Haben Sie ihn auch, einen ‚Sehnsuchtsort‘, den Ort, an dem Sie so etwas wie ‚Seligkeit‘ erfahren, einen Locus beati?!
Ich finde, jeder Mensch braucht einen solchen Ort und sollte für sich auch einen solchen Ort suchen und finden.
Sehnsuchtsorte sind Orte, an denen ich mich pudelwohl und geborgen fühlen kann. Hier kann ich pausieren und neue Kraft tanken. Hier kann ich Erinnerungen schweifen lassen.
Wie ein solcher Ort beschaffen sein muss, dass muss jeder Mensch für sich herausfinden.
Ich habe meinen Sehnsuchtsort gefunden. Eigentlich ist er einer von mehreren, aber einer, der buchstäblich naheliegend ist: mein Balkon.
Hier finde ich meine Ruhe, hier spüre ich die Seele der Natur und der Schöpfung und fühle mich meinem Schöpfer sehr nahe. Hier ist der Ort, wo ich oft meine Gebete halte und dabei dem Singen der Vögel und dem Rauschen des Windes lauschen kann.
Haben Sie auch solche Sehnsuchtsorte, solche Orte, wo Sie sich selig fühlen? Ich würde mich über ihre Gedanken freuen.
Sturm und Feuer
Jahrhundertsommer 2018. Weite Teile Deutschlands sind von brütender Hitze gefangen. Die Felder dörren total aus, Regen wäre bitter nötig. Die Waldbrandgefahr in Wäldern ist auf höchster Stufe ausgerufen. Das Rauchen am und im Wald sowie Lagerfeuer und Grillen sind strengstens verboten. Doch dann fliegt er, diese eine Funke, der das Feuer entzündet. Lichterloh schlagen die Feuerzungen gen Himmel, eine Rauchsäule ist kilometerweit zu sehen. In Ostdeutschland brennt ein Wald. Fast zeitgleich wüten gigantische Waldbrände in Kalifornien. Menschen verlassen ihr zuhause – manche zu spät und kommen in den Flammen um. Die Luftzirkulation, die durch die Hitze entfacht wird, verstärkt die Winde, die das Feuer über riesige Wald- und Steppenflächen treibt.
Hier wie dort, sind die Menschen in Angst und Schrecken, fürchten um ihr nacktes Überleben. Ihr bis dahin sicher geglaubtes Leben wird nun existentiell bedroht.
Am letzten Montag dann die Unwetterwarnung für unsere Stadt: heftigste Gewitter und Unwetter mit Starkregen, Hagel und Sturm. Ich denke: jetzt muss ich doch wieder um die Pflanzen auf meinen Balkon bangen und hoffe, dass der Sturm nicht wieder alles durcheinander wirbelt. Im letzten Jahr fiel ein großer Baum direkt vor unserem Haus, aber – Gott sei Dank – weder auf das Haus noch auf Passanten.
Jemand sagte mir am Mittwoch: „Bei dem Gewitter in der Nacht von Montag auf Dienstag habe ich es schon etwas mit der Angst bekommen.“
Angst hatten auch die Jüngerinnen und Jünger Jesu, als sie sich nach der Himmelfahrt Jesu in das Obergemach zurückzogen und sich verbarrikadierten. Sie hatten Angst, auch Angst um ihr Leben und dass die Juden ihnen nach dem Leben trachten könnten, jetzt, da ihr Herr nicht mehr unter ihnen war. Und sie beteten. Sie taten es so, wie der Herr ihnen aufgetragen hatten. Aber: sie hatten Angst.
Und dann geschah dieses unglaubliche Ereignis, das die Apostelgeschichte umschreibt mit den Bildern von Feuerzungen und Sturmesbraus.
Gelesen hört sich das so harmlos an. Und auch so manche Bilder von Pfingsten, wo die Christengemeinde einmütig zusammensteht und über ihnen die Feuerzungen zu sehen sind – geradezu idyllisch.
Aber, liebe Schwestern und Brüder, ich ahne mehr und mehr, dass dem nicht so war.
So, wie sich Menschen im letzten Jahr vor dem Feuer und dem Sturm fürchteten und Angst um ihr Leben haben mussten, so kann auch das Wirken des Heiligen Geistes bedrohlich und zerstörerisch empfunden werden.
Ich glaube, wir tun gut daran, das Pfingstereignis damals – und auch heute – nicht als ein harmloses Geschehen zu betrachten.
Auch heute leben wir in einer Zeit und in einer Kirche, wo es zu massiven Auseinandersetzungen kommt. Es bilden sich Lager, die sich offenbar oder vermeintlich gegenüber stehen.
Manche befürchten gar eine Kirchenspaltung. Und so dreschen welche aus dem konservativ-traditionalistischem Lage auf jene ein, die Kritik üben und sich das selbständige Denken nicht verbieten lassen wollen.
Auch hier zeigt sich Angst. Und in diese Angst hinein will der Heilige Geist heute zu uns kommen. Aber zuerst nicht beschwichtigend und beruhigend, sondern auch hier und heute kann es richtig rund gehen in unserer Kirche, wenn der Sturm des Heiligen Geistes Bestehendes durcheinander wirbelt und wenn die Feuersglut des Heiligen Geistes von Menschen Erbautes niederbrennt. Ich persönlich mache mich schon lange darauf gefasst, dass wir mittendrin sind in einer stürmischen Zeit. Und ich hoffe darauf, dass sich in diesem Sturm – der sich durchaus auch auf manche von uns beängstigend auswirkt – der Heilige Geist selber am Werk ist.
Vielleicht zerstört der Heilige Geist sogar unsere ganzen bisherigen Sicherheiten und Zufluchtsorte und drängt uns, das sichere Umfeld zu verlassen und hinaus zu gehen, in die Welt, in die Sorgenwelten der Menschen, in die Angst und Not dieser Zeit.
Vielleicht ist es gerade das stürmische Wirken des Heiligen Geistes, das uns eine neue, eine andere Sprache, finden lässt in dieser Welt und für diese Welt.
Denn das ist für mich das Tröstliche des heutigen Tages: Feuer und Sturm können als Bedrohung erfahren werden, aber sie setzen etwas frei – Energie und Engagement. Sie setzen in uns Fähigkeiten frei, die wir bislang zu wenig oder gar nicht mehr genutzt haben, nämlich zum Beispiel, wieder zu lernen, die Sprache der Menschen um uns herum zu sprechen und nicht in unserem kirchlichen Jargon zu bleiben, den – außer uns – sowieso keiner mehr versteht.
Das Tröstliche für mich ist, dass diese neue Sprache offenbar von den Menschen verstanden wird und sie selbst am meisten darüber erstaunt sind, dass sie uns (wieder) verstehen! Denn: geglaubt haben sie es eigentlich nimmer mehr, dass die Christen in der heutigen Zeit der Welt noch etwas mitzuteilen und zu geben haben.
Tröstlich für mich ist auch, dass aus einer bedrohlichen Kraft die Menschen spüren, dass dahinter etwas sehr Konstruktives und Kreatives steckt, nämlich die Schöpferkraft des Heiligen Geistes.
Ich wünsche uns allen, dass wir uns von dieser Kraft des Heiligen Geistes vertrauensvoll anstecken lassen und darauf vertrauen, dass das Pfingstereignis damals in Jerusalem kein einmaliges Pfingstwunder war. Es kann und – daran glaube ich ganz fest – es wird auch heute in unserer Zeit wieder geschehen. Lassen wir es zu und hindern wir den Heiligen Geist nicht, das göttliche Werk zu vollenden.
Genug Genossen genossen!
Gestern stand die SPD noch am Abgrund – heute ist sie schon einen Schritt weiter … im freien Fall.
Ja, es mag beim ersten Blick zynisch ausschauen, aber dem ist nicht so; ich sehe mit Sorge die Entwicklung dieser deutschen Partei, die einen wesentlichen wichtigen Beitrag für die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland geleistet hat. Vieles, was unser heutiges freies, soziales und demokratisches Deutschland ausmacht, haben wir – ohne Zweifel – auch der SPD zu verdanken.
Dass Andrea Nahles am morgigen Montag ihren Rücktritt als Fraktions- und Parteivorsitzende erklären wird, war nach den vergangenen Tagen zu erwarten und wundert mich nun wirklich nicht.
Aber wieviele Parteivorsitzende hat die SPD schon in den letzten Jahren buchstäblich verschlissen? Muss das die Partei nicht nachdenklich machen?
Mir steht es nicht zu, mögliche Gründe zu benennen, doch in der SPD müsste es jetzt eigentlich von der Basis bis zur Spitze hoch her gehen. Ich denke jetzt nicht an eine geistlose Hektik; nur: die öffentliche Diskussion um die politische Richtung der SPD dürfte beherzter und radikaler geführt werden.
Nötige innerparteiliche offene Wahrhaftigkeit?
Wenn ich in Beziehungsprozessen involviert bin, wo man miteinander ringt und nicht so recht weiterkommt, dann stellt sich irgendwann die Frage, ob das gemeinsame Ringen geprägt ist von:
Offenheit
Wahrhaftigkeit
Ehrlichkeit?
Findet sich diese in der SPD wider? Wenn ja, müsste dann der öffentliche Diskurs nicht streitbarer sein? Die SPD war eine Partei, die immer im linken Parteienspektrum angesiedelt war und deren wichtigsten Themen
Arbeitsmarktpolitik
soziale Gerechtigkeit und sozialer Friede
Gesundheit und Wohlstand für alle
Menschenrechtspolitik
… waren.
Wo findet heute die öffentliche Auseinandersetzung über solche Themen innerhalb und außerhalb der SPDin aller Deutlichkeit statt? Die SPD hätte jetzt noch die Chance, das Ruder herum zu reißen, auch wenn dies bedeuten würde, deutlicher auf Konfrontation mit der Union zu gehen.
Erfolge – unsichtbar
Die SPD kann auch in dieser GroKo einige wichtige Erfolge für sich verbuchen. Nur: sie schlagen in der öffentlichen Wahrnehmung kaum durch? Warum? Vielleicht auch deshalb, weil die SPD sich in dieser Beziehung schlecht verkauft und zu wenig auch die öffentliche Konfrontation sucht?
Neue Themen
Für die SPD wird es aber wichtig sein, neue Themen nach vorne zu bringen. Sie muss Abstand von der Haltung gewinnen, ökologischer Fortschritt wäre naturgemäß eine Bedrohung für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Empirische Studien beweisen, dass dies gerade nicht der Fall ist. Es könnte auch ein Zeichen einer modernen sozialdemokratischen Partei sein, sich offener mit den Starken und Mächtigen in Wirtschaft und Politik anzulegen, damit die SPD wieder deutlicher Konturen bekommt.
Ich wünsche es der SPD und Deutschland von Herzen.
Welttag der geistlichen Berufe – Predigt
Bayerischer Rundfunk – Meldung: 08.05.2019, 15:26 Uhr „Papst: Keine schnelle Entscheidung beim Diakonat der Frau Eine schnelle Entscheidung zur Einführung eines Frauendiakonats in der Katholischen Kirche wird es so bald nicht geben. Das bestätigte Franziskus auf dem Rückflug von seiner dreitägigen Balkan-Reise gegenüber mitreisenden Journalisten. Die von ihm eingesetzte Kommission, die seit zweieinhalb Jahren den kirchengeschichtlichen Hintergrund aufklären sollte, habe ihre Arbeit beendet, sei aber nicht in allen wichtigen Punkten zu einer einheitlichen Sichtweise gekommen….“ (zitiert nach: https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/papst-katholische-frauen-werden-nicht-so-bald-diakonin,RPrXJi4 )
Liebe Schwestern und Brüder,
ich sehe schon wieder die enttäuschten Gesichter derer vor mir, die sich möglichst schnell und kurzfristig eine Entscheidung des Papstes für das Diakonenamt der Frau in unserer Kirche gewünscht hätten.
Die Frage nach der Zulassung zum Weiheamt in unserer Kirche wird seit Jahrzehnten diskutiert und hat durch das „Basta“ von Papst Johannes Paul II. nur eine kurzfristige Abschwächung erlebt. Aber in den letzten Monaten brandet dieses Diskussion wieder auf. Und selbst Bischöfe kommen aus ihren Büschen und wagen vorsichtig zustimmende Äußerungen in den Fragen, sei es die Zulassung von verheirateten Männern zum Priesteramt oder die Abschaffung des Pflicht-Zölibates oder die Zulassung der Frauen zu Diakonen- und sogar Priesteramt.
Und ja, ich wäre einer der Ersten mit, der sich über Veränderungen in diesem Bereich freuen würde. Ich würde mich über verheiratete Priester genauso freuen wie über Frauen im Diakoninnen- und Priesterinnen-Amt. Ich bin aber nicht dafür, nur weil wir „so wenig Priesternachwuchs“ haben.
Diese „5.-Rad-am-Wagen-Mentalität“ in unserer Kirche muss aufhören. Das habe ich schon damals kritisiert, als es um die Frage der Messdienerinnen ging und das kritisiere ich auch heute wieder.
Was ist das für eine Haltung?! – Damit wird keine grundsätzliche Wertschätzung zum Ausdruck gebracht!
Apropos ‚Wertschätzung‘! Die Frage nach der mangelnden Wertschätzung dürfen wir auch für andere kirchlichen Ämter in den Blick nehmen. Noch immer gilt der Dienst eines Priesters – sei es bei Taufe, Trauung oder Beerdigung – mehr als der Dienst eines Diakons oder einer Gemeindereferentin oder eines Pastoralreferenten.
Noch immer gibt es Menschen, die die Kommunion in der Eucharistie lieber ‚aus der Hand eines Priesters‘ als aus der Hand einer Kommunionhelferin empfangen. Da muss man sich doch an den Kopf fassen: Geht es etwa um meine – diese – Hände hier? Oder geht es um den Herrn, der in der Form des geweihten Brotes uns allen in die Hände gegeben wird und der zu uns allen gleichermaßen kommen will?!
Wir können also nicht nur eine mangelnde Wertschätzung ‚von oben‘ sondern auch ‚von unten‘ erkennen und beklagen.
Dabei gibt es so viele gute und kompetente Kolleginnen und Kollegen in den verschiedensten Diensten und kirchlichen Berufen, deren Einsatz ich nicht missen möchte, die ich sehr schätze und die ich als eine unschätzbare Bereicherung empfinde. Aber die Frage nach den Zulassung zu den Weihämtern oder die Frage, welche Aufgaben auch Kolleginnen und Kollegen im Verkündigungsdienst ohne Weihe übernehmen können, ist doch nicht alles entscheidend.
Ich denke da an so manche Situation, in der jemand beklagte, dass die Zahlen der Priester immer weiter zurück gehe. Im Gegenzug frage ich dann meistens: „Wieviele Priester sind denn aus Ihrer Familie hervorgegangen?“ oder: „Welcher Ihrer Söhne interessiert sich denn für den Priesterberuf?“
Sie können es sich denken: da ist dann meistens Schweigen-im-Walde!
Und genau das ist es, was mich seit Jahren umtreibt: Wie sieht es bei uns in der Gemeinde, in der Pfarrei aus mit der Atmosphäre, in der geistliche Berufungen wachsen, gefördert und erkannt werden können?
Wie sieht es damit aus, zu begreifen, unter welchen erschwerten Bedingungen heute sich jemand zum priesterlichen Dienst entscheiden muss?
Vor fünfundzwanzig Jahren, als ich zum Priester geweiht wurde, sahen meine Perspektiven noch ganz anders aus. Hätte ich damals gewusst, was heute auf mich und uns allen im Verkündigungsdienst zugekommen ist, ich hätte meine Entscheidung von ganz anderen Faktoren und Überlegungen abhängig machen müssen. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht wieder dazu entschieden hätte.
Heute glaube ich; ich hätte mich wieder dazu entschieden.
Und ich möchte Ihnen auch sagen warum: • Nicht, weil die Kirche ein so toller Arbeitgeber ist; • nicht, weil es mir die Menschen in den verschiedenen Gemeinden immer so leicht gemacht haben (wobei es viele gab, die mich gestärkt haben), …
… sondern allein weil ich damals eine Berufung von Christus her gespürt habe und von der ich mich auch heute – mal mehr und mal weniger – getragen fühle.
Heute, am Weltgebetstag um geistliche Berufungen, geht es für mich allein um die entscheidende Frage:
Wo und wie können Menschen heute noch gefördert, ermutigt und bestärkt werden, eine echte, lebendige, tiefgreifende Christusfreundschaft zu entwickeln?
Und allein daraus, wird dann der oder die Einzelne für sich erkennen, wohin ihr/sein Weg geht und wozu er/sie berufen ist:
ob zum Dienst in einem Weiheamt oder
zu einem Leben im Orden oder
zum Verkündigungsdienst ohne Weihe
aber auch
zu einem ehrenamtlichen Dienst der Verkündigung und der Gemeindeleitung und nicht zuletzt auch
zu einem Leben in einer christlichen Partnerschaft oder Familie.
Eine liebe Kollegin, eine Gemeindereferentin in der Krankenhaus-Seelsorge, hat in einem geistlichen Wort zu den Pfarrnachrichten ihrer Pfarrei an diesem Sonntag geschrieben:
„Es gilt, füreinander zu sorgen und beim Anderen Fähigkeiten und Talente zu entdecken. In unserem Alltag mit Hektik und Lärm fällt es uns nicht immer leicht, Christus und seinen Ruf zu vernehmen. Eher in der Stille sind wir empfänglich für die Frage: Was ist der Ruf an mich? Die Berufung des Menschen ist ein Geheimnis, das in der Tiefe seiner Person verborgen ist. Jugendliche und Kinder und auch wir Erwachsene brauchen Offenheit und Vertrauen und sogenannte Türöffner, die uns zum Beispiel in einem Gespräch helfen, den Sinn und die uns gestellte Lebensaufgabe (neu) zu entdecken, die Aufgabe, die uns „voll macht“, damit wir „Leben in Fülle“ haben.“ (aus: Dorothea Bertz, Ruf- Beruf – Berufung, Pfarrnachrichten St. Marien, Oberhausen, Nr. 9/2019 vom 12.05.2019)
Sie hat – meiner Meinung nach – so Recht!
Friedensprojekt: EUROPA
In vierzehn Tagen, am 26. Mai 2019, sind wir als deutsche EuropäerInnen aufgefordert, ein neues Europaparlament zu wählen. Nach Jahrhunderten, in denen Katastrophen, Kriege, Bürgerkriege und menschenverachtende Ideologien und Regime auf diesem Kontinent gewütet haben, entstand die Idee des Friedensprojektes ‚EUROPA‘.
Als 56-jähriger Mann habe ich an der ‚Gnade der späten Geburt‘ Anteil und lebe seit meiner Geburt in relativ sicheren politischen und sozialen Verhältnissen.
Als geschichtsinteressierter Mensch weiß ich, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Und dafür bin ich dankbar!
Friede fällt nicht vom Himmel, sondern ist immer auch auf unsere Initiative angewiesen.
Als glaubender Mensch verlasse ich mich dabei aber nicht allein auf unsere menschlichen Fähigkeiten, sondern auch auf das Wirken des Heiligen Geistes in dieser Welt.
Vor 14 Jahren hat Kardinal Martini zum 26. Mai 2005 ein „Gebet für Europa“ verfasst, das mir in diesen Tagen besonders am Herzen liegt:
Vater der Menschheit, Herr der Geschichte, Sieh auf diesen Kontinent, dem du die Philosophen, die Gesetzgeber und die Weisen gesandt hast, Vorläufer des Glaubens an deinen Sohn, der gestorben und wieder auferstanden ist.
Sieh auf diese Völker, denen das Evangelium verkündet wurde, durch Petrus und durch Paulus, durch die Propheten, durch die Mönche und die Heiligen. Sieh auf diese Landschaften, getränkt mit dem Blut der Märtyrer, berührt durch die Stimme der Reformatoren. Sieh auf diese Völker, durch vielerlei Bande miteinander verbunden, und getrennt durch den Hass und den Krieg.
Gib uns, dass wir uns einsetzen
für ein Europa des Geistes,
das nicht nur auf Wirtschaftsverträgen gegründet ist,
sondern auch auf Menschlichkeit und ewigen Werten:
Ein Europa, fähig zur Versöhnung,
zwischen Völkern, Kirchen und Religionen,
bereit um den Fremden aufzunehmen,
respektvoll gegenüber jedweder Würde.
Gib uns, dass wir voll Vertrauen unsere Aufgabe annehmen,
jenes Bündnis zwischen den Völkern zu unterstützen und zu fördern,
durch das allen Kontinenten zuteilwerden möge
die Gerechtigkeit und das Brot,
die Freiheit und der Frieden.
(nach Kardinal Martini, ursprünglich verfasst zum 26. Mai 2005)
Man stelle sich folgende Situation vor: In einer Ehe, einer Partnerschaft oder Beziehung fragt der eine Teil den anderen: „Liebst du mich?!“
Diese Frage würde aufhorchen lassen. Würde diese Frage abgewandelt: „Liebst du mich überhaupt noch?“, dann könnte es sein, dass die gefragte Person schon mal die Kontaktdaten eine Ehe- oder Beziehungsberatungsstelle heraussucht. Ähnliches gilt sicherlich auch für Freundschaften oder für andere sehr vertraute Beziehungen.
„Liebst du mich?“ – „Bin ich immer noch dein (bester) Freund/deine (beste) Freundin?“
Wer solche Frage dann gleich dreimal gestellt bekommt, dessen Gefühle werden wohl beginnen Achterbahn zu fahren
Fragen stellen sich in den Raum:
Kriselt es in unserer Beziehung?
Habe ich was falsch gemacht?
Was habe ich falsch gemacht?
Werde ich dem/der anderen nicht mehr gerecht?
…
und damit können auch Gefühle verbunden sein:
Unsicherheit
Hilflosigkeit
Traurigkeit
vielleicht sogar Ärger und Wut.
Fragen in einer Beziehung zu stellen, die die Beziehung betreffen, sind immer gefährlich; gefährlich deshalb, weil sie Missverständnissen Tür und Tor öffnen können.
Mit solchen Fragen sollte man deshalb behutsam umgehen und sich sorgfältig überlegen, in welchem Setting, in welcher Situation, man solche Fragen stellt.
Kein Wunder, dass die dreimalige Frage Jesu an Petrus: „Liebst du mich?“ ihn ‚traurig‘ gemacht hat, wie es in der Schriftstelle heißt.
Kann Jesus sich denn nicht denken, dass er (Petrus) ihn liebt?Was mir auffällt, ist, dass Jesus und Petrus in ihrer Beziehung so unkompliziert von „Liebe“ sprechen können.
Wir haben uns daran gewöhnt, dass in den biblischen Texten Jesus von Liebe spricht, wenn er über seine Beziehung zu den Jüngerinnen und Jüngern redet.
In unseren eigenen Beziehungen verwenden wir den Begriff ‚Liebe‘ doch nur sehr exklusiv: wir können sagen dass wir unsere PartnerIn lieben, vielleicht auch noch unsere Eltern und Großeltern oder unsere Geschwister.
Aber können wir auch bei den anderen Menschen in unserem Leben, zu denen wir ein vertrauliches Verhältnis haben, von „Liebe“ sprechen?
(Sie können ja mal ein Experiment machen, in dem Sie Ihrer Freundin oder Ihrem Freund sagen, dass sie sie/ihn lieben. Es könnte zu überraschenden oder irritierenden Reaktionen kommen. Warum?)
Ich denke, dass fällt uns eher schwer, weil das in unserer Kultur so nicht üblich ist.
In der Kultur Jesu und auch parallel dazu in der antiken römischen Kultur hatte man damit aber keine Probleme.
Der antike Schriftsteller Cicero hat sich zu diesem Thema in seiner Schrift „Laelius de amicitia“ ausgelassen. Darin beschreibt er unter anderem das Wesen der Freundschaft. Das lateinische Wort „amicitia“ beinhaltet den Wortstamm „amare“ der „lieben“ bedeutet.
Der Alte Lateiner kannte also noch ganz selbstverständlich den Zusammenhang von „Freundschaft und Liebe“
Warum ich das so weit ausführe? Weil ich deutlich machen möchte, dass die selbstverständliche Rede in der Bibel für unseren Alltag heute gar nicht so selbstverständlich ist und daher die Quelle von Missverständnissen sein kann.
Wenn Jesus also im Evangelium Petrus heute fragt: „Liebst du mich?“, dann will er den Kern dieser Freundschaft in den Blick nehmen; das, was diese Beziehung prägt und auch zusammenhält.
Und ja, er geht damit ans Eingemachte!
Warum? Weil Jesus vielleicht ahnt, dass die Beziehung zwischen ihm und Petrus Einiges wird aushalten müssen, wenn sie nicht zerbrechen will?
Vielleicht, weil er Petrus genau darauf mental vorbereiten will?
Diese Frage ist also nicht so sehr eine Vergewisserung für Jesus, sondern eine Selbstvergewisserung für Petrus?
Und so gesehen dürfen wir uns selbst von Jesus auch immer wieder diese Frage stellen lassen, ohne unsicher oder traurig zu werden.
Auch unsere Beziehung zu Jesus Christus wird immer wieder herausgefordert werden.
Sie kann zur Belastung werden, wenn die Botschaft Christi für unser konkretes Leben unbequem wird.
Sie kann nur Belastung werden, wenn wir hoffen, auf Christus ganz und gar vertrauen zu können, aber Zeiten der Zweifel auftreten.
Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, dieser Frage, der die frohe und schöne Seite unserer Christus-Beziehung in den Blick nimmt.
Wenn Menschen sich wichtig sind, dann – hoffe ich – dass sie sich immer wieder gegenseitig sagen können, dass sie sich lieben.
Dieses Liebesbekenntnis ist nicht nur wichtig für den Teil, dem dieses Bekenntnis gesagt wird.
Es ist mindestens genau so wichtig für den selber, der es sagt.
Denn indem wir jemand anderem sagen können: • dass er oder sie unser tiefstes Vertrauen genießt, • dass wir ihn oder ihr einen ganz besonderen Platz in unserem Leben geben, • dass ohne ihn oder sie unser Leben nur halb so schön und lebenswert ist • dass er oder sie tiefe Freude und Lebenslust weckt,
hat das auch eine tiefgreifende Wirkung auf jenen, der das Bekenntnis abgibt.
Dann kann dieser Mensch mit tiefer Freude und Stolz erfüllt werden, dass es für ihn diesen Menschen gibt.
Und aus dieser Freude und diesem Stolz erwächst auch Kraft und Motivation für das eigene Leben. So kann die Frage Jesu an Petrus auch verstanden werden: Jesus möchte Petrus helfen, sich seiner Freude und Stärke bewusst zu werden, die für ihn selbst aus der Liebesbeziehung zu Jesus Christus entspringt.
Liebe Schwestern und Brüder, ich wünsche uns für unser Leben, dass wir alle solche erfüllenden Liebesbeziehungen finden, ob bei Partnerinnen und Partnern, ob bei Eltern und Geschwistern oder bei vertrauten Freunden und Freundinnen.
Und ich wünsche uns, dass wir alle auch dieses in unserer Liebesbeziehung zu Jesus Christus finden.