Eine Lawine rollt auf uns zu

Bislang nur die Spitze des Eisbergs

Sexualisierte Gewalt in Institutionen, Vereinen und Verbänden

Symbolbild, Quelle: Bild von Michal Jarmoluk auf Pixabay

Was schon lange vorausgesagt war, aber wovor viele in Staat und Gesellschaft den Blick abgewendet haben, wird nun offensichtlich: Sexualisierte Gewalt, die institutionell unter den Teppich gekehrt wurde, ist nicht nur ein Problem von Kirche(n) oder Internaten.

Langsam und allmählich melden sich immer mehr Opfer sexualisierter Gewalt, die auch im Sport, seinen Institutionen und Verbänden stattgefunden hat.



Vor wenigen Tagen hat der frühere Weltklasse-Turmspringer Jan Hempel öffentlich gemacht, wie er jahrelang von seinem Trainer missbraucht wurde. Hempel hat auch auf den Umgang mit solchen Verbrechen im Verband hingewiesen, die – ähnlich wie wir es zuvor schon von den Kirchen kennen – verschwiegen und vertuscht wurden.

Gestern erschien ein Beitrag in Sportschau.de, der mir wie ein Déjà-vu vorkommt. Hier wird versucht, mit denselben Mitteln sich dieser Thematik zu stellen, wie es anfangs auch die Kirchen getan haben:

  • allgemeine belanglose Entschuldigungsbitte an die Opfer
  • plattitüdenhafte Willensbekundungen
Bild von Alexa auf Pixabay

Ehrenamtliche Prävention nicht möglich?!

Das Schlimmste jedoch für mich ist, dass man schon jetzt versucht, das Thema „Prävention“ abzuwiegeln.

So schreibt der DSV (Deutscher Schwimmverband) nach sportschau.de, “ … dass die Prävention im Sport „im Ehrenamt schwer zu bewältigen sei“. 

Hier muss es einen gewaltigen Aufschrei in Staat und Gesellschaft geben! Denn diese Ansicht ist ein Abschieben von Schuld und Verantwortung!

Gerade die Kirchen, die wesentlich von ehrenamtlicher Mitarbeit leben, zeigen, dass Prävention auch im Ehrenamt bewältigt werden kann und muss! Da sind die Kirchen genauso in der Pflicht, wie andere Institutionen, Vereine und Verbände!

Schon seit Jahren gibt es Präventionsverordnungen in den Kirchen, die in den letzten Monaten noch einmal ziemlich konkretisiert wurden, die zeigen, dass Prävention gerade dort wichtig ist, wo verbandliche Arbeit durch viel ehrenamtliches Engagement geleistet wird.

Auf einmal: Forderung nach staatlicher Leistung

Es ist auch interessant, dass der DSV in diesem Zusammenhang eine „finanzielle Ausstattung durch die öffentliche Hand“ fordert.

Irgendwie kommt mir das wirklich doppelzüngig vor!

Als die Verbrechen im Raum der Kirche(n) bekannt wurden, war der Aufschrei (zu Recht!) groß. Und man forderte die Kirchen auf, nicht nur moralisch, sondern auch finanziell für diese Verbrechen einzustehen, mit Präventionsmaßnahmen, deren Kosten die Kirchen allein zu tragen haben und – vor allem – auch mit Entschädigungsleistungen, die ebenfalls die Kirchen zu tragen hätten.

Doch jetzt, wo zutage tritt, was gesellschaftlich schon längst vorhersehbar ist – dass nämlich sexualisierte Gewalt Verbrechen sind, die alle Bereiche unserer Gesellschaft (ob institutionell oder privat) durchzieht, kein Nischenproblem von Kirchen oder Internaten ist – wird die Forderung laut, der Staat und die Gesellschaft müsse für die Aufarbeitung finanzielle Mittel bereitstellen!

Bild von Alexa auf Pixabay

Hier erwarte ich, dass auch alle anderen Institutionen, die sich ebenfalls durch wissentliche Ignoranz oder Vertuschung mitschuldig gemacht haben, auch ihren immateriellen und materiellen Beitrag zur Aufarbeitung, Prävention und Entschädigung leisten!

Es ist eine Frage des sozialen Friedens und der Gerechtigkeit, dass alle Institutionen, Vereine und Verbände nicht umhinkommen, sich ihrer Verantwortung für Verbrechen zu stellen, die sie bei einem sensibleren Umgang hätten verhindern oder zumindest eindämmen können!




Ego-Tripper

Am vergangenen Montag (15.11.2021) erreichte unsere Krankenhaus-Seelsorge die Nachricht des Klinikums, dass Veranstaltungen, bei denen externe Personen dazu kommen, mit sofortiger Wirkung ausgesetzt bzw. verschoben werden müssen.
Von dieser Entscheidung ist auch die Krankenhaus-Seelsorge betroffen; von dieser Entscheidung sind auch die Gottesdienste betroffen, die wir im Krankenhaus feiern.



Rückblick

Seit fast zehn Jahren findet sich jeden Samstag in der Krankenhaus-Kapelle eine Art „Personalgemeinde“ ein. Es sind Menschen, die nicht nur in der näheren Umgebung des Krankenhauses wohnen. Viele von ihnen kommen ganz bewusst zu unseren Gottesdiensten. Ich spüre bei ihnen eine große Solidarität im Gebet für die Anliegen der Patient:innen und auch der Mitarbeiter:innen des Krankenhauses.
Dass die Kapelle unterhalb der Intensivstation gelegen ist, führt uns vor Augen: auch unser Gebet schließt die Menschen, die ‚über uns liegen‘ und um ihr Leben kämpfen, besonders ein.

Und es ist so, dass die Personen unserer Gottesdienstgemeinde selber viel von diesen Gottesdiensten mit nach Hause nehmen. Hier finden sie eine Stunde in der Woche, wo sie auftanken und neue Impulse mitnehmen können, die ihnen helfen, die Herausforderungen der kommenden Woche besser meistern zu können.

Ohne groß übertreiben zu können, geht von diesen Krankenhaus-Gottesdiensten sicherlich eine ‚therapeutische Dimension‘ aus: für jene, für die gebetet wird aber auch für jene, die beten.

Es ist also fast eine klassische win-win-Situation.

Tiefgreifender Einschnitt

Sämtliche Personen, die an unseren Gottesdiensten teilnehmen, sind mindestens zweimal gegen Corona geimpft; viele von ihnen haben schon die Boosterimpfung erhalten.
Mit großem Verantwortungsbewusstsein melden sie sich zu den Gottesdiensten an, desinfizieren sich die Hände beim Betreten der Kapelle, halten beim Sitzen den vorgeschriebenen Abstand und setzen während des gesamten Gottesdienstes einen geeigneten Mund-Nasen-Schutz auf.
Die Kapelle wird vor dem Gottesdienst langandauernd gelüftet: AHA+L-Regel ist also längst zur Normalität geworden!
Sie tun alles von ihrer Seite, sich und andere bestmöglich vor Covid-19 zu schützen! – Ein Zeichen gemeinsamer Solidarität.

Und nun trotz allem dieser tiefgreifende Einschnitt: sofortige Aussetzung aller Gottesdienste!
Als ich gestern viele von denen, die sich nicht übers Internet anmelden können, telefonisch von der Entscheidung des Klinkums informierte, stieß ich auf ein 100%-iges Verständnis für die Entscheidung des Klinkums. Auch hier wieder: Solidarität first!

Gleichzeitig erfuhr ich aber auch, dass dies ein tiefgreifender Einschnitt für Viele ist: der Gottesdienst ist zu einer geistlichen Heimat für sie geworden. Eine Dame sagte mir gestern am Telefon: „Die Gottesdienste in der Krankenhauskapelle sind für mich der Höhepunkt der gesamten Woche!“

Muss man da noch etwas erläutern, was das nun auch für ein tiefer Einschnitt im geistlichen Leben dieser Menschen ist?!

Ego-Tripper

Das ist nur ein Schlaglicht von vielen, die uns tagtäglich erreichen, wie die derzeitige Lage auch das Leben derer massivst einschränkt, die wirklich alles ihnen Mögliche getan haben und tun, um ihren ganz persönlichen Beitrag zur Überwindung der Pandemie zu leisten.

Doch scheinbar nutzt ihr Beitrag, ihre persönliche Einschränkung nicht viel.
Die Inzidenzzahlen steigen in die Höhe, die Hospitalisierungsrate ebenfalls und damit auch die wirkliche Gefahr einer Überlastung unseres Gesundheitswesens.

Die Zahlen derer, die an einer Covid-19-Erkrankung sterben werden, werden zunehmen, gleich welchen Alters, gleich welcher vorherigen gesundheitlichen Verfassung.

Das ist mehr als ein Elend, das ist ein himmelschreiender Skandal einer Entsolidarisierung, die ihresgleichen nur suchen kann!

Noch immer gibt es zu viele Menschen in unserem Land, die sich impfen lassen könnten, aber es nicht tun.
Manche mögen sich ernsthaft mit der Frage beschäftigen und sich auch um eine für die Gesellschaft verantwortbare persönliche Antwort bemühen.

Aber scheinbar viel mehr von ihnen wandeln auf einem unverantwortlichen Ego-Trip, der unsere ganze Gesellschaft in Mithaftung nimmt!

Wenn Montgomery von der „Tyrannei der Ungeimpften“ spricht, dann spricht er nur in aller Klarheit eine Wahrheit aus, die offensichtlich ist.

Dabei könnte es doch anders sein: andere – mit unserem Land vergleichbare – Länder machen es doch vor: Israel aber auch Italien.

Sowohl die gesellschaftliche Solidarität als auch der politische Handlungswille gehen hier viel deutlicher und entschiedener Hand in Hand, um halbwegs gut durch diese Pandemie zu kommen.

Ich sage ja nicht, dass die Ungeimpften für die ganze Situation verantwortlich sind und gemacht werden können, in der wir gerade stecken.

Aber ich sage, dass sie wesentlich verantwortlich sind für den schweren und existenzgefährdenden Verlauf  der Pandemie für viele Menschen und für unsere gesamte Gesellschaft in Deutschland sind.

Scheinargument: persönliche Freiheit

Das von Impfverweiger:innen ins Feld geführte Scheinargument der persönlichen Freiheit lasse ich nicht gelten, weil die persönliche Freiheit des Individuums in einer freien und humanistischen Gesellschaft niemals absolut sein kann!

Das Maß der persönlichen Freiheit findet da ihre Grenzen, wo durch die Freiheit des einen Menschen die Freiheit des anderen Menschen zwangsläufig betroffen, gefährdet oder gar eingeschränkt wird!

Doch das wollen viele Impfverweiger:innen nicht akzeptieren und damit stellen sie sich gegen die Gesellschaft und auch gegen die Grundlagen unsere freiheitlich-demokratischen Verfassung und unserer Gesellschaft.

Die alles entscheidende Frage ist: wie lange die überwiegende (demokratisch formuliert ‚absolute Mehrheit‘) unserer Gesellschaft sich das noch weiterhin gefallen lässt?!

Die Zeit ist reif

Die Zeit ist reif für entschiedenes, legales und auf dem Boden unserer Grundwerte fußenden Entscheidungen und Konsequenzen!
Die Zeit ist reif, dass unsere Gesellschaft die Solidarität einfordert, auf der sie ein Anrecht hat!


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