Stille und Wille
oder: warum Josef Gottes Botschaft ‘hören’ konnte (Impuls zum 4. Advent 2022)
Sieben Monate nahm Henri Nouwen am Leben der Mönche im Trappistenkloster Genesee Abbey im Staat New York teil. Er unterstellte sich den Lebensregeln der Mönche, dem Schweigen, der Handarbeit, dem Gebet und der Führung des Abtes.
Daraus ist ein Buch entstanden, einer der Klassiker der Spiritualität: “Ich hörte auf die Stille!”
Ebenfalls stammt aus seiner Feder das Buch: „Gebete aus der Stille. Den Weg der Hoffnung gehen.“
Allein die Titel beider Bücher nehmen ein Thema in den Blick, das in wenigen Tagen – zumindest in Literatur und Liedern – einen hohen Stellenwert einnehmen wird.
Bald werden wir wieder die Lieder singen wie: „Leise rieselt der Schnee, still und starr ruht der See….“ oder „Still, still, still, weil’s Kindlein schlafen will…“ oder der Klassiker: „Stille Nacht, heilige Nacht….“
Ob die Bücher von Henri Nouwen oder die weihnachtlichen Lieder: sie handeln von der Stille.
Und das erscheint paradox, wo doch die Vorweihnachtszeit und auch die Weihnachtstage eher für viele von uns lebhaft und weniger still sein werden – manchen Familienkrach mit eingeschlossen!
Was ist das für eine Sehnsucht, der wir dann doch eher vergeblich hinterher eilen?
Ich denke, es ist eine Sehnsucht, die die Stille als Ort oder Zeitpunkt benennt, wo wir mit der Wahrheit unseres Lebens konfrontiert werden und zugleich zu Erkenntnissen kommen können, die unser weiteres Leben prägen werden.
Auch ‘Exerzitien’, die geistlichen Auszeiten, zumal die „Schweige-Exerzitien“, sind aus diesem Bewusstsein heraus entstanden.
Ins Schweigen zu gehen, die Stille aufzusuchen, kann zu einer Quelle wichtiger Erkenntnis werden.
Aber zugleich wird manchen von uns angst und bange, weil das Schweigen und die Stille immer auch Konfrontation bedeuten kann, mit dem, was wir lieber vergessen wollen, was uns unangenehm ist oder sogar schmerzlich für uns ist.
Das Schweigen und die Stille wirft uns auf uns selber zurück und auf unsere Lebens-wirklichkeit, also auf das, was in unserem Leben Wirkung zeigen kann, wenn wir dem Raum geben.
Auch von Jesus wissen wir, dass ER die Stille aufgesucht hat, um sich Klarheit zu verschaffen.
Und da kommt er aus ‚gutem Hause‘.
Denn das heutige Evangelium berichtet uns, dass auch sein Ziehvater Josef um den Wert und die Bedeutung der Stille wusste.
In der Stille und im Schweigen können wir unser Herz und unser ‚inneres Gehör‘ öffnen für Gottes Wort. In der Stille können wir zu Erkenntnissen kommen, die unser ganzes Leben verändern können. In der Stille können wir zur echten Gottesbegegnung kommen.
Nach damaligen menschlichen und gesellschaftlichen Regeln war die Nachricht, die Josef empfangen hat, ein Fiasko: Seine Verlobte ist schwanger.
Kann ja mal passieren, könnten wir einwenden. Aber nicht vom Bräutigam selber und nicht durch einen anderen Mann. Auch das könnte passieren.
Nein, sie wurde schwanger durch die Kraft des Höchsten!
Das, in der Tat passiert nun wirklich nicht so häufig!
Doch Josef rastet nicht aus, verliert nicht den Kopf, aber gesteht sich aus Liebe zu Maria zu, sich eine Auszeit zu nehmen, nicht nur eine geistige sondern auch eine geistliche Auszeit zu nehmen.
Er nimmt sich eine Auszeit, in der er auch ganz bewusst Abstand nimmt von Regeln und Konventionen.
Er macht seinen Kopf frei, er macht seinen Bauch frei von allen negativen Gefühlen und somit macht er sich frei für Gott.
Josef geht in die Stille und beginnt nachzudenken. Er hört auf die Stille und begegnet in der Stille, in einem Traum, dem Anruf Gottes in seinem Leben.
Er wird offen für das, nicht was die Menschen wollen, sondern was Gott will. Und so kann er die Konventionen brechen und bricht nicht mit seiner Braut, sondern nimmt sie und ihr Kind – welches nicht seines ist – an und nimmt damit Gottes Willen an.