Heiligsprechung nicht inflationieren

„Santo subito“darf nicht zu Regel werden

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Als Papst Johannes Paul II. starb, wurde sehr früh das „santo subito“ gefordert, die möglichst frühe Selig- und Heiligsprechung des Verstorbenen. Und Papst Johannes Paul II. ist der Papst, der in der kürzesten Zeit nach seinem Tod sowohl selig- als auch heiliggesprochen wurde. Doch die historische Aufarbeitung seiner Zeit als Bischof und Papst zeigte, dass viele Aspekte seines Lebens noch gar nicht ausreichend aufgearbeitet wurden. Deshalb finde ich: es war viel zu früh für seine Selig- und Heiligsprechung.

Nun, nach dem Tod des Papst em. Benedikt XVI. werden wieder „santo subito“-Forderungen laut. Und Erzbischof Gänswein erklärt in einem Interview, dass er glaube, dass es bei Papst em. Benedikt XVI. in eine ähnliche Richtung laufe, wie bei Johannes Paul II.!

Wir sollten aus der Vergangenheit lernen!



Aus gutem Grund sieht die röm.-kath. Kirche ein ziemlich sorgfältiges Verfahren für Selig- und Heiligsprechungen vor. Und das ist auch gut so.

Gerade aus der Zeit von Joseph Ratzinger als Bischof und späterem Papst sind noch sehr viele Dinge und Vorwürfe aufzuklären.
Und die Erfahrung hat gezeigt, dass eine sachliche und angemessene Würdigung selten in den direkten nachfolgenden Generationen einer Person erfolgen kann, für die ein Selig- oder Heiligsprechungsverfahren eröffnet wurde.

So hat zum Beispiel die Grazer Alttestamentlerin Irmtraud Fischer schnelle Rufe nach einem „Santo subito“ für den verstorbenen Benedikt XVI. scharf kritisiert.

Zu Recht gibt es zum Beispiel mit dem Umgang des Missbrauchsskandals und Benedikt XVI. kontroverse Diskussionen. Sie zeigen, dass noch vieles aufgearbeitet und geklärt werden muss. Bei dem Missbrauchsskandal handelt es sich wahrscheinlich um den größten Skandal der römisch-katholischen Kirche der Neuzeit mit den schwerwiegendsten Verbrechen, die von der Kirche unter den Tisch gekehrt, geleugnet und vertuscht wurden.

Nicht nur gegenüber den Opfern müssen wir deshalb sorgfältig die Geschichte dieses Missbrauchs aufarbeiten. Jeder Stein muss umgedreht werden, der in diesem Zusammenhang vor unseren Füßen liegt oder gelegt wurde.

Allein dieser Missbrauchsskandal zeigt, dass wir am besten beraten sind, Selig- oder Heiligsprechungsverfahren für Papst em. Benedikt XVI. für mindestens 50 Jahre auszusetzen und diese Zeit dafür zu nutzen, intensiv das Lebenswerk von Joseph Ratzinger aka Papst Benedikt XVI. kritisch zu sichten und aufzuarbeiten.


Update:

07.01.2023: Ein gewisser Lichtblick bleibt, dass die Aufarbeitung weitergeht. Wie bekannt wurde, ist zivilrechtliche Verfahren gegen Benedikt XVI. mit seinem Tod nicht automatisch eingestellt worden, sondern wird weitergeführt, weil Papst em. Benedikt XVI. sich schon zu Lebzeiten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ließ und nun das Verfahren gegen die Erben ( in diesem Fall gegen den Vatikan) von Papst em. Benedikt XVI. weiter läuft.




Viel zu tun – viel zu beten

Reformatorische Spiritualität

Martin Luther (Reformator) – Bild von Otto Wenninger auf Pixabay

„Heute habe ich viel zu tun, deswegen muss ich viel beten.“ (Martin Luther)

Seit vielen Jahren begleitet mich dieses Wort von Martin Luther.
Mit seinen Worten und auf sein eigenes konkretes Leben bezogen, drückt er aus, was in der „Regula Benedicti“, der Ordensregel des heiligen Benedikt ebenfalls zum Vorschein kommt: „Ora et labora“ = Betet und arbeitet.

Ich bezeichne es für mich als „Harmonie des geistlichen Lebens“ was in der Regel des heiligen Benedikt steht und was auch Martin Luther zu seiner Aussage bewogen hat.

Für mein eigenes geistliches Leben bedeutet dies: die Erfahrung, dass viel zu tun ist, zieht meinen Wunsch, viel zu beten, nach sich.



Dabei spreche ich ausdrücklich von einem „Wunsch“ oder von einem „geistlichen Bedürfnis“.

Der sehr subjektive Satz von Martin Luther sagt mir: es geht hier nicht um eine geistliche Forderung an andere. Es geht hier vielmehr um eine ganz persönliche Äußerung eines Menschen, der mit ganz viel Herzblut und aufgrund einer tiefen Spiritualität um eine Reform der Kirche gerungen hat.

Ich nehme aus diesem Wort Martin Luthers für mich: Die Überzeugung, sich für eine Reform in der Kirche stark zu machen, ist aus einer spirituellen Haltung heraus entstanden.
Und sich um diese Reformen zu bemühen, dafür die geistliche, psychische und physische Kraft zu finden, geht für Luther nur, wenn er auch aus der geistlichen Quelle des Gebetes schöpft.

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Die Botschaft von Banneux: Betet viel!

Bevor mein Vater Eduard Wittka 1981 im Alter von 45 Jahren an einen Hirntumor starb, war er viele Jahre vorher schon sehr krank: gezeichnet von vier Operationen am Kopf suchte er – zusammen mit meiner Mutter – Zuflucht und Halt im Glauben.

Er hat damals wiederholt den Marienwallfahrtsort Banneux in Belgien aufgesucht. Natürlich hat er von dort auch Wallfahrtsheftchen mitgebracht.
Noch heute erinnere ich mich sehr gut daran, wie die zentrale Botschaft der „schönen Dame“ immer wieder hieß: „Betet viel!“
Um mehr – aber auch um nicht weniger – geht es bei dieser Botschaft: im Gebet nicht nachzulassen, oder wie es in 1. Thessalonicher-Brief in Kapitel 5,17 heißt: „Betet ohne Unterlass!“

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Die Marienerscheinungen von Banneux gehen auf das Jahr 1933 zurück. Damals war Europa und die ganze Welt in einer großen Krise. Und die ganz schlichte und eindringliche Botschaft von Banneux lautet: „Betet viel!“ Und die „schöne Dame“ führt die Seherin Mariette zu einer Quelle.

Ob man an Marienerscheinungen glaubt oder nicht: die Botschaft von Banneux lautet: Wenn euch schwere Zeiten oder Krisen in Beschlag nehmen, wenn euer Leben von Sorgen erfüllt ist und ihr um euer Leben sorgt, dann vergesst nicht das Gebet.
Das Gebet führt uns zu einer – nie versiegenden – Quelle des Heils, weil wir im Gebet unsere Angewiesenheit auf Gottes Hilfe und Beistand anerkennen, die bei allem segensreichen Wirken und Einsatz in Krisenzeiten not-wendig ist.

Ob in der Krise der Corona-Pandemie, in der Glaubwürdigkeitskrise in der römisch-katholischen Kirche (welche nach Reformen drängt) oder auch in ganz persönlichen Phasen der Herausforderungen und Krisen:

Immer, wenn wir viel zu tun haben und durch die Sorgen und Herausforderungen des Lebens in Beschlag genommen sind, sollte die Quelle des Gebetes nicht versiegen. Denn sie gibt uns Kraft und ermöglicht neues Leben in allen Krisen und Bedrängnissen.