Individuelle organische Vielfalt

Oder: von den „Wohnungen im Hause Gottes“ (vgl. Johannes-Evangelium 14, 1-12)

Impuls zum 5. Sonntag der Osterzeit – Lesejahr A – 2023

Wer in letzter Zeit eine Wohnung gesucht hat, weiß ein Lied davon zu singen:
Der Wohnungsmarkt ist hart umkämpft.
Bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung, ob als Eigentum oder zur Miete, muss man viel Geduld mitbringen.
Angebracht ist es auch, keine zu konkreten Vorstellungen von seiner Traumwohnung zu haben.

Die Werbung verspricht nicht selten das „Blaue vom Himmel“ mit Zusätzen wie:

Wer sich auf die Suche nach einer Wohnung macht, die fast exakt auf die eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse zugeschnitten ist, wird jedoch enttäuscht werden: entweder gibt es eine solche Wohnung nicht oder sie ist unbezahlbar.

Also bleibt einem kaum was anderes übrig, als sich einzuschränken, wenn man nicht gleich selber bauen will. Aber auch das ist bei den steigenden Zinsen für viele momentan kaum möglich.

Ist man dann in seiner Wohnung, wird man sich entweder mit den Zuständen arrangieren müssen oder man wird hier und da merken, dass es nicht so richtig passt.
Schnitt oder Größe sind nur suboptimal.

Da muss man doch bei Sätzen wir: „In meines Vaters Haus gibt es viele Wohnungen!“ „Ich gehe, um für euch einen Platz vorzubereiten!“ skeptisch werden!!!

Ein Bekannter vertritt im Hinblick auf Werbeaussagen oft den Standpunkt: „Es ist immer das Gegenteil von dem, was versprochen wird!“

Vielleicht ist dieser Standpunkt arg skeptisch oder pessimistisch. Aber die Erfahrungen lehren uns, dass diese Haltung nicht immer falsch ist.

Im heutigen Evangelium gibt es – ich drücke es mal flapsig aus – auch solche ‚Werbeaussagen‘ für zukünftige Immobilien.

Voranschicken muss ich zum besseren Verständnis, dass dieses Evangelium und seine Aussagen sehr oft zu einseitig verstanden werden.
Die Wohnungen, von denen da berichtet wird, bezieht sich nicht in erster Linie auf unsere Bleibe nach unserem irdischen Leben, auch wenn dieser Schrifttext gerne bei Beerdigungen benutzt wird.
Dieser Text möchte viel stärker einen Bezug auf das Hier und Jetzt legen.

Was ist also die Botschaft des heutigen Evangeliums?

  1. Viele Wohnungen = Platz für jeden, zumindest für viele? Es wird nicht an Wohnungen mangeln…!
  2. Einen Platz für euch vorzubereiten! – Bedeutet dass, dass das keine 08/15-Fertigbauweise, kein sozialistischer Plattenbau ist. Der Ort wird erst noch für mich geschaffen? Wird er dann meinen Bedürfnissen und Erfordernissen gerecht werden?
    Oder dürfen wir so nicht fragen?!

Heute, als ich auf dem Behandlungsstuhl beim Zahnarzt saß, kam mir ein Gedanke, den ich interessant fand:

Kennen Sie Häuser und andere Gebäude von Friedensreich Hundertwasser?! –
Genau dessen Gebäude kamen mir in den Sinn, als ich über das Evangelium nachdachte.


Die Häuser Hundertwassers sind nicht am Reißbrett entstanden. Man hat eher den Eindruck, sie sind aus dem Boden gewachsen.
Die organischen Formen, die vielen unterschiedlichen Fenster und Türen, kunstvolle Ornamente und Schmuckelemente, die ebenfalls wie gewachsen sind und alle Farben der Natur sind in vielen seiner Gebäude zu finden.
Es gibt quasi kaum lineale oder rechte WinkelFormen.

So, wie Hundertwasser Häuser gestaltet hat, so charakteristisch stelle ich mir die vielen Wohnungen vor, die Jesus für uns bereitet.

Für sich allein betrachtet, erscheint jede Wohnung und die Wände, Fenster und Türen darin ganz individuell. Damit werden die Wohnungen auch zum Sinnbild unserer gottgewollten Individualität. Gott möchte keine uniformen Menschen!

Jede Wohnung in den Hunderwasser-Häusern fällt nicht aus dem Rahmen und wirkt nicht störend!
Sondern die Vielfalt der verschiedensten Wohnungen in Form und Farbe ergeben in ihrer Gesamtheit ein harmonisch wirkendes Gebäude.
Man kann sich nicht sattsehen an der Fülle und Einzigartigkeit der verschiedenen Elemente!

Hundertwasser-Häuser können für mich deshalb ein Bild für die Kirche Jesu Christi bilden:

Kirche als ein Gebilde, das einen recht organischen Rahmen für die Gemeinschaft bildet.
Aber dieses Gebilde ist in der Gesamtheit nicht nach „Schema F“ erbaut, sondern sein Gesamtbild wird geprägt durch die einzelnen individuellen Wohnungen im Haus, sowohl außen wie innen.

Manchmal denke ich, dass Jesus mit seiner Vision von „Haus meines Vaters mit den vielen Wohnungen“ Inspirator für die Gestaltung der Hundertwasser-Häuser gewesen ist!

Denn genau so stelle ich mir Kirche vor: als eine bunte und individuelle Gemeinschaft von Individuen, die in der Summe ein recht spannendes, kreatives und inspirierendes Haus ergeben, dessen Schlussstein Jesus Christus selber ist, der alles zusammen hält.

Und wenn ich hier in die Runde schaue, dann finde ich, dass wir in unserer Gemeinschaft versuchen, ein solches Haus zu bilden.

Möge unsere Gemeinschaft auch in Zukunft zu einem Haus werden für jene, die ihre Individualität als Geschenk und als Reichtum der Gemeinschaft empfinden und sich hier geboren und angenommen wissen.




Trauer um Transmann Malte C.

Bild von Ulrike Leone auf Pixabay

Er wurde Opfer seiner Zivilcourage

Am Rande des Christopher-Street-Day Münster am 28. August 2022 zeigte der 25-jährige Trans-Mann Malte C. Zivilcourage, als drei Frauen homofeindlichen Angriffen ausgesetzt waren.

Dabei wurden Malte C. selber massive Kopfverletzungen zugefügt.
Nach mehreren Notoperationen lag er im Universitätsklinikum Münster im Koma und ist heute an seinen Verletzungen gestorben.



Mich erschüttert diese Nachricht sehr.

Noch beim ökumenischen Gottesdienst zum Ruhr-Pride Essen Anfang August haben wir auf die Vielfältigkeit (Diversität) von verschiedensten Sexualitäten aufmerksam machen wollen und sind für eine neue, achtsame und respektvolle Wahrnehmung eingetreten.

Wie wichtig dieser Einsatz ist, zeigt in tragischer und erschütternder Weise der Tod von Malte C.!

Als katholischer Seelsorger setze ich mich mit deutlicher Vehemenz für die Achtung und Anerkennung sexueller und geschlechtlicher Diversitäten ein!

Flags diverser Sexualitäten – Bild von Loke auf Pixabay

Viel zu lang leiden Menschen darunter, dass ihnen ihre eigene geschlechtliche Identität streitig gemacht wird und sie deshalb diskriminiert und verfolgt oder gar Opfer grausamer Gewalttaten werden!

Meine Mitgefühl und meine Solidarität gilt den Familienangehörigen und Zugehörigen und Freund:innen von Malte C.!

Bild von Kanenori auf Pixabay

Er hat seinen Weg über den Regenbogen getan. Möge er in Frieden ruhen!