Allen alles werden …?

Impuls zum 5. Sonntag – B – 2024

[ Dieser Impuls entstand auch unter dem Eindruck der Ereignisse innerhalb der Pfarrei St. Clemens, Oberhausen-Sterkrade in der Zeit vom 27.01. bis 04.02.2024. Dokumentiert auch unter: Bischof beugt sich Druck: Winkelmann-Versetzung gescheitert – waz.de ]

„Wer nach allen Seiten hin offen ist, kann nicht ganz dicht sein….!“



diese, in der Tat witzige, Redensart thematisiert ein Dilemma, mit denen sich all jene tagein tagaus konfrontiert sehen, die wertschätzend und respektvoll ihr Leben gestalten wollen.

Offenheit für jene,

• die die Streiks bei der Bahn und in ÖPNV unterstützen und Offenheit für jene, die wütend darüber sind, dass sie nur schwer auf dem Weg zur Arbeit kommen
• Offenheit für jene, die die Waffenlieferung in die Ukraine unterstützen, damit diese sich gegen den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zur Wehr setzen kann und Offenheit für jene, die einen Waffenstillstand fordern, weil sie darin die Möglichkeit für Verhandlung sehen
• Offenheit für jene, die das Heizungsgesetz der Regierung zum Schutz des Klimas unterstützen und zugleich Offenheit für jene, die darin eine zu große finanzielle und wirtschaftliche Belastung sehen
• Offenheit für jene, die für den Schutz des ungeborenen Lebens eintreten und zugleich Offenheit für jene, die das Recht auf Selbstbestimmung der Frauen einfordern
• Offenheit für jene, die das Grundrecht auf Asyl als unverzichtbare Folge der dt. Nazivergangenheit ansehen und Offenheit für jene, die sich vor einer ‚Überfremdung‘ in der Gesellschaft fürchten.

Ich könnte diese Liste weiter fortführen.
Wie soll das gehen, dass eine Person echte und authentische Offenheit für so gegensätzliche Standpunkte und Anschauungen an den Tag legen kann?!

Und es gibt sicherlich weitere Gegensätze, wo wir uns schnell einig sind, dass eine Offenheit für beide Gegensätze unmöglich und unzumutbar ist.

Doch dann diese Worte aus dem Mund des heiligen Paulus:

„Obwohl ich also von niemandem abhängig bin, habe ich mich für alle zum Sklaven gemacht, …
Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden….
Allen bin ich alles geworden,, …“

Würden wir nun auch dem Paulus bescheinigen:
„Du kannst nicht ganz dicht sein?!“

Würden wir diese Aussage Pauli ablehnen, weil wir ihm sagen müssten: Du kannst ja dann nicht mehr glaubwürdig sein, wenn du dich auf die Seite aller stellst?

Aber geht es Paulus überhaupt darum, unüberwindbare Widersprüche in sich zu vereinbaren, auch nur scheinbar, was gänzlich seine Glaubwürdigkeit in Frage stellen würde?!

Ich denke, das ist nicht damit gemeint.

Denn seine Aufzählung ergänzt Paulus mit einem wichtigen Zusatz:
• den Sklaven bin ich Sklave geworden, um möglichst viele zu gewinnen.
• den Schwachen bin ich Schwacher geworden, um die Schwachen zu gewinnen.
• allen bin ich alles gewonnen, um auf jeden Fall einige zu retten.

Das ist das Vorzeichen seiner Rede:
Paulus will alle für das Evangelium ansprechen und möglichst viele erreichen, damit sich auf jeden Fall einige für die Botschaft Jesu Christi öffnen können.

So könnte das eingangs formulierte Zitat nach Paulus dann auch heißen:

„Ich möchte mich für alle und für alles offen zeigen, damit ich viele für die Frohe Botschaft erreichen kann!“

Paulus geht es also nicht darum, keinen eigenen Standpunkt einzunehmen. Das zeigt sich schon an vielen anderen Stellen seiner Briefe.

Es geht ihm vielmehr darum, dass sein eigener Standpunkt ihn nicht daran hindert, sich auf echte Begegnung mit anderen, auch mit anders Denkenden und anders Fühlenden einlassen zu können, damit er auch ihnen die Botschaft der Freiheit, der Liebe und der Gerechtigkeit nahe bringen kann.

Am Donnerstag hat sich – nach den konfliktreichen Ereignissen der vergangenen Woche – das Pastoralteam unserer Pfarrei getroffen. Johannes Schoenen und ich waren dazu ausdrücklich eingeladen worden, damit wir unsere Sichtweise und unsere Erfahrung konstruktiv mit einbringen.

Wir haben einen geschützten und vertraulichen Raum gefunden. Und diesen Raum will ich nicht verletzten.
Ich tue dieses aber sicherlich nicht, wenn ich bekenne, dass wir gerungen haben, wie wir mit dem Schlamassell ( vom Jiddischen ‚schlimmasl‘ = Unglück ) hier nun umgehen können?

Zwei Dinge sind mir dabei in Erinnerung geblieben:

  1. Die Übereinstimmung, dass es um die ganze Pfarrei geht, nicht nur um eine Person, um eine bestimmte Überzeugung in diesen Konflikt, sondern letztendlich um das, was der gesamten Pfarrei zugute kommen kann. Paulus bezeichnet dies an anderer Stelle als Forderung, nämlich die Forderung nur all das zu tun, was „der Erbauung der Gemeinde dient.“ (vgl. 1 Kor 14,26)
  2. Wir wollen und müssen in diesem Konflikt als empathische Seelsorger:innen handeln, die Offenheit für die unterschiedlichen, teils widerstreitenden Ansichten in diesem Konflikt an den Tag legen.

Ich bin mir sicher, dass dies nicht in der Absicht geschah, alle aus dem Pastoralteam müssen in allem ein- und derselben Meinung sein.
Das wäre auch letztendlich nicht realistisch.

Aber alle haben an einem Strang gezogen in dem Willen, einen Beitrag zu leisten, damit wir im Dienst der Verkündigung zugänglich bleiben wollen für alle in der Pfarrei, egal welche unterschiedliche Positionen eingenommen werden.

Und dass das geht, habe ich selber im Pastoralteam erfahren können.

Sie kenne mich, dass ich – gerade wo mein Herzblut dran hängt – eine deutliche Sprache sprechen kann und dass ich mich dafür sehr engagieren kann. (Meine eindrückliche Stimme kommt mir da entgegen, wiewohl das auch manchmal bedrohlich für manche wirken kann.
Dessen bin ich mir bewusst)

Und so habe ich meinen Standpunkt vertreten, auch mit der Sorge, das andere mich vielleicht nicht mehr mal „mit dem Hintern werden ansehen“ wollen.

Aber das ist gerade nicht passiert; es kam ganz anders.
Mein Standpunkt wurde nicht abgetan, sondern ich habe gespürt, dass dieser Standpunkt, so massiv er vielleicht auch vorgetragen wurde, gehört wurde.
Ja, er wurde nicht nur gehört!
Sondern: er wurde nicht ignoriert und floss als Gedanke mit in unsere Beratungen mit ein.
Das war für mich eine ganz wichtige Erfahrung. Und dafür bin ich allen meinen Kolleg:innen dankbar.

Das Ergebnis ist unter anderen die gemeinsame Erklärung, die wir gleich am Ende hören werden und die auf verschiedenen Kanälen bereits seit Donnerstag Abend publiziert wird.

Ich weiß: Ich werde nicht immer einer Meinung sein, weder mit allen hier in der Kapelle noch im Pastoralteam.
Aber das muss es doch auch nicht!

Ich finde sogar: dass darf nicht sein, wenn wir Menschen bleiben wollen in ihrer Vielfalt. Denn: Vielfalt ist besser als Einfalt!

Das Besondere meiner Erfahrungen von vergangenen Donnerstag ist: wir haben einen gemeinsamen Nenner gefunden.
Alles was wir tun wollen, soll der Erbauung der Gemeinde dienen, damit die Frohe Botschaft eine Chance hat.

Aufgrund dieser Erfahrungen bin ich – was die Aussage des heiligen Paulus „allen alles zu werden“ ganz gelassen.
Wir haben ein vielfältiges Team. Nicht jede einzelne Person aus dem Pastoralteam muss „Allen alles werden“.
Es reicht völlig, wenn wir die vorhandene Vielfalt im Team und auch in der gesamten Pfarrei nutzen, damit sich die befreiende Botschaft auch in Zukunft an alle richten kann und sie die Vielen erreicht.

So können wir sprach- und handlungsfähig bleiben, allen gegenüber, in der Fülle der Verschiedenheit und Unterschiedlichkeit.

Wenn uns das gelingt, dann ist mir nicht bang, dass wir die konfliktreichen vergangenen Tage gut – d.h. segensreich – überwinden können.

Eines wird dabei aber weiterhin unverzichtbar bleiben.
Dass wir „einander mit Respekt und gegenseitiger Wertschätzung (.) begegnen.“ (s. Publikandum vom 01.02.2024)




Unerträglich und untragbar

Oder: wie Kardinal Woelki sich selbst demontiert

Dunkle Schatten über dem Erzbistum Köln – Bild von S. Hermann & F. Richter auf Pixabay

Nach den vielen Eklats von und um den Erzbischof von Köln, Kardinal Woelki, und dessen angeordneter Auszeit durch Papst Franziskus ist nun das eingetreten, was viele befürchtet haben: das Erzbistum Köln kommt nicht zur Ruhe.



Es gab aus internen Kirchenkreisen schon viele Protestnoten; hauptamtliche Mitarbeiter:innen, ob Kleriker oder Nicht-Kleriker, Ehrenamtliche und viele andere Menschen haben ihren Unmut über die katastrophale Kirchenleitung der Erzdiözese Luft gemacht.
Doch diese Stimme des Volkes Gottes schlägt beim Kardinal auf taube Ohren.
Nicht nur sein Auftritt im Erzbistum Köln, sondern auch sein Auftreten beim Synodalen Weg zeigt einen Bischof, der so gänzlich empathielos zu sein scheint.

Allein was das Thema „Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker“ in seinem Bistum angeht, versagt Woelki und seine Verwaltung total.

Erst gestern wurde ich nach einer Tauffeier, an der auch Gläubige aus dem Erzbistum Köln teilnahmen, auf den skandalösen und menschenverachtenden Umgang mit dem früheren römisch-katholischen Priester Michael Schenk hingewiesen, der nun u.a. als Therapeut und auch ehrenamtlich als Priester der altkatholischen Kirche angehört. Zwar liegt das größere Versagen in diesem Falls sicherlich bei dem Vorgänger von Kardinal Woelki, aber er und seine Bistumsverwaltung hätten es in der Hand gehabt, sich wirklich für die Opfer sexualisierter Gewalt stark zu machen.
Zwar hat Woelki immer wieder betont, dass es ihm um die Opfer gehe; doch daran darf man berechtigte Zweifel haben.

Denn ein neuer Skandal, der vor wenigen Tagen öffentlich wurde, zeigt unverhohlen: es geht um die Person Woelki und darum, ihn weiterhin fest im „Sattel der Kathedra“ sitzen zu lassen.

Es wurde ein PR-Strategiepapier des Erzbistums Köln bekannt, für das das Bistum zwischen 2019 und 2021 € 820.000,– (das ist knapp eine Million Euro!!!) . Wie verschiedene Medien zu berichten wissen, trug ein Papier dieser Strategiekampagne den Titel: „„Wie ‚überlebt‘ der Kardinal bis März 2021“.

Hier wird das Dilemma in meiner Kirche einmal mehr deutlich, woran die Institution völlig krankt und was eine strukturelle Sünde ist: Es geht immer noch viel zu viel um die Institution Kirche, um ihre Macht, um Macht, die einzelne Menschen, die in der Hierarchie weit oben stehen, über andere aktiv ausüben können.
Es geht immer noch um einzelne Menschen, die nachweislich Fehler gemacht haben und nicht bereit sind, die Konsequenzen zu ziehen, sondern so an ihrer Macht hängen, dass sie sogar das ihnen anvertraute Vermögen dafür verwenden.

Woher kommen die knapp 1 Million Euro für die Strategiekampagne?! Und – viel wichtiger -: Wo fehlen sie? Wofür können sich nicht (mehr) eingesetzt werden? Welchen Auftrag vernachlässig die Kirche, um dem Ego von Einzelnen zu dienen?

Hier sind auch kirchenrechtliche Fragen zu beantworten, nämlich inwieweit der Umgang mit den zeitlichen Gütern der Kirche dem Sinn und Auftrag der Kirche gerecht wird, oder: ob hier nicht sogar Gelder veruntreut wurden?

Dazu heißt es nämlich im kirchlichen Gesetzbuch, dem „Codex iuris canonici“:

Can. 1254 — § 1. Die katholische Kirche hat das angeborene Recht, unabhängig von der weltlichen Gewalt, Vermögen zur Verwirklichung der ihr eigenen Zwecke zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern.

§ 2. Die eigenen Zwecke aber sind vor allem: die geordnete Durchführung des Gottesdienstes, die Sicherstellung des angemessenen Unterhalts des Klerus und anderer Kirchenbediensteter, die Ausübung der Werke des Apostolats und der Caritas, vor allem gegenüber den Armen.“

https://www.codex-iuris-canonici.de/cic83_dt_buch5.htm

Hier darf ich unumwunden meine Zweifel anmelden, ob ein solches Gebaren des Erzbistums Köln mit diesen Rechtsvorschriften im Einklang zu bringen ist.
Deshalb muss es hier auch eine innerkirchliche Untersuchung geben. Verantwortlich dafür wird letztendlich der „Apostolische Stuhl“ im Vatikan sein.

Ungeachtet aller notwendiger Klärung bin ich der festen Überzeugung, dass es bei Woelki heißen muss:

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay



Ungerechter Sparzwang

Bild von S. Hermann & F. Richter auf Pixabay

Wirtschaftliche Situation von Pfarreien darf nicht zu sozialer Ungerechtigkeit führen

Heute möchte ich etwas thematisieren, bei dem ich in meiner Kirche sicherlich nicht nur auf wohlwollende oder gar positive Reaktionen stoßen werde.
Wieder einmal muss ich einen Bereich entdecken, wo meine Kirche unglaubwürdig und sogar unsozial ist.

Diesmal geht es um die Situation von Honorarkräften, die in unseren Kirchengemeinden im Einsatz sind und zwar am Beispiel der Kirchenmusik.



Sparpotential – Personal oder Immobilien?

Personen, die über die wirtschaftliche Lage unserer Pfarreien im Bild sind, wissen, dass dort ein erheblicher Sparzwang besteht. In manchen Pfarreien gibt es einen nötigen Sparzwang von mindestens 30%, manchmal auch bis zu 50% gegenüber guten Zeiten vor einigen Jahren.

Das hat dazu geführt, dass Pfarreien sehr sorgfältig überlegen mussten, wie sie mit ihrem Budget umgehen. Wo können wir Einsparungen vornehmen? Welche Bereiche sollen davon zuvorderst betroffen sein: Immobilien oder Personal?

Manche Pfarreien und in ihnen die verantwortlichen Gremien haben sich für Einsparungen beim Personal entschieden, zu Gunsten einer Aufrechterhaltung von vorhandenen Immobilien wie Kirchen, Pfarrheimen etc.

Technische Dienste und Kirchenmusik besonders betroffen

Hier sind angefangen von den technischen Diensten, wie Hausmeister:innen und Raumpflegekräfte über Mitarbeitende in der Verwaltung, aber auch die Mitarbeitenden im Bereich der Kirchenmusik besonders betroffen.

Mache Pfarreien beschäftigen nur noch eine hauptamtliche Person für den Bereich der Kirchenmusik. Diese Person ist zumeist auch zuständig für die Koordinierung von kirchenmusikalischen Einsätzen, wie die musikalische Mitgestaltung von Gottesdiensten als Organist:innen.

Da die hauptamtliche Person für die Kirchenmusik nicht alle anfallenden Gottesdienste gestalten kann, greifen die Pfarreien auf Honorarkräfte zurück, die für die einzelnen Gottesdienste bezahlt werden.

Und hier setzt ein großes Problem an, das mir in den letzten Tagen erst so richtig bewusst wurde …

Die unsoziale Bezahlung von Honorarkräften in der Kirchenmusik

Bild von Tobias Albers-Heinemann auf Pixabay

Ausgehend von einem sehr konkreten Fall ging ich der Frage nach, wieviel ein:e Kirchenmusiker:in als Honorarkraft für die Mitgestaltung eines Gottesdienstes bekommt. Gemeint waren da ganz reguläre Gemeindegottesdienste (Hl. Messen oder Wort-Gottes-Feiern) am Sonntag.

Was da für mich zu Tage trat, finde ich erschütternd und lässt mir dir Schamesröte ins Gesicht steigen.

Vergütungssätze von € 20,00 bis € 50,00

Ich erfuhr, dass in manchen Pfarreien oder Einrichtungen die Kirchenmusiker:innen auf Honorarbasis lediglich € 20,00 pro Gottesdienst erhalten!

Das empfinde ich als einen Skandal!

Wenn ich bedenke, dass manche von ihnen diese Tätigkeit nebenamtlich ausführen, also dieser Verdienst zum regelmäßigen monatlichen Einkommen zählen muss, dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln.

Honorarkräfte müssen von diesen €20,00 selber ihre Sozialversicherung(en) bezahlen; die Summe dieser Einnahmen fließen mit ein in das zu versteuernden Einkommen eines Jahres.
Davon müssen dann auch die Kosten für die Anfahrt zum Einsatzort bezahlt werden, denn in der Regel gibt es keine Fahrkostenerstattung.

Entscheide selbst: Ist eine solche Bezahlung okay?! Läppische € 20,00 für einen Einsatz vor Ort von ca. 45 Minuten, dazu noch Anfahrtszeit und -kosten sowie Vorbereitungszeiten?!

Vergütungsunterschiede sind eklatant

Doch damit nicht genug!
Man könnte ja noch argumentieren, dass das die ‚ortsüblichen‘ Beträge sind, die bei solchen Einsätzen für Honorarkräfte bezahlt werden.

Aber das stimmt noch nicht einmal!

Bild von DoroT Schenk auf Pixabay

Meine Recherchen haben ergeben, dass im selben Bistum, wenige Kilometer weiter, ebenfalls in katholischen Pfarrgemeinden die Honorarkräfte € 35,00 für genau dieselben Einsätze bekommen.
Das sind 75% Prozent mehr!
Und in der Regel wird auch nicht nach Qualifikation oder Ausbildung unterschieden: ausgebildete C-Musiker:innen erhalten den selben Betrag wie Musiker:innen ohne kirchenmusikalischen Abschluss.
Jene, die davon ihr monatliches Einkommen bestreiten müssen, erhalten denselben Betrag wie jene, die sich als Rentner:innen noch ‚etwas dazu verdienen‘ wollen resp. müssen.

Und um noch eins drauf zu setzen:
In evangelischen Kirchengemeinden erhalten im selben Gebiet (Stadt oder Bistumsgebiet) diese Honorarkräfte bis zu € 50,00 pro Einsatz. Das sind mehr als das Doppelte von dem, was Kirchenmusiker:innen in den ersten genannten Kirchenorten erhalten!

Frage dich selber, ob du das ‚gerecht‘ findest?! – Ich nicht! Ich empfinde es als ungerecht und unsozial und es grenzt an Ausbeutung!

Das ist ein Affront gegen die Glaubwürdigkeit meiner Kirche, wenn sie sich woanders gegen soziale Ungerechtigkeiten äußert oder gar einsetzt.

Wie damit umgehen? – Streik !

Als erstes finde ich, dass solche Zustände offen aufgedeckt werden und auch öffentlich wahrgenommen und diskutiert werden müssen.

Als nächstes finde ich, dass betroffene Kirchenmusiker:innen sich darüber im Klaren werden müssen, wie mit ihnen umgegangen wird? Und sie können überlegen, wie sie sich dagegen wehren können!

Kirchenmusiker:innen können die rote Karte zeigen

Verweiste Manuale und Pedale einer Orgel können uns darauf stoßen:
Ohne Kirchenmusik fehlt etwas Wichtiges in unseren Gottesdiensten –
Bild von falco auf Pixabay

Aus einer Pfarrei ist mir zu Ohren gekommen, dass die Kirchenmusiker:innen, die auf Honorarbasis dort im Einsatz waren, sich untereinander solidarisiert haben und gegen eine solche unsoziale Bezahlung gestreikt haben. Sie haben sich nicht auseinander dividieren lassen, sondern durch ihren Streik deutlich gemacht, dass ohne ihren Dienst etwas Wesentliches im Leben der Kirche fehlt!
Da wurde das Problem offensichtlich und sowohl Verantwortliche in den Pfarreien wie auch die Mitglieder der Pfarrei mussten sich mit diesem Thema auseinandersetzen.

Die Folge war, dass trotz angespannter Haushaltslage und Sparzwängen, die Vergütung für Kirchenmusiker:innen auf Honorarbasis auf € 35,00 angehoben wurde.
Das ist – unter Berücksichtigung der Aufwendungen und Abzüge – noch immer keine reiche Entlohnung, aber ein erster Schritt für gerechtere Entlohnung!

Damit haben die Kirchenmusiker:innen auf ein Ungerechtigkeit hingewiesen und zugleich deutlich gemacht:

Kirchenmusik ist kein ‚Nebenbei‘ in unseren Gottesdiensten, sondern wesentlicher Bestandteil unserer Liturgie.

Wer bekennt, dass die Kirchenmusik einen hohen Stellenwert im Gottesdienst und in der Spiritualität einer Kirchengemeinde hat, der kann jene, die dieses Geschäft mit der Kirchenmusik betreiben, nicht mit Almosen oder Brosamen abspeisen.

Denn das ist den Kirchenmusiker:innen gegenüber unsozial und der kirchlichen Liturgie gegenüber unwürdig!




Sprachlos oder Schweigen?

Viele meiner seelsorglichen Kolleginnen und Kollegen haben es vor mit unternommen, sich in den letzten Tagen zu dem alles dominierenden Thema in meiner Kirche zu äußern: dem Gutachten über den Umgang des Erzbistums München-Freising mit Fällen von sexualisierter Gewalt durch Geistliche in den letzten Jahrzehnten.

Bild von DaModernDaVinci auf Pixabay

Braucht es da auch noch Äußerungen von mir?
Wird sie überhaupt gewünscht, gewollt, wahrgenommen oder gelesen?



Viele Gedanken und Gefühle prägen meinen Alltag in diesen Tagen und eigentlich ist alles noch so chaotisch, unstrukturiert und wenig stringend.

Gefühle …

Da gibt es diese Gefühle von tiefer Traurigkeit, wenn ich an das Leiden der Opfer und Betroffenen denke, da gibt es Wut und Zorn, Ohnmacht und Ratlosigkeit und zugleich ein inneres Verlangen, nicht weiter zuschauen zu wollen. Wie gerne würde ich auf den Tisch hauen …!!!

… und Gedanken

Und dann gibt es viele Gedanken:

  1. Was ist mit den Opfern und Betroffenen? Was ist jetzt zu tun, damit nicht nur geredet, geredet und zerredet wird, sondern tatsächlich etwas geschieht, das auch zeitnah Entlastung und Hilfe bringt?
  2. Was ist mit unseren Schwestern und Brüdern in den Gemeinden, in der Kirche vor Ort? Wo haben sie Gelegenheit und Räume und Orte, so sie ihre Gedanken und Befindlichkeiten, ihren Frust, ihre Wut, ihre Ratlosigkeit lassen können; und wo wir sie mit ihnen teilen?
  3. Wo und wie kann ich mich geistlich festmachen, damit mich die Wut und der Zorn nicht herunter zieht und mich nicht so sehr bindet und lähmt und ich dadurch unfähig bleibe, mit dieser Situation umzugehen und aktiv bleiben kann? Lethargie kann kein angemessener professioneller Umgang sein!
  4. Worauf kann ich in dieser Zeit vertrauen und hoffen?
  5. Wie kann ich anderen behilflich sein: den Betroffenen und Opfern, den Schwestern und Brüdern, denen, die mich tagtäglich als Seelsorger beanspruchen und ich eben nicht immer oder mehr um mich selber kreise, weil es mir „mit dieser ganzen Situation doch sooo schlecht geht.“ ? – [ Ohne Zweifel: ich würde mich eher wundern, wenn es mit oder anderen meiner Kolleg:innen in dieser Zeit gut geht. Und ich finde es auch wichtig, dass wir das öffentlich machen, damit andere spüren, dass diese Thematik auch uns nicht unberührt lässt. Aber zugleich möchte ich vermeiden, dass wir bei aller Selbstwahrnehmung nur öffentliche Nabelschau betreiben. Ich möchte, dass wir wieder darauf zurück kommen, was unsere Aufgaben sind: als Seelsorger:innen auch Seelsorge zu leisten; und dies natürlich in aller Offenheit und Bereitschaft, nötige Veränderungen voran zu treiben.]

Meine Sprachlosigkeit lässt mich schweigen. Doch mein Schweigen darf nicht endlos sein und mich von der Verantwortung und Verpflichtung befreien, dort zu reden und zu agieren, wo es nötig ist und wie es meinem Auftrag entspricht.
Die Herausforderung ist, sich dieser Thematik mit aller Dringlichkeit zu stellen, ihr den Platz zuzubilligen, den sie jetzt haben muss und zugleich auch die anderen Aufgaben nicht aus den Augen zu verlieren.

Das ist ein Spagat und unsere Herausforderung in dieser Zeit.

Bild von Engin Akyurt auf Pixabay

Sprachlosigkeit darf nicht zur Lethargie werden

Wer sich ernsthaft mit sexualisierter Gewalt auseinandersetzt, sich wirklich intensiv mit dem Leiden der Opfer und Betroffenen beschäftigt und das alles auch wirklich an sich heran lässt, ist in Gefahr angesichts des Grauens solcher Taten und ihrer Folgen sprachlos zu werden.

Doch gerade das darf nicht passieren: Sprachlosigkeit darf nicht in unendliches Schweigen oder gar in Lethargie münden! Das wäre Wasser auf die Mühlen derer, die nach wie vor vertuschen und relativieren wollen; die noch immer nicht verstanden haben oder wollen …!

Was es jetzt braucht …

In dieser Zeit suche ich selber nach geistlichen Impulsen, die mir helfen, nicht (mehr) sprachlos zu sein, nicht in Lethargie und Untätigkeit zu verfallen, nicht zu resignieren oder gar weg zu laufen.
Ich spüre in mir die Aufforderung, zu bleiben und die Notwendigkeit, das zu tun, was ich tun muss, auch wenn es nicht viel ist.

In meiner Suche stieß ich – mal wieder – auf die Regel des heiligen Benedikt, des Vaters des abendländischen Mönchstums.

Im Prolog gibt es einen Absatz, der mir in dieser Zeit ein hilfreicher Impuls ist:

„… Stehen wir also endlich einmal auf! Die Schrift rüttelt uns wach und ruft: „Die Stunde ist da, vom Schlaf aufzustehen.“ Öffnen wir unsere Augen dem göttlichen Licht und hören wir mit aufgeschrecktem Ohr, wozu uns die Stimme Gottes täglich mahnt und aufruft: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!“ Und wiederum: „Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ Und was sagt er? „Kommt, ihr Söhne, hört auf mich! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren. Lauft, solange ihr das Licht des Lebens habt, damit die Schatten des Todes euch nicht überwältigen.“ Und der Herr sucht in der Volksmenge, der er dies zuruft, einen Arbeiter für sich und sagt wieder: „Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?“ Wenn du das hörst und antwortest: „Ich“, dann sagt Gott zu dir: „Willst du wahres und unvergängliches Leben, bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor falscher Rede! Meide das Böse und tu das Gute; suche Frieden und jage ihm nach! Wenn ihr das tut, blicken meine Augen auf euch, und meine Ohren hören auf eure Gebete; und noch bevor ihr zu mir ruft, sage ich euch: Seht, ich bin da.“…“

aus: Regel des heiligen Benedikt, Prolog


Aus diesem Prolog nehme ich Worte wahr, die mir nachgehen und mich buchstäblich heraus-fordern.
Eine Kollegin und Freundin von mir, Sr. Bonifatia Keller OP, (sie war Dominikanerin und ich habe mit ihr lange in der Gefängnisseelsorge gearbeitet) hatte ein fast schon geflügeltes Wort, wenn es nicht so lief, wie wir es erhofft hatten: „Lass es uns noch mal versuchen!“

Immer wieder konnte sie diesen Satz sagen und ich hatte nie den Eindruck, dass es eine hohle Floskel war, sondern das dieser Satz aus ihrem Mund etwas Energisches und Kraftvolles hatte. Hinter diesem Satz stand noch ganz viel Motivation, weiter zu machen, trotz Rückschlägen oder vermeintlicher Erfolglosigkeit.

Sie hat mir vorgelebt, was Benedikt in seinem Prolog schreibt: unsere (geistigen und geistlichen) Augen dem göttlichen Licht in unserem Leben zu öffnen, d.h. danach Ausschau zu halten, was Gottes Geist uns in dieser Zeit sagen und zeigen will!

Vom Geist anrühren lassen

Dass gerade in dieser Zeit ich wieder mehr an Pfingsten und Geistsendung denken muss, scheint mir kein Zufall zu sein.
Kann nicht gerade diese Zeit eine Hoch-Zeit des Heiligen Geistes sein? Muss sie es nicht sogar sein?
Angesichts der Turbulenzen, der emotionalen Betroffenheit und der Notwendigkeit einer moralischen und geistlichen Reinigung können wir uns nicht auf uns allein verlassen: auf unseren (heiligen) Zorn, auf unsere Empathie!

Das alles kann Antrieb und Motivation sein, aber darin liegt selbst nicht die Antwort auf das, was jetzt von uns getan werden kann und muss.

„Ohne SEIN lebendig Weh’n, kann im Menschen nichts besteh’n, kann nichts heil sein und gesund…“ – so heißt es in der Pfingstsequenz.

Ich spüre in dieser Zeit, dass wir auch wieder mehr nach dem Heiligen Geist rufen müssen, dass wir durch sein Wirken unsere Augen dem göttlichen Licht öffnen können und mit aufgeschreckten Ohren hören, was Gottes Stimme uns in dieser Zeit mahnt; dass wir unsere Herzen in dieser Zeit nicht verhärten unter dem Eindruck von Trauer, Wut, Schmerz, Zorn sondern zu hören, was SEIN Geist uns und unseren Gemeinden sagen will.


Bild von Engin Akyurt auf Pixabay

Geist Gottes,
du Heilige, Geistkraft!
Mein Sprechen, meine Worte,
sie scheinen nicht ausdrücken zu können,
was in mir vorgeht.
Trauer, Wut und Ratlosigkeit
bestimmen mein Dasein;
ich kann und mag meinen Blick
und meine Gedanken
nicht abwenden
von dem Leid
und der Gewalt
unter dem Deckmantel kirchlichen Lebens
durch jene, die eigentlich
die frohe Botschaft bezeugen sollen.
Mein Glaube von einer Kirche,
die das Gute und der Liebe
Raum geben will,
ist erschüttert.

Ich möchte mich halten,
klammern
an das,
was mich hält
und nicht ab-hält
weiter zu wirken
an das, was ich glaube:

dass Jesus Christus

Liebe und Befreiung

nicht nur gepredigt,
sondern gelebt
hat

damit diese
Liebe und Befreiung
auch heute noch
Wirk-lichkeit
ist.

Geist Gottes,
ruach
du Heilige, Geistkraft
atme du in mir
wo mir die Luft weg bleibt;

deine Geistkraft
durchdringe mich
wo ich mich nicht
aufraffen kann;

lass es mich aushalten
an der Seite
der Opfer und Betroffenen
stehen zu können

und an einer Kirche mitwirken
von der ich glaube,
dass du sie SO nicht gewollt hast.

Befähige uns zu einer
Geschwisterlichkeit,
in der wir uns gegenseitig
stützen und
bestärken

im Einsatz
für eine Kirche

nach DEINEM Willen.

(05.02.2022, Gerd Wittka)