Werde wesentlich …

Ansprache zum Impuls: „… macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle …“ (Joh 2, 13–22)

Bild von Shaun auf Pixabay

Wunderbar passt das heutige Evangelium zu dem Wochenende, an dem in unseren Pfarreien die Wahlen zum Pfarrgemeinderat und zum Kirchenvorstand stattfinden.

Diese Szene aus dem Johannesevangelium ist eine der eindrücklichsten im ganzen Neuen Testament: Jesus, der mit Nachdruck die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertreibt. Es ist eine heftige, fast verstörende Geste – und zugleich eine zutiefst prophetische. Sie rüttelt auf, sie stellt in Frage, sie legt den Finger in eine Wunde.

Denn das, was damals geschah, ist auch heute aktuell: Das Haus Gottes wird kommerzialisiert. Orte, die eigentlich dazu bestimmt sind, Innerlichkeit und Gottesbezug zu fördern, werden nicht selten zum Schauplatz geschäftiger Betriebsamkeit. Da werden Devotionalien, die oft kaum mehr als billiger Ramsch sind, zu überhöhten Preisen verkauft. Und noch größer ist der Markt der Esoterik und des vermeintlich Spirituellen – ein riesiger Markt der Sehnsucht, auf dem fragwürdige Produkte und Praktiken Hoffnung und Heil versprechen. Die Sehnsucht nach dem Heiligen wird kommerzialisiert.
Stattdessen müssten wir uns fragen, wie wir unsere Gottesdienste und Kirchen wieder mehr zu Orten der Gotteserfahrung, zu geistlichen, zu wahrhaft ‚heiligen‘ Orten werden lassen können.

Denn Jesus sagt: „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!“

Und dieses Wort lässt sich nicht nur auf Kirchengebäude anwenden.

Paulus erinnert uns: „Euer Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes.“ (vgl. 1 Kor 6, 19)
Das bedeutet: Auch wir selbst sind Wohnstätten Gottes.
Und so dürfen wir uns fragen:

Wo haben wir aus uns selbst eine Räuberhöhle gemacht?
Wo ist das Heilige, das Spirituelle, das Gebet, die Andacht an den Rand gedrängt worden?
Wo lassen wir Gott keinen Raum mehr, Wohnung in uns zu nehmen?

In der Orthodoxie gibt es ein wunderbares Gebet an den Heiligen Geist, das genau das in den Blick nimmt:
„Himmlischer König,
Tröster, Geist der Wahrheit,
Allgegenwärtiger und alles Erfüllender,
Schatz der Güter und Lebenspender,

komm und nimm Wohnung in uns,
reinige uns von aller Befleckung

und errette, Gütiger, unsere Seelen.“

Was für ein starkes und zugleich inniges Gebet. Es erinnert uns daran, dass der Heilige Geist Raum braucht – in uns, in unseren Gemeinden, in unserer Kirche.

Doch wie oft scheint es, als wären andere Dinge wichtiger: Geld, Gebäude, Strukturen.
Wir erleben massive Umbrüche in unseren Kirchen – vielerorts wird beraten, debattiert, gerungen:

• Wie geht es weiter? 
• Was ist zu erhalten? 
• Was muss sich ändern? 

Und wenn man genau hinschaut, dann stehen oft zuerst Finanzen und Immobilien auf der Tagesordnung.
Erst viel später kommen Themen wie Seelsorge, Glaubensvertiefung, Gebet, Caritas, das lebendige Zeugnis unseres Glaubens.

Aber christliches Leben wird auf den Kopf gestellt, wenn wir zuerst über Geld, Steine und Strukturen sprechen – und nicht zuerst über den Glauben.
Denn dieser Glaube ist es, der uns trägt, der uns Sinn und Halt gibt in all den Fragen und Herausforderungen des Lebens.

Hinterlässt unser Glaube auch einen ‚Fingerabdruck‘? – Bild von Gordon Johnson auf Pixabay

Dieser Glaube, der uns im wahrsten Sinn des Wortes beseelt, sollte auch in der Gestaltung und Atmosphäre unserer Gottesdienste spürbar werden.
Kirchen sind nicht allein Erfahrungsräume und Kulissen für spirituelle Erlebnisse.
Doch gerade Kirchen und gottesdienstliche Räume, wie unsere Kapelle hier, dürfen nie aufhören, Orte zu sein, an denen die Begegnung mit Gott möglich bleibt – Orte lebendiger Gottesbeziehung, die Herz und Seele berühren.

Vor einigen Wochen hatte ich ein sehr interessantes Gespräch.
Da erzählte mir jemand, dass er regelmäßig Gottesdienste ganz unterschiedlicher Konfessionen und Gemeinden besucht – immer auf der Suche nach einem Ort, an dem seine Seele zur Ruhe kommen kann.
Ein Ort, an dem er geistliche Gemeinschaft erfährt und sich in vertraute Rituale fallen lassen kann; eine Atmosphäre, die ihm hilft, innerlich aufzutanken, geistlich zu werden, spirituell zu sein.
Er sucht nach einer Quelle, aus der er schöpfen kann – um dann gestärkt und neu gesammelt wieder in den Alltag zurückzukehren.

Denn, auch das gehört dazu:
Unser praktizierte Glaube öffnet Fenster und Türen, damit wir nicht in uns selbst kreisen, sondern hinausgehen in die Welt – als ‚Salz der Erde‘ und ‚Licht der Welt‘.

Unsere Welt dürstet nach Sinn, nach Tiefe, nach Orientierung – nach etwas, das über all die Krisen, Konflikte und Veränderungen hinausweist. Nach einer Hoffnung, die trägt und die, wie der Morgenstern uns den Weg in der Dunkelheit zeigt.

Am Weihetag der Lateranbasilika, der „Mutter aller Kirchen Roms“, dürfen wir uns neu fragen, was Kirche heute wirklich ausmacht?!

Denn darum geht es in unserem Glauben: nicht um den Erhalt von toten Steinen oder vergänglichem Geld, sondern um die lebendige Beziehung zu Gott, um das Hören auf seine befreiende Botschaft, damit die Kraft des Heiligen Geistes in uns und unter uns wirken kann, die uns verwandelt – und die Welt mit uns.

Die deutlichen Worte der Tempelreinigung sind keine Drohung, sondern eine Einladung – eine Einladung zur Erneuerung.

Die Zukunft unserer Kirche hängt daran, worauf wir unser Fundament bauen:
auf toten Stein – oder auf den lebendigen Glauben,
auf vergängliches Geld – oder auf die unvergängliche Beziehung zu Gott im Heiligen Geist?!




„Wen der Herr liebt, …“

Über eine echt problematische Lesung am 21. Sonntag im Lesejahr C

Schriftlesung: Hebräer 12,4-13 | Einheitsübersetzung 2016 :: ERF Bibleserver

Ich erinnere mich:
Als ich als Kind einmal meine Oma besuchte, fand ich in ihrem Schrank einen Stock mit Lederriemen.
Ich fragte sie, was das ist. Sie sagte: „Eine Kopppeitsche.“ Damit hatte mein Opa früher seine Kinder geschlagen.

Symbolbild, Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Da wurde ich traurig. Auch mein Vater war als Kind so behandelt worden. Anfangs, als Familienvater, hielt er es auch für normal, uns Söhne durch Schläge zu erziehen und zu bestrafen.



Dabei war unser Vater war eigentlich liebevoll. Er war selbständiger Handwerker, aber sonntags nahm er sich Zeit für uns Kinder, da war er für uns da.

Wir liebten ihn sehr, vielleicht auch deshalb, weil er bald von solchen ’schlagkräftigen Erziehungsmethoden‘ Abstand nahm. Meine Eltern lernten gemeinsam: Liebe hat nichts mit Gewalt zu tun.
Ich finde diese Entwicklung, die sie gemeinsam zugelassen haben, großartig!

Symbolbild, Bild von Daniela Dimitrova auf Pixabay

Und obwohl sie uns später nicht mit körperlicher Gewalt erzogen, sind wir, ihre sechs Söhne, alle gut durchs Leben gegangen.
Wer hat denn nun Recht: die heutige Lesung oder meine Eltern mit ihrem Erziehungsstil?!

Gerade wegen dieser persönlichen Erfahrung empfinde ich die heutige Bibellesung als schwierig und äußerst problematisch.
Sie ist eine Herausforderung, darüber zu predigen – und trotzdem will ich mich ihr stellen.

Denn ich finde darin einen wichtigen Gedanken, der es wert ist, im Mittelpunkt zu stehen.
Um das zu verstehen, müssen wir uns die Absicht des Apostels Paulus anschauen.
Sein Brief sollte den Glauben von verunsicherten Christen stärken, die Verfolgung, Zweifel und Enttäuschungen erlebt hatten. Paulus wollte ihnen Mut machen, damit sie im Alltag mit ihrem Glauben standhalten konnten.

Bild einer künstlichen Besamung einer Bienenkönigin, Bild von xiSerge auf Pixabay

Er spricht von „Züchtigung“; wir kennen das damit verwandte Wort „Zucht“, die eine
gezielte und geplante Erziehung und Prägung meint, z.B. in der Pflanzen- oder Tierzucht.
Dafür benutzte Paulus aber Bilder aus seiner Zeit – Bilder, die uns heute fremd erscheinen.
Denn diese Bilder greifen eine zentrale Frage auf, die schon im Alten Testament eine große Rolle spielte:
„Welchen Sinn hat Leid?“
Die damalige Antwort lautete: Leid kann den Menschen erziehen.

Für mich ist das ein sehr schwer erträglicher Gedanke – zumindest auf den ersten Blick.

Doch wenn Menschen leiden oder mit anderen mitleiden, passiert tatsächlich etwas mit ihnen.
Im besten Fall setzen sie sich mit dem Leid auseinander und suchen Wege, damit umzugehen – allein oder mit Hilfe von Familie, Freunden, Therapeuten, Seelsorgern und anderen.
Dabei kann ein tieferes Verständnis für das eigene Leben entstehen, vielleicht sogar ein neuer Blick auf den Sinn des eigenen Lebens.
Auch ich habe so etwas erlebt.

Mein Vater starb mit 45 Jahren, ich war damals 17.
Als er krank wurde, war ich gerade 10 Jahre alt.
Er hatte einen Hirntumor und litt fast acht Jahre lang daran. Das war für ihn und unsere ganze Familie eine schwere Zeit – auch finanziell. Aber wir hielten zusammen.
Als Kinder begleiteten wir unseren Vater auf Spaziergängen, betreuten ihn in unserer Freizeit in gewisser Weise, später halfen wir bei seiner Pflege zu Hause.
Das waren Erfahrungen, die eigentlich kein Kind machen sollte. Aber wir wurden nicht davor bewahrt.
Und gerade in dieser schweren Zeit haben wir eine besondere Nähe und Verbundenheit in unserer Familie erlebt, die es ohne das Leid vielleicht nie gegeben hätte.
Diese Erlebnisse haben mich sehr geprägt. Sie machten mich sensibel für den Umgang mit Leid – bei mir selbst und bei anderen. Vielleicht war das auch ein Grund, warum ich später Seelsorger geworden bin.
Natürlich hatte diese Zeit auch ihren Preis: Unsere Jugend war nicht unbeschwert.
Ich war noch nicht einmal 18 Jahre alt, als ich schon meine erste Ausbildung abgeschlossen hatte, nur damit ich mehr Geld verdienen und die Familie mit unterstützen konnte. Auch meine Brüder haben ihren Teil dazu beigetragen.
Nein, es war keine gute Zeit.
Aber sie hat mich stärker gemacht und mir Sicherheit im Umgang mit Leid gegeben – im Blick auf andere und hoffentlich auch für mein eigenes Leben, falls mich einmal schweres Leid trifft.

Wenn Paulus also davon spricht, dass das Leid den Menschen erziehen kann, dann kann ich ihm aus meiner eigenen Erfahrung heraus zustimmen.
Das Leben bringt uns manchmal harte Prüfungen, die uns für das zurüsten können, was noch kommt.
Heute spielt das auch eine wichtige Rolle für die persönliche Resilienz.

(Anm.: Die Resilienz bezeichnet die psychische Widerstandskraft; Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen.)

Resilienz, Symbolbild, Bild von Rosy / Bad Homburg / Germany auf Pixabay

Aber – und das ist mir wichtig – das kann auch ganz anders ausgehen.
In meiner Arbeit in der Psychiatrie sehe ich oft, dass Menschen an diesen „Züchtigungen des Lebens“ zerbrechen.

Darum glaube ich:
Leid ist weder ein gutes Erziehungsmittel noch ein Weg, den man sich wünschen sollte.
Ich selbst könnte gut darauf verzichten.
Nur: das Leben lässt es nicht zu, Leid einfach zu vermeiden.

Also versuche ich, damit umzugehen, damit es mich nicht zerstört, sondern ich – durch den bewussten Umgang damit – vielleicht sogar in meinem Leben gestärkt werde, und so besser gewappnet bin für die Herausforderungen meines Lebens und meines Glaubens.




Un-glaublich

Bild von Marc Pascual auf Pixabay

Un-glaublich

Kann man die Dreifaltigkeit Gottes
den Menschen leicht verständlich machen?
Nein!

Kann man die Gegenwart Christi in der
hl. Kommunion leicht verstehen?
Nein!

Kann man Gott verstehen,
der den Menschen unbedingt liebt,
trotz seiner Schuld, trotz seines Versagens,
trotz seiner mangelnden Liebe?
Nein!

Kann man verstehen, dass Jesus Christus
den Tod am Kreuz auf sich genommen hat,
um uns zu retten?
Nein!

Kann man jemals in religiöser Bildung,
in Katechese, Glaubensgesprächen und
Predigten dies alles verständlich machen?
Nein!

Kann man deshalb nicht lieber den
christlichen Glauben ganz aufgeben,
weil er nicht zu fassen ist?
Nein!

Warum?

Weil ich hinter all diesem Un-glaublichen
eine große Liebe und Sehnsucht
Gottes nach den Menschen erahne,
die mich gerade deshalb an das
Un-glaubliche glauben lässt.

Denn dieses Un-glaubliche zu glauben,
bedeutet für mich, dass das Un-glaubliche wahr sein kann!




Angenommen: Glauben!

Diese Worte aus dem Brief des Apostels Paulus lese ich heute, am 3.5.2025 in der Schriftlesung.
Die Worte bringen mich zum Nachdenken:

Habe ich das Evangelium angenommen?
Diese Frage lässt sich wohl kaum in wenigen Worten beantworten.

Als Säugling wurde ich getauft – eine Entscheidung, die nicht aus eigenem Willen getroffen wurde.
Durch das Elternhaus und die Familie, durch den Kindergarten, den Religionsunterricht, kirchliche Gruppenstunden und die regelmäßige Teilnahme an Gottesdiensten wuchs ich nach und nach in die Kirche und ins kirchliche Leben hinein.
Mit der Zeit habe ich zweifellos die Frohe Botschaft angenommen, doch dieser Prozess war und ist ein dynamisches Geschehen, das bis heute fortdauert.
Nun, im Alter von zweiundsechzig Jahren, blicke ich auf eine Lebensgeschichte zurück, die untrennbar mit meiner Entscheidung für den christlichen Glauben verbunden ist.
Viele Menschen haben an dieser Geschichte teilgehabt und sie geprägt – und tun es noch immer.

Heute befinde ich mich an einem Punkt meiner religiösen Biographie, an dem ich mehr als früher bereit und mutig bin, mir die Frage zu stellen, ob ich mich heute eventuell anders entscheiden würde?

Würde ich eine andere Religion wählen wollen? –
Die Auswahl ist schließlich vielfältig.
Oder würde ich mich für keine Religion entscheiden?

Fundament – Bild von Hans Toom auf Pixabay

Was könnte oder würde dann die Grundlage sein, auf dem ich meine Ansichten, Werte und Hoffnungen gründe und mein Leben aufbaue?

Für Paulus ist klar, dass die Annahme des Evangeliums etwas buchstäblich ‚Fundamentales‘ ist.
„Es ist der Grund, auf dem ihr steht!“ – schreibt er.

Für ihn ist christlicher Glaube also nicht nur etwas theoretisches,
nicht eine reine Geistes-Wissen-schaft,
sondern eine Lebens-Gestaltung(s)-Kraft!

Und in diesem letzten Sinne habe ich im Laufe meines Lebens diesen Glauben zunehmend verstanden und angenommen.

Ja, das Nachdenken über die theoretischen Aspekte des Glaubens und die Fragen rund um die christliche Lehre finde ich oft unglaublich faszinierend und spannend.
Doch die tiefste innere und spirituelle Erfüllung erfahre ich, wenn mir klar wird, wie konkret der christliche Glaube mein alltägliches Leben beeinflusst: wenn er mir zum Beispiel dabei hilft, Antworten darauf zu finden, wie ich mich in den unterschiedlichsten Situationen verhalten möchte.
Auch wenn meine Gedanken, Worte und Taten manchmal von dem abweichen, was ich eigentlich aus meinem Glauben heraus hätte tun wollen, schenkt mir diese Auseinandersetzung Klarheit und Orientierung.

Mein christlicher Glaube ist wie eine Brille, durch die ich mein Leben betrachte – und plötzlich ergibt alles einen Sinn!
Aber keine Sorge, beim christlichen Glauben ist es nicht wie bei einer To-Do-Liste, wo ich einzelne Punkte nur abhaken muss, um mein Glaubens-Zertifikat zu erhalten.
Er ist eher wie ein Navi, der mich durch das Chaos des Lebens navigiert, ohne dabei ständig zu piepen, wenn ich mal falsch abbiege – und allmählich führt es mich weiter auf meinem Weg … zum Ziel!

Insofern kann ich Paulus nur zustimmen, wenn er das Bild vom Fundament bemüht, das der christliche Glaube uns bieten kann.

Aber mal ehrlich: heutzutage ist der christliche Glaube doch nur einer von vielen Attraktionen auf dem bunten Jahrmarkt der Sinnangebote!

Da steht er in einem knallharten Konkurrenzkampf mit anderen Religionen, Weltanschauungen und vielleicht sogar dem Yoga-Kurs um die Ecke.

Dazu kommen Ideologien, die sich in unserer Welt ausbreiten wie invasive Pflanzen – aber nicht die hübschen, die man gerne im Garten hat, sondern eher die Sorte, die einen kompletten Schrebergarten in ein Dschungchaos verwandelt!
Statt Frieden, Freiheit und Glück zu bringen, hinterlassen sie eine Schneise voller Hass, Zerstörung, Krieg, Unterdrückung und verbrannter Erde.
Und wofür das Ganze? – Um selbst Macht und Einfluss anzureichern zu ihrem alleinigen Vorteil!
Das erinnert stark an einen schlechten Filmplot, nur dass es hier kein Happy End gibt …!

Es wäre wirklich tragisch und dramatisch, wenn wir Menschen kein sinnstiftendes Fundament mehr hätten; wenn wir von Tag zu Tag leben und jedes Mal unser Denken, Entscheiden, Urteilen, Abwägen und Handeln neu erfinden müssten, ohne eine solide und integrierte Ethik, die uns trägt.
In solch einem Fall könnten wir unser Leben sprichwörtlich „auf Sand gebaut“ haben, und wenn die „Wassermassen heranrollen“, könnte alles, was wir uns mühsam aufgebaut haben, in sich zusammenfallen (vgl. Matthäus 7,24-27). Eine derartige Erfahrung möchte ich keinem Menschen wünschen.

Kommen wir aber auf meine Eingangsfrage zurück:

Würde ich mich heute anders entscheiden, wenn ich noch einmal vor die Wahl gestellt werden würde?
Oder würde ich meinen christlichen Glauben an den Nagel hängen und mich stattdessen einer anderen Religion, Philosophie oder Weltanschauung zuwenden?
Vielleicht wäre es ja spannend, sich den Jedi anzuschließen, stets mit der Macht zu hadern, oder als Stoiker stoisch auf ein Stück Schokolade zu verzichten. 😉

Erst einmal:
Im Grunde genommen könnte ich mir nicht vorstellen, ohne irgendeine Form von Religion, Weltanschauung oder Philosophie durchs Leben zu gehen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass all diese Ansätze – jede auf ihre ganz eigene Weise – den Menschen als Grundlage für die Gestaltung ihres Lebens dienen können, vorausgesetzt, sie orientieren sich am Wahren und Guten.

Konkret auf den christlichen Glauben bezogen:

Ich habe mich im Laufe meines Lebens immer wieder zum christlichen Glauben bekannt und auch heute hat diese Überzeugung nichts an Entschiedenheit eingebüßt.
Das heißt nicht, dass auch Anfragen und Zweifel meinen Glauben geprägt haben und sicherlich auch zukünftig immer wieder kommen werden.
Und es heißt auch nicht, dass es noch viele grundlegende Fragen für mich gibt, die noch keine hinreichende Antwort in meinem Leben gefunden haben.

Salvator Mundi in Rio de Janeiro, Bild von Armando Paiva Foto auf Pixabay

Wenn Jesus mir die Frage stellen würde, angesichts dessen, dass viele sich von ihm und seiner frohen Botschaft abwenden: „Willst auch du gehen?“, könnte ich immer noch wie Petrus antworten:

„Herr, zu wem sollte ich gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens!
Ich glaube und habe erkannt, dass du der Heilige bist, den Gott gesandt hat…“

(vgl. Joh 6, 68-69)

Dafür bin ich dankbar und hoffe, dass das auch in Zukunft so bleibt: Gott sei Dank!




3. Sonntag der Osterzeit

Bild von falco auf Pixabay

Leere -> Fülle – Versagen -> Heilung

Impuls zu Johannes 21, 1-19

Heute stehen wir am See von Tiberias.
Hier treffen menschliches Bemühen und Gottes Kraft auf besondere Weise zusammen.

Die Jünger sind nach einer langen, anstrengenden Nacht aufs Wasser hinausgefahren.
Sie haben gefischt – und nichts gefangen.
Ihre Netze bleiben leer.
Ihre Hände sind müde, ihre Hoffnungen enttäuscht.

Am Ufer aber steht Jesus.
Er sagt nur: „Werft das Netz auf der rechten Seite aus!“ (Joh 21,6)
Dieses eine Wort ändert alles.
Die Jünger folgen, und plötzlich ziehen sie so viele Fische ins Boot, dass das Netz fast reißt.
Aus Leere wird Fülle, aus Mühe Überfluss.

Ähnlich geht es uns oft: Wir arbeiten hart und sehen keinen Erfolg.
Dann kann ein einziger Hinweis von außen uns eine neue Perspektive geben.
Wir merken, dass wir nicht allein kämpfen.
Das Netz, das wir auswerfen, ist ein Bild dafür, wie wir mit Jesus zusammenarbeiten – auch wenn es uns seltsam vorkommt.

Nach diesem reichen Fang wendet sich Jesus an Simon Petrus.
Er fragt ihn dreimal: „Liebst du mich?“ (Joh 21,15–17)
Dreimal erklingt die Frage – fast wie ein Echo auf Petrus’ dreimaliges Verleugnen.

Doch hier geht es nicht um Schuld, sondern um Heilung und Nähe.

So auch in dem Film „Die zwei Päpste“ aus dem Jahr 2019 mit Anthony Hopkins als Papst Benedikt und Jonathan Pryce als Kardinal Bergoglio, dem späteren Papst Franziskus.
Dort begegnen sich Papst Benedikt XVI. und Kardinal Bergoglio.
In einem eindrücklichen Gespräch sprechen sie über Schuld, Sünde und Vergebung – vor dem Hintergrund des Versagens der Kirche auch im Umgang mit sexuellem Missbrauch.
Besonders bewegend ist Bergoglios Einsicht, dass Sünde mehr ist als ein Fleck, der sich einfach abwischen lässt. Er sagt:

„Sünden sind keine Flecken, die man einfach entfernt, sondern Wunden; sie müssen geheilt werden.“

Diese Worte führen uns mitten in das Herz unseres Glaubens: Wahre Heilung beginnt dort, wo wir Schuld nicht verdrängen, sondern sie ansehen, anerkennen – und heilen lassen.

Dies geschieht heute im Evangelium mit Petrus.


Diese Szene im heutigen Evangelium zeigt uns noch ein anderes:

Nachfolge ist keine einmalige Entscheidung.

Jedes „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe“ lässt Petrus sein Herz neu entdecken.
In jeder Wiederholung spürt er, wie seine Liebe zu Jesus wächst.
Und immer wieder hört er den Auftrag: „Weide meine Schafe.“

Unser Weg führt immer wieder ans Ufer – zu unseren leeren Netzen: wir sehen keinen Erfolg, in unserem Bemühen der Nachfolge.
Aber jedes Mal, wenn wir auf Jesus hören und unser Netz ein zweites, drittes Mal auswerfen, kann unser Leben neuen Sinn und neue Fülle bekommen.

Auch wir haben Phasen, in denen unsere Netze leer bleiben: in Freundschaften, in Projekten, in unserem Glauben.
Vielleicht erinnert uns dann eine kleine Stimme daran, wie Gott uns schon einmal geholfen hat.
Vielleicht war es ein Wort, das uns neuen Mut gab, oder ein Moment, in dem wir Trost spürten.

Wenn wir ohne großen Plan aber mit offenem Herzen unser Netz erneut auswerfen, merken wir oft: Gehorsam im Glauben ist manchmal schwer, kann aber auch befreiend sein.

Die gute Nachricht durchdringt unser Leben.
Sie füllt unsere leeren Räume und schenkt Überfluss.

So lädt uns die Geschichte am See und das Gespräch zwischen Jesus und Petrus ein, nicht an unserem Scheitern festzuhalten.
Vielmehr dürfen wir offen sein für Jesu behutsames Fragen und seine sanfte Führung.
In dieser Offenheit liegt Lebendigkeit.
Sie verbindet uns mit Christus – und untereinander.
Gemeinsam werfen wir unser Netz aus – um den Reichtum Gottes immer wieder neu zu entdecken.

„Jesus lebt!“ – Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay