Yael Deckelbaum spricht selber über ihr Friedensprojekt:
Gott – nicht mehr als …?!
Schriftlesungen: 1 Kön 19,9.11-13 in Verbindung mit Mt 14,22-33
Vor einigen Tagen hatte ich ein Gespräch mit einer Witwe, deren Trauer sie ganz krank gemacht hat. „Ich war als Kind immer in der Kirche und habe auch mein ganzes Leben lang geglaubt. Aber jetzt, wo die Schicksalsschläge mehr werden in meinem Leben, ist er nicht da! Warum hilft er nicht?“
Ich habe keine Antwort gefunden, die die Frau zufrieden gestellt hätte, aber ich spürte auch, dass sie noch sehr stark von einem Glauben an einen Gott geprägt ist, der mit mächtigem Arm drein schlägt, wenn jemand anderen Unrecht tut. Gott ist dafür da, die Menschen von Krankheit und Tod zu schützen!
Sie konnte es nicht akzeptieren, dass der Tod ihres hochbetagten Mannes durch ihren Glauben nicht verhindert werden konnte. Solcher Glaube mag auch etwas naiv wirken.
Aber ist diese Glaubensvorstellung von Gott eine Ausnahme?
Hören wir nicht auch die vielen unter uns, die immer wieder gebetsmühlenartig sagen: „Warum lässt Gott das viele Leid zu?!“
Wenn es um Leid geht, das seine Ursachen in uns Menschen und unserem Verhalten hat, sei es Terror, Krieg und Gewalt aber auch die Folgen der Klimakrise, dann möchte ich manchmal – recht genervt – antworten:
„Nicht Gott lässt es zu, sondern WIR lassen es zu!
Wir als menschliche Wesen lassen es zu! Wir sind manchmal so gestrickt, dass das Böse und Zerstörerische in uns übermächtig wird!“
Kommen wir aber wieder zurück zur eigentlichen Frage: Unser Missverständnis zwischen unseren Erwartungen und Forderungen an Gott und wie Gott wirklich ist!
Schauen wir uns dazu die Lesung an:
Elija kommt zum Gottesberg Horeb. Was kann man da schon erwarten? Natürlich Gott! Und dann geschieht das Gewaltige: Sturm, Erdbeben und Feuer.
Man möchte meinen, hier zeigt sich Gott mit all seiner gewaltigen Macht. Doch: NEIN, sagt die Lesung. Gott kommt, aber das Gewaltige ist nicht Gott, allenfalls sind es Begleiterscheinungen oder Vorboten Gottes. Gott – und das erkennt Elija – ist in dem sanften, leisen Säuseln zu finden.
Mir sagt diese Lesung: Wenn wir Gott und sein Wirken erwarten, dann oft gewaltig und stark, damit wir und andere es bloß nicht überhören oder übersehen.
Gott, der große und starke Gott, kann sich also eigentlich nur groß und stark zeigen, so meinen wir!
Doch Elija macht schon damals die Erfahrung, die auch wir als Christen fest in unserem Glauben integriert haben: Gott kommt leise, klein und unscheinbar. Damals bei Elija und dann später bei Jesus in der Geburt im Stall von Betlehem.
So schlägt die Lesung heute den Bogen zu einer zentralen Glaubensbotschaft des Christentums: Gott ist groß, wie auch Moslems richtig bekennen. Aber: Gott kommt nicht immer ganz groß heraus. – Das war damals so und das ist auch heute so.
Wenn wir also auf Gottes Gegenwart hoffen und darauf warten, dass er sich uns zeigt, dann könnte es – bezogen auf die trauernde Witwe am Anfang – doch auch sein, dass er sich ihr nicht zeigen will, indem er ihr Leid vermied, sondern darin, dass er ihr im Leiden Stärkung zukommen lassen will.
Ich weiß, dass uns die Vermeidung des eigenen Leidens viel, viel lieber wäre – auch ich bin von diesem tiefsten Wunsch beseelt. Aber wir wissen es besser: das Leben läuft oft anders, als wir es wollen und erwarten.
Und so ist es dann auch bei Gott: er zeigt sich oft anders, als wir es wollen und erwarten.
Und er zeigt sich uns manchmal selbst dann noch nicht, wenn die Dunkelheit in unserem Leben ihre tiefste Stelle erreicht hat. Darauf weist uns das Evangelium eindrücklich hin, als es dort hieß: „In der vierten Nachtwache …“
Die „vierte Nachtwache“ ist nämlich ein Begriff aus dem römisch-militärischen Begriffslexikon. Es bezeichnet die Zeit am Ende der Morgendämmerung, kurz vor dem Sonnenaufgang.
Wenn also im Evangelium gesagt wird, dass Jesus in der vierten Nachtwache erschien, dann zu der Zeit, als das Licht zunimmt.
Die Lichtsymbolik kennen wir im christlichen Glauben: Christus ist das Licht der Welt. Mit ihm kommt Licht in die Dunkelheit.
Also kann es heißen: nicht da, wo unsere Lebensdunkelheit am größten ist, dürfen wir Christus erwarten, sondern da, wo uns ein Licht aufgeht, ist er bei uns, auch wenn wir ihn nicht erkennen und es erst noch von ihm erfahren müssen, dass er selber es ist und kein Gespenst, kein Hirngespinst.
Das Evangelium ist insofern unbequem, da es uns nicht die Hoffnung macht, dass Gott in der tiefsten Dunkelheit unbedingt erfahrbar ist. Aber es macht uns Hoffnung, dass Gott auf uns zukommt, uns aufsucht, auch wenn wir es nicht erwarten und wir ihn auf dem ersten Blick nicht erkennen.
Er sorgt dafür, dass wir uns nicht fürchten müssen.
Das zu glauben, erfordert – auch für mich – ein Umlernen im Glauben, denn mein ‚kindlicher‘ Glaube ist es immer noch, dass ich möchte, dass Gott gefälligst in den tiefsten Dunkelheiten meines Lebens da ist. Die Botschaft heute steht dem aber in gewisser Weise entgegen.
Und was habe ich dann von meinem Glauben?
Vielleicht heißt Glaube dann eher „hoffen, wider alle Hoffnung, glauben, dass es wirklich weitergeht, …“
Oder wie es Karl Rahner S.J. ausdrückte:
„Glauben heißt, die Unbegreiflichkeit Gottes aushalten – ein Leben lang!“
P. Karl Rahner S.J.
Und wenn Sie das Gefühl haben, dass dieses Verständnis nicht mit ihrem Verständnis von Gott so ganz übereinstimmt: willkommen im Club!
Nur, das ist es genau, was uns die Schriften heute sagen: Gott ist immer ganz anders, als wir es wollen oder es erwarten! Können wir das aushalten, diese Unbegreiflichkeit Gottes?!
Gott.großartig
Solche Bilder sehen wir oft, wenn wir auf eine Wiese gehen. Ich habe am Sonntag eine Wiese gesehen, wo sicherlich tausende solcher Gänseblümchen wuchsen. Eigentlich nichts besonderes, würden manche meinen.
Ich finde aber, dass es doch was Besonderes ist.
Schau dir dieses Detailfoto an! Keine dieser Blümchen, so klein und unscheinbar sie auch als einzelne Blume zu sein scheinen, sind gleich. Immer wird man von Blume zu Blume einen Unterschied erkennen. Sie alle sind einmalig.
Doch die Fülle solcher Blumenmeere lassen unser den Blick darüber vergessen, wie einmalig jede einzelne von ihnen ist.
Und nun stelle dir vor, wir Menschen hätten die Aufgabe, auch nur eine von diesen kleinen Blumen *nachzubauen*, aber nicht mit anderen Materialien oder nur gemalt oder abfotografiert, sondern wirklich ’nachzubauen‘ in der Fülle der kleinsten Zellen, die jede einzelne Blume von ihnen ausmacht!
Wir müssten scheitern.
Wir Menschen schaffen es noch nicht einmal eine solche, vermeintlich unauffällige Pflanze nachzubauen. Doch sie und noch viel mehr Kreaturen sind von Gottes Natur geschaffen worden.
Mich macht das immer wieder nachdenklich, demütig und dankbar.
Denn in diesen noch so kleinen und unscheinbaren Elementen der Schöpfung begegnet uns die unfassbare Größe des Schöpfers.
Deshalb:
GOTT.großartig!
Fotos: (c) Gerd Wittka, 2023
„Lehre mich, Herr, deinen Weg …
… dass ich ihn gehe in Treue zu dir, richte mein Herz auf das Eine: deinen Namen zu fürchten!“ (Psalm 86,11)
An dieses Wort, das ich mir als Primizspruch zu meiner Priesterweihe am 20.05.1994 ausgesucht habe, geht mir in diesen Tagen viel durch den Kopf.
Ich bin nicht der Meinung, dass mit der Vollendung des 60. Lebensjahres eine neue, eigene Etappe in meinem Leben angefangen hat. Doch ich spüre gleichzeitig auch: der Zenit ist überschritten. Fragen nach der eigenen Gesundheit zum Beispiel bekommen auf einmal einen anderen Stellenwert. Bislang ging vieles einfach irgendwie glatt. Als ich aber vor einigen Tagen bei meinem Hausarzt war und ein großes Blutbild anstand, bat ich ihn, auch bestimmte Parameter mit in den Blick zu nehmen, die auf altersbedingte Veränderungen hinweisen konnten. Auch gibt es familiäre Veranlagungen, die ich in diesem Zusammenhang checken wollte, weil daraus im Alter meiner Familienangehörigen Erkrankungen entstanden, bei denen ich das Gefühl habe, dass auch ich nicht davor gefeit bin.
Und meine Gedanken wurden bestätigt und ich erhielt die klare Ansage, dass auch ich entsprechende Dispositionen habe und es Veränderungen gibt, die bei mir ähnliche Krankheitsverläufe im Alter möglich machen.
Kopf und Bauch
Der Kopf hat mir gesagt, dass es gut ist, diese Themen frühzeitig anzugehen und ich habe es ja auch selber initiiert, weil ich Vor- und Fürsorge für mich leisten möchte. Aber wenn ich dann erfahre, dass ich halt auch in dieser Vererbungslinie stehe, dann lässt mich das auch nicht kalt.
Und so schwirren mir die Gedanken durch den Kopf und ich fühle im Bauch eine Unruhe und Nervosität, mit denen ich lernen muss, umzugehen. Der Kopf sagt mir: „Schlage ein neues Kapitel in deinem Leben auf!“ – und der Bauch ist noch nicht so weit. Dennoch spürt auch er, dass es Zeit für Veränderung und Anpassung ist. Denn ich kann nicht den Kopf in den Sand stecken und so tun, als würde ich nicht älter und als könnte ich das Rad der Zeit still stehen lassen.
Ich habe noch Erwartungen und Wünsche an mein Leben. Und sie lassen sich nur verfolgen, wenn ich mich mobilisieren kann, neue Akzente zu setzen und neue Wege zu wagen.
„Lehre mich, Herr, deinen Weg …“
Deshalb kam mir also in diesen Tagen wieder mein Primizspruch in den Sinn. Und er ist so richtig in dieser Phase meines Lebens.
Denn wenn ich meine Lebenszeit als Aufgabe verstehe, die mir von Gott gegeben wurde, dann möchte ich auch, dass er mir dabei hilft, im Lichte seiner Weisheit mein Leben zu leben.
„Vielmehr verkünden wir das Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes, die Gott vor allen Zeiten vorausbestimmt hat ….“
Geheimnis
Gerade in der Lesung fiel dieser Satz.
Hier spricht Paulus von einem „Geheimnis“.
Wie ist es bei uns, wenn wir erfahren, dass es hier oder da ein „Geheimnis“ gibt? Möchten wir das Geheimnis lüften, entdecken, enttarnen?
Kinder leben auf eine ganz besondere Weise mit Geheimnissen. Sie haben oft eine natürliche Neugier, hinter alles zu kommen, was ihnen rätselhaft ist. Das ist natürlich, denn Kinder – so erzählte es mir mal eine Kinderpsychologin – wollen und müssen ihre Welt entdecken, damit sie sie begreifen können, manchmal buchstäblich und handfest und manchmal auch geistig-intellektuell. Nur so kann sich ein Kind entwickeln und seine eigene Persönlichkeit.
Entdeckungen und Erkenntnisse machen also uns Menschen aus.
Und jetzt hier, spricht Paulus von einem Geheimnis.
Wollen wir dahinter kommen? Wollen wir weiter wachsen und verstehen, wie das mit Gott und er in unserem Leben ist?
In der Begleitung von Menschen, besonders kranken Menschen, die selber von sich sagen, dass sie einen religiösen Hintergrund haben, stoßen wir im Gespräch manchmal darauf, dass Gott doch so oft nicht begreifbar ist. Wir verstehen nicht, warum unser Leben so ist, wie es verläuft.
Das gilt aber nicht nur in Zeiten der Krise. Es gibt ja auch erfreuliche Hochzeiten in unserem Leben. Da entdecken wir voller Freude und Verwunderung, was uns alles widerfährt, auch an Gutem, an Freude, an Liebe, an Erkenntnis und Erfahrungen, an Glück.
Und egal von welchem Ende wir uns dieser Frage nähern, was Gott mit uns im Schilde führt, wir werden meist nicht dahinterkommen.
Antworten, die wir darauf finden, sind sehr unterschiedlich und individuell … und manchmal auch nicht von langer Dauer, vorübergehend.
Eine Antwort eines Menschen auf frohe und glückliche Zeiten war, dass er sie aufnehme, sich davon beschenken ließe, damit er von ihnen in den Zeiten zehren kann, wo das Leben nicht so leicht mit ihm spielt.
Andere hangeln sich mit anderen Erklärungen und Deutungen durchs Leben. Manchen erscheint ihr Leben im Licht des Glaubens an einen Gott jedoch als ein nicht entschlüsselbares, verborgenes Geheimnis Gottes.
Egal, wo wir uns – jede und jeder persönlich von uns – gerade in unserem Leben befinden, ob jung oder alt, ob gefestigt im Glauben, oder als Suchende oder gar Zweifelnde: Immer wieder stehen wir vor der Aufgabe, Gott neu zu lernen, ihn und seine vielfältigen Seiten zu ent-decken.
Antworten gebären neue Fragen
Das scheinbar Paradoxe ist aber dann, je mehr wir meinen, ihm auf die Schliche gekommen zu sein, um so mehr Fragen oder Hinterfragungen können aufkommen.
Ein großes Beispiel ist das Lebensbeispiel des großen theologischen Gelehrten Thomas von Aquin. Er hat in seinem Leben meterlange Bände theologischer Traktate verfasst und nannte es selber: Die Summe der Theologie!
Thomas dachte über Gott nach und schrieb, dachte nach und schrieb, schrieb, schrieb …
.. bis er auf einmal zu einer Erkenntnis kam: Die Erkenntnis der Unerkennbarkeit Gottes.
Die Erkenntnis der Unerkennbarkeit Gottes bezeichnet Thomas als die letzte Erkenntnis:
„Das ist das Letzte menschlicher Erkenntnis über Gott, dass man erkennt, dass man Gott nicht kennt“.
Thomas von Aquin
Diese wissende Unwissenheit komme erst „am Ende unserer Erkenntnis“ vor.
Als das bei Thomas von Aquin geschah, war er aber noch nicht am Ende seines Lebens – aber am Ende seines Schreibens angekommen. Und er hörte auf zu schreiben und widmete sich noch mehr dem Gebet.
So wundert es mich nicht, dass aus seiner Feder auch eines der bekanntesten Anbetungslieder stammt: „Gottheit tief verborgen“.
Da hören wir aus seinem Munde solche Sätze wie: „Gottheit tief verborgen, betend nah ich dir…“ und „Augen, Mund und Hände täuschen sich in dir, doch des Wortes Botschaft offenbart dich mir“
Thomas spricht hier frank und frei, vom bedeutensten Wesen Gottes: der Verborgenheit Gottes. Sie ist eine Verborgenheit, die dennoch zugleich größte Nähe sein kann.
Das ist für mich immer noch ein unbegreifliches, kaum in Worte zu fassendes Geheimnis unseres Glaubens. Es lässt sich nur durch das Leben tragen, wenn wir die innere Flammes des Glaubens in uns spüren, die die Sehnsucht vorantreibt, dieses verborgene Geheimnis mehr und mehr zu entdecken.
Dazu fand ich einen Text, ein Gedicht, ja ein Gebet, das von einem unbekannten Verfasser stammt und das ich gerne hier weitergeben möchte:
Gott neu lernen
Dich, Gott meines Lebens, will ich neu lernen, dich, Geheimnis von allem, dich tiefster Grund, dich, Quelle des Lebens.
Jenseits von Sprache und Denken, jenseits von Bildern und Worten, jenseits menschlicher Vorstellungen, jenseits meiner Wünsche und Ängste zeige du dich mir.
Gott, öffne mich auf dich hin, öffne mein Denken und Fühlen, öffne mein Herz und meine Sinne, öffne mich ganz dir und erfülle du mich ganz.
Mach mich wie eine leere Schale und erfülle mich ganz, mach mich wie eine offene Hand und schenke dich mir, sei mir nahe, Unbegreiflicher.
Dich, Gott meines Lebens, will ich neu lernen, dich, Geheimnis von allem, dich, tiefster Grund, dich, Gott der Zukunft.
(Verfasser unbekannt)
Wünsch mir Frieden …!
1 Kor 1, 1-3: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!“
„Guten Tag! – Tach! – Moin! – Hallo!“
Solche Grußformeln kennen wir landläufig.
In süddeutschen Gefilden oder auch in Österreich grüßt man sich oft mit den Worten „Grüß Gott!“
“ … Grüß Gott ist eine Verkürzung aus grüß[e] dich Gott. (…) Die ursprüngliche Bedeutung des Grußes ist „möge dir Gott freundlich begegnen“ oder „Gott segne dich“. Menschen aus dem nördlicheren deutschen Sprachraum kennen meist nur die Form grüß Gott ohne dich und interpretieren den Gruß fälschlich als Aufforderung, Gott zu grüßen, weshalb sie manchmal mit sarkastischen Kommentaren antworten, z. B. Wenn ich ihn sehe; Hoffentlich nicht so bald …“
Trotz der sarkastischen Reaktionen, erfahre ich zumindest, wenn ich diesen Gruß benutze, eine etwas höhere Aufmerksamkeit. Und wenn ich mich ehrlich mache, dann sage ich diesen Gruß eher oberflächlicher als er tatsächlich gemeint ist.
Vielleicht sollte ich ihn mir wieder abgewöhnen. Oder etwa nicht?!
Dieser Gruß erinnert doch sehr stark an den Gruß, den wir gerade eben in der Lesung vernommen haben:
„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!“ (1 Kor 1, 1-3)
Noch heute grüßt man sich in Israel mit den Worten: „Shalom Aleichem!“. Im arabischsprachigen Raum heißt der Gruß dann: „Salam aleikum!“
Es ist eigentümlich, dass in manchen Kulturen der Gruß mit einem eindeutigen religiösen Bezug verbunden ist.
Ob religiös oder nicht: die meisten kultivierten Grußformeln beinhalten zumindest einen Wunsch, wie „ Guten Morgen, … Tag, … Abend!“
Wenn Menschen sich begegnen, dann teilen sie Wünsche aus. Das hat durchaus eine wichtige psychologische Komponente, denn wer dem anderen etwas Gutes wünscht, der will diesem Menschen gut sein; wer mir etwas Gutes wünscht, der wird mir nicht feindlich gegenüber gesinnt sein.
Mit der Begrüßung in Verbindung mit guten Wünschen signalisieren wir also dem anderen: Ich will dir nichts Böses!
Das ist ein erster Schritt, um gegenseitiges Vertrauen zu schaffen, was eine fruchtbare Begegnung vorausgeht.
In der Liturgie kennen wir auch einen eigenartigen Gruß: „Der Herr sei mit euch!“ oder „Der Friede sei mit euch!“ – und die Antwort kommt dann meist wie aus der Pistole geschossen: „Und mit deinem Geiste!“. Im Alltag würden wir es aber wohl kaum wagen, uns so auf der Straße zu grüßen.
Warum aber nicht?
Leben wir nicht in Zeiten, wo der Wunsch nach Frieden wieder besonders wertvoll ist? Leben wir als religiöse Menschen, als Christ:innen nicht auch – wenigstens noch etwas – in dem Bewusstsein, dass wir Gott brauchen, um gut durchs Leben zu kommen oder um zumindest einen inneren Frieden mit den Umständen des Lebens zu finden, wenn wir schon viel zu selten Frieden zwischen den Menschen erleben können?
„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!“
dieser Gruß des heiligen Paulus jedenfalls tut auch mir gut, wenn ich ihn heute und immer wieder gesagt bekomme.
Er spricht aus, in welcher Gesinnung der lebt, der mich so grüßt und er möchte mich einbeziehen in das, was ihm selber so wertvoll ist: der Glaube, dass Gott seine Gnade allen zuteil werden möchte und der Friede letztlich von Gott allein ausgeht und wir diesen „Frieden von Gott“ so sehr nötig haben.
Was würde passieren, wenn wir uns demnächst mit diesen oder ähnlichen Worten begrüßen würden:
„Der Friede Gottes sei mit dir!“ oder „Friede sei mit dir!“
Am Anfang wäre es sicherlich ungewohnt, vielleicht sogar recht komisch. Aber mit der Zeit würde sich sicherlich etwas verändern: in uns und auch bei jenen, die wir mit diesem Gruß grüßen.
Ich jedenfalls fände es spannend, es mal auszuprobieren!