Kalter Stein …

auf der Brust



Manchmal, da bekomme ich es auch mit der Angst zu tun.
Wer kennt das nicht?

Manchmal bringen mich Umstände aus der Fassung, geben mir das Gefühl, einer Situation ausgeliefert zu sein.

Manchmal versagt meine Strategie, die Zügel in der Hand zu halten, eine Situation als berechenbar zu empfinden.
Manchmal habe ich das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren und ohnmächtig zu sein gegenüber Zuständen und Situationen, die mich betreffen.

Und dann bekomme ich sie zu spüren, diese innere Unruhe, wie ein bebendes Kribbeln in meinem ganzen Körper.
Und sie schlägt mir auf Magen und Darm, dann habe keinen Appetit.

Manchmal würde ich mich verkriechen, doch auch dort ist diese Angst und Unruhe, der ich nicht ausweichen kann, als würde sie an mir kleben!

Ich hasse dieses Gefühl.
Ich hasse es, mich hilflos und ausgeliefert zu fühlen.
Ich hasse es, meine innere Stabilität und mein Ausgeglichenheit zu verlieren.

Und dann dieses bedrückende Gefühl auf der Brust, wie ein kalter Stein, der auf meiner nackten Brust liegt, sich hineindrückt Richtung Herz.

Das macht mich dann irgendwie kirre.

Vor einige Zeit fand ich diesen Stein am Strand. Ich nahm ihn auf und legte ihn in meine Hand …

(c) Gerd A. Wittka, 2024

Und wie ich ihn so in der Hand halte, merke ich auf einmal, dass er genau in meine Handinnenfläche passt, wie eine PC-Mouse, wie für MICH gemacht.
Da erinnerte ich mich an das Gefühl von dem kalten Stein auf meiner Brust und dieser Strandstein wurde für mich zum Symbol, dass ich diesen Stein in die Hand nehmen kann, ihn umfassen kann, ihn und meine Ängste ‚händeln‘ kann …

(c) Gerd A. Wittka, 2024

… dann verliert das Gefühl des ‚kalten Steins auf meiner Brust‘ seine Bedrohung für mich …

(c) Gerd A. Wittka, 2024

Seitdem begleitet er mich und irgendwie ist es gut für mich, dass es ihn gibt.


Übrigens:

Wenn die Ängste wieder im mir hoch steigen, versuche ich im Neuen Testament zu lesen, meine Aufmerksamkeit auf Gott und seine liebende Gegenwart zu lenken.
Ich bitte ihn dann, dass ER mich und meine Ängste annimmt, dass ER mich in der Angst und durch die Angst trägt.
Es klappt nicht immer sofort; ich brauche dafür Ausdauer und Geduld, Geduld, die manchmal auf eine große Probe gestellt wird.

Aber bis jetzt habe ich – wenn auch nach vielen Stunden – die bedrohliche Angst überwunden und meine innere Mitte gefunden.

Was hilft dir, mit deinen Ängsten besser umzugehen? Welche Strategien hast du? Auf welche Ressourcen kannst du zurück greifen?
Schreibe es gerne als Kommentar!




Das Geschäft „Angst“

Populisten, insbesondere die Rechtspopulisten, zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein ‚Geschäft mit der Angst betreiben‘.

Bild von Azmi Talib auf Pixabay



Die Strategie von Rechtspopulisten und Faschisten ist, dass sie Ängste generieren, die gar nicht objektiv begründet sind.
Und sie begründen sie auch nicht!
Das kann man sehr leicht feststellen, wenn man ihre Texte, wie z.B. Wahlprogramme liest.
Da werden unsachliche Begriffe wie „Gendergaga“ benutzt und auch keine echten und belastbaren Fakten präsentiert.
Stattdessen gibt es pauschale und unbewiesene Behauptungen, die von den Anhänger:innen noch nicht einmal hinterfragt werden.
Ihnen reicht ein Gefühl.

Populisten schüren Ängste!

Dabei weiß jeder halbwegs gescheite Mensch, dass Gefühle das eine und zugleich eine starke Macht sind.
Aber durch kritische (Selbst-)Reflexion könne man auch erkennen, dass Gefühle nicht immer begründet sind.
Das ist z.B. sehr oft beim ‚Gefühl der Angst‘ der Fall.

Eine einfachste Übung wäre es, sich zu fragen, was wirklich passieren würde, wenn das, was unsere Ängste uns einflößen, wirklich eintreten würde?
Spätestens dann müsste man sich mit Fakten beschäftigen.
Und so zeigen z.B. die Fakten, dass in den Bundesländern, wo die AfD Zulauf hat wegen einer vermeintlichen Migrationsfrage, es tatsächlich und faktisch die wenigsten Migrant:innen prozentual und absolut gibt.
Die ‚Angst vor Überfremdung‘, wie sie also oft genannt wird, ist faktisch nicht begründet.
Gleiches gilt vor der vermeintlichen Gewaltzunahme durch Menschen mit Migrationshintergrund oder durch Menschen auf der Flucht. Auch da zeigen Fakten, dass dem nicht der Fall ist.
Doch dann kommt das nächste Problem mit den Populisten: sie lassen Fakten nicht gelten, sondern vertreten dann lieber die Meinung, dass diese Fakten manipuliert seien ( -> Verschwörungstheorie ).

Und solchen Menschen ist argumentativ selten beizukommen, weil sie auch noch Angst vor der Wahrheit haben.


Quellen:

Faktencheck: Vorurteile gegen Flüchtlinge auf dem Prüfstand (uno-fluechtlingshilfe.de)




„Fürchte dich nicht …“

Hund vor Wasserwand, Bild von Ulrike Mai auf Pixabay

Schau dir einmal einen Augenblick dieses Bild an: ‚Hund vor Wasserwand‘.



Wir können nüchtern und sachlich dieses Bild betrachten: ein Hund, vielleicht sogar ein wasserliebender Retriever, am Strand … eine Szene, die man hin und wieder selber am Strand beobachten kann.

Wir können es auch emotional auf uns wirken lassen.

Ich denke, bei vielen wird dieses Bild bedrohlich wirken: Was kommt da auf den Hund zu? Die Wand wirkt bedrohlich, größer als der Hund. Wird sie ihm gefährlich werden?

Und wenn wir dieses Bild als Symbol unseres eigenen Lebens verstehen, dann wissen wir, dass es auch bei uns Situationen geben kann, die auf uns zukommen; die größer zu sein scheinen, als wir selbst; wo wir also über uns ‚hinauswachsen‘ müssten, um uns der Situation mutig, vielleicht sogar gelassen stellen zu können.

Wenn du magst, frage dich einen Augenblick selber, welche Situationen oder Zukunftserwartungen das bei dir sind? Was erscheint für dich ‚bedrohlich‘ oder verbindest du mit Gefühlen und Gedanken der Furcht? …

Das eigene Sterben, der eigene Tod …

Spätestens dann, wenn wir uns Gedanken über das eigene Sterben und den eigenen Tod machen, weichen Menschen zurück und blenden dieses Thema aus. Oft auch, weil es wirklich mit Furcht und Bedrohung verbunden ist. Die Angst vor dem eigenen Sterben kann lähmend sein.

Auch ich fühle mich nicht wohl in meiner eigenen Haut, wenn ich über das eigene Sterben nachdenke.
Viel zu lebenswert erscheint mir mein Leben und manchmal denke ich: es sollte nie zuende gehen.

Ja, natürlich weiß ich, dass auch mein Leben enden wird.
Es gibt keinen Menschen, der ewig lebt; auch wenn wir von der ‚ewigen Königin‘ Queen Elizabeth II. sprechen, die in diesen Tagen gestorben ist. Manche Menschen, z.B. die meiner Generation, können sich das Leben ohne sie nicht vorstellen, weil es sie gefühlt schon immer gegeben hat.

Sterbende begleiten kann helfen …

In meiner Tätigkeit als Krankenhaus-Seelsorger habe ich einen gewissen ‚Vorteil‘: immer wieder darf ich sterbende Menschen begleiten.
Erst vor einigen Tagen durfte ich einer Person die Krankensalbung spenden, die sich in der Sterbephase befand, selber nicht mehr sprechen konnte, aber ansprechbar war und durch Kopfbewegungen Zustimmung oder Verneinung signalisieren konnte.

So kam eine sehr interessante Kommunikation zwischen uns zustande (von Gespräch im klassischen Sinne kann man hier nicht sprechen); aber es war deshalb nicht weniger intensiv und kommunikativ. Es kam nur darauf an, wie ich Impulse gesetzt oder Fragen gestellt haben, die es der Person ermöglichten, eine klare Äußerung durch ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ zu signalisieren.

In diesem Dialog kam dann auch das Thema auf ihr eigenes Sterben und es wurde sehr schnell klar, dass diese Person sterben wollte. Sie konnte mir unmissverständlich klarmachen, dass es für sie eigentlich nur diese eine Richtung gab, die sie sich wünschte: möglichst bald und gut sterben zu dürfen.

Für mich gibt es in solchen Begegnungen immer eine gewisse Spannung, und zwar zwischen den überzeugenden und eindeutigen Äußerungen meines Gegenübers, jetzt bereit zu sein zu sterben und meine eigene Verfassung, die noch gar nicht bereit ist, zu sterben.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Erstaunlicherweise betrübt mich aber gar nicht diese Spannung. Vielmehr höre ich von sterbenden Menschen, die sich so sehr den Übergang in die andere Welt wünschen, ihre Botschaft an mich:

Wenn es so weit ist, dann fällt es nicht schwer!

Das ist dann für mich immer sehr faszinierend und zugleich entlastend.
Sterbende Menschen zu begleiten ist dann für mich keine BE-lastung sondern – im Hinblick auf meine eigenen Fragen und Gedanken ans Sterben – oft eine ENT-lastung.

Außenstehende verstehen das oft nicht, weil sie eher der Meinung sind, immer wieder mit dem Sterben anderer Menschen konfrontiert zu sein, würde mein Leben verdunkeln und mich seelisch belasten.

Natürlich spüre ich in solchen Begegnungen auch alles das, was mit Abschied und Trauer in Verbindung gebracht wird. Aber da ich auch da der Überzeugung bin, dass Abschied und Trauer erlernt und überlebt werden kann, sind solche Situationen für mich zwar sehr dichte Situationen, aber deshalb nicht automatisch deprimierend. Auch wenn ich weiß, dass es wirklich fürchterliche Sterbesituationen gibt, die sich jede/r von uns selber vorstellen kann und auf die ich hier nicht sonderlich eingehen muss.

Mir geht es heute nur darum, dass mich sterbende Menschen, die ich begleiten darf, mir selber oft etwas lehren: nämlich, dass das Sterben nicht immer schwer und manchmal sogar recht leicht ist.

Darauf will ich dann hoffen, wenn ich mir selber Gedanken über das eigene Sterben mache.


Gerne lade ich dich ein, mir deine Gedanken mitzuteilen. Und vielleicht kann ich im direkten Austausch ja noch etwas verdeutlichen oder erklären.




Ein für alle mal! – Botschaft für die Zweifler und Skeptiker

Schriftstelle: https://www.bibleserver.com/EU/Hebr%C3%A4er10%2C11-14.18

Vor einigen Wochen habe ich von den religiösen und geistlichen Skrupulanten gesprochen.

Heute wendet sich der Hebräerbrief an eine andere Personengruppe unter den Christinnen und Christen, die eigentlich auch nicht so richtig glücklich mit ihrem Glauben werden.

Ich meine die Skeptiker und Zweifler.
Hier besonders jene, die an der grenzenlosen Vergebung Gottes zweifeln.

Die Geschichte des Christentums ist voll von der Frage macher Menschen, ob und wie sie die Vergebung der Sünden erlangen können? Sie fragen sich allenthalben:

Was muss ich dafür tun?
Welchen Preis muss ich dafür zahlen, dass mir Vergebung Gottes zuteil wird?
Wie kann Gott mir vergeben?

Fragen, liebe Schwestern und Brüder, die der Vergangenheit angehören?
Mitnichten!



Gegen die geistliche Angst

Foto: www.pixabay.com

„Meine Schuld ist zu groß, als dass Gott mir dafür Vergebung schenken wird!“ – solche oder ähnliche Sätze bekomme ich immer wieder in seelsorglichen Gesprächen zu hören.
Solche Sätze zerreißen mir das Herz, sehe ich doch dahinter Menschen, die so sehr nach Erlösung schreien und meinen, sie nicht zu bekommen.

Welch eine seelische und geistliche Not sich hinter solchen Aussagen verbirgt?!

Die Überzeugung, dass man selber nicht in den Genuss der Sündenvergebung durch Gott kommt, kann Menschen auch buchstäblich krank werden lassen.

Manche von ihnen finden sich auch in psychiatrischen Kliniken. Doch viele versuchen irgendwie mit dieser geistlichen Not klar zu kommen.
Wie wäre ihnen wenigstens zu wünschen, dass sie an gute und erfahrene geistliche Begleiter:innen geraten, die ihnen helfen können, sich von dieser Bürde der geistlichen Angst zu befreien!

Mir scheint, dass Paulus heute im Hebräerbrief auch solche Menschen vor Augen hat.
Denn wenn man davon ausgeht, dass er in der heutigen Lesung eine Antwort gibt, dann können wir auch in Gedanken überlegen, welche Frage dem wohl voraus gegangen ist?

Ich bin davon überzeugt, dass es solche Fragen sind, die ich gerade eben skizziert habe.

Menschen, die solche Fragen haben, müssen ernst genommen werden. Wir sollten sie deshalb nicht schelten. Wir sollten auch nicht über ihren vermeintlich mangelnden Glauben urteilen.

Vergebung wirklich für alle und alles möglich?!

Quelle: www.pixabay.com

Denn ihre Fragen, ihre Zweifel und ihre Skepsis hat sicherlich auch mit dem unfassbar großen Werk der Erlösung zu tun, das Jesus für uns und an uns getan hat.

Es ist eine der größten Fragen des Christentums, ob und wer die Vergebung der Sünden erfahren wird? Und – wenn wir ehrlich sind – mutet uns es doch geradezu unmöglich an, dass selbst den Menschen mit den größten Verbrechen die Vergebung ihrer Sünden möglich ist.
In verschiedenen Diskussionsrunden bringen es Menschen auf den Punkt: Können selbst Menschen wir Adolf Hitler Vergebung finden? Ist Jesus auch für ihre Sünden gestorben? —
Unglaublich, oder?

JA!

Die große und großartige Antwort des heiligen Paulus auf so viele Fragen der Menschen nach Vergebung von Schuld und Sünde ist:

Ein für alle Mal ist das einzigartige Versöhnungsopfer Christi erfolgt, das die Menschen mit Gott versöhnt hat.

Herausforderung: Opfer-Theologie

Paulus macht diese Aussage natürlich auf dem Hintergrund der damaligen Opfermentalität des Judentums aber auch anderer damaliger Religionen.
Der Grundgedanke dahinter: Opfer sollen Gott beziehungsweise die Götter milde stimmen und sie wohlgefällig gegenüber den Menschen machen.
Je mehr Opfer, um so höher die Chance, dass es was wird mit den wohlgefälligen Göttern oder dem wohlgefälligen Gott.

Doch schon im Alten Testament zeichnet sich eine Veränderung dieses Glaubens ab; denn was können die Menschen Gott schon opfern, was ihm nicht schon längst gehört, weil es von ihm kommt?!

Wer also könnte Gott so ebenbürtig sein, ihm ein Opfer zu bringen?
Nur ER selber – in seinem menschgewordenen Sohn Jesus Christus.

Liebe Schwestern und Brüder,
ich weiß, die ganze Opfertheologie ist für uns heute mit vielen schwierigen Fragen verbunden, die ich hier jetzt nicht alle ansprechen kann.

Für uns und heute ist nur wichtig, dass Paulus diese Opfertheologie aufgreift, die damals noch viel mehr das Glaubensleben der Menschen prägte, als sie es heute ist.

Deshalb versucht er seinen Zeitgenossen eine befriedigende Antwort gegen ihre geistliche Angst zu geben; eine Antwort, die auch uns heute helfen kann.

Heute: Selbsterlösungs-Phantasien

Heute wollen wir uns weniger Gott durch Opfer gefällig machen.
Heute ist es vielmehr der Selbsterlösungsglaube, der den Menschen zu schaffen macht:

  • Du musst es nur wollen.
  • Jeder ist seines Glückes Schmied.
  • Selbstoptimierung durch Coaching
  • Nur wer etwas leistet, kann auch etwas für sich beanspruchen.

Das kann zu einem Leistungsgedanken auch in religiösen Dingen führen: nur wenn ich etwas leiste, wenn ich mehr und richtig glaube und liebe, dann kann ich auch erlöst werden.

Eine solche Haltung wird den Menschen auf Dauer körperlich, seelisch und geistlich überfordern und ihn im Letzten ruinieren.

Die Lesung aus dem Hebräerbrief hat für uns heute nur dann einen Sinn, wenn wir für uns akzeptieren, dass wir uns niemals so sehr selbst optimieren können, um letztlich ohne Fehl und Makel da zu stehen.

Der barmherzige Vater, Quelle: www.pixabay.com

Wer das anerkennt, der bejaht auch die eigene Erlösungsbedürftigkeit.
Und wenn wir das erkannt haben, dann bekommt auch das Wort aus der heutigen Lesung für uns eine tröstliche, erbaulich und motivierende Dimension, die uns nach vorne schauen und uns nicht voller Skepsis zurück lässt:

„Denn durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt. Wo also die Sünden vergeben sind, da gibt es kein Opfer für die Sünden mehr.“ (Hebr. 10,18)

Ich wünsche uns, dass uns dieses Vertrauen in Christus immer wieder ergreift, dass ER ein für alle Mal für uns und für unsere Sünden gestorben und auferstanden ist.




Nun freue dich du Christenheit

Gegen eine Kultur der Angst



In der derzeitigen Diskussion um notwendige Reformen und Änderungen in der römisch-katholischen Kirche gibt es sehr kontroverse Standpunkte.
Manche Menschen, insbesondere jene, die im kirchlichen Dienst stehen, halten sich bei diesen Diskussionen zurück, befürchten sie doch Sanktionen oder schlimmeres.

Diese „Kultur der Angst“ ist kein neues Phänomen in der Kirche, sondern auch ich bin damit quasi aufgewachsen.

Eine „Kultur der Angst“ ist ein typischer Charakterzug von Machtstrukturen, vornehmlich in autokratischen, absolutistischen und undemokratischen Systemen.
Auch in unserer Kirche hat sich eine solche Angstkultur breit machen können. Befördert wurde diese noch durch eine unheilige Verknüpfung von geistlicher und weltlicher Macht in früheren Jahrhunderten.

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Noch heute sind solche hierarchisch-feudalen Ansätze im Denken mancher zu finden.
Dabei ist es nicht nur die Angst um das Seelenheil, sondern auch ganz konkrete irdische Ängste, die geschürt oder verstärkt werden.

In besonderer Weise sind davon gerade auch Abhängigkeitsverhältnisse in der Kirche, wie z.B. Arbeitsverhältnisse betroffen.

Seit einiger Zeit greift unserer Generalvikar Klaus Pfeffer ganz offensiv dieses Thema „Angstkultur“ auf und fordert die Abkehr von dieser Angstkultur im Arbeitsrecht in der Kirche. (vgl. dazu auch: https://www.katholisch.de/artikel/24714-pfeffer-kirchliches-arbeitsrecht-befoerdert-kultur-der-angst )

Es ist gut, wichtig und richtig, dass Pfeffer dieses so deutlich benennt, denn gerade jene Menschen, die sich in der Kirche engagieren, liegt etwas an der Kirche. Sie sind bereit, sich persönlich einzubringen, damit in der Kirche das Zeugnis unseres christlichen Glaubens glaubwürdig gelebt werden kann.

Damit dieses Zeugnis lebendig sein und bleiben kann, braucht es dringend eine Abkehr von der „Kultur der Angst“ in unserer Kirche.

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Zuletzt hat sich Pfeffer auch bei der Frage nach der Qualifikation kirchlicher Führungskräfte zu diesem Themenkomplex geäußert. (vgl. auch: https://www.bistum-essen.de/pressemenue/artikel/generalvikar-pfeffer-ueber-die-zukunft-kirchlicher-fuehrungskraefte )

Ich bin sehr froh, dass unser Generalvikar dieses Thema so klar anspricht.

Und so kommt mir in diesen vorösterlichen Tagen schon ein Osterlied in den Sinn, wo auch dieses Thema „Befreiung von Angst“ aufgenommen wird.

Es steht im Gotteslob unter der Nr. 222 „Nun freue dich du Christenheit“.
Darin heißt es in der ersten Strophe:

“ … Befreit sind wir von Angst und Not, das Leben hat besiegt den Tod: Der Herr ist auferstanden…“

Die Osterbotschaft ist eine Botschaft vom Leben, vom neuen Leben, vom befreiten Leben. Und dieses neue, befreite Leben beginnt bereits im Hier und Jetzt.

Will es aber befreit sein, muss es ein Leben ohne Angst sein!

So ist es eine der vornehmlichen Aufgaben kirchlicher Verkündigung und Glaubwürdigkeit, gegen die Angst zu kämpfen.




Sturm und Feuer

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Jahrhundertsommer 2018. Weite Teile Deutschlands sind von brütender Hitze gefangen. Die Felder dörren total aus, Regen wäre bitter nötig.
Die Waldbrandgefahr in Wäldern ist auf höchster Stufe ausgerufen. Das Rauchen am und im Wald sowie Lagerfeuer und Grillen sind strengstens verboten.
Doch dann fliegt er, diese eine Funke, der das Feuer entzündet. Lichterloh schlagen die Feuerzungen gen Himmel, eine Rauchsäule ist kilometerweit zu sehen. In Ostdeutschland brennt ein Wald.
Fast zeitgleich wüten gigantische Waldbrände in Kalifornien. Menschen verlassen ihr zuhause – manche zu spät und kommen in den Flammen um. Die Luftzirkulation, die durch die Hitze entfacht wird, verstärkt die Winde, die das Feuer über riesige Wald- und Steppenflächen treibt.

Hier wie dort, sind die Menschen in Angst und Schrecken, fürchten um ihr nacktes Überleben. Ihr bis dahin sicher geglaubtes Leben wird nun existentiell bedroht.

Am letzten Montag dann die Unwetterwarnung für unsere Stadt: heftigste Gewitter und Unwetter mit Starkregen, Hagel und Sturm.
Ich denke: jetzt muss ich doch wieder um die Pflanzen auf meinen Balkon bangen und hoffe, dass der Sturm nicht wieder alles durcheinander wirbelt.
Im letzten Jahr fiel ein großer Baum direkt vor unserem Haus, aber – Gott sei Dank – weder auf das Haus noch auf Passanten.

Jemand sagte mir am Mittwoch: „Bei dem Gewitter in der Nacht von Montag auf Dienstag habe ich es schon etwas mit der Angst bekommen.“

Angst hatten auch die Jüngerinnen und Jünger Jesu, als sie sich nach der Himmelfahrt Jesu in das Obergemach zurückzogen und sich verbarrikadierten. Sie hatten Angst, auch Angst um ihr Leben und dass die Juden ihnen nach dem Leben trachten könnten, jetzt, da ihr Herr nicht mehr unter ihnen war. Und sie beteten.
Sie taten es so, wie der Herr ihnen aufgetragen hatten.
Aber: sie hatten Angst.



Und dann geschah dieses unglaubliche Ereignis, das die Apostelgeschichte umschreibt mit den Bildern von Feuerzungen und Sturmesbraus.

Gelesen hört sich das so harmlos an. Und auch so manche Bilder von Pfingsten, wo die Christengemeinde einmütig zusammensteht und über ihnen die Feuerzungen zu sehen sind – geradezu idyllisch.

Aber, liebe Schwestern und Brüder,
ich ahne mehr und mehr, dass dem nicht so war.

So, wie sich Menschen im letzten Jahr vor dem Feuer und dem Sturm fürchteten und Angst um ihr Leben haben mussten, so kann auch das Wirken des Heiligen Geistes bedrohlich und zerstörerisch empfunden werden.

Ich glaube, wir tun gut daran, das Pfingstereignis damals – und auch heute – nicht als ein harmloses Geschehen zu betrachten.

Auch heute leben wir in einer Zeit und in einer Kirche, wo es zu massiven Auseinandersetzungen kommt. Es bilden sich Lager, die sich offenbar oder vermeintlich gegenüber stehen.

Manche befürchten gar eine Kirchenspaltung. Und so dreschen welche aus dem konservativ-traditionalistischem Lage auf jene ein, die Kritik üben und sich das selbständige Denken nicht verbieten lassen wollen.

Auch hier zeigt sich Angst.
Und in diese Angst hinein will der Heilige Geist heute zu uns kommen.
Aber zuerst nicht beschwichtigend und beruhigend, sondern auch hier und heute kann es richtig rund gehen in unserer Kirche, wenn der Sturm des Heiligen Geistes Bestehendes durcheinander wirbelt und wenn die Feuersglut des Heiligen Geistes von Menschen Erbautes niederbrennt.
Ich persönlich mache mich schon lange darauf gefasst, dass wir mittendrin sind in einer stürmischen Zeit.
Und ich hoffe darauf, dass sich in diesem Sturm – der sich durchaus auch auf manche von uns beängstigend auswirkt – der Heilige Geist selber am Werk ist.

Vielleicht zerstört der Heilige Geist sogar unsere ganzen bisherigen Sicherheiten und Zufluchtsorte und drängt uns, das sichere Umfeld zu verlassen und hinaus zu gehen, in die Welt, in die Sorgenwelten der Menschen, in die Angst und Not dieser Zeit.

Vielleicht ist es gerade das stürmische Wirken des Heiligen Geistes, das uns eine neue, eine andere Sprache, finden lässt in dieser Welt und für diese Welt.

Bild von Gordon Johnson auf Pixabay

Denn das ist für mich das Tröstliche des heutigen Tages: Feuer und Sturm können als Bedrohung erfahren werden, aber sie setzen etwas frei – Energie und Engagement. Sie setzen in uns Fähigkeiten frei, die wir bislang zu wenig oder gar nicht mehr genutzt haben, nämlich zum Beispiel, wieder zu lernen, die Sprache der Menschen um uns herum zu sprechen und nicht in unserem kirchlichen Jargon zu bleiben, den – außer uns – sowieso keiner mehr versteht.

Das Tröstliche für mich ist, dass diese neue Sprache offenbar von den Menschen verstanden wird und sie selbst am meisten darüber erstaunt sind, dass sie uns (wieder) verstehen! Denn: geglaubt haben sie es eigentlich nimmer mehr, dass die Christen in der heutigen Zeit der Welt noch etwas mitzuteilen und zu geben haben.

Tröstlich für mich ist auch, dass aus einer bedrohlichen Kraft die Menschen spüren, dass dahinter etwas sehr Konstruktives und Kreatives steckt, nämlich die Schöpferkraft des Heiligen Geistes.

Ich wünsche uns allen, dass wir uns von dieser Kraft des Heiligen Geistes vertrauensvoll anstecken lassen und darauf vertrauen, dass das Pfingstereignis damals in Jerusalem kein einmaliges Pfingstwunder war.
Es kann und – daran glaube ich ganz fest – es wird auch heute in unserer Zeit wieder geschehen.
Lassen wir es zu und hindern wir den Heiligen Geist nicht, das göttliche Werk zu vollenden.