Ostern be-WEG-t

Ein Fest voller lebendiger Dynamik

Teil 1: Maria Magdalena

Ostersonntag – Joh 20, 1-18

Gerade in Zeiten wo vieles in unserem Leben still zu stehen scheint, ist mir das Evangelium vom Ostersonntag besonders unter dem Aspekt der Bewegung aufgefallen.

Ich möchte heute einige Passagen dieses Evangeliums etwas genauer anschauen …



Die Verse Johannes 20, 1-3.11-16 berichten von dem Ostergeschehen, wie es Maria Magdala er-fahren hat.
Fassen wir kurz zusammen:
Maria Magdala macht sich auf dem Weg zum Grab. Dort sieht sie das offene Grab; der Stein ist fort. Sie schaut nicht ins Grab sondern eilt sofort zurück zu Petrus und Johannes (!) und berichtet ihnen, was sie gesehen hat. (Dann laufen Petrus und Johannes zu Grab; was sie erleben: dazu später.)

Auch Maria Magdala geht in ihrer Trauer zum Grab zurück. Petrus und Johannes waren nicht mehr dort. Jetzt schaut auch Maria weinend ins Grab, findet den Leichnam nicht. Stattdessen sieht sie einen Engel, der sie nach dem Grund ihrer Trauer fragt. Sie erklärt, dass sie den Leichnam Jesu vermisst und ihn sucht, dann schaut sie sich um und sieht Jesus, erkennt ihn aber nicht.

Auch von ihm gefragt, was sie suche, bekennt sie auch ihm ihre SEHN-SUCHT. Sie öffnet in ihrer Trauer ihr Herz – vermeintlich gegenüber einem Fremden – und gesteht ihm ihre Sehnsucht.
Und der UNERKANNTE antwortet ihr, indem ER sie nur bei ihrem Namen nennt.
Sie wird von ihm mit ihrem Namen angesprochen, was ihre ‚Identität‘ ist, SIE ist gemeint.

Quelle: Von Giotto di Bondone – Web Gallery of Art: Abbild Info about artwork, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15883958

In dieser vertrauten Ansprache erkennt sie nun Jesus, ihren Herrn und Meister.
Als sie IHM ihr Innerstes offenbart, ihren Schmerz, ihre Trauer, ihr Erschrecken, da offenbart ER SICH ihr.

Welche Aspekte scheinen mir auf?

Nach dem Tod Jesu verfällt Maria nicht in Lethargie, sie verkriecht sich nicht. Sie weiß, was zu tun ist. Uns so geht sie zum Grab. Dort ist auch für sie der Ort, wo sie mit ihrer Trauer sein kann, in der Nähe ihres geliebten Herrn. Doch sie findet ihn nicht mehr. Konsterniert berichtet sie den Jüngern Petrus und Johannes.
Aber das reicht ihr nicht; sie gibt sich mit dem offenen Grab nicht zufrieden. Es kann nicht sein, dass von ihrem Herrn gar nichts mehr geblieben ist. Wohin nun mit ihrer Trauer. Sie muss selber Einblick haben in diese unfassbaren Geschehnisse. Sie will sich damit nicht abfinden, dass ER nun weg sein sollte, ganz und gar.

Quelle: Bild von Free-Photos auf Pixabay

Und sie folgt ihrer Sehn-sucht; sie sucht IHN zu sehen.

Doch die Trauer und die Sehnsucht zeigen ihr nur ein verschwommenes Bild, sie sieht nicht klar. Aber sie nimmt dennoch was wahr: sie ist nicht allein mit ihrer Trauer. Ein Engel zeigt sich ihr, ein himmlischer Bote, dem sie ihre Botschaft der Trauer und Sehnsucht sagt. Gesagt – getan: Nachdem sie ihre Trauer ausgedrückt hat, kann sie von sich absehen, sich umdrehen, ihre Blickrichtung wieder ändern.

Und da geschieht nun das unglaubliche und unbegreifliche: sie begegnet Jesus, den sich aber noch nicht erkennt.
Es ist noch einer weiterer Schritt nötig, heraus aus ihrem Schneckenhaus der Trauer und der Sorge.
Ihr Coming-out gegenüber dem vermeintlich ‚Fremden‘ stellen die Basis für eine Begegnung dar, die so tief ist, dass sie vom vermeintlichen Gärtner erkannt und in ihrer Sehnsucht wahrgenommen wird.

So wird sie von IHM mit der vertrauten Anrede „Maria“ angesprochen.
So kann sie nur jemand ansprechen, der sie durch und durch erkennt. So kann sie nur jemand ansprechen, der ihr doch so vertraut geworden ist; so vertraut, dass der Schmerz der Trauer über seinen Tod so unerträglich ist.

Da erkennt Maria ihren Meister und Herrn und sie begreift, was da geschehen ist, der Tote ist nicht mehr tot, der Tod ist tot, das Leben lebt, ihr Herr und Meister ist auferstanden.

Marias Verhalten ist so ermutigend: sie überlässt sich ihrer Trauer und ihrem Schmerz, aber sie vergräbt sich nicht; sie versucht, ihr Leben weiterzuleben, irgendwie, mit ihrer Trauer.

Und sie steht zu ihrer Trauer, zu ihren Gefühlen, die der Tod des geliebten Jesus bei ihr hinterlässt. Sie schließt sie nicht ein in ihrem Trauerprozess und scheut sich nicht davor.

Hier, wo das intimste der Trauer offenbar wird, hier wo die Sehnsucht keine oberflächliche ist, da ist die Begegnung mit dem Auferstandenen erfahrbar.

Mir macht dieses Evangelium Mut; es macht mir Mut, in diesem Jahr, wo wir zum zweiten Mal so ungewöhnlich Ostern feiern, das auch scheinbar unsere Sehnsucht nicht stillen kann, den Schmerz und die Trauer offen zu zeigen, sie nicht zu verstecken, nicht zu ignorieren, weil sie eine wesentliche Quelle unseres eigenen Lebens offenbart: die Liebe.

Ich wünsche uns allen, dass gerade in Zeiten der Trauer unsere Sehnsucht nach Christus nicht erlischt; dass wir weiterhin suchen. Und dass ER auch uns dann begegnet, uns ganz persönlich anspricht und uns damit zutiefst berührt und uns zur Erkenntnis führt:

ER lebt, und auch wir sollen leben!




Um uns…




Gesegnete Ostern 2021

„frohe Ostern“ – kommt mir nicht so recht über die Lippen

Um es gleich vorweg zu nehmen: nein so richtig froh bin ich an diesem Osterfest nicht. Die „Freude“ steht mir nicht ins Gesicht geschrieben.

Quelle: www.pixabay.com

Jetzt könnte ich gleich den zweiten Schritt vor dem ersten machen und von meinem Glauben an die Auferstehung, von meinem Glauben an das ewige Leben schreiben, dass bei allen Umständen dennoch mein Glaubesgrund ist.

Aber ich möchte es wagen, doch erst einmal dabei etwas zu verweilen, warum mir der Gruß „Frohe Ostern!“ in diesem Jahr doch so gar nicht durch den Kopf geht und über die Lippen kommt.
Ich finde, es ist gut, nicht darüber einfach hinweg zu gehen, macht mich doch meine heutige Stimmung auf etwas aufmerksam, was mir fehlt, wonach ich mich sehne.

Und dann kommt die Frage, welche Bedeutung es für mich hat und wie ich dennoch auch in diesem Jahr Ostern ‚feiern‘ kann?



„Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden!“ – dieser Zuruf gilt auch heute, Ostersonntag 2021. Die Wahrheit bleibt. Doch was sich ändert, ist, wie diese Wahrheit bei mir ankommt, mich erfüllt.

Bilder des Alten Bundes

Immer wieder kommen mir Bilder des Alten Bundes in den Sinn. Da lese ich von der Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch die Babylonier.

Stadt und Tempel waren mehr als nur Gebäude für das Volk Israel. Ihnen wurde ihre geographisches, ihr sozial-politisches und kulturell-religiöses Glaubenszentrum genommen. Es liegt in Schutt und Asche. Große Teile des Volkes sind nach Babylon verschleppt und geraten dort in Gefangenschaft (-> Babylonisches Exil)

Der Ort des Tempels war der Raum, wo das Allerheiligste stand, wo „Gott seine Wohnstatt unter den Menschen“ hatte.

Warum, so frage ich mich, kommen mir diese alten Erzählungen in den Sinn?
Weil ich spüre, dass mir durch die Corona-Pandemie auch solche „Orte“ des Glaubens genommen worden sind. Sie sind zwar nicht endgültig verschwunden, aber sie machen das vertraute Glaubensleben schwer wenn nicht gar unmöglich.

Ich bin so kirchlich sozialisiert, dass Gottesdienste für mich wesentliche Quellen der geistlichen Zurüstung sind. Sicherlich gibt es dafür auch andere ‚Orte‘. Aber gewiss ist die Liturgie der Kar- und Ostertage in ihrer Einmaligkeit für mich ganz wichtig, das spirituelle Zentrum von Ostern zu erspüren.

Quelle: Bild von Queven auf Pixabay

Einwand: Es gibt doch Gottesdienstangebote

Sicherlich kann man einwenden: damals war der Tempel nicht mehr. Doch heute ist das bei uns ganz anders. Wir machen unseren Glauben doch nicht an Orten fest! – Das ist richtig.

Und dennoch bringen wir unseren Glauben ritualisiert in unserer Kirche zum Ausdruck: in den verschiedensten Feiern und Formen von Gottesdiensten.

Ja, es ist richtig, dass in der Corona-Pandemie eine Vielzahl an Gottesdiensten angeboten wird: Gottesdienste ‚aus der Konserve‘, die man sich gleichsam wie aus einer Mediathek zu jeder beliebigen Zeit vorspielen lassen kann; sogenannten „livestreaming“-Gottesdienste, wo in einer Kirche ein Gottesdienst gefeiert wird und wir in Echtzeit über eine Videoschalte an diesem Gottesdienst ‚teilnehmen‘ können.

Für mich ist Letzteres aber keine wirklich Teilnahme. Meine Gottesdienstteilnahme lebt von Interaktion; ist echte personale Begegnung, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit und ‚aus der Bank‘ heraus; ist Gemeinschafterfahrung indem ich andere Menschen mit mir in Raum und Zeit wahrnehme.

Alles das können Gottesdienste ‚aus der Konserve‘ oder sogar Livestreaming-Gottesdienste für mich nicht leisten.

Jetzt könnten noch einige einwenden: Du bist doch Priester. Kannst du nicht ausnahmsweise eine Privatmesse „missa sine populo“ feiern?
Meine Antwort ist ganz klar: NEIN!
Auch für mich ist die Teilnahme und Mitfeier der Gemeinde wesentlicher Bestandteil eines Gottesdienstes und besonders der Eucharistie. (Natürlich gibt es Gottesdienste, die ich „allein“ feiere: ich denke da nur an die Tagzeitenliturgie, …)

Aber eine Eucharistie ohne interagierende Gemeinde ist für mich nicht denkbar.

Eine Form des Gottesdienstes, die auch gerade in unserer modernen Zeit möglich ist, ist ein ‚interaktiver Online-Gottesdienste‘ z.B. mittels ZOOM-Meeting-Platform.
Am Gründonnerstag hat mein Kollege in der Krankenhaus-Seelsorge und ich einen solchen Gottesdienst vorbereitet und durchgeführt.
Bei dieser Form kam etwas wie ein Wir-Gefühl auf; wir konnten vorher miteinander reden und auch sehen (Video); während des Gottesdienstes gab es ein Predigtgespräch und auch frei formulierte Fürbitten. Und anschließend ’saßen‘ wir noch bei einer Agapefeier beisammen.
Bei entsprechender Gestaltung des Umfelds in der Nähe des PC/Laptop etc. kommt dann auch Gemeinschaftgottesdienstcharakter zustande.

Am Karfreitag und auch in der Osternacht war diese Form nicht möglich, weil uns einfach die Zeit zur sorgfältigen Vorbereitung fehlte.

Abgesehen von der Tagzeitenliturgie und einer Kreuzweg-Betrachtung am Karfreitag war es das mit Gottesdiensten für mich in den Kar- und Ostertagen.

Dies ist schade und traurig; dadurch stellt sich bei mir – auch in diesem Jahr wie im letzten – kein richtiges Osterfeeling ein, was mir sonst mit der Mitfeier der Liturgie widerfahren ist.

Daher drängt für mich die Frage:

Wie und wo kann ich mich an diesem Osterfest geistlich festmachen?

Diese Frage kann ich gar nicht jetzt schon abschließend beantworten. Ich habe nur eine Ahnung und Impulse, die mir durch den Kopf jagen:

  • dieses Ostern 2021 ist ein stilles Osterfest
  • losgelöst von vielen vertrauten Ritualen zwingt es mich, auf es einen neuen Blick zu tun
  • es ist noch mehr ein Ostern der Innerlichkeit, was sich befreien muss von äußerlichen Faktoren, Gewohnheiten und Ritualen
  • ein Ostern, das Auferstehung in gewisser Weise ganz neu erfahrbar werden will

Bei diesem Osterfest kommt es mehr noch auf die gläubige Sehnsucht an, als auf das rituelle Erleben.

Photo by Ann on Unsplash

Österliches Gebet und österlicher Lobpreis wird vereinzelt und verinnerlichter vollzogen sein.

Denn: wenn sich auch äußere Umstände, die vertrauten, so radikal verändert haben: die Botschaft von Ostern ist und bleibt unveränderlich:

„Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden!“

Ich möchte diese Botschaft wieder einmal in meinem Leben verinnerlichen, mir ein-ver-leib-en.
Ich wünsche und hoffe, dass diese Botschaft in mir den Mut und Impuls verstärkt, mich auf das Leben einzulassen und es als „neues“ Leben zu wagen.

Wir gut, dass die Osterzeit insgesamt fünfzig Tage dauert: da bleibt mir noch etwas Zeit, mich geistlich neu einzufinden in dieses Fest!




Ostergedanken 2021

Quelle: www.pixabay.com

Im zweiten Jahr werden wir in diesem Jahr Ostern unter Coronabedingungen feiern.
Eigentlich müssten wir schon Übung daran haben, aber dennoch erscheint es uns weiterhin unwirklich und fremd.
Vieles vermissen wir schmerzlich.
Darunter auch viele gute Gewohnheiten und Begegnungen.
Dazu kommen neue Herausforderungen und Belastungen, die unserem Alltag eine andere Prägung geben, als wir es bisher gewohnt sind.

Als Seelsorger bekomme ich das selber zu spüren.
Ressourcen, die ich vorher gewohnt für bestimmte Dinge und Aufgaben zur Verfügung hatte, muss ich nun neuen Herausforderungen widmen.

Das hinterlässt bisweilen auch Unzufriedenheit oder gar Enttäuschungen, weil Erwartetes nicht erfüllt wird und erfüllt werden kann.

Diese Erfahrung ist für mich genau der Punkt, wohin ich in diesem Jahr meinen österlichen Sinn ausrichten möchte:
in Mitten von all dem, was niedergeht, jenes in den Blick zu nehmen, was zugleich an Neuem geschieht.

Denn wir fallen durch die Veränderungen ja nicht in ein Vakuum, auch wenn sich das manchmal so anfühlt.

Quelle: www.pixabay.com

Es ist keine Leere, sondern eher das Gefühl, dass Vertrautes nicht mehr da ist;
einfach verschwunden, oder überdeckt.
So entsteht für mich keine Leere, sondern ein Freiraum, der neu gefüllt werden darf.

Dieses neue Leben möchte ich an diesem Osterfest besonders in den Blick nehmen und feiern.

Quelle: www.pixabay.com

Den geschenkten Freiraum für was Neues, damit Altes ruhen kann – vielleicht sogar losgelassen werden kann, weil am Ende nicht nichts steht, sondern mich anderes, verwandeltes Leben erwartet.

Ich wünsche uns allen in diesem Sinne ein gesegnetes und gnadenreiches Osterfest und die Freude über den Auferstandenen.


Neue Impfstoffe

wagen es mit uns

gegen Vir Corone

in diesem Jahr nicht leicht

und nicht ganz ohne

— mutig Richtung Ostern gehn

und — so erinnern heute

weise Leute — können wir

auf diesem Weg — ganz neu

— statt schimpfend untergehn

Vir Corone — aktuell

auch im Karfreitag´21 sehn

und mit Ostern auferstanden

— krisenfester weitergehn

GEBETdabei dankend acht

was wir schon mit-und füreinander

durchgemacht — so können wir bei

weiterem Corona-Reinemachen

impfgestärkt auch

— weiter lachen

Klaus Jäkel, In: Pfarrbriefservice.de




Christ-König-Sonntag

Liebe Schwestern und Brüder,
kennen Sie noch Pfarrer Heinrich Albertz?
Pfarrer Albertz war evangelischer Pfarrer in Berlin, er lebte von 1915 bis 1993 und war in den Jahren 1966-67 regierender Bürgermeister von Berlin.

Pfr. Heinrich Albertz (links) mit Heinrich Lübke (1966), Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/00/Bundesarchiv_B_145_Bild-F023743-0013%2C_Bonn%2C_L%C3%BCbke_mit_Berliner_B%C3%BCrgermeister_Albertz.jpg

Ich kenne ihn noch.
Jetzt fragen Sie sich sicher, woher?

So richtig kenne ich ihn zwar nicht, aber er ist mir in sehr guter Erinnerung.
Es muss irgendwann in den 1970er Jahren gewesen sein und Pfarrer Albertz hielt eine Fernsehansprache zum „Totensonntag“.
Bereits dort – und daran erinnere ich mich ganz gut – legte Pfarrer Albertz dar, dass der Totensonntag schon damals in der evangelischen Kirche „Ewigkeitssonntag“ heißt.
Pfarrer Albertz war es wohl sehr wichtig, einen wichtigen theologischen Akzent dieses letzten Sonntags im Jahreskreis zu erörtern.

Seit seiner TV-Ansprache beschäftige ich mich immer wieder mit der Frage, nach dem Grund dieses Festes. Und im Laufe der Jahre wurde mir immer klarer, dass der „Ewigkeitssonntag“ in der evangelischen Kirche und der „Christ-Königs-Sonntag“ in unserer katholischen Kirche sich eigentlich im Wesentlichen sehr nahe sind.



Es sind zwei Bezeichnungen für einen Sonntag, der genau das selbe in den Blick nimmt, nämlich unserer gläubige Zukunft.

Ich möchte das an einem augenfälligen Beispiel erläutern:
schauen Sie hier in diese Kirche.
Wenn ich hier am Altar stehe, sehe ich Sie, die Gemeinde vor mir (wenn auch in riesiger Entfernung) und ich sehe hier auf dem Altar ein Kreuz.
Das Kreuz erinnert mich selber in der Heiligen Messe, woher die Eucharistiefeier ihren Anfang genommen hat: in der Passion des Herrn, angefangen im Abendmahlssaal.

Sie aber, sie sehen nicht nur das Kreuz auf diesem Altar. Sie sehen buchstäblich weiter.
Sie sehen nämlich das, was sich bei meiner Zelebration in meinem Rücken befindet: dieses große Bild hier im Altarraum hinter mir.

Altarbild in St. Clemens, Oberhausen-Sterkrade, © Gerd Wittka, 21.11.2020

Es zeigt Jesus Christus, den Auferstandenen. Zu seinen Füßen das noch leicht geöffnete und überwundene Grab.
Jesus schwebt gleichsam darüber, so als wäre er schon auf dem Weg in den Himmel.
Und tatsächlich verbindet dieses Altarbild das Ostergeschehen mit der Christi-Himmelfahrt.

Da ist aber noch mehr: schauen Sie sich den Gesichtsausdruck an. Der ist friedlich, fast schon ein verschmitztes Lächeln zeigt sich auf seinen Lippen. Er blickt Sie freundlich an.
Und die Arme sind – sehr schwungvoll – erhoben.
So zeichnet sich in der Form seiner Gestalt die Form des Kreuzes nach, die sich auch hinter der Christusfigur noch mal abbildet.
Aber das ist nicht alles: Die Arme sind geöffnet – in Ihre Richtung hin geöffnet.
Dieser Auferstandene öffnet in friedlich-freundlicher Art Ihnen SEINE Arme!

Diese Darstellung des Auferstandenen erinnert mich sehr stark an dem Typus des Christus auf romanischen Kreuzen; diese Kreuze – auch Triumphkreuze genannt – zeigen den Gekreuzigten als den Auferstandenen am Kreuz.
Und nicht selten trägt dieser Auferstandene an romanischen Kreuzen eine Krone auf seinem Haupt – das Zeichen eines Königs.

REX TRIUMPHANS, Stiftskirche Innichen, Südtirol – User: A,Ocram, Public domain, via Wikimedia Commons

Sie sehen, liebe Schwestern und Brüder, wie sich hier das Ostergeschehen mit dem Namen des heutigen Sonntags verbinden.

Der Christ-König, der Auferstandene verweist uns katholische Christen wie auch die evangelischen ChristInnen am Ewigkeitssonntag auf unsere eigenen Zukunft hin:
Hinter allen Kreuzen des Lebens, hinter allen Durchkreuzungen unseres Lebens und hinter dem Tod erwartet uns nicht ein Nichts!
Sondern es erwartet uns in seiner Ewigkeit unserer auferstandene Herr Jesus Christus.

Die Ansprache von Pfarrer Albertz in den 1970er Jahren im Fernsehen hat mir den Blick geöffnet, mein Leben mehr im Licht der Ewigkeit zu sehen.
Ich bin davon überzeugt, dass (nicht nur) durch seinen damaligen Impuls auch mein Leben und mein Glaube eine religiöse Umorientierung ermöglicht hat, die mir in meinem konkreten Alltag zur Hilfe kommt.

So beschließen wir dieses Kirchenjahr 2019/2020, das uns bisher so viel zugemutet hat, mit dem Blick nicht auf den Tod, sondern mit dem Blick auf das Leben. Der Christ-Königs-Sonntag und Ewigkeits-Sonntag ist also ein Sonntag der noch einmal in ganz besonderer Weise ein wahrlich „österlicher Sonntag“ ist.

Ich wünsche uns allen, dass wir mit diesem Gedanken gut das jetzige Kirchenjahr beenden und mit dem nächsten 1. Adventssonntag hoffnungsvoll in das neue Kirchenjahr starten können.


Christkönig-Sonntag

König –
damit habe ich nicht viel am Hut
damit kann ich nichts anfangen

Könige heute
yellowpress-Prominenz

Du, Christus,
in der Gestalt des Königs
berührst mich nicht –
ich bin Demokrat und
bin in einer Republik
aufgewachsen.

Doch auch mit Funktionen
oder Posten
einer Republik
möchte ich dich nicht vergleichen

Solche Bilder sind
immer schief und
viel zu menschlich

Ich muss lernen,
dich nicht in solche Begrifflichkeiten
zu denken und
zu glauben.

Zeitlos und bedeutsam
bist du für mich
mit dem, wofür du gegangen bist
und wofür du stehst:

Der Sohn Gottes,
der gekommen ist,
nicht um den glimmenden Docht zu löschen,
nicht um das geknickte Rohr zu brechen.

Du bist gekommen,
zu befreien,
zu erlösen.

Du bist für mich,
was du gelebt und
verkündet hast:

Liebe
Demut
Güte
Barmherzigkeit
Gnade,
Freiheit,
Versöhnung,
Friede,
Leben,
Erlösung.

Ich halte dich nicht
für einen
König;
ich halte dich für den,
der mir Perspektiven
und
Zukunft
und
Leben
eröffnet.

© Gerd Wittka, 20.11.2020


Meine Predigt im Audio-Format finden Sie hier:




Trauer in Hoffnung

Ansprache zum 32. Sonntag – A – 2020

Schriftlesungsgrundlage: 1 Thess 4, 13-18

Hoffnung – Bildquelle: Bild von My pictures are CC0. When doing composings: auf Pixabay

Vor etwas über eineinhalb Jahren haben sich die Seelsorgerinnen und Seelsorger unserer Pfarrei St. Clemens in Oberhausen darauf verständigt, stärker als bisher sogenannte Zielgruppen-Seelsorge in den Blick zu nehmen.

Eine Zielgruppe ist jene, die trauern und die einen lieben Menschen verloren haben.

Deshalb haben wir einen „Arbeitskreis Trauerpastoral“ gegründet.
Ja, ich weiß: bei dem Stichwort „Arbeitskreis“ wird manchen von Ihnen wieder das geflügelte Wort in den Sinn kommen: „Und wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis!“

Aber dem ist nicht so. Ich wage das zu behaupten, nicht nur weil ich selber diesem Kreis angehöre. Wir sind insgesamt zur Zeit sechs Mitglieder. Vier davon sind hauptamtliche SeelsorgerInnen in unserer Pfarrei und aus verschiedenen Bereichen der Seelsorge. Dazu gehören dem Kreis noch zwei Frauen an, die ehrenamtlich tätig sind.
Alle Mitglieder haben eine hohe fachliche Qualifizierung in verschiedenen Bereichen wenn es um Sterbende, Tod und Trauer geht.
(Und das ist ein Pfund, mit dem wir in unseren Kirchen wuchern können: fachlich hochqualifizierte Personen engagieren sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich!)

Einmal im Monat – an jedem ersten Donnerstag – laden wir zu einem Erinnerungsgottesdienst ein, der keine heilige Messe ist. Eingeladen sind alle Menschen, die spüren, dass sie in Trauer sind. Dabei ist es völlig egal, wie frisch der Verlust ist oder wie lange die Trauerphase schon anhält.
Wir wollen einen Raum schaffen, wo diese Trauer sein darf, weil die Trauer wesentlich zur menschlichen Existenz dazugehört und sie eine wirkmächtige Phase im Leben eines Menschen sein kann.

Wenn mir die Frage gestellt würde, warum ich in diesem Kreis mitarbeite, dann würde ich unterschiedliche Aspekte benennen können.
Einer ist sicherlich auf die heutige Lesung zurück zu führen:



„Schwestern und Brüder, wir wollen euch über die Entschlafenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung mehr haben. (…) Tröstet also einander …“ (1. Thess 4, 13 ff.)

Ich möchte Menschen in Trauer unterstützen, die Trauer als eine wichtige Phase in ihrem Leben wahr- und anzunehmen.
Ich möchte sie einladen, die Trauer als ein Weg der Heilung zu erfahren, der ihrem Leben einen Reichtum gibt, der leider nicht ohne Schmerz und Wunden vonstatten geht.

Liebe Schwestern und Brüder,
diejenigen von Ihnen, die mich bereits länger kennen, wissen, dass ich in meinen Predigten auch gerne Zeugnis ablege von meinem ganz persönlichen Glauben.
So auch bei diesem Thema:
Ich bin der festen Überzeugung, dass meine Trauer im christlichen Glauben eine Trauer ist, zu der die Hoffnung wesentlich dazu gehört.

Bild von Shepherd Chabata auf Pixabay

Sie alle, die selbst solche Trauer erlebt haben, können nachvollziehen, wie der Tod eines geliebten Menschen gleichsam den Boden unter den Füßen wegziehen kann.
Die Welt um einen herum scheint still zu stehen und vieles scheint so banal, so unwichtig.
Schmerz, Zweifel und Unsicherheiten sind die eine Seite der Trauer. Doch ich habe immer wieder – mal stärker, mal schwächer – auch die andere Seite der Trauer erfahren dürfen: die Seite der Hoffnung, der Zuversicht und des Glaubens.

Paulus erlebt schon zu seiner Zeit, wie die Trauer einen Menschen zutiefst erschüttern kann. Auch die frühen Christen war nicht frei von Zweifeln und Anfechtung, wenn sie vom Tod anderer oder auch mit ihrem eigenen Tod konfrontiert wurden.

Hier ein Angebot der Hoffnung zu machen, war damals schon dem heiligen Paulus wichtig, denn in solchen Zeiten ist es nötig, durch Hoffnung zu trösten.
Viele jedoch, die trösten wollen, fragen sich: wie?

Können das nur Fachleute, die als TrauerbegleiterInnen ausgebildet sind?

Nein, liebe Schwestern und Brüder,
jede und jeder von uns kann in Trauer Trost und Hoffnung geben.
Jeder Mensch, der selbst durch die Trauer und Hoffnunglosigkeit gegangen ist und diese nicht verdrängt hat, bringt eine ganz wesentliche Voraussetzung mit, um selber Trost und Hoffnung zu geben.

Was das ist?

Die Fähigkeit, der Trauer und der Hoffnungslosigkeit nicht auszuweichen, sondern sie auszuhalten.

Dunkelheit – Quelle: Bild von skeeze auf Pixabay

Dazu eine kleine Erfahrungsgeschichte:

Während einer Abwesenheit konnte ich nicht ins Krankenhaus gerufen werden.
Das Kind einer jungen Mutter war gestorben.
Ein junger Priesterkollege – der nicht aus der Krankenhaus-Seelsorge kam – war bereit, sich nachts auf den Weg ins Krankenhaus zu machen, um diese junge Mutter zu begleiten.
Einige Tage später rief ich meinen Kollegen an und fragte ihn, wie er mit dieser Situation klar gekommen sei, denn schließlich wurde er damit quasi ins kalte Wasser gestoßen.
Da sagte er mir, auch etwas enttäuscht: „Mich hatte das Schicksal dieser jungen Mutter sehr berührt, ich konnte nicht viel machen. Ich hatte keine Worte. Ich konnte nur da sein und da bleiben!“

Bild von Peter H auf Pixabay

Liebe Schwestern und Brüder,
ich habe große Hochachtung vor meinem Kollegen.
Und ja, er hat alles richtig gemacht. Zwar glaubte er „nicht viel machen zu können“, dabei hat er alles gegeben, was er geben konnte: seine Anwesenheit, seine Nähe.
Er hat nicht die Flucht vor diesem Leid der jungen Mutter ergriffen, sondern hatte den Mut, da zu bleiben, vermeintlich ohnmächtig.

Und ich bin mir sicher, dass er dieser Frau unendlich viel in diesem Augenblick gegeben hat: er war bereit mir ihr in dieser Zeit in ihre Not hinabzusteigen, sie nicht allein zu lassen.
Und in seiner Sprachlosigkeit hat er der Sprachlosigkeit der Mutter einen Raum geben und somit auch eine Berechtigung.

Anderen Menschen Trost geben zu können, ist also nicht allein eine Frage der fachlichen Qualifikation, sondern des Mutes, sich selber dieser ( dunklen ) Seite im Leben zu stellen und nicht zu fliehen.


Gebet:

Die Hoffnung ist die Schwester des Glaubens. Von ihr sagt der heilige Paulus im Römer-Brief: (Römer 8, 24ff)

„… Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Denn wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld. So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, was wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern….“

So lasset uns beten:

Heiliger Geist, du unser Beistand, du Atem Gottes, der alles lebendig macht.

Du zerreißt die finstre Nacht der Trauer, du spendest Trost in Leid und Tod.

Wirke du und bete du in uns, wo die Quellen unserer Worte angesichts der Trauer versiegt sind.
Halte du in uns den Lebensodem aufrecht, damit wir in der Trauer die Hoffnung spüren, die unsere Wunden, die uns der Tod geschlagen hat, heilen lässt.

Darum bitten wir dich durch Jesus Christus, unseren Bruder und Herren, der auch für uns von den Toten auferstanden ist und mit dir und dem Vater liebt und lebt in Ewigkeit.
Amen.

© Gerd Wittka, 05.11.2020