken, wie ich schon jetzt hier in der Kürze um Formulierungen ringe.

Es geht hier nämlich um existentielle und prägende Situationen in Leben von Menschen, die wie Wegmarken sind oder – noch besser – Wegekreuzungen sind, wo das Leben plötzlich eine ganz andere Wendung nimmt.

Solche Situationen können Krankheiten, zumal schwere Krankheiten sein.

Immer wieder erkenne ich, dass Menschen, die einem kranken Menschen nahestehen, ganz plötzlich verunsichert sind:

  • Wie verhalte ich mich jetzt?
  • Woran muss ich denken?
  • Muss ich die erkrankte Person nicht eher in Ruhe lassen?
  • Kann ich noch so unbefangen Witze machen, wie wir sie sonst immer gemacht haben?

Und nicht selten kommt dann noch die eigene Angst dazu, sich selber mit der Krankheit und ihren möglichen Folgen konfrontieren zu lassen.

Es ist das Leben, unter veränderten Vorzeichen

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Spontan schießt mir dabei ein Gedanken in den Kopf: ‚Kranke, auch Schwerstkranke oder sogar Sterbenskranke sind krank und nicht tot!‘ – Deshalb kann es wichtig sein, den Fokus auf das LEBEN zu richten.
Das Leben von Kranken ist manchmal schon eingeschränkt genug; muss ich es da ‚künstlich‘ noch weiter einschränken?
Das hat nichts mit Rücksichtslosigkeit zu tun. Natürlich wird man unter den geänderten Bedingungen auch Rücksicht nehmen müssen: auf körperliche oder geistige Belastungen oder Einschränkungen; nicht jedes Thema wäre in der Krankheit ein passendes Thema; …

Die Spur, die ich legen möchte ist: Achtet auf das Leben! Achtet darauf, dass kranke Menschen nicht noch mehr vom Leben abgeschnitten werden, als sowieso schon durch die Krankheit.

Exkurs:

Ich erinnere mich daran, als mein Vater (ich war ca. 14 Jahre alt) schwer krank war. Seine Krankheit ging mit massiven Persönlichkeitsveränderungen einher und er war sehr sensibel geworden, was vor allem auch 'Lautstärke' angeht und das ganz normal alltägliche Leben.
So stellte sich bei uns die Frage, inwieweit wir unser Leben (mit Schule, Ausbildung, Freizeit, ...) vor ihm 'filtern' müssten, um ihn 'zu schonen'...?
Nach einiger Überlegung sagte uns dann unsere Mutter, dass wir so weiterleben sollen, wie bisher und dass unser Papa nicht von unserem Leben ausgeschlossen werden soll. Er möge weiterhin mitbekommen, was wir so treiben.
Ich habe keine Ahnung, ob dieses die beste Entscheidung gewesen ist? Aber ich weiß, dass wir Papa nicht von unserem Leben ausschließen wollten; denn er war weiterhin unser Papa, auch als kranker und hilfsbedürftiger Vater.

Nicht ausweichen

Der Krankheit nicht auszuweichen und der kranken Person nicht auszuweichen, kann das Wichtigstes und zugleich das Schwerste sein, was wir als Familienangehörige, Freunde, Kollegen und Bekannte tun können.
Dabei dürfen wir uns auch gewahr sein, dass es uns Einiges abverlangt und auch eine Herausforderung werden kann.
Wer aber kranken Menschen menschlich zugetan ist, sollte diesen Gedanken mit einbeziehen.
[Zugleich, und das ist mir an dieser Stelle auch ganz wichtig, müssen wir immer auch für uns selber klären, was wir aushalten und er-tragen können? Es nutzt uns und auch der erkrankten Person wenig, wenn uns das Schicksal anderer Menschen so schwer belastet, dass wir keine Hilfe sein können, keine Weggefährt:innen mehr. Besonders problematisch wird, wenn erkrankte Personen neben ihrer eigenen Krankheit dann auch noch den Eindruck bekommen, sie müssten sich um uns kümmern, weil wir mit deren Situation nicht klar kommen. – Das sollte man vermeiden; und falls das passiert, sich als Zugehöriger woanders Hilfe holen, die es auch gibt.]

Und was hat das mit Palmsonntag zu tun?

Der Palmsonntag führt uns durch eine Zeit in der Kirche, die mit den Worten „Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt“ sehr gut umschrieben werden kann.

Heute der glorreiche, fast schon triumphale Einzug Jesu in Jerusalem und in wenigen Tagen der Karfreitag mit dem Prozess und der Hinrichtung Jesu.
Schon heute ‚wissen‘ wir, wohin der Weg Jesu führen wird bis zum Karsamstag.
Und heute dürfen wir diesen Feiertag feiern, aber es wäre blauäugig, wenn wir das nicht auch im Hinblick auf die folgenden Tage tun würden.
Und ich finde: die großartige Bedeutung des Osterfestes werden wir nur dann erahnen können, wenn wir den Blick für die Zeit zwischen Palmsonntag und Karsamstag nicht verlieren, auch wenn es unbehaglich wird.

Wie wir den Palmsonntag und die nachfolgenden Tage begehen, kann uns auch helfen, unsere Form des Umgangs mit kranken Menschen zu suchen und zu finden, auch und gerade dann, wenn es sich um Schwerstkranke handelt, deren Krankheit unter dem Vorzeichen des nahenden Todes steht.

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Willst du mit mir gehn…?

Mit diesen Worten eines Liedes von Daliah Lavi habe ich meine Gedanken als Krankenhaus-Seelsorger zum Palmsonntag begonnen.

Ich möchte enden mit einem Text der Benediktinerin Sr. Charis Doepgen OSB:

Auf dem Weg nach Jerusalem

mitlaufen oder nachfolgen –
Hosianna-Rufe genügen nicht
auf dem Weg nach Jerusalem
scheiden sich die Geister

Triumph oder Passion –
wer ist morgen noch da
wer noch am Karfreitag
wenn die Richtung eindeutig wird

auch die Getreuen
sind angefochten und schwach –
wer IHM die Stange hält
wird heute einsam

Wo ist mein Platz?
Wo möchte ich heute stehen?

mit freundlicher Genehmigung: Sr. Charis Doepgen OSB, in: TE DEUM, April 2022, S. 105


Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Palmsonntag und eine gute ‚heilige Woche‘.
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