In and out!

Impuls zum 10. Sonntag im Jahreskreis



Schriftlesungstext: Markus 3, 20-25

Wer ist „drinnen“ und wer ist „draußen“?

Die Angehörigen Jesu meinen, er ist draußen, weil er sich nicht an das Wort hält: „Blut ist dicker als Wasser“.

Aber das Evangelium eröffnet uns eine andere Perspektive, wenn es gleich am Anfang die Worte findet: „In jener Zeit ging Jesus in ein Haus und wieder kamen (.) viele Menschen zusammen…!“

Bild: Gerd Wittka, 2024, erstellt mit KI

Jesus geht nach „drinnen“ und sammelt dort die Menschen.
Es ist das ‚offene Haus‘, das den Menschen die Möglichkeit gibt, hineinzugehen und hineinzukommen, um im inneren Bereich der Verkündigung und der Botschaft Jesu anzukommen.

Wer hat nun „das Bessere gewählt“ in den Augen Jesu?
Jene, die die geöffnete Tür nutzen, um zu Jesus zu kommen oder jene, die draußen stehen und auf die (Familien-)Tradition und Familienzugehörigkeit pochen und Jesus da ‚raus holen wollen‘?

Jesus lädt mit seiner provokanten Äußerung am Ende aber zugleich seine Verwandtschaft ein, in seinen Augen ‚in zu sein‘! – Ob sie der Einladung folgen werden?!

Und auch uns gilt die ‚Einladung an die Verwandten‘!

Bild: Gerd Wittka, 2024, erstellt mit KI

Das Evangelium stellt uns die provokante Frage:

  • Wer ist drinnen und wer ist draußen?
  • Wer ist ‚in‘ und wer ist ‚out‘, aus der Sicht Jesu?!
  • Und wie steht’s mit uns? Wo stehen wir?



„Ich bin der Weinstock“

Impuls zum 5. Sonntag der Osterzeit 2024

Bei Christus ab-hängen

Manche von uns mögen sie, andere lehnen sie ab, ignorieren sie oder halten sie gar für eine Banalisierung der deutschen Sprache.
Ich spreche von der sogenannten „Jugendsprache“.

Jedes Jahr kürt eine Jury das „Jugendwort des Jahres“.

Ich finde, dass es sich manchmal lohnt, sich die Begrifflichkeiten junger Leute genauer anzusehen.
Denn vielleicht können Sie uns auch etwas sagen, auch wenn wir deren Begrifflichkeiten nicht unbedingt im Alltag übernehmen.

Ein Wort, von dem ich nicht weiß, ob es jemals als „Jugendwort des Jahres“ gekürt wurde, ist das Wort „abhängen“.

Und genau dieses Wort kam mir in den Sinn, als ich das heutige Evangelium gelesen habe und es auf einmal mit dem Evangelium verknüpfte.

Daraus entstand bei mir der Gedanke:

Bei Jesus abhängen“

Ich hatte das Bild eines Weinstocks mit roten Reben vor Augen, an dem die Reben buchstäblich am Weinstock abhängten.

Foto: www.pixabay.com

Und ich denke, dass das Bild vom Weinstock in Verbindung mit dem Jugendwort „abhängen“ auch uns heute etwas sagen könnte.

Das Wort „abhängen“ hat unter jungen Leuten verschiedene Bedeutungen und wird in unterschiedlichen Kontexten verwendet:

Als erstes bedeutet es: **Entspannen und Zeit verbringen**:

Oft wird „abhängen“ verwendet, um sich in lockerer Atmosphäre mit Freunden zu treffen, Zeit miteinander zu verbringen und einfach zu entspannen. Dies kann sowohl zu Hause als auch an öffentlichen Orten wie Parks, Cafés oder Plätzen in der Stadt geschehen.

Übertragen auf das Bild vom Weinstock könnte es bedeuten. Wir sind eingeladen, mit Jesus Christus aber auch mit anderen ‚Reben‘ am Weinstock des Herrn, mit anderen Christ:innen unsere Zeit miteinander zu verbringen, um die Zeit in lockerer Atmosphäre zu verbringen.
Wir können untereinander und miteinander Zeiten verbringen, die uns gegenseitig gut tun und weil wir eine innere Verbindung zwischen uns spüren: wir alle gehören zu ein- und demselben Weinstock: Jesus Christus.
In seiner Nähe und mit der gegenseitigen Gemeinschaft geht es uns gut, treffen wir Menschen ‚eines Sinnes und eines Geistes‘, können uns somit auch gegenseitig im Leben bestärken.
‚Bei Christus abzuhängen‘ kann also bedeuten, mit IHM und untereinander wertvolle Zeit zu verbringen, die einfach gut tut.

2. **Auszeit nehmen**: Manchmal verwenden junge Leute das Wort „abhängen“, um auszudrücken, dass sie eine Pause vom Alltag nehmen möchten. Es kann bedeuten, dem Stress und den Verpflichtungen des Lebens für eine Weile zu entfliehen und sich zu entspannen.
Auch diese Bedeutung können wir auf Christus und unsere Gemeinschaft übertragen.
In unseren Zusammenkünften, auch gerade in unseren Gottesdiensten brechen wir unseren geschäftigten Alltag auf, wir machen buchstäblich einen „Break“, eine kurze aber deutliche Unterbrechung, die uns hilft, für eine kurze Zeit den dominierenden Alltag mit seinen Verpflichtungen und Beschäftigungen zu unterbrechen, um im Gottesdienst bewusst die Nähe zu Christus zu suchen und auch zu entspannen.
Ja, sie hören richtig! Gottesdienst darf auch ein Ort der Erholung und Entspannung sein, wo man mal wieder etwas tiefer Luft holen und Durchatmen kann. Denn Gottesdienst heißt nicht nur, dass wir Gott dienen, sondern auch, dass Gott uns dienen will. Unsere Gottesdienste dürfen, sie sollen somit sogar Wohlfühlorte sein, Oasen der geistlichen Zurüstung aber auch der körperlichen, seelischen und emotionalen Erholung.

Sogenannte „Weinstock-Ikone“, die ich von einer Großtante zu meiner Priesterweihe geschenkt bekommen hatte.

3. **Soziale Interaktionen**: „Abhängen“ bedeuteet, sich mit Freunden zu treffen, um gemeinsam Zeit zu verbringen, zu reden, zu lachen und verschiedene Aktivitäten zu unternehmen, sei es Spielen, Filme schauen oder einfach nur herumhängen.

Bei Christus abzuhängen kann somit auch eine soziale Interaktion sein.

Natürlich kann ich in den eigenen vier Wänden, in aller Stille „bei Christus abhängen“ durch persönliches Gebet, durch Meditation.
Das ist dann auch eine Form der sozialen Interaktion zwischen mir und Christus, zwischen „ich und du“.
Abhängen bei Christus ist zudem in einer sozialen Interaktion möglich, die über die Zweisamkeit zwischen Christus und mir hinausgeht, nämlich indem wir Gemeinschaft erleben zwischen vielen Menschen, die der Glaube und die Liebe zu Christus verbindet.

Und diese dritte Dimension des „Abhängens bei Christus“ bildet den nächsten Aspekt:

4. **Identitätsbildung und Zugehörigkeit**:

Durch das „Abhängen“ können junge Leute ihre Identität formen und sich einer Gruppe zugehörig fühlen. Es ermöglicht ihnen, Gemeinschaft zu erleben, sich auszudrücken und Bindungen zu knüpfen, die oft in der Jugend von großer Bedeutung sind.

Foto: Gerd Altmann, www.pixabay.com

„Bei Christus abzuhängen“ stiftet Gemeinschaft und stärkt unser Zugehörigkeitsgefühl zu der Gemeinschaft der Christinnen und Christen.
Dieses Zugehörigkeitsgefühl ist besonders in den Zeiten wichtig, wo wir als Christ:innen keine Mehrheit mehr in unserer Gesellschaft bilden. Dieses Zugehörigkeitsgefühl ist besonders in den Zeiten wichtig, wo manche eher dazu neigen, in ihrem Glauben zu resignieren, vor allem auch deshalb, weil so vieles in unserer Glaubensgemeinschaft nicht gut läuft, belastend und beschämend ist.
Die Erfahrung von Gemeinschaft trotz der dunklen Seiten kann auch Bestärkung sein, für die Überwindung zu kämpfen, die das menschliche Angesicht der Gemeinschaft von Christinnen und Christen entstellt.

Es lohnt sich also, dieses Bild vom Weinstock und den Rebzweigen im Sinne der Jugendsprache zu interpretieren, weil sie für unser Leben konkrete hilfreiche Impulse bereit hält.




Zu Christus …

Christus, Bruder,
ich habe gelernt:
wer sich zu dir bekennt
bildet Gemeinschaft mit
jenen, die sich ebenfalls
zu dir bekennen.
Diese Gemeinschaft –
deine Jünger:innen –
sind Kirche, die ‚ekklesia‘.

Schau auf diese Gemeinschaft
in dieser Zeit, da so viel
Fehlerhaftes und so viel Schuld
zu Tage tritt.

Ich frage mich,
wie ich noch dazu gehören kann?
Und dann
merke ich:
ich gehöre zu DIR!

Es geht
in allen Fragen der Kirche
auch um die Frage:

Welchen Platz hast du in ihrem Leben?
Welchen Platz hast du in meinem Leben,
damit ich weiterhin zu DIR
und damit zur Kirche gehören kann?!

Deshalb komme ich heute
zu DIR
mit meinen Fragen,
mit meinen Zweifeln,
mit dem Gefühl, es nicht mehr (er)tragen zu können.

Wenn es stimmt,
dass DU nur
durch UNS
in dieser Welt wirken willst,
dann kann ich doch gar nicht anders,
als BEI DIR und
in der Kirche zu bleiben,
denn DU bist doch ihr
Dreh- und Angelpunkt!

Also komme ich heute zu DIR
und bitte DICH
um deinen Rat und Beistand,
um deinen Geist:
hilf uns, uns immer an DIR
fest zu machen
aus deinem Geist
zu glauben
und zu leben.

Hilf uns
in dieser Zeit
immer wieder und inniger
zu beten.

Das Gebet
ist die Verbindung,
die die Reben
am Rebstock halten.

Binde du mich
immer enger an
DICH!

Zeige mir, zeige uns,
was gut und richtig,
was nötig ist
in dieser Zeit.

OHNE DICH
sind wir
– deine Kirche –
nur ein Haufen von Menschen
die sich irgendwie organisieren
und reden
von Gott und von dir und dem Heiligen Geist.

Wirke du!
WIR brauchen DICH!

(c) Gerd Wittka, 24.09.2023




Heilung

anders als du denkst

Wer krank ist, wünscht sich fast immer, die Krankheit zu überwinden und nach der Behandlung nichts mehr von der Krankheit zu spüren.
Das Ziel einer solchen Behandlung ist Genesung und Gesundheit.

In einer Krankheit hat das bisherige Leben eine Wendung bekommen. Manchmal nur kurzzeitig, wenn wir, wie zum Beispiel bei einem grippalen Infekt, einige Tage das Bett hüten müssen.

Schwere oder hartnäckige Erkrankungen führen nicht selten zu einem massiven Bruch mit unserem bisherigen Alltag.

Dazu kommt womöglich die Erfahrung, auf Hilfe anderer angewiesen zu sein, auch wenn ich vorher sehr selbständig und selbstbestimmt mein Leben geführt habe. Das allein ist mitunter schon eine riesige Herausforderung – ich weiß aus eigener Erfahrung, wovon ich schreibe!
Als ich vor 10 Jahren einen massiven Beinbruch hatte, konnte ich noch nicht einmal allein zur Toilette gehen. Das war so krass!

In Gesprächen mit Patient:innen, die körperlich oder seelisch schwer erkrankt sind, bekomme ich von ihnen oft zu hören: „Ich möchte wieder mein altes Leben zurück!“

In der Krankheit erfahren sie ihr Leben als begrenzt oder eingeschränkt; die Sehnsucht ist: das volle Leben.

Aus den Heilungserzählungen, die mir von Jesus berichtet werden, erfahre ich, wie die Menschen, die durch Jesus geheilt wurden, wieder am Leben teilnehmen können.

Ausgrenzungen gegenüber anderen Menschen und aus Gemeinschaften werden überwunden. Geheilte Menschen spüren auf einmal: Sie sind am Leben!

Nun lehrt uns das Leben zugleich, dass manche Krankheit nicht wieder verschwindet, sie ist chronisch, wird unser ganzes Leben begleiten, womöglich auch zu unserem Tod führen!

So kann die Frage aufkommen: Haben wir dann keine Chance mehr auf Heilung?

Doch! Denn Heilung kann mehr bedeuten, als wieder ohne Krankheit leben zu können.

Häufig erlebe ich Patient:innen, die nach einer Phase innerer Auseinandersetzung mit Höhen und Tiefen lernen, mit ihrer Krankheit zu leben.

Oft ist es dann nicht „das alte Leben“ aber ein anderes, verändertes Leben, dem sie weiterhin viel Gutes und Frohes abgewinnen können.

So gesehen kann Heilung bedeuten, dass wir trotz einer Erkrankung zurück ins Leben finden, weil wir in der Krankheit eine neue Lebendigkeit spüren, die uns zeigt: Wir leben!

Heilung - ein Anliegen des Lebens!

Alle Bilder: www.pixabay.com




Individuelle organische Vielfalt

Oder: von den „Wohnungen im Hause Gottes“ (vgl. Johannes-Evangelium 14, 1-12)

Impuls zum 5. Sonntag der Osterzeit – Lesejahr A – 2023

Wer in letzter Zeit eine Wohnung gesucht hat, weiß ein Lied davon zu singen:
Der Wohnungsmarkt ist hart umkämpft.
Bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung, ob als Eigentum oder zur Miete, muss man viel Geduld mitbringen.
Angebracht ist es auch, keine zu konkreten Vorstellungen von seiner Traumwohnung zu haben.

Die Werbung verspricht nicht selten das „Blaue vom Himmel“ mit Zusätzen wie:

Wer sich auf die Suche nach einer Wohnung macht, die fast exakt auf die eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse zugeschnitten ist, wird jedoch enttäuscht werden: entweder gibt es eine solche Wohnung nicht oder sie ist unbezahlbar.

Also bleibt einem kaum was anderes übrig, als sich einzuschränken, wenn man nicht gleich selber bauen will. Aber auch das ist bei den steigenden Zinsen für viele momentan kaum möglich.

Ist man dann in seiner Wohnung, wird man sich entweder mit den Zuständen arrangieren müssen oder man wird hier und da merken, dass es nicht so richtig passt.
Schnitt oder Größe sind nur suboptimal.

Da muss man doch bei Sätzen wir: „In meines Vaters Haus gibt es viele Wohnungen!“ „Ich gehe, um für euch einen Platz vorzubereiten!“ skeptisch werden!!!

Ein Bekannter vertritt im Hinblick auf Werbeaussagen oft den Standpunkt: „Es ist immer das Gegenteil von dem, was versprochen wird!“

Vielleicht ist dieser Standpunkt arg skeptisch oder pessimistisch. Aber die Erfahrungen lehren uns, dass diese Haltung nicht immer falsch ist.

Im heutigen Evangelium gibt es – ich drücke es mal flapsig aus – auch solche ‚Werbeaussagen‘ für zukünftige Immobilien.

Voranschicken muss ich zum besseren Verständnis, dass dieses Evangelium und seine Aussagen sehr oft zu einseitig verstanden werden.
Die Wohnungen, von denen da berichtet wird, bezieht sich nicht in erster Linie auf unsere Bleibe nach unserem irdischen Leben, auch wenn dieser Schrifttext gerne bei Beerdigungen benutzt wird.
Dieser Text möchte viel stärker einen Bezug auf das Hier und Jetzt legen.

Was ist also die Botschaft des heutigen Evangeliums?

  1. Viele Wohnungen = Platz für jeden, zumindest für viele? Es wird nicht an Wohnungen mangeln…!
  2. Einen Platz für euch vorzubereiten! – Bedeutet dass, dass das keine 08/15-Fertigbauweise, kein sozialistischer Plattenbau ist. Der Ort wird erst noch für mich geschaffen? Wird er dann meinen Bedürfnissen und Erfordernissen gerecht werden?
    Oder dürfen wir so nicht fragen?!

Heute, als ich auf dem Behandlungsstuhl beim Zahnarzt saß, kam mir ein Gedanke, den ich interessant fand:

Kennen Sie Häuser und andere Gebäude von Friedensreich Hundertwasser?! –
Genau dessen Gebäude kamen mir in den Sinn, als ich über das Evangelium nachdachte.


Die Häuser Hundertwassers sind nicht am Reißbrett entstanden. Man hat eher den Eindruck, sie sind aus dem Boden gewachsen.
Die organischen Formen, die vielen unterschiedlichen Fenster und Türen, kunstvolle Ornamente und Schmuckelemente, die ebenfalls wie gewachsen sind und alle Farben der Natur sind in vielen seiner Gebäude zu finden.
Es gibt quasi kaum lineale oder rechte WinkelFormen.

So, wie Hundertwasser Häuser gestaltet hat, so charakteristisch stelle ich mir die vielen Wohnungen vor, die Jesus für uns bereitet.

Für sich allein betrachtet, erscheint jede Wohnung und die Wände, Fenster und Türen darin ganz individuell. Damit werden die Wohnungen auch zum Sinnbild unserer gottgewollten Individualität. Gott möchte keine uniformen Menschen!

Jede Wohnung in den Hunderwasser-Häusern fällt nicht aus dem Rahmen und wirkt nicht störend!
Sondern die Vielfalt der verschiedensten Wohnungen in Form und Farbe ergeben in ihrer Gesamtheit ein harmonisch wirkendes Gebäude.
Man kann sich nicht sattsehen an der Fülle und Einzigartigkeit der verschiedenen Elemente!

Hundertwasser-Häuser können für mich deshalb ein Bild für die Kirche Jesu Christi bilden:

Kirche als ein Gebilde, das einen recht organischen Rahmen für die Gemeinschaft bildet.
Aber dieses Gebilde ist in der Gesamtheit nicht nach „Schema F“ erbaut, sondern sein Gesamtbild wird geprägt durch die einzelnen individuellen Wohnungen im Haus, sowohl außen wie innen.

Manchmal denke ich, dass Jesus mit seiner Vision von „Haus meines Vaters mit den vielen Wohnungen“ Inspirator für die Gestaltung der Hundertwasser-Häuser gewesen ist!

Denn genau so stelle ich mir Kirche vor: als eine bunte und individuelle Gemeinschaft von Individuen, die in der Summe ein recht spannendes, kreatives und inspirierendes Haus ergeben, dessen Schlussstein Jesus Christus selber ist, der alles zusammen hält.

Und wenn ich hier in die Runde schaue, dann finde ich, dass wir in unserer Gemeinschaft versuchen, ein solches Haus zu bilden.

Möge unsere Gemeinschaft auch in Zukunft zu einem Haus werden für jene, die ihre Individualität als Geschenk und als Reichtum der Gemeinschaft empfinden und sich hier geboren und angenommen wissen.




“ Tröstet, tröstet mein Volk…“

„Trost“ – Bild von Peter H auf Pixabay

Geistlicher Impuls zum 2. Advents-Sonntag 2020

Gefühlvoll und sehnsuchtsvoll geht es an diesem zweiten Adventssonntag in der Lesung aus dem Alten Testament zu.
Doch bevor wir den Text lesen, lade ich Sie ein, die Arie „Comfort ye …“ aus dem Oratorium „Der Messias“ von Händel zu sehen und zu hören:

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Quelle: https://youtu.be/2Pz9BCMFoP8

Ist Ihnen diese Arie bekannt? Sie gehört wohl zu den bekanntesten und einfühlsamsten Arien aus dem Oratorium „Der Messias“ von Händel.

Ich lade Sie ein, jetzt einmal den ganzen Text in der deutschen Übersetzung der Bibelübersetzung „Hoffnung für alle“ zu lesen:
Jesaja, 40, 1-5



Behutsam, ja fast zärtlich erreichen uns diese Zeilen, die wir im Alten Testament beim Propheten Jesaja finden: „Comfort ye …“„Tröstet, tröstet mein Volk …“

„Kampf“ gegen die Angst

Jesaja kämpft in seinen Texten oft gegen die Angst der Menschen seiner Zeit an. Er erlebt diese Angst bisweilen als lähmend.
Aber ist „Kampf“ dafür eigentlich das richtige Wort?

Ja, es ist ein Kampf, aber nicht Mitteln der Drohung und Gewalt. Es ist ein Kampf mit den Mitteln der Freundlichkeit und des Mitgefühls, der tröstenden und ermutigenden Worte.

„Tröstet!“ und „Fürchte dich nicht!“

Menschen, die belastet und beladen sind, von Sorgen und Nöten, von Ängsten, Krankheit und Leid brauchen „Ent-Lastung“. Damit sie sich erholen können, Kraft schöpfen und weiter gehen können, brauchen sie Ruhe, mitfühlende Annahme, Entlastung und Perspektiven.
Sie brauchen: Trost!

Trost ist aber anspruchsvoller als eine „Ver-Tröstung“; Trost ist keine ‚Ramschware‘, die man mal so eben und beiläufig schnell schenken oder auch bekommen kann.
Trost ist ’niederschwellig‘, einfühlsam, Liebe-voll, …

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Quelle: Video von MixailMixail / Pixabay

Ich möchte Ihnen dazu einen kleinen Text von mir auf den Weg geben:

TROST
ist die Kunst,
ein kleines, warmes Licht
in dunklen Stunden
zu entzünden;
es blendet nicht –
es LEUCHTET!

(Gerd Wittka)

Und wie ich diese Zeilen schreibe, höre ich von der schrecklichen und tödlichen Bluttat von Trier, bei der ein Autofahrer fünf Menschen getötet und viele schwer verletzt hat.

Diese und ähnliche Nachrichten sind die Nagelprobe, ob und wie wir trösten können.
Ist Trost überhaupt angesichts dieses Leids und der erfahrenen Ohnmacht möglich?

Für mich ist Trost gerade in erfahrener Ohnmacht möglich. Denn der Trost hebt erlittenes Leid und gefühlten Schmerz nicht auf.
Trost hilft, das Leiden und den Schmerz er-träg-lich zu machen; Trost hilft, das Leid tragen zu können.

Und Leid kann für die Leidenden tragbar sein, wenn sie spüren, dass sie nicht allein sind, das andere mitfühlend sind und sie dabei unterstützen, das Leben gerade auch in dem ganz frischen Leid bewältigen zu können.
Dazu gehört dazusein und zuzuhören, den Leidenden buchstäblich nahe zu sein ohne sich aufzudrängen und mitfühlend auch den leidenden Menschen Raum zu geben, um mit dem Leiden klar zu kommen. Das kann auch bedeuten, ihnen einen geschützten Rückzugsraum zu gewähren.
Wir dürfen aber auch ganz konkrete Hilfe nicht vergessen, die geleistet werden muss. Dazu gehören organisatorische Dinge des Alltags genau so dazu.

Zu trösten ohne Leid ungeschehen machen zu können, zeigt sich darin, ob wir bei den Leidenden und denen, die Trost brauchen – einfach ausgedrückt – DA sind und die Not mit aushalten.

In der Lesung des 2. Adventssonntags finden sich die folgenden Worte des Propheten Jesaja:

„… Seht, da ist euer Gott. (…) Wie ein Hirt weidet er seine Herde, auf seinem Arm sammelt er die Lämmer, an seiner Brust trägt er sie, die Mutterschafe führt er behutsam…“

Trost zu geben, bedeutet für mich, der Bedrängnis, den Ängsten, dem Leid und der Trauer der Menschen nicht auszuweichen.
Trost zu geben bedeutet für mich, an der Seite derer zu stehen, die Trost nötig haben.
Trost zu geben bedeutet für mich, Unterstützung und Hilfe anzubieten, wo sie gebraucht wird.

Trost zu geben ist für mich: DA zu sein – menschliche, einfühlsam, mitfühlend, liebevoll.

Für uns als Christ*innen, für uns als Kirchen stellt sich mir dann wieder einmal mehr die Frage, ob wir in diesem Sinne in einer Welt gegenwärtig sein wollen, auch wenn immer weniger nach dem christlichen Glauben oder nach dem Angebot der Kirchen fragen?


„Das Miteinander, das Menschliche oder die Solidarität sind zuletzt viel zu kurz gekommen.
Wir müssen wieder viel mehr die Sinne für die Menschen schärfen, denen es nicht so gut geht.“
(Jupp Heynckes, * 1945, ehemaliger Fußballtrainer, Quelle: TE DEUM, Dezember 2020, S. 23)