In unserer Pfarrei bieten wir seit fast drei Jahren Trauergruppen an.
Mittlerweile ist die Nachfrage so groß geworden, dass wir zwei Gruppen parallel durchführen.
In einer Gruppe, die ich mit einer Gemeindereferentin leite, fragte in einer Gruppenstunde eine jüngere Teilnehmerin, ob wir uns nicht auch mal über unsere persönliche Hoffnung und Vorstellung austauschen könnten, über die Frage, was nach unserem irdischen Leben kommt und uns erwartet?
Wir haben uns auf diesen Austausch eingelassen, denn uns war bewusst, dass wir das Thema nicht so einfach abtun könnten, in dem wir darauf hinweisen, dass Christ:innen ja an eine Auferstehung von den Toten glauben.
Die Frage, was nach dem irdischen Leben kommt, ist einerseits für uns Christ:innen klar, aber andererseits ist der Glaube an die Auferstehung ja mehr eine Hoffnung auf Auferstehung.
In diesem Zusammenhang kam mir eine Passage aus dem Römerbrief des heiligen Paulus in den Sinn:
Hier macht Paulus deutlich, dass unsere gläubige Hoffnung auf die Auferstehung auch immer etwas Ungewissheit beinhaltet. Das liegt aber im Wesen der Hoffnung und unseres Glaubens und zeigt keinen mangelhaften christlichen Glauben an, wann immer wieder die Frage in uns auftaucht, ob es auch wirklich so kommt?
Wenn ich – wie am vergangenen Donnerstag – am Grab meiner Mutter war, dann ertappe ich mich oft mit den Gedanken: „Ich wünsche dir, Mama, dass sich deine gläubige Hoffnung erfüllt hat!“
Dieser Satz macht mir deutlich, in welcher Spannung sich unser Glaube befindet, wenn wir bekennen, dass wir an die Auferstehung nach unserem irdischen Leben glauben, dies aber nur in der Hoffnung auf Auferstehung tun können.
Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir fragen, wie wir „Freiheit“ umschreiben könnten, dann gibt es wahrscheinlich grob zwei Lager.
Die einen verstehen Freiheit als „Freiheit von …“ und die anderen verstehen Freiheit als „Freiheit für …“
Freiheit ist ein Thema, das mit dem heutigen Evangelium zu tun hat.
Keine Kapitalismus-Kritik
Ein Zitat aus dem heutigen Evangelium ist schon sprichwörtlich geworden: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in das Himmelreich kommt.“ Beim Verständnis dieser Schriftstelle ist Vorsicht geboten, um damit keinen Missbrauch zu betreiben:
Ich bin eher ein scharfer Kritiker eines enthemmten Kapitalismus; aber: diese Schriftstelle ist nicht für den antikapitalistischen Klassenkampf geeignet.
Ich möchte auch verdeutlichen, warum?
In diesem Evangelium geht es nur vordergründig um den Reichtum. Die zentrale Frage ist die Frage nach der Nachfolge und wie sie (glaubwürdig) gelingen kann?
In diesem Fall gerät Jesus an einen reichen Jüngling, den die Botschaft Jesu im Herzen erreicht hat und der gerne Jesus auf dem Weg der Nachfolge und zum ewigen Leben folgen möchte.
Dieses Evangelium hat schon seit der frühen Christenheit die Menschen heraus gefordert. Nicht nur damals fragen die Jünger:innen Jesu, wer denn dann gerettet werden könne, auch spätere Generationen lässt diese Frage nicht los. Der frühchristliche Kirchenschriftsteller Clemens von Alexandrien, der im 2./3. Jahrhundert lebte, greift diese Frage in einer kleinen Schrift auf: „Welcher Reiche wird gerettet werden?“.
Der Hintergrund ist: Alexandrien ist eine wohlhabende Metropole, viele Reiche und Superreiche der Antike leben und arbeiten hier. Darunter auch welche, die zum Christentum übergetreten sind. Alexandrien war das, was heute vielleicht Essen-Kettwig oder Düsseldorf ist. Die dortigen Christen fragen sich also angesichts ihres Reichtums und dem heutigen Evangelium, ob sie überhaupt eine Chance auf das ewige Leben haben.
Clemens spürt diese Unruhe und greift deshalb zum Griffel. Clemens lässt sich in dieser Schrift von zwei Grundlagen leiten:
Für Clemens ist Armut kein Wert an sich! Armut ist für ihn ein „Malum“ und gehört verhindert und bekämpft.
Und Reichtum ist für Clemens ebenfalls kein „Malum“, also etwas Ungutes an sich.
Die alles entscheidende Frage für Clemens ist eher eine pragmatische Frage: Wie gehe ich mit dem Reichtum um? – Er bezieht sich dabei auch auf Schrifttexte, die uns dazu auffordern, uns Schätze im Himmel zu verschaffen, weil die irdischen Schätze doch nur vergänglich sind (vgl. Mt 6,20).
Clemens versucht also die Reichen seiner Zeit dazu zu ermutigen, sich zu fragen, wie sie mit Ihrem Reichtum verantwortlich und sozial umgehen können, auch gemäß der Frohen Botschaft.
Solche Haltung erinnert mich an reiche Persönlichkeiten in unserer Gesellschaft, die von sich aus und für Ihresgleichen fordern, dass sie vom Staat finanziell stärker in die Pflicht genommen werden; sie setzen sich also aus eigener Überzeugung für eine stärkere Besteuerung der Reichen in unserer Gesellschaft ein.
Ich glaube, die Antwort auf die Frage, welcher Reiche gerettet werden kann, liegt in einer übertragenen Sicht auf das Thema „Reichtum“.
Frei für die Nachfolge
Schon sind wir wieder bei der Anfangsfrage nach der Freiheit.
Für manche bedeutet Freiheit = Freisein von. Für andere bedeutet Freiheit = Freisein für.
Hier sehe ich einen Schlüssel zum Verständnis dieses Evangeliums:
Nicht der Reichtum ist das Problem; sondern die Frage, ob Reichtum uns bindet, uns in bestimmte Zwänge drängt, uns dadurch unfrei macht, dem Evangelium zu folgen?
Mit diesem Zugang können wir von den materiell Reichen absehen und Reichtum einmal als das betrachten, was unser Leben „reich“ macht und uns zugleich daran hindern, dem Evangelium in unserem Leben Raum zu geben. Wir können nur frei werden für das Evangelium, wenn wir uns frei machen von dem in unserem Leben, was uns hindert, uns immer wieder mit der Botschaft Jesu Christi zu beschäftigen und uns in den Geist des Evangeliums zu versenken.
Es geht also meines Erachtens darum, sich selber zu prüfen, wo wir reich im Leben sind, etwas unser „eigen“ nennen, aber letztlich dadurch unfrei werden zur Nachfolge, um das ewige Leben zu gewinnen.