Pharisäer und Zöllner?!

oder: von der Selbstgerechtigkeit zur Erlösungsbedürftigkeit

Diesem Impuls liegt das Evangelium des 30. Sonntags im Lesejahr C zugrunde, nachzulesen hier:
Lukas-Evangelium 18- 9-14

„Jesus erzählte einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Gleichnis.“
So fängt es an. Und sofort spüre ich: Das wird unangenehm.
Denn wer hört schon gern, dass er vielleicht zu sicher von sich denkt?

Natürlich sind wir nicht gemeint.
Wir sind ja nicht selbstgerecht. Wir verachten niemanden.
Oder doch?

Manchmal – ganz unbemerkt – rutschen wir genau da hinein.
Ein Gedanke, ein Urteil, ein leiser Blick auf andere:
„Ich würde das so nicht machen…“
Und schon stehe ich mitten im Tempel,
neben dem Pharisäer.

Quelle: www.pixabay.com

Ich sehe ihn vor mir.
Seine Haltung ist aufrecht, das Gewand sorgfältig geglättet.
Er meint es ernst, ehrlich.
Er will Gott gefallen.
Er hält die Gebote, er betet, er fastet, er gibt den Zehnten.
Ein Mensch, der sich bemüht.

Aber während er betet,
verengt sich etwas in seinem Herzen.
Sein Dank klingt hohl:
„Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die anderen…“

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Er schaut auf andere hinab –
und merkt nicht, dass er damit Gott selbst aus dem Blick verliert.
Sein Glaube wird zum Spiegel,
in dem er sich selbst bewundert.

Und Gott – steht irgendwo am Rand.

Dann, ein paar Schritte weiter hinten,
steht der andere.
Der Zöllner.

Einer, den keiner im Tempel haben will.
Er gehört zu den Leuten, die man lieber übersieht.
Einer, der vom System profitiert hat,
der Geld genommen hat, wo er konnte.

Aber jetzt steht er da –
still, beschämt, mit gesenktem Kopf.
Er hat keine großen Worte, keine frommen Formeln.

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Nur diesen einen Satz:
„Gott, sei mir Sünder gnädig.“

Ein Satz – aber einer, der aus der Tiefe kommt.
Ein Gebet, das mehr Tränen als Worte enthält.
Ein Gebet, das sich traut, ehrlich zu sein.

Und Jesus sagt:
Dieser ging gerechtfertigt nach Hause zurück.
Er – nicht der andere.

Ich stelle mir das vor.
Wie der Zöllner den Tempel verlässt,
die Sonne ihn blendet,
und er zum ersten Mal seit langem wieder aufrecht geht.
Nicht, weil er alles richtig gemacht hätte.
Sondern, weil er erfahren hat:
Gott sieht ihn.
Und Gott hat Erbarmen.

Ich denke an Momente,
in denen ich selbst um Verzeihung bitten musste.
Wenn ich jemanden verletzt hatte,
wenn ich nicht weiter wusste.
Wie schwer es war, das auszusprechen.
Aber wenn der andere spürte, dass es mir ernst war,
dann konnte etwas Neues entstehen.
Das Verhältnis veränderte sich.
Da war plötzlich Luft.
Wärme.
Leben.

Vielleicht ist das genau das,
was Jesus uns mit dieser Geschichte schenken will.
Einen neuen Blick.
Auf Gott –
und auf uns selbst.
Denn wir alle stehen irgendwann da
wie der Pharisäer – sicher, überzeugt, stark.
Und wir alle stehen irgendwann da
wie der Zöllner – beschämt, zerbrochen, ehrlich.
Beide Male sieht Gott uns an.
Und sagt:
„Komm. Ich kenne dich. Ich liebe dich. Ich bin dir gnädig.“

Vielleicht ist das am Ende das Schönste an dieser Geschichte:

dass sie gar nicht schwarz-weiß bleibt.
dass Gott weder den einen verdammt noch den anderen verklärt.
sondern dass er beide Seiten in uns sieht –

den Stolzen und den Zerbrochenen –
und diese beiden Seiten in seiner Liebe in uns zusammenführt

und versöhnt!

„Zwei Menschen gingen hinauf zum Tempel, um zu beten…“
Einer von ihnen bin ich.
Oder vielleicht – beide?!




Palmsonntag

Nach dem Triumph von Jerusalem werden die Palmen schnell am Boden liegen – zertreten und zerstampft.

Nach dem Triumph in Jerusalem wird Jesus bald am Boden liegen – dreimal

um auch sein Leben zertreten und zerstampfen
zu lassen.

Zuerst riefen sie in Jerusalem:
„HOSIANNA dem Sohne Davids“,
um wenige Tage danach zu brüllen:

„KREUZIGE IHN!“

Herr und Gott,
in Jerusalem zeigst du uns:
du bis in Jesus Christus wahrhaft Mensch geworden!


Fotos: Die Bilder entstanden bei der Liturgie zum Palmsonntag am 12.04.2025 in der Krankenhaus-Kapelle des AMEOS Klinkums St. Clemens, Oberhausen-Sterkrade




In dunklen Zeiten

ein Zuhause bauen – für alle

In dunklen Zeiten, wo Hass und Hetze uns entgegenwehen,
ruft der Heilige Geist – manchmal mit leiser aber fester Stimme:
Du bist berufen, Mitgefühl zu leben,
Botin und Bote der Liebe in einer Welt zu sein, die vom Sturm der Vorurteile zerrissen wird.

Die Schatten des Extremismus verdunkeln den Tag,
doch der Glaube an Menschlichkeit leuchtet wie die Morgenröte,
dringt die Todeskälte und durchbricht die starre Nacht,
in der sich Angst ausbreitet, wie wucherndes Dornengestrüpp

Strecke die Hände aus, wo Mauern des Hasses stehen,
sprich Worte der Hoffnung und Bestärkung
und nicht des Zweifels und der Missgunst.

Gemeinsam wollen wir weben ein Band aus Geschwisterlichkeit,
ein Netz, das selbst den tiefsten Abgrund
mit Hoffnung und Liebe überbrückt.

Wenn der Wind des Extremismus uns entgegenweht,
stehen wir fest – mit Herzen, die im Takt der Liebe schlagen.

Denn in der Nächstenliebe liegt unser aller Zukunft,
die eine Welt erschafft, in der wir alle als geliebte Kinder
des einen Gottes ein Zuhause finden.

© Gerd Wittka, 2025




Geheimnis: Veränderung

Textstelle: Lukas-Evangelium 2, 22.39-40

Die Szene, die uns das Evangelium heute zeigt, ist vielen von uns vertraut: Maria und Josef bringen Jesus in den Tempel, um ihn Gott zu weihen – so, wie es das Gesetz vorschreibt.
Ja, vielleicht war es nur ‚religiöse Pflicht‘, vielleicht aber auch mehr?
Die Darstellung Jesu im Tempel kann Zeichen des Vertrauens in Gott sein, mit dem Josef und Maria ausdrücken: Sie wissen ihr Kind in Gottes Händen am besten aufgehoben.
Dann bricht der Erzählfaden ab.

Veränderung oder nicht?

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Hier möchte ich auch eine Zäsur machen und einen Text von Bertolt Brecht zitieren, den ich im jugendlichen Alter zuerst gelesen und seitdem nicht mehr vergessen habe:

Bertolt Brecht, aus dem Gedächtnis heraus zitiert!


Bertolt Brecht ist der Überraschungseffekt mit diesem „Oh“, des Herrn Keuner gelungen.

Wir können darüber nicht hinweg lesen und müssen uns fragen, warum Herr K. „Oh!“ sagt?

Das Kompliment „Sie haben sich gar nicht verändert“ kann schmeichelhaft sein, wenn es sich auf das äußere Erscheinungsbild bezieht. Herr K. jedoch hört darin den Stillstand – nicht nur äußerlich, sondern vor allem geistig. Die wahre Gefahr liegt in der Bequemlichkeit des Denkens, in festgefahrenen Mustern ohne Offenheit für Neues. In einer Zeit des ständigen Wandels ist es essenziell, geistig beweglich zu bleiben und andere Perspektiven in Betracht zu ziehen.

Andere Situationen kennen wir vielleicht auch.
Da sehen sich Menschen nach langer Zeit wieder und es sagt der eine zu dem anderen:
„Mensch, was hast du dich verändert! – Davon habe ich gar nichts zwischendurch mitbekommen!“

Menschen verändern sich, ob es andere wahrnehmen oder nicht.
Menschen verändern sich, ob immer nur zum Guten, darf bezweifelt werden.
Menschen verändern sich, manchmal für andere unbemerkt.
Das kann daran liegen, weil man lange Zeit keinen Kontakt mehr hatte.
Menschen verändern sich aber auch für andere unbemerkt, weil diese Veränderungen nicht gleich sichtbar, sondern eher innere Prozesse sind.

An solche Situationen musste ich denken, als ich die Zeilen des heutigen Evangeliums las.
Da ist von der Darstellung des Herrn im Tempel die Rede und dann so mir nichts dir nichts wird von dem Entscheidenden berichtet:
Jesus wächst heran, wird stark, erfüllt mit Weisheit, und Gottes Gnade ruht auf ihm.
Hier wird deutlich: Wachstum geschieht nicht allein durch menschliche Anstrengung, sondern auch durch Gottes Gnade.
Das kann entlastend sein, wirft aber auch neue Fragen auf in den Fällen, wo Menschen sich nicht zum Guten entwickeln.

• Wo ist da die Gnade Gottes?
• Hat sie nicht erreicht, was sie erreichen wollte?
• Oder erfordert das erfolgreiche Wirken der Gnade Gottes in uns, die vorherige innere und geistliche Zustimmung, dass Gott in uns wirken darf?

Fragen, die ich gerne mit Ihnen weiter vertiefen würde, was aber den Rahmen einer Predigt sprengen würde.
Nur so viel: Ich glaube, dass Gott uns sein heilsames Wirken nicht aufzwingt und auch nicht das Werk seiner Gnade.
Ich glaube, dass es auch unsere innere und geistliche Zustimmung dafür braucht, denn Gott hat uns Freiheit geschenkt, die – Gott sei’s geklagt – oft leider nicht zum Besten genutzt wird.

Und noch etwas gilt, wenn ich das heutige Evangelium betrachte:

Wachstum geschieht leise und oft auch unauffällig.

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Die Lebensjahre Jesu in Nazareth sind verborgen, und doch sind sie von Gottes Gegenwart durchdrungen.
Jesus hat sich verändert in seiner Zeit in Nazareth bis zum ersten Auftreten und Wirken.
Der Sohn Gottes wird Mensch in der ganzen Tiefe des Menschseins.
Denn Gottes Gnade begleitet dieses Kind – in der Weihe im Tempel ebenso wie im Alltag des Aufwachsens.

Das gilt auch für uns.
Wie oft meinen wir, unser Leben selbst in die Hand nehmen, alles kontrollieren zu müssen?!
Doch wahres christliches Wachstum geschieht, wenn wir uns Gott anvertrauen.
Wenn wir ihm unser Leben hinhalten, so wie Maria und Josef Jesus im Tempel darbrachten.

Vielleicht fragen wir uns: Wie können wir wachsen – im Glauben, in der Liebe, in der Weisheit?
Die Antwort könnte darin liegen, immer wieder die Nähe zu Gott zu suchen.
Wer sich ihm anvertraut, wird gestärkt.
Wer sein Leben nach seinem Willen ausrichtet, wird mit seiner Gnade erfüllt.

Mögen wir also lernen, uns von Gottes Weisheit leiten zu lassen und in seiner Gnade zu wachsen – so wie es Jesus getan hat.




Prüfe klug – mit Herz und Sinn

„Prüfet alles und behaltet das Gute“
(1. Thessalonicher 5,21)

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Wie Wind, der durch die Äste weht:
so vieles kommt, so vieles geht.
Gedanken, Worte, laut und still,
doch nicht alles zeigt, was es will!

Drum prüfe klug mit Herz und Sinn,
was bringt dir Frieden, was hat Gewinn? –
Was Wahrheit spricht, was Liebe webt,
was Mut dir schenkt und Hoffnung hebt.

Bild von wal_172619 auf Pixabay

Das Gute halte fest in dir,
es führt dich nah, zu Gott, zu mir.
Ein Leuchten bleibt, das nicht vergeht,
wenn Liebe still das Leben trägt.

© Gerd A. Wittka, 2025