Die Freiheit nehme ich mir

Wieso ich mich zum ersten Mal in meinem Dienst für eine kurze Hose entschieden habe.




„Bei euch aber soll es nicht so sein…“

Predigt zum 29. Sonntag im Jahreskreis – 16./17.10.2021

Lesungstext: Markus-Evangelium, Kapitel 10, VV. 42-45

Wissen Sie, wie man unter Seelsorgerinnen und Seelsorgern eine lebhafte Diskussion anfachen kann?
Man muss als Kollege einfach nur mal den Satz fallen lassen: „Wir sind doch alle Dienstleister!“

Dienstleister



Schon werden sich spontan welche finden, die so in etwa sagen: „Nein! So kann man das nicht sagen! Wir können uns nicht sehen wir andere Dienstleistungsunternehmen, deren Leistung man so einkaufen kann.“
Andere wiederum sagen: „Doch, wir sind auch Dienstleister:innen, aber wir sind nicht – wie kommerzielle Dienstleister – wirtschaftlich Handelnde. Unser Dienst wird nicht vom „Kunden“ bezahlt (abgesehen von Gebühren, die für bestimmte kirchliche Handlungen vorgenommen werden).“

Ohne hier diese Diskussion weiter präsentieren zu wollen, glaube ich, dass diese Diskussion sehr gut unter dem Licht des heutigen Evangeliums betrachtet werden kann.

Ich selber bin davon überzeugt, dass wir als Seelsorgende durchaus Dienstleister:innen sind, aber sicherlich nicht im kommerziellen Sinne.

Jesus selbst formuliert die Nachfolge als einen Dienst, wenn er im Johannesevangelium in Kapitel 12,26 sagt:
„Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein.“
Nachfolge Christi ist für ihn also ganz klar ein Dienst an dem Herrn.

Der frühere französische Bischof von Évreux, Jaques Gaillot, schrieb mal ein Buch mit dem Titel:
„Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts!“

Allein dieses Zitat ist geeignet, sich in einer geistlichen Übung mit dem Verständnis des Dienstes der Kirche und der in ihr tätigen Seelsorgenden zu beschäftigen.
Ich vertrete ganz klar die Auffassung, dass unsere Aufgabe ein Dienst ist und das unsere seelsorgliche Leistung eine Dienst-Leistung ist und zwar in dem oben genannten Verständnis von Nachfolge Christi.

Heute hören wir zugleich von Jesus einen zweiten Aspekt seiner Sendung: „Denn der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“

Der Herr Jesus Christus versteht sich also zugleich als Diener!
Jesus Christus versteht sich also in einer Art Doppelrolle, als HERR, dem jene dienen, die ihm nachfolgen wollen und zugleich als Diener, um sich selber FÜR andere aufzuopfern.

Problematisch wird es nur, wenn jene, die ein Amt in der Kirche ausüben, dieses Doppelverständnis Jesu auch auf sich selber übertragen, nämlich Diener und Herren zugleich sein zu wollen!

In unserer Zeit erfahren wir mit aller Wucht, welche Bedrohungen von so einem Selbstverständnis in der Vergangenheit ausgegangen ist und heute auch noch immer möglich ist.
Ich möchte nur einige Stichworte nennen, die es – bis in unserem heutigen Sprachgebrauch – benennen:
„Hochwürdiger Herr“ „Hochwürden“„Pfarrer“ = Pfarrherr, „Monsignore“ = mein Herr, „Prälat“ = der Vorgezogene, „Eminenz“ = der Herausragende, ….

Dies alles sind – noch – gebräuchliche Anreden und Titel in unserer Kirche, die von ihrem Wesen her automatisch mit Macht verbunden werden und die den Unterschied zu anderen in Kirche und Gemeinde buchstäblich zementieren.
Solche Titel und Bezeichnungen bergen auch die Gefahr, das Bewusstsein derer zu verändern, auf denen solche Titel angewandt werden oder die sogar solche Titel im alltäglichen Sprachgebrauch für sich einfordern.

Allein an diesem sprachlichen Beispiel können wir erkennen, dass wir uns in unserer Kirche dringend mit dem Thema „Macht“ beschäftigen müssen, gerade auch mit der vermeintlichen Macht der Seelsorgenden und zwar in erster Linie die der Kleriker.

Damit verbunden sind notwendige Auseinandersetzungen mit den Erfahrungen von missbrauchter Macht, die nicht nur zwischenmenschlich sondern sogar auch geistlich zu Tage tritt.

„Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und (…) ihre Macht gegen sie missbrauchen…“ – so hörten wir gerade im Evangelium.

Im Zusammenhang mit der Enttarnung sexualisierter Gewalt durch Kleriker in unserer Kirche ist das Thema „geistlicher Missbrauch“ sehr deutlich geworden.

So geht es heute nicht mehr!

Beide Themen haben zwangsläufig nichts miteinander zu tun! Sexualisierte Gewalt ist auch ohne geistlichen Missbrauch möglich und geistlicher Missbrauch geht auch ohne sexualisierte Gewalt.
Aber wenn sexualisierte Gewalt durch Kleriker ausgeübt wird, dann geht das eigentlich immer mit geistlichem Missbrauch einher.

Geistlicher Missbrauch kann dabei schon viel früher beginnen; nämlich da, wo man in der Ausübung des seelsorglichen Dienstes die ratsuchende Person manipuliert, wo man ein Verhalten oder ein Geschehen bewertet, beurteilt oder gar Personen verurteilt und dies mit einer geistlichen oder religiösen Begründung versieht.

Ich thematisierte dieses so deutlich – wenn auch nicht ausführlich, weil es den Rahmen einer Predigt immer sprengen würde -, um diese Themen im öffentlichen Raum aus der Tabu-Zone zu holen.

Denn immer noch wird darüber in unserer Kirche viel zu viel geschwiegen.

Die Medien sind voll von diesem Thema, aber es ist eine Schande, dass wir vor Ort uns kaum offensiv mit diesem Thema des Missbrauchs – ob sexuell oder geistlich – beschäftigen.

Noch immer gibt es, auch hier bei uns in Oberhausen, die Scheuklappen vor dieser Thematik.

Da reicht es nicht aus, dass wir im Seelsorgeteam Präventionsbeauftragte haben, die dieses Thema bis in die Basis bringen wollen. Die Widerstände auch in unserer Pfarrei, sich dem Thema Vorbeugung zu stellen, sind noch allzu sichtbar.

Sie merken, liebe Schwestern und Brüder,
das heutige Evangelium hat – wenn wir es ernst nehmen und in unseren Alltag in der Kirche herunterbrechen – eine explosive Brisanz.

Denn es geht nicht nur um die Frage, welchen Platz wir einst im Himmel einnehmen werden. Es geht vielmehr darum, ob wir ehrlich und glaubwürdig hier auf Erden und zum Wohle der uns anvertrauten Menschen uns breit mit diesen Themen beschäftigen, bei denen es letztendlich um das seelische und geistliche Überleben von Menschen oder deren seelischen und geistlichen Tod geht.


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Gott und den Menschen…

Mein Dienst gilt Gott und den Menschen.

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Die Kirche nimmt mich dafür in den Dienst.

Die Prioritäten, die sich daraus ergeben, sind klar.

Dazu passt auch folgender Bericht: https://neuesruhrwort.de/2021/03/31/bischof-meier-kritisiert-priesterbild/




Väter erzählen ihren Glauben

„…. ER stellte sein Gesetz auf in Jakob, (…) und gebot unseren Vätern, ihre Kinder das alles zu lehren…“ (aus Psalm 78)

Heute Morgen, beim Beten der Laudes, wurden mir Verse aus dem 78. Psalm vorgelegt.
Darin heißt es:

„… ER stellte sein Gesetz auf in Jakob, /
gab in Israel Weisung *
und gebot unseren Vätern,
ihre Kinder das alles zu lehren,
damit das kommende Geschlecht davon erfahre, /

die Kinder späterer Zeiten; *
sie sollten aufstehen und es weitergeben an ihre Kinder,

damit sie ihr Vertrauen auf Gott setzen, /
die Taten Gottes nicht vergessen *
und seine Gebote bewahren
und nicht werden wie ihre Väter, /
jenes Geschlecht voll Trotz und Empörung, *

das wankelmütige Geschlecht,
dessen Geist nicht treu zu Gott hielt….“

Zuerst überlas bzw. über-betete ich diesen Text. Doch nach der Laudes spürte ich in mir das innere Bedürfnis, diesen Text noch einmal zur Hand zu nehmen.

Und dann fiel mir auf, woran ich hängen blieb; an den Worten:

„…. ER stellte sein Gesetz auf in Jakob, (…)
und gebot unseren VÄTERN, ihre Kinder das alles zu lehren…“

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Die Vater-Rolle

Nach diesem Text scheint die Aufgabenverteilung ganz klar zu sein: Die Weitergabe des Glaubens ist Sache der Väter!

Genau das ist es aber, was mich stutzig werden lässt.
Denn die Realität heute sieht ganz anders aus. Heute sind es vorwiegend die Frauen, die sich als Erzieherinnen in Kindergärten oder als Religionslehrerinnen in der Primarstufe um die Glaubensweitergabe kümmern.
Und auch in unseren Gemeinden können wir sehen, dass es vorwiegend Frauen sind, die sich als „Tisch-Mütter“ (wie sie früher oft genannt wurden) bzw. als Katechetinnen bei der Vorbereitung zur Erstkommunion und auch zur Firmung in den Dienst nehmen lassen.

Bei diesen Aufgaben Männer resp. Väter zu finden, ist eher eine Seltenheit.

Allenfalls bei den geistlichen Berufen finden wir noch ‚Väter‘, die für die Glaubensweitergabe zuständig sind; den „Pater“ oder den „Abbas“ ( -> Abt ) oder den Papst (entlehnt von ‚Papa‘). Doch in der römisch-katholischen Kirche sind dies in den seltensten Fällen ‚echte‘ = biologische Väter. Allenfalls werden sie als „geistliche Väter“ bezeichnet.

Ist das nicht erstaunlich, was sich da in der Kultur- und Religionsgeschichte für ein Wandel vollzogen hat?!

Permanenter Rollenwandel

Der Rollenwechsel, der sich da stickum vollzogen hat, schlägt einen großen Bogen zu den Fragen heute in der Gender-Debatte in unserer römisch-katholischen Kirche.

Zwischen dem Text des 78. Psalms und der heutigen Wirklichkeit können wir erkennen, dass bestimmte Rollenverständnisse und auch die Ausübung von bestimmten Rollen und Aufgaben in Religion und Kirche einem stetigen Wandel unterworfen waren und auch noch sind.

Für mich ist dies ein Grund mehr, dass wir in der römisch-katholischen Kirche heute die Frage nach der Rolle der Frau(en) und ob und welche Verantwortungen und Ämter sie in unserer Kirche übernehmen, nicht mehr apodiktisch verhindern, geschweige denn mit fragwürdigen, vermeintlichen Verweisen auf die sogenannte ‚Tradition‘ beantworten können.

So, wie in der Vergangenheit das Leben in der Kirche einem Wandel unterworfen war, so wird es das auch heute und in Zukunft so bleiben.

Wer sich diesem Wandel verweigert, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er/sie sich damit nicht auch der geistlichen Dynamik eines lebendigen, für das alltägliche Leben relevanten Glaubens verweigert!