Vom Narrativ zur hohen Theologie: alles Weihnachten
Gestern habe ich eine Hausandacht zur Verfügung gestellt, in deren Mitte zwei sogenannte „Wort-Wolken“ standen. Das Evangelium des Tages war die Weihnachtsgeschichte nach Lukas, wie sie dort im 2. Kapitel zu finden ist.
In sehr anschaulichen Bildern ‚berichtet‘ uns Lukas von der Geburt Jesu Christi; was in Wahrheit gar kein Bericht im sachlichen Sinne ist, denn niemand von den Autoren des Neuen Testamentes war dabei oder konnte sich auf historische Zeug:innen der Geburt Jesu von Nazareth berufen. Die Geburtsgeschichte Jesu in dieser erzählenden Form geschieht einerseits auf dem Hintergrund der Erzählkultur des Nahen Ostens und des Orients und andererseits ermöglicht sie uns einen ‚herzlichen‘ Zugang zur Geburt des Erlösers Jesu Christi. ‚Herzlich‘ nenne ich den Zugang deshalb, weil die Weihnachtsgeschichte nach Lukas wirklich ‚zu Herzen geht‘, auch mir. Sie gehört für mich zum unverzichtbaren Bestandteil des jährlichen Weihnachtsfestes.
‚Herzlich‘ nenne ich sie deshalb auch, weil der theologische Zugang zum Weihnachtsfest nicht nur über die hohe Theologie führt, sondern auch über das Herz, über Emotionen/Gefühle. Es ist dieser ‚herzliche Zugang zum Geheimnis der heiligen Nacht‘ den A. de St. Exupery in seinem Werk ‚Der kleine Prinz‘ in die Worte fasst:
„Man sieht nur mit dem Herzen gut; das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“
A. de St. Exupery, Der Kleine Prinz
Dieser Zugang zum ‚Geheimnis der heiligen Nacht‘ ist sicherlich auch der Grund, warum so viele Menschen gerade zu Weihnachten unsere Gottesdienste mitfeiern (sei es als Präsenzveranstaltung oder auch über die verschiedensten Medien).
Vielleicht nennen viele Weihnachten auch deshalb das „Fest der Liebe“.
Wer die Weihnachtsgeschichte nach Lukas liest oder hört, der wird das, um was es bei Weihnachten geht, mit dem Herzen erfassen – meist auf direktem Weg vom ‚Ohr ins Herz‘. Dabei spielen natürlich auch unsere Gefühle als ein Element, unser Leben zu deuten und zu verstehen, eine ganz maßgebliche Rolle.
Ver-dichtung
Heute, am 1. Weihnachtstag, dem eigentlichen „Hochfest“ steigt uns das Evangelium buchstäblich zu Kopfe. Heute hören wir die Weihnachtsbotschaft nach Johannes, die im strengen Sinne keine ‚Geschichte‘ ist, deshalb nenne ich sie auch nicht ‚Weihnachtsgeschichte nach Johannes‘.
Denn dieser Text spricht eine ganz andere Sprache: es ist die Sprache des Verstandes, der Philosophie, der Kunst der Dichtung und insofern eine pure ‚Verdichtung‘ des Weihnachtsereignisses.
Wer heute ‚verstehen‘ will, braucht schon etwas Zeit und Ruhe, um den Text auf sich wirken zu lassen. Dann aber explodiert der Text mit seinen vielen Facetten und Aussagen (darauf möchte ich jetzt hier aber nicht näher eingehen).
Einen Schlüssel möchte ich aber dennoch ‚an die Hand geben‘: vergleichen Sie den Anfang des Johannes-Evangeliums mal mit der Schöpfungsgeschichte nach Genesis (1 Mose), und achten auf die ‚Funktion‘ des Wortes. Ent-decken Sie etwas?
Erinnern Sie sich noch an die Überschrift über diesen Beitrag?
Da steckt das Wort „Wortneuschöpfung“ drin. Darunter verstehen wir eigentlich, wenn ein ganz neues Wort in unserer Sprache geschaffen wird: ein neues Wort ist da und kann in unseren Wortschatz und Sprachgebrauch aufgenommen werden. Besonders die Jugendsprache ist sehr kreativ in Wortneuschöpfungen.
Bei Weihnachten geht es aber um keine ‚Wortneuschöpfung‘ sondern um wort.neu.schöpfung.
Die Welt, die am Anfang allen Seins durch Gottes Wort geschaffen wurde (vgl. Genesis/ 1 Mose), wird nun durch das menschgewordene Wort Gottes = Jesus Christus neu geschaffen.
Durch Weihnachten bricht eine ’neue‘ Schöpfung an, die alle menschliche Existenz und die ganze Schöpfung nicht der Hoffnungslosigkeit und der Unendlichkeit des Todes überlässt, sondern der ‚Anfang der Ewigkeit‘ wird.
Gerd Wittka, 25.12.2021
Ich möchte Sie heute einfach mal einladen, sich einen Augenblick der Ruhe, Stille und Besinnung zu nehmen und Sie bitten, mal über Folgendes nachzudenken:
Wo sehne ich mich danach, dass etwas ’neu‘ in meinem Leben geboren werden soll?
„Das Wort, das dir hilft, kannst du dir nicht selber sagen!“ – so ein Sprichwort. Welche Zusagen, Impulse oder Ermutigungen brauche ich dazu? Von wem kann ich solche Ermutigungen annehmen und auch ‚zu Herzen nehmen‘?
Konkret: An welche Worte Jesu erinnere ich mich und welche Worte Jesu gehen mir ‚zu Herzen‘, sprechen mich an und motivieren mich in meinem Glauben?
Ich wünsche Ihnen an diesem ersten Weihnachtstag, dass Ihr Leben von dieser wort.neu.schöpfung berührt wird, es in Ihnen neu geboren werden kann und Sie in Ihrem Leben begleitet und stärkt.
Es heißt: im Anfang war das Wort –
mir deucht: im Anfang war die Liebe.
Luise Baer (19./20. Jhdt.), deutsche Schriftstellerin – Quelle: Baer, Jahresgedanken einer Frau, 1921
Werde still … und staune
Corona-Weihnacht 2021
Anmerkung: Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich hier nur zu Weihnachtsliedern verlinken, die z.B. bei youtube zu finden sind.
Musik zur Einstimmung: „Maria durch ein Dornwald ging“
Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen. Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.
var _oembed_c9f37d16ca62acf99251061bf586c7d0 = '{\"embed\":\"<iframe title="VOCES8 - Maria Durch ein Dornwald ging (Arr. Stefan Claas)" width="910" height="512" src="https:\\/\\/www.youtube-nocookie.com\\/embed\\/JRXhY5px9Hs?feature=oembed" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" referrerpolicy="strict-origin-when-cross-origin" allowfullscreen><\\/iframe>\"}';
Quelle: https://youtu.be/JRXhY5px9Hs
Gebet am Beginn: Gott, in dieser Stunde kommen wir zu dir. Wir wollen Weihnachten feiern, indem wir die Frohe Botschaft dieser Heiligen Nacht hören. Sie stellt uns den Anfang unserer Erlösung vor Augen, die ihren Ursprung allein in dir und deiner Liebe zu uns Menschen hat. Öffne unseren Geist und unser Herz, damit auch in diesem Jahr wir wieder froh dieses Weihnachtsfest begehen. Darum bitten wir dich durch Christus im Heiligen Geist. Amen.
Lied: „Menschen, die ihr wart verloren“
Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen. Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.
var _oembed_a5084e514bfdaea38706a78e945be74c = '{\"embed\":\"<iframe title="Menschen, die ihr wart verloren" width="910" height="512" src="https:\\/\\/www.youtube-nocookie.com\\/embed\\/i5P8_-gV6Fs?feature=oembed" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" referrerpolicy="strict-origin-when-cross-origin" allowfullscreen><\\/iframe>\"}';
https://youtu.be/i5P8_-gV6Fs
Evangelium von der Heiligen Nacht – Das Weihnachtsevangelium nach Lukas (Lk 2,1-14):
Geistlicher Impuls: Wie fühlen Sie sich gerade, an diesem Weihnachtsfest? Wie haben Sie sich gefühlt in den Tagen vor Weihnachten und als auch bei Ihnen die Frage hoch kam, wie Sie dieses Jahr Weihnachten feiern wollen oder können?
Auch in diesem Jahr findet unser Weihnachten 2021 wieder ganz unter dem Vorzeichen der Corona-Pandemie statt. – Ja, auch ich bin es langsam leid. Ich bin es leid, dass die Adventszeit so wenig adventlich für mich war, mit so wenigen Gottesdiensten und schönem Adventsgesang. (Allein singt es sich nicht so schön und gerne zuhause). Auch ich bin es leid, dass ich nicht ohne Bedenken und Befürchtungen in einen weihnachtlichen Gottesdienst gehen kann; dass ich ohne ‚meine‘ Gemeinde aus der Krankenhauskapelle diesen Heiligen Abend begehen muss.
Die Herausforderung für uns alle ist: unter diesen Bedingungen wieder einmal das christliche Weihnachtsfest gut feiern zu können. Ich denke aber, die Chancen stehen gar nicht mal so schlecht.
Dazu möchte ich Sie auf ein Experiment einladen. Schauen Sie sich mal bitte einen Augenblick die folgende ‚Wortwolke’ an:
Copyright: Gerd Wittka
(Für jene, die sie nicht gut lesen können) – Sie besteht aus folgenden Wörtern:
Nacht Armut bitter Bitterkeit Blut Elend Finsternis Furcht Gefangen Jammertag klein Knecht Kälte Not Schmerzen Schuld Sünde Tod Todesnacht Verlorenheit Winter Gericht Armut Niedrigkeit
Bringen Sie diese Begriffe mit Weihnachten in Verbindung?! Oder vermissen Sie darunter nicht vielleicht ganz andere Worte?
Vielleicht überrascht es Sie (oder auch nicht): aber diese Wörter kommen alle in dem einen oder anderen uns sehr bekannten Weihnachtslied vor, von denen viele auch gerade am Heiligen Abend in den Christmetten gesungen werden. Alle finden sich im Stammteil unseres „Gotteslob“.
Ich finde es sehr interessant, weil eben nicht das gute und sorgenfreie Leben, Wohlstand, Friede, Freude, Gesundheit, Ehre und Ansehen den Hintergrund bilden, auf dem uns die Botschaft der Heiligen Nacht erreichen soll.
Die Botschaft der Heiligen Nacht ist eine Botschaft, die sich an Menschen richtet, auf die mindestens einer der genannten Begriff in ihrer Lebenssituation zutrifft.
Die Botschaft der Heiligen Nacht ist die Botschaft auf dem Hintergrund des Leidens, der Belastungen und Herausforderungen unseres Lebens.
Die Botschaft der Heiligen Nacht geht deshalb auch nicht in erster Linie in das Getümmel und in den Rummel von Weihnachtsmärkten, Weihnachtsfeiern mit vielen anderen Leute, in Jubel und Trubel dieser winterlichen Zeit. Sie drängt vielmehr in Situationen von Stille, Einsamkeit, Sorgen und Angst. Diese sind die Rahmenbedingungen, unter denen die Weihnachtsbotschaft sich Gehör verschaffen möchte.
Auch dazu möchte ich Ihnen eine Wortwolke präsentieren:
Auch das wieder alles Begriffe, die in unseren allseits bekannten Weihnachtsliedern vorkommen.
Diese beiden Wortwolken machen deutlich, mit welchen Begrifflichkeiten die Botschaft der Weihnacht erfüllt ist:
Copyright: Gerd Wittka
liebe friede freude hoffnung licht gott himmel stern heiland kunde jubel jauchzen heilig retter lob botschaft wärme helligkeit engel gloria ehre glanz froh dankeslieder geburt duft süße rose heiland kunde jubel christkind erlösung stärke sonne leben wonne schein knieen beten wunder geheimnis jauchzen heilig
Was kann das für unser Weihnachtsfest 2021 bedeuten, das wir wieder einmal unter Corona-Bedingungen feiern?
Zu Weihnachten 2013 sagte Papst Franziskus folgende Worte:
„Weihnachten ist oft ein lautes Fest: Es tut uns aber gut, ein wenig still zu werden, um die Stimme der Liebe zu hören.“ (Papst Franziskus, Weihnachten 2013)
Mir sagen diese Worte: • es ist egal, wenn wir auch in diesem Jahr vertraute Formen des Weihnachtsfestes entbehren müssen; • es ist egal, wenn wir nicht im Kreis vieler lieber Menschen diese Weihnachtstage begehen.
Das alles wird uns nicht daran hindern, frohe und gesegnete Weihnachten feiern zu können.
Wir können gerade dann erfüllte Weihnachten feiern, wenn wir alles das, was uns in diesem Jahr „fehlt“, einmünden lassen in Augenblicke der Stille, der Ruhe, um auf die Stimme der Liebe Gottes zu lauschen, mit der er heute durch den Engel zu uns spricht:
„Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; ER ist der Christus, der Herr.“
Vielleicht hilft es auch, in diesem Jahr ein Wort von Angelus Silesius wieder neu zu ver-innerlichen, das die Sichtweise auf Weihnachten nicht nach außen, sondern nach innen lenken will:
Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren. Angelus Silesius
Nicht erst heute, im Jahr 2021, erfahren wir, dass das Wesentliche der Heiligen Nacht in uns selber stattfindet und nicht von Äußerlichkeiten abhängig ist.
Wenn wir in dem Adventslied „Macht hoch die Tür“ den Text singen „… mein Herzens Tür dir offen ist…“, dann geht es genau darum: Die weihnachtliche Botschaft zu hören und zugleich mit zu hören, dass Jesus in dieser Zeit auch in uns geboren werden möchte, damit wir mehr und mehr von ihm und seiner Liebe erfüllt werden und diese Liebe gerade auch in Zeiten der Herausforderungen nach außen sichtbar werden lassen können.
Ich möchte mit einem Gedicht von Hermann Hesse enden, das auch nichts an Aktualität verloren hat: Weihnachten von Hermann Hesse
Ich wünsche Ihnen und allen Ihren Lieben in diesem Sinne und von Herzen ein frohes, gesegnetes und trostreiches Weihnachten 2021. Möge die Wärme und das Licht der Heiligen Nacht ihre Nächte, Ihre Sorgen und Ihre ganze Lebenszeit erfüllen.
Lied: „Oh du fröhliche…“
Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen. Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.
var _oembed_25ce305c4ec3805fa280b3c38e8d69a0 = '{\"embed\":\"<iframe title="Knabenchor der Chorakademie Dortmund "O du fröhliche" @ Weihnachten mit dem Bundespräsidenten 2017" width="910" height="512" src="https:\\/\\/www.youtube-nocookie.com\\/embed\\/6bOzowjVeGw?feature=oembed" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" referrerpolicy="strict-origin-when-cross-origin" allowfullscreen><\\/iframe>\"}';
Quelle: https://youtu.be/6bOzowjVeGw
Bittgebet:
Guter Gott, in dieser hochheiligen Nacht ist der Welt, Christus das Licht, aufgestrahlt, um all unsere Dunkelheit zu erhellen. Er will hinweg nehmen, allen Kummer, alle Trauer und allen Schmerz.
Wir schließen in unsere Gedanken und unser Gebet alle Menschen ein, die weltweit unter Krieg und Naturkatastrophen leiden; deren Leben bedroht wird und die um ihr Überleben kämpfen.
Wir denken in diesem Augenblick auch an alle, die allein zuhause dieses Weihnachtsfest feiern müssen und die die gewohnte Gottesdienstgemeinde an diesem Abend vermissen.
Wir beten auch für die vielen Menschen, die sich nach Frieden sehen, in der Familie oder auch in sich selbst.
Wir beten für jene, die die Corona-Pandemie ganz besonders in Anspruch nimmt und herausfordert: für das medizinische und pflegerische Personal in den Krankenhäuseren, für jene, die sich in Impfzentren und Arztpraxen an der Impfkampagne beteiligen, für jene die in Wissenschaft und Politik nach angemessenen Lösungen zur Bekämpfung der Pandemie suchen.
Wir beten für jene, die sich solidarisieren und aus einem gemeinsamen Verantwortungsbewusstsein heraus solidarisch gegen die Pandemie kämpfen und wir bitten für jene, die sich dieser Solidarität entziehen.
Wir denken an jene, die unter vielfältigsten Krankheiten leiden und denen manchmal die Lebensfreude zu schwinden droht.
Und wir schließen in unser fürbittendes Gebet auch all unsere Verstorbenen ein, die dieses Weihnachtsfest nun in deiner Gegenwart feiern.
Für Sie alle beten wir und für unsere persönlichen Anliegen, in dem wir nun gemeinsam das Vaterunser beten:
„Vater unser im Himmel, …“
Abschluss-Gebet: Guter Gott, dieses Weihnachtsfest drängt uns wieder einmal besonders deutlich, für uns die Frage zu beantworten, was uns an Weihnachten wichtig und wesentlich ist? Vielleicht stupst uns auch dieses Corona-Weihnachten wieder mit der Nase drauf, worauf es bei Weihnachten wirklich ankommt. Lass uns für diese geistliche Lektion dankbar sein und uns auf die Botschaft konzentrieren, die den Kern der Heiligen Nacht ausmacht. Erfülle uns dafür mit deinem Heiligen Geist, damit Christus auch in uns wieder neu geboren werden kann und wir ihm in der Krippe unseres Herzens neuen Raum schaffen. Denn ihm sei die Ehre, unser Lobpreis und unser Dank in dieser heiligen Nacht. Amen.
Segen:
Guter Gott, du hast uns deinen Sohn gesandt, damit es im Dunkel unserer Tage licht und hell wird. Segne uns und unsere Welt, damit Hass und Zwietracht in Frieden gewandelt wird. Segne die traurigen und hoffnungslosen Menschen, damit sie Freude finden. Dein Segen bewahre uns an diesem Weihnachtsfest und im neuen Jahr in deiner Gnade. Amen.
Zum Abschluss:
Lied: Stille Nacht, Arr.: John Rutter
Englische Version:
Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen. Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.
var _oembed_8ff760997b5f202721dce7b1888a8d2a = '{\"embed\":\"<iframe title="Silent Night Virtual Choir (arr. John Rutter)" width="910" height="512" src="https:\\/\\/www.youtube-nocookie.com\\/embed\\/JLz3ToyIiUc?feature=oembed" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" referrerpolicy="strict-origin-when-cross-origin" allowfullscreen><\\/iframe>\"}';
Quelle: https://youtu.be/JLz3ToyIiUc (englisch)
Deutsche Version:
Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen. Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.
var _oembed_53cee2bd1fdac22e08ff08cdd881c605 = '{\"embed\":\"<iframe title="Stille Nacht - F. Gruber Arr. John Rutter" width="910" height="512" src="https:\\/\\/www.youtube-nocookie.com\\/embed\\/CvORPqfA4bk?feature=oembed" frameborder="0" allow="accelerometer; autoplay; clipboard-write; encrypted-media; gyroscope; picture-in-picture; web-share" referrerpolicy="strict-origin-when-cross-origin" allowfullscreen><\\/iframe>\"}';
es würde mich sehr wundern, würden viele von uns, die wir das heutige Evangelium gehört haben, irgendwann nicht auch auf das Thema „Kirchenaustritt“ und die neuesten Entwicklungen kommen.
Wir könnten leicht versucht sein, dieses Evangelium oberflächlich und 1:1 auf die heutige Zeit zu übertragen. Wir könnten leicht versucht sein, zu sagen: „Heute ist es ja nicht viel anders als damals. Auch heute verlassen Menschen die Kirche und wollen scheinbar nicht mehr mitgehen.“
Aber Vorsicht! Vielleicht ist das genau zu kurz gedacht.
Schauen wir uns den Text etwas genauer an: Da gibt es wieder diesen einen Satz, den wir als Schlüsselsatz verstehen dürfen, der uns die Vorzeichen benennt, unter denen wir diesen Text ent-schlüsseln müssen: „Der Geist ist es, der lebendig macht. Das Fleisch nützt nichts!“
Damit spricht Jesus einen Punkt bei den Juden an, der mit der Frage zusammenhängt, wie ein Mensch Jude bzw. Jüdin wird. Wesentlich und in erster Linie spielt da die Rolle, ob Mutter oder Vater jüdisch ist. Die Geburt, die Abstammung von den Eltern ist hier also primär maßgeblich. Durch die anschließende Beschneidung tritt ein Junge dann dieser Bundesgemeinschaft bei.
Es gibt also mehr oder weniger einen „Automatismus“ bei der Zugehörigkeit zum Judentum: die Geburt, also „das Fleisch“ ist maßgeblich.
Doch dieses Verständnis kratzt Jesus im heutigen Evangelium an. Nach ihm ist nicht die Herkunft für die Zugehörigkeit maßgeblich, sondern die Gesinnung, der Glaube und die damit einhergehende Entscheidung für den Glauben und für eine Nachfolge Christi.
Diese Tradition des ‚entschiedenen‘ Christen hat sich im Laufe der Kirchengeschichte verfestigt, auch wenn es Zeiten gab, wo der/die einzelne nicht zum Christentum übertrat, sondern: wenn der „pater familias“ zum christlichen Glauben übertrat, dann trat mit ihm „das ganze Haus“ zum christlichen Glauben über, also alle Familienangehörigen, selbst die Sklaven im Haus.
Beziehen wir das heutige Evangelium aber auf die Frage nach Kirchenaustritt und Zugehörigkeit zu Christus, dann lohnt sich ein genauerer Blick auf die Entwicklung in diesem Bereich.
Als ich vor über 25 Jahren Priester wurde, konnte man im großen und ganzen berechtigterweise die These vertreten: Wer aus der Kirche austritt, vollzieht damit nur den letzten Schritt. Vorausgegangen waren zumeist schon eine längere innere und äußere Loslösung von der Kirche und evtl. sogar auch vom christlichen Glauben. Der Kirchenaustritt erschien damals zumeist als logischer Schritt einer inneren oder auch geistlichen Entfernung von christlichem Glauben und von der Kirche. Für uns Seelsorger:innen hieß das auch zumeist: „Der Zug ist abgefahren!“. So schnell würde man diese Menschen nicht wieder zurück gewinnen können. Mit diesen Menschen müsste man den Glaubensweg wieder neu starten.
In den letzten Jahren können wir – auch unter dem Einfluss des Skandals über sexuellen Missbrauch in der Kirche und durch kirchliche Mitarbeitende und auch das starre hierarchische Handeln der Kirche – aber eine andere Entwicklung feststellen. Menschen sind verärgert, frustriert und verletzt, wie unsere Kirche mit bestimmten Themen umgehen. Darunter sind sogar Menschen, die sich bis zum eigentlichen Austritt teilweise persönlich und sehr engagiert in der Kirchengemeinde eingebracht haben, z.T. in verantwortlichen Aufgaben und Positionen in Gremien oder als Ehrenamtliche in der Verkündigung (Kommunionhelfer:innen, Lektor:innen, Messdiener:innen, ….).
So höre ich in letzter Zeit häufiger folgende oder ähnliche Statements: „Ich trete aus der Kirche aus, aber ich bleibe ‚katholisch‘!“ oder „Ich trete aus der Kirche aus, aber ich bleibe nach wie vor überzeugte/r Christ:in!“
Christ:in sein – ohne Kirche?
Ich will jetzt gar nicht die theologische Frage stellen zwischen überzeugtem Christentum und ‚Zugehörigkeit zur Kirche‘. Aber diese Beobachtungen lassen eine weitere Frage aufscheinen:
Bedeutet Zugehörigkeit zu Christus gleichzeitig Zugehörigkeit zur Kirche? Oder: kann ich auch als ausgetretene/r Katholik/in auch weiterhin katholisch und Christ:in sein?
Viele von denen, die formal aus der Kirche ausgetreten sind, beantworten diese Fragen sehr klar, entschieden und eindeutig mit: „Ja!“
Ich finde, dass ist ernst zu nehmen. Denn sie sagen damit: Mein Christsein und mein Kirchesein wird nicht in erster Linie geprägt von einer formalen Mitgliedschaft zu einer Kirche, zu der ich vielleicht sogar eher unfreiwillig, d.h. durch die Entscheidung der Eltern (also dem „Fleische nach“?) gekommen bin. Mein Verständnis von Christsein und Kirchesein ist entscheidend von meiner eigenen Entscheidung her zu verstehen, also von dem, was meinem Geiste als freie Entscheidung entspringt.
Mir ist klar, dass manche Dogmatiker:innen jetzt heftig die Stirn runzeln werden. Aber das ist für mich zweitrangig. Für mich ist viel wichtiger, diese Geisteshaltung dieser Menschen ernst zu nehmen, denn dahinter verbirgt sich was ganz Wertvolles: sie haben nicht abgeschlossen mit dem christlichen Glauben, sie haben nicht abgeschlossen mit der christlichen Gemeinschaft. Sie haben oft nur abgeschlossen mit einer organisatorischen Institution, die ihnen oft so widersinnig erscheint: widersinnig im Hinblick auf den christlichen Glauben.
Und: sie haben ihr Bekenntnis zu Jesus Christus dadurch erneuert. Sie sagen damit: Christus und der Glaube an ihn und seine Botschaft spielen in meinem Leben weiterhin ein große Rolle. Die Worte Jesu und seine Botschaft sind für diese Menschen weiterhin „Geist und sind Leben“. Ihr Leben würde ohne den christlichen Glauben, ohne die Zugehörigkeit zu Christus, ohne christliche Nachfolge, leer sein.
Sie antworten auf die Frage des Herrn: „Wollt auch ihr gehen!“ auch heute wieder: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Wortes des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“
Wenn wir diesen Gedanken an uns heranlassen und ihn zulassen, dann wird aber zwangsläufig eine weitere Frage auftauchen:
Wie ist es mit uns, die wir (noch) in der Kirche geblieben sind? Wo sind wir (nur noch) „dem Fleische nach“ Christ:innen? Und wo und wie könnten wir mehr und bewusster „dem Geiste nach“ Christ:innen sein und glaubwürdiger werden; dem Geiste nach, der uns (wieder) lebendig macht?
Formales Christentum, formale Zugehörigkeit zur Kirche ist wertlos.
Dem Geiste nach zu Christus zu gehören ist wesentlich, ob als Mitglied der Kirche oder nicht (mehr).
Um uns…
Geliebt mit Haut und Haaren
Heute, am Montag der Karwoche 2020 lese ich im Tagesevangelium die folgenden Verse aus Johannes, 12, 1-3: „Sechs Tage vor dem Paschafest kam Jesus nach Bethanien (…). Dort bereiteten sie ihm ein Mahl; Maria bediente (…). Da nahm Maria ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihrem Haar. Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt.“
Gerd Eichmann / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0) Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Steinbach-St_Jakobus-60-Maria_Magdalena_salbt_Jesus_die_Fuesse-gje.jpg
Am Beginn der Karwoche also dieses Evangelium. Es richtet im weiteren Verlauf zwar auch den Blick auf das zukünftige Begräbnis Jesu, wenn es in Vers 7 heißt: „…Jesus jedoch sagte: Lass sie, damit sie es für den Tag meines Begräbnisses aufbewahrt!…“, aber dieser Satz scheint im Zusammenhang mit der Schilderung vorher etwas widersinnig, denn Maria bewahrt ja eigentlich nichts auf, sondern ‚verschwendet‘ es gleichsam in den Augen anderer. Deshalb: diesem Evangelium steckt noch viel mehr drin, was bedeutsam für diese Heilige Woche ist.
Der Stoff, aus dem Romanzen sind …
Ich möchte Sie mal zu einem sehr unkonventionellen Gedankenexperiment einladen. Lesen Sie mal den Auszug aus dem heutigen Evangelium, aber ohne die Namen „Jesus“ und „Maria“ und setzen Sie stattdessen andere – beliebige – Namen ein. Jetzt stellen Sie sich weiter vor, Sie sind Regisseur und sollen einen Film drehen, in dem auch diese Szene vorkommt… Wie würden Sie dieses Szene gestalten? Was würden Sie in der Szene zum Ausdruck bringen? (Sie können sich gerne dazu auch noch mal das Bild oben anschauen!)
… voller Zärtlichkeit, Nähe, Intimität und Eros
Erinnern wir uns, was wir in Johannes 11, 1f und 5 gelesen haben:
„…1 Ein Mann war krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf der Maria und ihrer Schwester Marta. 2 Maria war jene, die den Herrn mit Öl gesalbt und seine Füße mit ihren Haaren abgetrocknet hatte; deren Bruder Lazarus war krank. (…) 5 Jesus liebte aber Marta, ihre Schwester und Lazarus….“
Die Bibel nimmt kein Blatt vor den Mund: die Beziehung zwischen Jesus einerseits und Martha, Maria und Lazarus andererseits war eine Liebesbeziehung.
Ehrlich gesagt: müsste ich diese Szene ins Bild setzen, es wäre eine Szene voller liebevoller Nähe, Zärtlichkeit, Intimität und – ja ich wage es hier zu schreiben – auch etwas Erotik. Denn was spielt sich hier ab: eine Frau und ein Mann, von denen bekannt ist, dass sie sich sehr nahestehen, sich ‚lieben‘, wie Johannes in einem Kapitel vorher schreibt, kommen sich sehr nah, auch körperlich.
Wenn zwei Menschen sich so nahe kommen, der eine sich vor dem anderen niederhockt, die Füße berührt und sie mit kostbarem Öl salbt und dann auch noch das eigene Haar verwendet, um dieses Öl abzutrocknen, dann braucht es nicht viel Fantasie, dass man spürt, wie es auch zwischen diesen beiden Menschen knistert. Ich denke, dass man dieser Szene eine gewisse Erotik nicht absprechen kann.
Diese Erotik ist zugleich auch Ausdruck der tiefen Liebe zwischen diesen beiden Menschen. Und diese Liebe wird bedeutsam sein, wenn wir in den nächsten Tagen uns der Passion Jesu neu stellen.
Je mehr Liebe um so mehr Schmerz
Es ist kein Paradox, sondern die Kehrseite jeder Medaille, die da „Liebe“ heißt. Je mehr wir einen Menschen lieben, um so mehr schmerzt es uns, wenn diese Liebe bedroht wird. Je mehr wir einen Menschen lieben, um so mehr leiden wir mit, wenn der geliebte Mensch leidet. Um also den ganzen Schmerz verstehen zu können, den Marta und Maria mit der Hinrichtung und des Todes Jesu erfüllt hat, müssen wir uns vergegenwärtigen, wie groß ihre Liebe zu ihm war.
Wolfgang Sauber / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0), Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/91/Gotland-L%C3%A4rbro_kyrka_Bemaltes_Wandmalerei_03.jpg
Schauen Sie sich einmal dazu dieses Bild an. Es ist ein Fresko aus gotischer Zeit. Das Bild zeigt die „Mater dolorosa“, die Schmerzhafte Mutter. Auffällig ist, dass ihr ein Schwert durchs Herz geht. Mit diesem Bild wird der große, unerträgliche Schmerz Mariens ausgedrückt, den sie bei der Passion und dem Tod ihres geliebten Sohnes erleidet. Ähnlich wird es auch Martha und Maria aus Bethanien ergangen sein.
Wer viel liebt, wird nicht umhin kommen, auch viel zu leiden. Und die Salbung der Füße Jesu durch Maria von Bethanien bringt die große Liebe zu Jesus zum Ausdruck, die von so viel Hingabe, Zärtlichkeit und Eros geprägt ist.
In Liebe vereint bis … INS LEBEN!
Und wie ist es mit unserer Liebe zu Christus?
Ja, ich finde, wer mutig ist, darf sich einmal selber fragen: Wie groß ist meine Liebe zu Jesus Christus? Kann ich mir vorstellen, IHM, wie Maria, die Füße zu salben und ihm ganz nahe zu sein, weil ich mich in seiner Nähe einfach selber geliebt fühle? Oder graut es mir jetzt schon ein wenig, wenn ich an die Tage der Erinnerung seiner Passion denke und ich mich in Schriftlesung und Meditation auf SEINE Leidensgeschichte einlasse? Würde ich etwa – wie einige seiner Jünger – auch am Liebsten Reißaus nehmen und direkt vom Palmsonntag nach Ostersonntag fliehen, ohne das Abendmahl, ohne den Verrat, ohne seine Hinrichtung und sein Sterben?
Je mehr ich darüber nachdenke, ahne ich:
Wer Jesus Christus wirklich liebt, mit ganzem Herzen und mit seiner ganzen menschlichen Existenz, der wird die Passion fürchten, aber er wird auch umso mehr mit den Frauen am Ostermorgen zum Grab gehen können und voller Freude erfüllt sein, dass der geliebte HERR, MEISTER, BRUDER und FREUND nicht im Tod geblieben, sondern auferstanden ist und uns nahe bleibt, wie ER uns versprochen hat.
Und weil ich auf das lebensvolle Ende sehe, kann ich mich auf die Liebe und den Schmerz einlassen, der aus meiner Beziehung zu Jesus Christus erwächst. Denn es ist eine Liebe, die uns vereint … bis ins LEBEN!