Seit Januar 2020, als ein katholisches Krankenhaus hier in Oberhausen an eine Aktiengesellschaft aus der Schweiz verkauft wurde, wusste ich, dass das schwere Folgen für die Mitarbeitenden haben wird. Mir war klar, dass nun die Interessen der Mitarbeitenden auf andere Weise würden vertreten werden müssen, zum Beispiel durch Betriebsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz aber auch durch eine gewerkschaftliche Interessenvertretung.
Mir wurde klar, dass es in dieser Situation wichtig ist, dass sich die Mitarbeitenden auch gewerkschaftlich organisieren, denn nur so haben sie Zugang zu qualifizierten Informationen über ihre Rechte, um diese dann – ebenfalls mithilfe der Gewerkschaft – durchsetzen zu können.
Daher bin ich aus Solidarität mit den Mitarbeitenden dieses Klinikums zum 01.10.2020 Mitglied der Gewerkschaft ver.di geworden.
Das hat für mich persönlich auch einen Benefit, weil ich so auf dem Laufenden gehalten werde, was die Themen der Menschen sind, die sich heute in einer Gewerkschaft organisieren. Und diese Themen gehen über rein arbeitsrechtliche Themen hinaus. Schon immer waren die Gewerkschaften auch gesellschaftliche Kräfte, die am allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs teilgenommen haben. Und so ist es auch heute.
Kein Wunder also, dass zum Beispiel die Frage nach Geschlechtergerechtigkeit, Emanzipation und weitere Themen dort auch erörtert und diskutiert werden.
So habe ich nun auch einen sehr interessanten Beitrag über das ‚Gendern‘ gelesen. Von konservativen Kräften wird das Gendern gleichsam als Teufelszeug angesehen, was es aber nicht sein kann, denn Gerechtigkeit ist die Sache Gottes und nicht des Teufels. Manche sehen darin einen Angriff auf die deutsche Sprache. Das ist es aber auch nicht, denn die deutsche Sprache ist eine lebendige Sprache. Wer eine tote Sprache bevorzugt, sollte sich lateinisch unterhalten!
Jens Spahn ermutigt Pflegekräfte, sich besser zu organisieren und zu vernetzen, damit deren Forderungen nach höheren Gehältern mehr Gewicht bekommen.
Klare Worte auf dem Deutschen Pflegetag 2021 hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gefunden. Er machte deutlich, dass er eine deutlich höhere Entlohnung für Pflegekräfte unterstütze, dass es aber Aufgabe der Tarifparteien sei, dieses Vereinbarungen zu treffen. Spahn überraschte mit eindeutigen Zahlen, indem er € 4.000,00 für durchaus realistisch halte und sich auch vorstellen könne, dass der Pflegemindestlohn in Richtung € 3.000,00 ginge. (vgl. Forderung nach Reformen: Pflegebranche will „mehr Pioniergeist“ | tagesschau.de)
„Pflegekräfte sitzen am längeren Hebel“
Jens Spahn machte auch deutlich, dass die Pflegekräfte derzeitig am längeren Hebel säßen, weil akuter Fachkräftemangel herrsche und die verschiedenen Einrichtungen händeringend Fachkräfte suchen. Heute muss keine Pflegefachkraft befürchten, keine Stelle zu bekommen. Das ist die einmalige Chance für diese Berufsgruppe, sich stärker zu vernetzen, sich gewerkschaftlich oder verbandlich zu organisieren und mehr Druck auf die Arbeitgeber zu machen.
Fehlende Tarifbindung und sogenannte „Haustarifverträge“ sind das Problem
Besonders in Bereichen und Einrichtungen, die zur Zeit keiner Tarifbindung unterliegen oder sogenannte „Haustarifverträge“ Anwendung finden, ist die Lage besonders prekär. Hier gibt es nämlich meistens einseitige Vorgaben seitens des Arbeitgebers resp. des Unternehmens. Manche Haustarifverträge sind so angelegt, dass das Einstiegsgehalt oberhalb derzeitig geltender Tarifverträge liegt, aber keine tarifliche Anpassung vorgesehen ist, die z.B. die Inflations- oder Teuerungsrate abbildet. Das führt dazu, dass diese Arbeitnehmer:innen auf Dauer tatsächliche Gehaltsverluste in Kauf nehmen – eine besonders perfide Art der Gehaltsregelung in Unternehmen, die ihr eigenes „Süppchen kochen“.
Kapitalisierung des Gesundheitswesen leistet Ungerechtigkeit Vorschub
Dieses soziale Ungerechtigkeit wird durch die Kapitalisierung des Gesundheitswesens Vorschub geleistet. Gerade dort, wo privatwirtschaftliche Unternehmen Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und ähnliches übernehmen, trifft es die Mitarbeitenden besonders schlecht. Dazu kommen Auslagerungen von Fachabteilungen oder gar die Einbindung von Leiharbeitsfirmen. Für die Bilanz der Unternehmen willkommen, für die Beschäftigten ein Desaster.
Selbstorganisation ist jetzt das Gebot der Stunde
Verbände und Bündnisse ermöglichen es Arbeitnehmer:innen in der Pflege, sich stärker zu vernetzen und sich solidarisch zu organisieren, um ihre Forderungen Nachdruck zu verleihen und besser durchsetzen zu können.
Aus Solidarität mit den Pflegekräften bin ich selber seit Januar 2020 Mitglieder der Gewerkschaft ver.di. Ich selber halte die gewerkschaftliche Organisation für die sinnvollste Form, um die eigenen Rechte und Interessen, auch die auf gerechte Entlohnung, politisch, gesellschaftlich und durch Tarifverhandlungen stärker durchsetzen zu können.
Zur Zeit werden aber auch Pflegekammern gegründet, die die Interessen der Pflegenden stärker gegenüber der Politik und den Arbeitgebern wahrnehmen wollen.
So hat das Gesundheitsministerium NRW einen Einrichtungsausschuss NRW einberufen. Dies ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die später durch die Pflegekammer NRW abgelöst wird. Nach eigenem Bekunden sind deren Aufgaben die Stärkung der Pflege, die Interessenvertretung und auch die Weiterentwicklung des Berufsstandes.
Es gibt aber auch massive Proteste aus der Berufsgruppe der Pflegenden gegen die Errichtung von Pflegekammern, die die Pflegenden zu einer Zwangsmitgliedschaft verpflichten.Dazu gibt es einen aktuellen Bericht!
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ver.di informiert Mitarbeiter von KKO und KKOS
Andrang und Solidarität
Vor dem „Haus Union“ in Oberhausen begrüßen uns am 20. November 2019 MitarbeiterInnen anderer Kliniken aus Essen und Düsseldorf. Mit einem großen Transparent signalisieren sie ihre Solidarität mit den MitarbeiterInnen von KKO und KKOS. Auch das Oberhausener Gesundheitsbündnis für eine menschenwürdige Gesundheitsversorgung ist mit VertreterInnen erschienen, die ebenfalls ihr Solidarität zum Ausdruck bringen. Der Saal in Haus Union füllt sich bis auf den letzten Sitzplatz, Stühle werden zugestellt und dennoch müssen sich viele mit einem Stehplatz begnügen. Die Gewerkschaft ver.di hat zu einer öffentlichen Mitgliederversammlung eingeladen.
Es sind die Sorgen und offenen Fragen, die die MitarbeiterInnen aus allen Betriebsteilen und aus den verschiedenen Berufsgruppen und Diensten hier zusammen geführt haben.
Mir wird warm, nicht nur weil die Menschenmenge den Saal erwärmt, sondern weil ich auch eine innere Solidarität spüre.
Auch wir Krankenhaus-SeelsorgerInnen wurden persönlich von der Gewerkschaft eingeladen.
Für uns war es eine Selbstverständlichkeit, dieser Einladung zu folgen, denn Krankenhaus-Seelsorge ist von ihrem Auftrag her nicht nur für die PatientInnen und ihre Angehörigen da, sondern auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Betriebsübergang und Recht
Die Kolleginnen und Kollegen der Gewerkschaft ver.di geben ein Gefühl, in dieser Situation nicht allein zu sein. Ausführlich und kompetent berichten sie über anstehende Fragen und Themen, die ein Betriebsübergang mit sich bringt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von KKO und KKOS stellen viele Fragen. Ich habe das Gefühl: sie begreifen, dass mit der Übernahme des KKO durch AMEOS auch ein Systemwechsel stattfinden wird.
Neue Rechtsgrundlagen – neue Chancen
Durch den Verkauf des KKO an AMEOS ändern sich die gesetzlichen Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer. Als kirchliche Einrichtung unterlag KKO bislang dem sogenannten „dritten Weg“, fiel damit also auch unter die kirchlichen Arbeitsrechtsbestimmungen. Mit dem Betriebsübergang in eine Aktiengesellschaft verändert sich dieser Rechtsrahmen:
Was bleibt?
Wo übernimmt der neue Träger die bisherigen Verpflichtungen gegenüber den ArbeitnehmerInnen?
Welche Änderungen können auf die MitarbeiterInnen zukommen, gerade auch im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung?
Am Ende dieses Teils sind viele Fragen besprochen und ich habe das Gefühl, dass die Mitarbeitenden von KKO und KKOS gut informiert sind.
… und dann darf auch ich etwas sagen … „Organisiert Euch!“
In einem Vorkontakt mit der Gewerkschaftssekretärin K. Schwabedissen erzähle ich, dass ich in meinem ersten Beruf Angestellter einer Arbeitgebervertretung gewesen bin und ausgerechnet in dieser Zeit die große Bedeutung der Gewerkschaften für einen fairen und gerechten Machtausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern schätzen gelernt habe.
Die Gewerkschaften nehmen das gesetzlich geschützte Vereinigungsrecht der ArbeitnehmerInnen wahr und übernehmen so eine wichtige Funktion für den sozialen Frieden in Deutschland. Deshalb ist es für mich unverständlich, wenn jemand grundsätzlich gegen Gewerkschaften und deren Mitwirkungsrechte spricht. Für mich sind solche Haltungen ein Angriff auf den sozialen Frieden in unserem Land.
Mir ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden von KKO und KKOS und der Reha-Einrichtungen auch in Zukunft unter fairen und gerechten Bedingungen arbeiten können.
Mit der Gewerkschaft, hier insbesondere ver.di wird es in Zukunft einen verlässlichen Partner geben, der darauf achtet, das die Gesetze und Regelungen des Arbeitsrechtes eingehalten und die Interessen der ArbeitnehmerInnen vertreten werden.
Deshalb kann ich mich auch nur dafür aussprechen, dass die MitarbeiterInnen von KKO, KKOS und Reha-Einrichtungen sich miteinander und füreinander solidarisieren. Dies gelingt am Besten mit gewerkschaftlicher Unterstützung.
Ich hoffe, dass die Mitarbeitenden sich von niemanden auseinander dividieren lassen und erkennen, wie existentiell wichtig jetzt die gemeinsame Solidarität ist.
Auch die Kirche kommt nicht gut weg …
Zugleich hat uns Seelsorgende aber auch viel Kritik über die Haltung der Kirche zu diesem Verkauf erreicht. KollegInnen fühlen sich von der Kirche allein gelassen oder gar verraten. Ich mache in meinem Statement deutlich, dass wir darum wissen und dass ich deshalb die Skepsis und mögliche Vorbehalte uns gegenüber verstehen kann. Und als ich das sage, kommt mir ein Einwurf aus dem Plenum entgegen: „Dann ist es ja doch bei denen angekommen!“ und ich antworte: „Ja, bei uns als Krankenhausseelsorgern ist Ihre Kritik an unserer Kirche angekommen!“ (In diesem Moment hoffe ich inständig, dass wir nicht die Einzigen aus dem Bereich unserer katholischen Kirche sind, die diese Kritik wahrnehmen und aufnehmen!)
Ich ende mein Statement aber zugleich mit der Zusage, dass wir als Krankenhaus-SeelsorgerInnen auch zukünftig ein offenes Ohr für die Sorgen und Probleme der MitarbeiterInnen haben.
…
Und als ich nach über zwei Stunden diese Veranstaltung verlasse, nehme ich viel an Sorgen und Fragen, aber auch viele Antworten und Impulse mit. Doch nicht nur das!
In meinen Händen halte ich einen Aufnahmeantrag für ver.di!