Verwurzelt im Jetzt …
… der Verheißung entgegen (33. Sonntag im Jahreskreis – C – 2025)

Impuls zu 2 Thess 3, 7-12
Bevor wir in den heutigen Lesungstext einsteigen, ein kurzes Wort vorweg:
Die heutige Lesung ist nicht dazu da, über Bürgergeld oder soziale Pflichten zu diskutieren. Wer sie so benutzt, würde diese Textstelle missbrauchen!
Ich möchte Sie mit einer Frage beginnen – antworten Sie ruhig still für sich selbst:
„Was bedeutet für Sie ein unordentliches Leben?“
Vielleicht fallen Ihnen sofort Bilder ein:
Menschen, deren Alltag chaotisch ist.
Termine vergessen, die Wohnung unaufgeräumt.
Menschen, die unzuverlässig sind, ziellos durchs Leben gehen.
Menschen, die sich selbst und ihre Gesundheit vernachlässigen.
Menschen, deren Beziehungen zerbrechen, oder die mit Geld und Pflichten nicht klarkommen.
Ein Leben so kann oft Perspektivlosigkeit zeigen.
Perspektivlosigkeit heißt:
- Man sieht keinen Weg nach vorn.
- Alles wirkt sinnlos, ohne Ziel.
- Hoffnung oder Pläne für die Zukunft fehlen.
Ich erlebe das oft in der Seelsorge, besonders in der psychiatrischen Klinik. Dort versucht man, den Menschen wieder eine Orientierung zu geben: Ein fester Tagesablauf, kleine Aufgaben, klare Strukturen – das kann Schritt für Schritt wieder Perspektiven eröffnen.
Und man sieht schnell den Unterschied:
Wer einen geregelten Alltag hat, übernimmt Verantwortung – für sich selbst, für andere.
Wer Ordnung findet – in Wohnung, Kleidung, Geld, Beziehungen – der gewinnt langsam wieder Sinn und Richtung. Sein Leben bekommt Orientierung und Stabilität.
Aber Paulus spricht hier nicht über solche alltäglichen Ordnungen.
Nein.
Die Menschen, an die er schreibt, hatten bereits ein klares Ziel.
Und doch wirkte ihr Leben auf Außenstehende oft „unordentlich“.
Warum?
Die Christinnen und Christen damals erwarteten die baldige Wiederkunft des Herrn.
Ihr Ziel war klar.
Ihr Blick war ganz darauf gerichtet.
Das hatte Folgen:
Die alltäglichen Dinge, die Arbeit, die Pflichten – alles rückte in den Hintergrund.
Warum noch schuften, Termine einhalten, sich mit weltlichen Sorgen beschäftigen, wenn alles bald endet?
Stattdessen widmeten sie sich der geistlichen Vorbereitung, der Vorbereitung auf das Kommen des Herrn.

Paulus erkennt die Gefahr:
Wer nur auf das Jenseits schaut, verliert leicht die Gegenwart aus den Augen.
Niemand weiß, wann die Wiederkunft geschieht.
Deshalb warnt er: Seid wachsam – und vergesst nicht das Hier und Jetzt.
So erinnert Paulus an das, was im Matthäus-Evangelium niedergeschrieben ist:
„Deshalb seid wachsam und haltet euch bereit! Denn ihr wisst weder an welchem Tag noch zu welchem Zeitpunkt der Menschensohn kommen wird.“ (vgl. Mt 25,13)
Und in der Apostelgeschichte lesen wir vor der Himmelfahrt Christi:
„ … Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her? Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat.“ (Apg 1,6-7)
Die Botschaft ist klar: Glaube lebt mitten in der Welt.
Hoffnung auf das Kommende soll uns nicht von der Gegenwart ablenken.
Wir sollen weiter unser Leben gestalten, in christlicher Verantwortung für uns, die anderen Menschen und die ganze Schöpfung.
Die Hoffnung auf unsere gewisse Zukunft entbindet uns nicht von den Pflichten und den Verantwortungen der Gegenwart.
Denn so lange das Reich Gottes mit der Wiederkunft des Herrn nicht vollendet ist, bauen wir im Hier und Jetzt weiter an diesem Reich, mitten in den Irrungen und Wirrungen der hiesigen Welt.
Ein „ordentliches Leben“ bedeutet daher für Paulus mehr als Sauberkeit oder Pünktlichkeit.
Es bedeutet: Verantwortung, Struktur, Zielgerichtetheit – für sich selbst, für andere, im Blick auf Gott.
Es bedeutet, dass wir unsere Hoffnung nicht verlieren, aber unser Leben bewusst gestalten, hier und jetzt.
Paulus zeigt uns einen Weg:
Ein Leben, das nicht nur auf das verheißungsvolle Ende wartet, sondern mitten in dieser Welt gelebt wird, mit Sinn, Richtung und Hoffnung.




