Ein Tag in einer Stadt voll Hitze. Menschen strömen durch die Straßen Jerusalems, und Jesus, der auf einem Esel sitzt, wird von Jubel und Anerkennung getragen. Kleider und Zweige liegen auf dem Pflaster – eine einfache Einladung, ein stiller Applaus für den, der anders ist.
Gründonnerstag –
Am Tisch, der mehr als nur Essen teilt, versammelt sich eine Gruppe, die noch nicht weiß, dass dies ein einmaliger Moment ist. Brot, Wein und leise Worte werden zum Abschied, das letzte gemeinsame Mahl mit den Vertrauten, ohne zu ahnen, wie sehr sich alles verändern wird.
Karfreitag –
Dann kommt der Augenblick, der alles in Bewegung setzt. Ein Verrat, der in den Gesichtern ein falsches Lächeln trägt, und Jesus geht einen Weg, den er längst vorhergesehen hat – einen Weg voller Schmerzen und Momenten voller Hohn Leugnung und Tränen.
Unter den kritischen Blicken, inmitten von Spott und Ablehnung, sind da auch leise Akte der Menschlichkeit: Frauen, die am Straßenrand weinen, und Veronica, die ihm ein Schweißtuch reicht, als stumme Geste, als Versuch, den Schmerz erträglicher zu machen.
Zum Schluss stehen nur die ganz Treuen: Maria, die mütterlich schweigend aushält, Maria von Magdala, die mehr sieht als nur den Moment, und Johannes, dessen stille Nähe mehr sagt als Worte. Und während das Leben an IHM zu zerbrechen scheint, hallt leise ein Satz durch die Menge – ein Soldat, der erkennt: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn!“
Doch hier endet die Geschichte nicht.
Karsamstag –
der Tag der Grabesruhe, ist kein leiser, endgültiger Abschied, sondern das Versprechen eines neuen Anfangs. Denn am Ende hat das Leben das letzte Wort – eine Auferstehung, die alle Schatten vertreibt, ein Beweis, dass das Licht immer über den Dunkelheit triumphiert.
Ich gehöre zu der Generation, die mit Liedern von Daliah Lavi aufgewachsen sind. Eines dieser Lieder trägt den Titel: „Willst du mit mir gehn…?“ Dieses Lied kam mir am heutigen Palmsonntag wieder in den Sinn. Aber wohl auch deshalb, weil das Thema dieses Liedes ein häufiges Thema in meiner Arbeit als Krankenhaus-Seelsorger ist.
In dem Lied bewegt mich, dass Daliah Lavi davon singt, dass es Situationen gibt, wo man kaum noch Worte findet; wo man weiß, dass Worte manchmal sehr wichtig sind, aber Worte zugleich auch nicht alles sind, weil Worte an ihre Grenzen kommen, etwas Tieferes auszudrücken.
Sie merken, wie ich schon jetzt hier in der Kürze um Formulierungen ringe.
Es geht hier nämlich um existentielle und prägende Situationen in Leben von Menschen, die wie Wegmarken sind oder – noch besser – Wegekreuzungen sind, wo das Leben plötzlich eine ganz andere Wendung nimmt.
Solche Situationen können Krankheiten, zumal schwere Krankheiten sein.
Immer wieder erkenne ich, dass Menschen, die einem kranken Menschen nahestehen, ganz plötzlich verunsichert sind:
Wie verhalte ich mich jetzt?
Woran muss ich denken?
Muss ich die erkrankte Person nicht eher in Ruhe lassen?
Kann ich noch so unbefangen Witze machen, wie wir sie sonst immer gemacht haben?
…
Und nicht selten kommt dann noch die eigene Angst dazu, sich selber mit der Krankheit und ihren möglichen Folgen konfrontieren zu lassen.
Spontan schießt mir dabei ein Gedanken in den Kopf: ‚Kranke, auch Schwerstkranke oder sogar Sterbenskranke sind krank und nicht tot!‘ – Deshalb kann es wichtig sein, den Fokus auf das LEBEN zu richten. Das Leben von Kranken ist manchmal schon eingeschränkt genug; muss ich es da ‚künstlich‘ noch weiter einschränken? Das hat nichts mit Rücksichtslosigkeit zu tun. Natürlich wird man unter den geänderten Bedingungen auch Rücksicht nehmen müssen: auf körperliche oder geistige Belastungen oder Einschränkungen; nicht jedes Thema wäre in der Krankheit ein passendes Thema; …
Die Spur, die ich legen möchte ist: Achtet auf das Leben! Achtet darauf, dass kranke Menschen nicht noch mehr vom Leben abgeschnitten werden, als sowieso schon durch die Krankheit.
Exkurs:
Ich erinnere mich daran, als mein Vater (ich war ca. 14 Jahre alt) schwer krank war. Seine Krankheit ging mit massiven Persönlichkeitsveränderungen einher und er war sehr sensibel geworden, was vor allem auch 'Lautstärke' angeht und das ganz normal alltägliche Leben. So stellte sich bei uns die Frage, inwieweit wir unser Leben (mit Schule, Ausbildung, Freizeit, ...) vor ihm 'filtern' müssten, um ihn 'zu schonen'...? Nach einiger Überlegung sagte uns dann unsere Mutter, dass wir so weiterleben sollen, wie bisher und dass unser Papa nicht von unserem Leben ausgeschlossen werden soll. Er möge weiterhin mitbekommen, was wir so treiben. Ich habe keine Ahnung, ob dieses die beste Entscheidung gewesen ist? Aber ich weiß, dass wir Papa nicht von unserem Leben ausschließen wollten; denn er war weiterhin unser Papa, auch als kranker und hilfsbedürftiger Vater.
Nicht ausweichen
Der Krankheit nicht auszuweichen und der kranken Person nicht auszuweichen, kann das Wichtigstes und zugleich das Schwerste sein, was wir als Familienangehörige, Freunde, Kollegen und Bekannte tun können. Dabei dürfen wir uns auch gewahr sein, dass es uns Einiges abverlangt und auch eine Herausforderung werden kann. Wer aber kranken Menschen menschlich zugetan ist, sollte diesen Gedanken mit einbeziehen. [Zugleich, und das ist mir an dieser Stelle auch ganz wichtig, müssen wir immer auch für uns selber klären, was wir aushalten und er-tragen können? Es nutzt uns und auch der erkrankten Person wenig, wenn uns das Schicksal anderer Menschen so schwer belastet, dass wir keine Hilfe sein können, keine Weggefährt:innen mehr. Besonders problematisch wird, wenn erkrankte Personen neben ihrer eigenen Krankheit dann auch noch den Eindruck bekommen, sie müssten sich um uns kümmern, weil wir mit deren Situation nicht klar kommen. – Das sollte man vermeiden; und falls das passiert, sich als Zugehöriger woanders Hilfe holen, die es auch gibt.]
Und was hat das mit Palmsonntag zu tun?
Der Palmsonntag führt uns durch eine Zeit in der Kirche, die mit den Worten „Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt“ sehr gut umschrieben werden kann.
Heute der glorreiche, fast schon triumphale Einzug Jesu in Jerusalem und in wenigen Tagen der Karfreitag mit dem Prozess und der Hinrichtung Jesu. Schon heute ‚wissen‘ wir, wohin der Weg Jesu führen wird bis zum Karsamstag. Und heute dürfen wir diesen Feiertag feiern, aber es wäre blauäugig, wenn wir das nicht auch im Hinblick auf die folgenden Tage tun würden. Und ich finde: die großartige Bedeutung des Osterfestes werden wir nur dann erahnen können, wenn wir den Blick für die Zeit zwischen Palmsonntag und Karsamstag nicht verlieren, auch wenn es unbehaglich wird.
Wie wir den Palmsonntag und die nachfolgenden Tage begehen, kann uns auch helfen, unsere Form des Umgangs mit kranken Menschen zu suchen und zu finden, auch und gerade dann, wenn es sich um Schwerstkranke handelt, deren Krankheit unter dem Vorzeichen des nahenden Todes steht.
Mit diesen Worten eines Liedes von Daliah Lavi habe ich meine Gedanken als Krankenhaus-Seelsorger zum Palmsonntag begonnen.
Ich möchte enden mit einem Text der Benediktinerin Sr. Charis Doepgen OSB:
Auf dem Weg nach Jerusalem
mitlaufen oder nachfolgen – Hosianna-Rufe genügen nicht auf dem Weg nach Jerusalem scheiden sich die Geister
Triumph oder Passion – wer ist morgen noch da wer noch am Karfreitag wenn die Richtung eindeutig wird
auch die Getreuen sind angefochten und schwach – wer IHM die Stange hält wird heute einsam
Wo ist mein Platz? Wo möchte ich heute stehen?
mit freundlicher Genehmigung: Sr. Charis Doepgen OSB, in: TE DEUM, April 2022, S. 105
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Palmsonntag und eine gute ‚heilige Woche‘. Wenn Sie auf diesen Beitrag reagieren möchten, dann melden Sie sich gerne. Meine Emailadresse finden Sie hier unter „Kontakt“.
In einem Dekret vom 22. Februar 2021 formuliert die Glaubenskongregation des Vatikans zur Frage der Segnung auch homosexueller Partnerschaften:
„…Aus diesem Grund ist es nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe (…) einschließen…“ (…)
Gleichzeitig erinnert die Kirche daran, dass Gott selbst nicht aufhört, jedes seiner Kinder zu segnen, die in dieser Welt pilgern, denn für ihn „sind wir […] wichtiger als alle Sünden, die wir begehen können“[12]. Aber er segnet nicht die Sünde und er kann sie nicht segnen: …“
Erwartungsgemäß hat das in den Medien und auch in den sozialen Netzwerken zu einem Sturm der Entrüstung geführt.
Aus meiner mehr als 25-jährigen seelsorglichen Praxis und Erfahrung als Diakon und Priester möchte ich dazu einige Gedanken formulieren, die auch ein Bekenntnis eines Teils meines in der Zeit gewachsenen Glaubens an den Gott und Vater Jesu Christi geworden sind.
„Kann denn Liebe Sünde sein?!“
„Gott ist die Liebe!“ – diesen Satz kennen wir und ich bin fest davon überzeugt, dass er richtig ist. Daher glaube ich auch daran, dass in allen Lebensbezügen, wo Menschen einander lieben, wo man sich in respektvoller und achtungsvoller Liebe begegnet oder hingibt, die Liebe Gottes in unserer Welt gegenwärtig und sichtbar wird.
Beispiele dieser sichtbaren Liebe Gottes sind für mich:
die Liebe, die Eltern ihren Kindern schenken, oft gezeichnet von Sorge, Fürsorge und Selbstlosigkeit
die Liebe zwischen zwei Menschen, die sich in inniger Freundschaft zugetan sind. Manchmal sprechen wir auch von ‚Seelenverwandtschaft‘ bei solchen Freundschaften
die Liebe, die Menschen in ihrem Dienst für andere zeigen, sei es in Sozial- und Pflegeberufen, im ehrenamtlichen Engagement in Gesellschaft und Gemeinschaften
die Liebe und Fürsorge für den Schutz und die Bewahrung der Schöpfung Gottes, die uns als Menschen anvertraut wurde
…
und ‚last but not least‘ in der liebenden Beziehung zwischen zwei Menschen, die ein Stück gemeinsamen Lebensweges leben und verbringen wollen in gegenseitiger Achtung und Fürsorge; in welcher auch beide Glück, Freude, Zufriedenheit und Unterstützung erfahren. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Beziehungen staatlich, gesellschaftlich oder auch von Seiten der Kirche(n) anerkannt und gefördert werden. Das Geschenk der Liebe braucht erst einmal nicht diese Anerkennung, weil sie sich selbst Anerkennung genug ist. Daher braucht diese Liebe auch keine Erlaubnis, keine Genehmigung.
Das Geschenk der Liebe ist letztlich also ein Akt der völligen menschlichen Freiheit. Sie ist selbst da noch frei, wo der Mensch in äußere oder innere Unfreiheit gedrängt wird. Liebe kennt also keine Grenzen und überwindet alle Grenzen.
Dieser Überzeugung liegt zugrunde, dass die Liebe Gottes selber grenzen-los ist!
Love is no sin!
Wenn also Gott die Liebe ist und seine Liebe grenzenlos ist, dann ist Liebe niemals Sünde.
Der Mensch – und das weiß ich selber am Besten – sündigt immer wieder. Aber da, wo er liebt kann er schlechterdings nicht zugleich sündigen.
Dieser Überzeugung ist auch der heilige Augustinus, wenn er den Satz tun konnte: „Liebe! Und tue, was du willst!“ – Dieser Satz wäre nicht wahr, würde Augustinus meinen, dass Liebe sündig sein könnte.
Auf die Frage: „Kann denn Liebe Sünde sein?“ kann ich heute ganz klar antworten: NEIN!
Gott segnet, was ein Segen ist
In dem oben zitierten Dekret heißt es: „…Aus diesen Gründen verfügt die Kirche weder über die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts im oben gemeinten Sinne zu segnen…“
Hier wird meines Erachtens ein falsches Verständnis von „Segen“ genutzt.
Der Blick in die liturgischen Bücher unserer Kirche (Messbuch, Benedictionale, …) zeigt, dass innerhalb gottesdienstlichen Tuns, wo es um den „Segen“ geht, es sich hierbei genau genommen um eine
Segensbitte
handelt!
Die Teilnehmer:innen von Gottesdiensten wissen um die Formulierung am Ende eines Gottesdienstes, wie z.B. „So segne euch der dreifaltige Gott, der Vater und der Sohn (+) und der Heilige Geist.“
Der vermeintliche Segen in der Kirche ist also immer eine Segensbitte!
Und in diesem wohlverstandenen Sinne stimme ich dem Dekret zu, wenn es sagt: …Aus diesen Gründen verfügt die Kirche weder über die Vollmacht, (…) zu segnen…“, denn die Kirche oder kirchliche Amtsträger:innen segnen nie, sondern allein Gott!
Die Frage lautet deshalb eher für mich: Wen oder was segnet Gott?
Und meine Überzeugung ist: Gott segnet, was ein Segen ist!
Im segensvollen Handeln und Tun der Menschen, sei es allein, in der Zweisamkeit oder in einer größeren Gruppe erkenne ich das, was mit dem Segen Gottes bedacht ist.
Um zu erkennen, was von Gott gesegnet ist, bedarf es deshalb keiner kultischen Handlung der Kirche in Form von „Segensfeiern“, denn solche Segensfeiern fügen keinen Segen hinzu, der nicht schon längst da ist.
Segensfeiern sind Bekenntnis und Annahme des göttlichen Segens
Aber dennoch sind öffentliche und gemeinschaftliche Segensfeiern nötig. Denn in dem Glauben, dass wir auf den Segen Gottes angewiesen sind und Gott SEINEN Segen gibt, sind wir in der Glaubensgemeinschaft verbunden.
Diese Verbundenheit zeichnet sich auch darin aus, dass wir füreinander den SEGEN GOTTES erbitten, besonders dort, wo Menschen für sich selbst und konkret bejahen, dass sie auf diesen Segen Gottes angewiesen sind, damit ihr Leben segens-reich sein kann.
Segens-bitt-feiern zu versagen heißt, die Nächstenliebe vorzuenthalten
Segens-bitt-feiern durchzuführen, ist also dann ein Akt geschwisterlicher Verbundenheit und Fürsorge, die jene, die um diesen Segen bitten, in ihrem Glauben darin bekräftigen wollen.
Wer also solche Segensfeiern verweigert, versagt den Segensbedürftigen die gläubige Solidarität, dass wir alle und in jeder Lage auf den Segen Gottes angewiesen sind.
Segens-bitte-feiern also denen zu versagen, die ihre Beziehung auf das Fundament gemeinsamer Liebe gründen wollen, ist für mich somit ein Versagen gegen die gebotene und nötige Nächstenliebe.
Das Fest des heiligen Valentin geht zurück auf eine Märtyrererzählung aus dem 3. Jh. n. Chr. „Valentin von Rom soll als Priester Liebespaare trotz des Verbots christlich getraut haben und deswegen am 14. Februar 269 hingerichtet worden sein. Zudem habe Valentin den frisch verheirateten Paaren Blumen aus seinem Garten geschenkt. Die Ehen, die von ihm geschlossen wurden, haben der Überlieferung nach unter einem guten Stern gestanden.“Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Valentin_von_Terni
Besonders interessant sind hier bei uns in NRW die Bauernregeln, die sich um diesen Gedenktag ranken:
Ist’s am Valentin noch weiß, blüht zu Ostern schon das Reis. Am Tag von Sankt Valentin, gehen Eis und Schnee dahin.
Was mir aber auch in diesem Jahr besonders auffällt, sind die Umstände, die die Corona-Pandemie mit sich bringt. Der Valentinstag bekommt dadurch eine besondere Prägung. Es gibt Initiativen, die z.B. kranken Angehörigen durch das Pflegepersonal Valentinstags-Grüße ans Krankenbett bringen, weil viele Kranke in den Krankenhäusern nicht besucht werden dürfen. (vgl.: https://www.presseportal.de/pm/142073/4834674 ).
Quelle: www.pixabay.com
Im Netz finden sich aber immer mehr Postings, die die Bedeutung des Valentins-Tags nicht nur auf Liebende, sondern auch auf Freundschaften ausdehnen. Das finde ich eine besonders bemerkenswerte Akzentuierung.
Denn schon in der lateinischen Sprache gibt es einen gemeinsamen Wortstamm für die Worte „Liebe“ und „Freundschaft“ („amor“ und „amititia“ vom lat. „amare“ = „lieben“ ).
Quelle: www.pixabay.ocm=
Der Valentinstag lädt also dazu ein, die Liebe an sich zu feiern, die Menschen sich untereinander schenken können.
Gerade in diesen Pandemiezeiten kann dies ein wichtiges aufmunterndes Zeichen sein.
Welche Freund*innen und Freundschaften sind dir in deinem Leben besonders wichtig (geworden)? Welchen Personen kannst du besonders an diesem Tag mal deutlich machen:
Wie schön, dass es Dich gibt! Ohne Dich wäre mein Leben leerer!
Man stelle sich folgende Situation vor: In einer Ehe, einer Partnerschaft oder Beziehung fragt der eine Teil den anderen: „Liebst du mich?!“
Diese Frage würde aufhorchen lassen. Würde diese Frage abgewandelt: „Liebst du mich überhaupt noch?“, dann könnte es sein, dass die gefragte Person schon mal die Kontaktdaten eine Ehe- oder Beziehungsberatungsstelle heraussucht. Ähnliches gilt sicherlich auch für Freundschaften oder für andere sehr vertraute Beziehungen.
„Liebst du mich?“ – „Bin ich immer noch dein (bester) Freund/deine (beste) Freundin?“
Wer solche Frage dann gleich dreimal gestellt bekommt, dessen Gefühle werden wohl beginnen Achterbahn zu fahren
Fragen stellen sich in den Raum:
Kriselt es in unserer Beziehung?
Habe ich was falsch gemacht?
Was habe ich falsch gemacht?
Werde ich dem/der anderen nicht mehr gerecht?
…
und damit können auch Gefühle verbunden sein:
Unsicherheit
Hilflosigkeit
Traurigkeit
vielleicht sogar Ärger und Wut.
Fragen in einer Beziehung zu stellen, die die Beziehung betreffen, sind immer gefährlich; gefährlich deshalb, weil sie Missverständnissen Tür und Tor öffnen können.
Mit solchen Fragen sollte man deshalb behutsam umgehen und sich sorgfältig überlegen, in welchem Setting, in welcher Situation, man solche Fragen stellt.
Kein Wunder, dass die dreimalige Frage Jesu an Petrus: „Liebst du mich?“ ihn ‚traurig‘ gemacht hat, wie es in der Schriftstelle heißt.
Kann Jesus sich denn nicht denken, dass er (Petrus) ihn liebt?Was mir auffällt, ist, dass Jesus und Petrus in ihrer Beziehung so unkompliziert von „Liebe“ sprechen können.
Wir haben uns daran gewöhnt, dass in den biblischen Texten Jesus von Liebe spricht, wenn er über seine Beziehung zu den Jüngerinnen und Jüngern redet.
In unseren eigenen Beziehungen verwenden wir den Begriff ‚Liebe‘ doch nur sehr exklusiv: wir können sagen dass wir unsere PartnerIn lieben, vielleicht auch noch unsere Eltern und Großeltern oder unsere Geschwister.
Aber können wir auch bei den anderen Menschen in unserem Leben, zu denen wir ein vertrauliches Verhältnis haben, von „Liebe“ sprechen?
(Sie können ja mal ein Experiment machen, in dem Sie Ihrer Freundin oder Ihrem Freund sagen, dass sie sie/ihn lieben. Es könnte zu überraschenden oder irritierenden Reaktionen kommen. Warum?)
Ich denke, dass fällt uns eher schwer, weil das in unserer Kultur so nicht üblich ist.
In der Kultur Jesu und auch parallel dazu in der antiken römischen Kultur hatte man damit aber keine Probleme.
Der antike Schriftsteller Cicero hat sich zu diesem Thema in seiner Schrift „Laelius de amicitia“ ausgelassen. Darin beschreibt er unter anderem das Wesen der Freundschaft. Das lateinische Wort „amicitia“ beinhaltet den Wortstamm „amare“ der „lieben“ bedeutet.
Der Alte Lateiner kannte also noch ganz selbstverständlich den Zusammenhang von „Freundschaft und Liebe“
Warum ich das so weit ausführe? Weil ich deutlich machen möchte, dass die selbstverständliche Rede in der Bibel für unseren Alltag heute gar nicht so selbstverständlich ist und daher die Quelle von Missverständnissen sein kann.
Wenn Jesus also im Evangelium Petrus heute fragt: „Liebst du mich?“, dann will er den Kern dieser Freundschaft in den Blick nehmen; das, was diese Beziehung prägt und auch zusammenhält.
Und ja, er geht damit ans Eingemachte!
Warum? Weil Jesus vielleicht ahnt, dass die Beziehung zwischen ihm und Petrus Einiges wird aushalten müssen, wenn sie nicht zerbrechen will?
Vielleicht, weil er Petrus genau darauf mental vorbereiten will?
Diese Frage ist also nicht so sehr eine Vergewisserung für Jesus, sondern eine Selbstvergewisserung für Petrus?
Und so gesehen dürfen wir uns selbst von Jesus auch immer wieder diese Frage stellen lassen, ohne unsicher oder traurig zu werden.
Auch unsere Beziehung zu Jesus Christus wird immer wieder herausgefordert werden.
Sie kann zur Belastung werden, wenn die Botschaft Christi für unser konkretes Leben unbequem wird.
Sie kann nur Belastung werden, wenn wir hoffen, auf Christus ganz und gar vertrauen zu können, aber Zeiten der Zweifel auftreten.
Es gibt aber noch einen anderen Aspekt, dieser Frage, der die frohe und schöne Seite unserer Christus-Beziehung in den Blick nimmt.
Wenn Menschen sich wichtig sind, dann – hoffe ich – dass sie sich immer wieder gegenseitig sagen können, dass sie sich lieben.
Dieses Liebesbekenntnis ist nicht nur wichtig für den Teil, dem dieses Bekenntnis gesagt wird.
Es ist mindestens genau so wichtig für den selber, der es sagt.
Denn indem wir jemand anderem sagen können: • dass er oder sie unser tiefstes Vertrauen genießt, • dass wir ihn oder ihr einen ganz besonderen Platz in unserem Leben geben, • dass ohne ihn oder sie unser Leben nur halb so schön und lebenswert ist • dass er oder sie tiefe Freude und Lebenslust weckt,
hat das auch eine tiefgreifende Wirkung auf jenen, der das Bekenntnis abgibt.
Dann kann dieser Mensch mit tiefer Freude und Stolz erfüllt werden, dass es für ihn diesen Menschen gibt.
Und aus dieser Freude und diesem Stolz erwächst auch Kraft und Motivation für das eigene Leben. So kann die Frage Jesu an Petrus auch verstanden werden: Jesus möchte Petrus helfen, sich seiner Freude und Stärke bewusst zu werden, die für ihn selbst aus der Liebesbeziehung zu Jesus Christus entspringt.
Liebe Schwestern und Brüder, ich wünsche uns für unser Leben, dass wir alle solche erfüllenden Liebesbeziehungen finden, ob bei Partnerinnen und Partnern, ob bei Eltern und Geschwistern oder bei vertrauten Freunden und Freundinnen.
Und ich wünsche uns, dass wir alle auch dieses in unserer Liebesbeziehung zu Jesus Christus finden.