In unserer Pfarrei bieten wir seit fast drei Jahren Trauergruppen an.
Mittlerweile ist die Nachfrage so groß geworden, dass wir zwei Gruppen parallel durchführen.
In einer Gruppe, die ich mit einer Gemeindereferentin leite, fragte in einer Gruppenstunde eine jüngere Teilnehmerin, ob wir uns nicht auch mal über unsere persönliche Hoffnung und Vorstellung austauschen könnten, über die Frage, was nach unserem irdischen Leben kommt und uns erwartet?
Wir haben uns auf diesen Austausch eingelassen, denn uns war bewusst, dass wir das Thema nicht so einfach abtun könnten, in dem wir darauf hinweisen, dass Christ:innen ja an eine Auferstehung von den Toten glauben.
Die Frage, was nach dem irdischen Leben kommt, ist einerseits für uns Christ:innen klar, aber andererseits ist der Glaube an die Auferstehung ja mehr eine Hoffnung auf Auferstehung.
In diesem Zusammenhang kam mir eine Passage aus dem Römerbrief des heiligen Paulus in den Sinn:
Hier macht Paulus deutlich, dass unsere gläubige Hoffnung auf die Auferstehung auch immer etwas Ungewissheit beinhaltet. Das liegt aber im Wesen der Hoffnung und unseres Glaubens und zeigt keinen mangelhaften christlichen Glauben an, wann immer wieder die Frage in uns auftaucht, ob es auch wirklich so kommt?
Foto: Gerd A. Wittka, 31.10.2024
Wenn ich – wie am vergangenen Donnerstag – am Grab meiner Mutter war, dann ertappe ich mich oft mit den Gedanken: „Ich wünsche dir, Mama, dass sich deine gläubige Hoffnung erfüllt hat!“
Dieser Satz macht mir deutlich, in welcher Spannung sich unser Glaube befindet, wenn wir bekennen, dass wir an die Auferstehung nach unserem irdischen Leben glauben, dies aber nur in der Hoffnung auf Auferstehung tun können.
1. Advent
„Macht Mut! Sagt den Verzagten: fürchtet euch nicht!“
Wer mich kennt, weiß, dass ich eher zu den Seelsorgenden gehöre, die auch mal gerne den „Finger in die offene Wunde“ legen.
Ich denke zurück an eine Christmette in einer ehemaligen Pfarrei, in der ich in der Predigt nicht nur ‚Eiapopeia‘ gesagt habe, sondern eher eine kritische und reflektierende Predigt gehalten habe.
Einige Leute fanden es auch ‚falsch‘, dass ich am Ende des Gottesdienstes nicht „Stille Nacht, heilige Nacht!“ singen ließ, sondern „Oh du fröhliche!“.
Nach dem Gottesdienst kam eine Person zu mir und gestand mir offen, dass meine Predigt und das ausgelassene Lied am Schluss ihr das Weihnachtsfest ruiniert hätten!
Es verdeutlicht, wie sehr die Advents- und Weihnachtszeit mitunter von irrationalen Gefühlen geprägt sind.
Ich würde mich daher heute an den Propheten Kohelet anlehnen und sagen: Für alles gibt es eine Zeit!
Ja, je älter ich werde, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass es auch eine angemessene Zeit für ‚Eiapopeia‘ gibt – und das meine ich jetzt nicht abwertend, sondern anerkennend!
Denn es gibt auch eine Zeit, wo es mehr darum geht, auf die Gefühle zu achten, als auf verkopfte Sachlichkeit!
Ich möchte Ihnen heute anhand eines recht konkreten und zugleich fast banalen Beispiels etwas erklären. Es ist uns buchstäblich ins Auge gesprungen! Vor ein paar Tagen habe ich mir die Mühe gemacht, dieses adventliche Gesteck zu gestalten.
Adventsgesteck in der Krankenhaus-Kapelle des AMEOS Klinikums St. Clemens Oberhausen, Foto: (c) Gerd Wittka
Einem Freund habe ich vorher über whatsapp die anfänglich doch sehr karge Holzschale mit den vier Kerzenhaltern gezeigt und dann das abschließende Werk. Sie kennen das: Vorher/Nachher-Bilder!
Und dann schrieb er mir zurück:
„Mein Favorit ist die Blanko-Version ohne Schmuck.“
Adventsgesteck vor der Dekoration, Foto: (c) Gerd Wittka
Natürlich hatte ich gehofft, dass er ‚mein Werk‘ auch schön findet, so wie seine Frau es schön fand.
Seine Meinung hat mich nachdenklich gemacht. Ja, manchmal mag ich es auch lieber schlichter und puristischer, auf das Wesentliche beschränkt. Und das sind im Advent nun mal die Kerzen!
Es kommt mir vor, als wäre es nun an der Zeit, dieses Gesteck mit viel Grün, Rot und Gold zu schmücken, mit gemütlichen Orangenscheiben und Zimtstangen.
Deshalb schrieb ich ihm zurück:
„Ja, das glaube ich dir! Aber wir müssen manchmal ‚das Herz‘ der Menschen bedienen, die in die Kapelle kommen, sei es die Herzen der Kranken oder deren Angehörigen oder auch der Mitarbeitenden, die hier mal zur Ruhe kommen wollen, verschnaufen wollen und auch die ganzen Eindrücke und Erfahrungen sacken oder sogar loslassen wollen.
Wir müssen auch etwas ‚das Herz‘ der Menschen bedienen, die mal adventliche Gefühle brauchen und vielleicht dadurch angeregt werden, sich an Zeiten zu erinnern, wo das Leben entspannter und heimeliger war. Kannst du das verstehen?“
Und er antwortet knapp und fast schon puristisch: „Blanko kommen bei mir mehr Gefühle.“
Ja, nach den Erfahrungen der Pandemie, den schlimmen Nachrichten aus aller Welt über Kriege, Terror, Naturkatastrophen, die Krisen in unseren Kirchen und die Verbrechen von sexuellem oder geistlichem Missbrauch glaube ich, dass es in diesem Jahr besonders wichtig ist, unseren adventlichen Gottesdiensten mehr Gefühl zu verleihen.
Es ist wieder an der Zeit, in unserem Herzen zu spüren, welch großes Wunder geschehen ist, als Gott vor mehr als 2.000 Jahren in Jesus Christus zu uns auf die Erde kam. Er kam, um „allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes“, wie es im Benedictus des morgendlichen Stundengebets heißt!
Denn auch durch den emotionalen Zugang zu unserem Glauben gibt es eine heilsame und hoffnungsmächtige Wirkung.
Gerade wenn wir „…mit dem Herzen glauben…“ (1 Kor 12,3) und „…mit dem Mund bekennen …“ (Röm 10,9), dann werden wir nach der Überzeugung des heiligen Paulus gerettet werden. (vgl. 1 Kor 12,3)
Das Herz, der Sitz nicht nur unserer Liebe, sondern auch Sitz unserer Gefühle, ist – so glaube ich – in dieser Zeit wieder mehr gefragt.
Eine Möglichkeit, mit dem Mund zu bekennen, ist zum Beispiel, traditionelle Adventslieder zu singen oder Geschichten und Geschichtchen vorzulesen oder zuzuhören, die uns berühren!
Ich glaube, dass es in Zukunft wieder Zeiten geben wird, in denen wir in der Advents- und Weihnachtszeit auch mehr den Glauben mit dem Verstand verbinden können.
Jetzt aber scheint für mich mehr die Zeit des Glaubens mit dem Herzen zu sein!
Ich wünsche uns allen, dass wir die Adventszeit voller Freude erleben und uns daraus neue Kraft und Hoffnung schöpfen, ohne die Realität aus den Augen zu verlieren!
Foto: Gerd Wittka, 02.12.2023
Und ganz zum Ende dieses Impulses etwas ‚fürs Herz‘:
Advent
Es treibt der Wind im Winterwalde die Flockenherde wie ein Hirt und manche Tanne ahnt, wie balde sie fromm und lichterheilig wird, und lauscht hinaus. Den weißen Wegen streckt sie die Zweige hin – bereit, und wehrt dem Wind und wächst entgegen der einen Nacht der Herrlichkeit.
Heute erinnere ich mich besonders meines jüngeren Bruders, Eric Wittka, der plötzlich am 13. Oktober 2013 in jungen Jahren verstarb.
Auch heute, nach neun Jahren, wirkt es für mich noch immer recht unwirklich. Eric war eine stattliche Erscheinung, sportlich und agil. Und er besaß eine gehörige Portion Humor.
Von ihm gibt es kein Grab, weil er eine See-Bestattung gewünscht hat.
Synagogen in Deutschland – ob wieder auferbaut oder neu errichtet – sie werden immer auch Orte der Erinnerung und des Gedächtnisses sein, was damals, am 09. November 1938 geschah: als in Deutschland Synagogen und jüdische Geschäfte zerstört wurden und brannten.
Die Reichspogromnacht, von den Nazis gezielt gegen jüdische Mitbürger:innen in Deutschland inszeniert, setzte das äußerlich sichtbare Fanal der gezielten Verfolgung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden im Einfluss- und Herrschaftsbereich der Nationalsozialisten in Deutschland.
Quelle: www.pixabay.com
Der deutsche Staat und die Menschen in Deutschland werden ihrer historischen Verantwortung auch zukünftig nur dann gerecht werden, wenn sie die Erinnerung an diese Verbrechen wach halten und als Staat und Gesellschaft sich engagieren, damit es „NIE WIEDER!“ geschieht.
Schreib mal wieder – und in diesen Tagen – eine Postkarte an liebe Menschen, an Menschen die einsam sind oder denen ein kurzer Gruß einfach gut tut.
Ansprechende und keine 08/15-Online-Postkarten versenden? – Seit vielen Jahren kein Problem mit folgender Seite, die ich sehr empfehlen kann: https://seelenfarben.de/index.htm
Hier finden sich Karten für (fast) jeden Anlass mit tollen Bildern und gut ausgewählten Texten, bei dem sicherlich für jede(n) was dabei ist.
„Stille ist Stillstand!“ – Dieser Satz fiel spontan in einem Gespräch.
Ich schwieg erst einmal und ließ diesen Satz so stehen. Später musste ich in Gedanken aber wieder zu diesem Satz zurückkehren.
War dieser Satz wahr? Traf er zu?
Ich denke in bestimmten Situationen oder bei bestimmten Personengruppen würde dieser Satz Zustimmung finden.
Da denke ich zum Beispiel an Produzenten. Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen in die Kurzarbeit getrieben. Manche Firmen mussten ganz ihre Produktion einstellen. Wenn dann der Produktionsleiter durch die Produktionshallen gehen würden, in der die Maschinen still stehen, würde er sicherlich diesen Satz bejahen können: „Stille ist Stillstand!
Es sind aber auch Situationen denkbar, da bewirkt Stille genau das Gegenteil …
Die Dynamik der Stille
Wer hingegen schon mal in die Stille gegangen ist – gewollt oder ungewollt -, konnte vielleicht auch die machtvolle Seite der Stille erleben.
Das Ungewöhnliche an der Stille ist, dass man sich manchmal danach sehnt; wenn man dann drin ist, kann man eine Überraschung erleben:
Der Weg der Stille führt nämlich von ‚außen‘ nach ‚innen‘. Anfangs fokussiert man seine Aufmerksamkeit auf das, was außerhalb eines selbst ist.
Vielleicht versucht man noch Geräuschen zu lauschen, je nach Ort: draußen in der Natur das Zwitschern der Vögel, das Säuseln des Windes oder das Plätschern des Regens.
Oder man hört die Geräusche des Hauses oder der Wohnung: Wasserspülungen , das Rauschen der Heizung, das Geräusch des Kühlschrankes, das Ticken einer Uhr, die knautschenden Geräusche, wenn man sich im eigenen Sessel bewegt.
Von außen nach innen
Irgendwann geht die eigenen Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper. Man lauscht dem eigenen Atemrhythmus. Manch eine/r hört sogar den eigenen Herzschlag oder spürt am Hals den eigenen Puls, der das Blut durch die Ader schleust.
Dann – allmählich – kommen die Gedanken in einem hoch. Bleibt man in der Stille und bei sich und gibt nicht der Versuchung nach, sich zu zertreuen oder abzulenken, dann beginnen die Gedanken eine Eigendynamik zu entwickelt.
Unterschiedliche Themen ploppen auf oder Gefühle kommen hoch.
Abenteuerreise ins unbekannte Land
Jetzt beginnt die Phase, wo der Mensch dann auf sich selbst zurückgeworfen wird. Jetzt beginnt die spannende und die machtvolle Phase der Stille.
Das Spannende ist nun, dass – wenn wir nicht dagegen lenken – die Stille eine Eigendynamik entwickelt, die zu einer Herausforderung werden kann.
Beiseitegeschobene Themen oder unterdrückte Gefühle können langsam aus den Tiefen des eigenen Ichs ihren Weg nach *oben* ins eigene Bewusstsein finden und wecken Erinnerungen; Erinnerungen die mit schönen aber auch mit schweren, belastenden oder sogar schmerzhaften Gefühlen verbunden sind, ebnen sich ihre Bahn ins Hier und Jetzt.
Je nachdem, welche Erfahrungen und Erinnerungen es sind, kommt es jetzt darauf an, zu entscheiden, welchen Weg man weitergehten will?
Sollten es traumatische Erinnerungen sein, ist ein weiterer Weg durch die Stille sicherlich nur unter fachkundiger Begleitung zu empfehlen. Die Schäden, die sonst entstehen könnten, wären fatal!
Ansonsten ist es jetzt hier nötig, eine Entscheidung zu treffen: Bin ich bereit mich den verdrängten Erinnerungen und Gefühlen zu stellen und zu entdecken, wohin sie mich führen, oder ängstigen sie mich so sehr, dass ich lieber davon wieder Abstand nehmen möchte?
Im Rahmen einer geistlichen Begleitung würde ich meist dazu ermutigen, zu versuchen, sich dieser Erfahrung zu stellen, die aus der Stille erwächst.
Denn diese solche Phasen bergen – bei aller Eigendynamik – auch die Chance einer persönlichen Entwicklung und Reifung, indem ich nämlich ‚Unerledigtes‘ anschaue und vielleicht sogar versuche, damit umzugehen; indem ich eine neue Haltung dazu finde oder sogar neue Entscheidungen für mein eigenes Leben daraus resultieren, die mich weiterbringen.
Wer eine solche Stille erlebt (hat), wird sicherlich dabei erkennen können:
Stille bedeutet eben nicht Stillstand, sondern ein Weg, dessen Verlauf und Ziel mir vielleicht unbekannt sind, der mich auf ungewohnte Pfade setzt und der mich herausfordert, weil ich nicht weiß, ob ich diesen Weg gehen kann und ob ich die Kräfte dazu habe. Stille birgt in dieser Hinsicht die Chance einer Eigendynamik, die mich herausfordert und auch manchmal herausführt aus einer Gleichgültigkeit, einer Gleichförmigkeit und Lethargie des ‚Alltags‘.
Gebet
Jesus Christus, mein Bruder und Gefährte.
Du bist vierzig Tage lang den Weg in die Stille der Wüste gegangen. Auch dich forderte diese Stille heraus und hat dich versucht. Am Ende dieser Zeit lag dein Weg klarer vor deinen Augen. Ich bitte dich, gib mir den Mut, immer wieder in die Stille zu gehen. Lass mich die bestärkende und die klärende Kraft der Stille spüren und schenke mit die Gnade, meinen Weg klarer zu erkennen, der mich ein Stück mehr zu meinem ‚Ich‘ und zu meiner Bestimmung führt.
Ihre Gedanken
Wenn Sie selber die Stille erlebt haben und sich mitteilen wollen, wie es Ihnen damit ergangen ist, lade ich Sie gerne ein, mir zu schreiben.