Alle Seelen Gedenken

Bild von Goran Horvat auf Pixabay

In unserer Pfarrei bieten wir seit fast drei Jahren Trauergruppen an.

Mittlerweile ist die Nachfrage so groß geworden, dass wir zwei Gruppen parallel durchführen.

In einer Gruppe, die ich mit einer Gemeindereferentin leite, fragte in einer Gruppenstunde eine jüngere Teilnehmerin, ob wir uns nicht auch mal über unsere persönliche Hoffnung und Vorstellung austauschen könnten, über die Frage, was nach unserem irdischen Leben kommt und uns erwartet?

Wir haben uns auf diesen Austausch eingelassen, denn uns war bewusst, dass wir das Thema nicht so einfach abtun könnten, in dem wir darauf hinweisen, dass Christ:innen ja an eine Auferstehung von den Toten glauben.

Die Frage, was nach dem irdischen Leben kommt, ist einerseits für uns Christ:innen klar, aber andererseits ist der Glaube an die Auferstehung ja mehr eine Hoffnung auf Auferstehung.

In diesem Zusammenhang kam mir eine Passage aus dem Römerbrief des heiligen Paulus in den Sinn:

Römer 8, 18-25

Hier macht Paulus deutlich, dass unsere gläubige Hoffnung auf die Auferstehung auch immer etwas Ungewissheit beinhaltet.
Das liegt aber im Wesen der Hoffnung und unseres Glaubens und zeigt keinen mangelhaften christlichen Glauben an, wann immer wieder die Frage in uns auftaucht, ob es auch wirklich so kommt?

Foto: Gerd A. Wittka, 31.10.2024

Wenn ich – wie am vergangenen Donnerstag – am Grab meiner Mutter war, dann ertappe ich mich oft mit den Gedanken: „Ich wünsche dir, Mama, dass sich deine gläubige Hoffnung erfüllt hat!“

Dieser Satz macht mir deutlich, in welcher Spannung sich unser Glaube befindet, wenn wir bekennen, dass wir an die Auferstehung nach unserem irdischen Leben glauben, dies aber nur in der Hoffnung auf Auferstehung tun können.





EINE Hoffnung …

Epheser 4,4



Heute Morgen lese ich dieses Wort aus dem Epheser-Brief.
Ich bleibe bei den Worten stecken: „einer Hoffnung“.
Da steht nicht nur allgemein ‚Hoffnung‘ sondern eine Hoffnung.
Und ich frage mich: welche eine Hoffnung?

(c) Gerd A. Wittka, 2024, erstellt mittels KI

Offenbar denkt Paulus an die eine und entscheidende Hoffnung, die den christlichen Glauben prägt.

Würde ich gefragt, worauf ich durch meinen christlichen Glauben hoffe, mir fielen mehrere Punkte ein, die ich nennen könnte:

  • Vergebung
  • Friede
  • Versöhnung
  • innere Stärke
  • Liebe
  • Ewiges Leben
  • Auferstehung
  • Barmherzigkeit

Wenn ich nach dem einen Begriff suche, der die zentrale Hoffnung zum Ausdruck bringt, die meinen christlichen Glauben ausmacht, welcher würde es sein?

Darüber muss ich noch mal meditieren …

Und hättest du schon eine Antwort für dich?
Dann schreib es gerne in die Kommentare.




Sing‘

für die Zukunft



Nach Sturm,
Donner, Blitze, Regen und
apokalyptisch anmutenden Zuständen

Foto: www.pixabay.com

sitzt eine Amsel
früh morgens
im leichten Morgenregen
hoch oben auf einem Baum
und

Foto: www.pixabay.com

singt, singt, singt …

Was für eine Energie!
Was für ein Vertrauen
in die Zukunft!

Das wirkt ansteckend und anregend auf mich!

Danke, liebe Schwarzdrossel
für deinen Beitrag
gegen meinen ‚morning blues‘!




Trotz-dem

„Lass es uns noch mal versuchen!“ – dieser Satz begleitet mich seit etlichen Jahren!



(2 Kor. 4, 6-10)


Dieses Wort des heiligen Paulus ist Lesungstext des 9. Sonntags im Jahreskreis, den wir heute begehen.

Worte, die mich hellhörig machen lassen und die mich an vergangene Situationen erinnern, als ich noch in der Gefängnisseelsorge tätig war.
Meine damalige Kollegin und Freundin Sr. Bonifatia Keller OP benutzte immer wieder einen Satz, der schon fast zu einem geflügelten Wort wurde.
Immer, wenn sich frustrierende Situationen wiederholten, die nötige Prozesse in der Gestaltung unseres Dienstes zum Stocken brachten oder wo wir scheinbar ‚gegen eine Wand liefen‘, sprach sie diese Worte: „Lass es uns noch mal versuchen!“

Bonifatia war ein Mensch, die nicht so leicht aufgab.
Sie war kein Dickkopf im klassischen Sinne; aber sie ließ es sich nicht nehmen, immer wieder neue Versuche zu starten, wenn sie von einer Sache überzeugt war.
Oft habe ich mich gefragt, woher sie die Kraft dazu bekam, stets neu aufzustehen, auch wenn andere schon längst „die Flinte ins Korn geschmissen hätten“.

Bonifatia war – nicht nur in dieser Hinsicht – eine starke Frau und nach über zehn Jahren nach ihrem Tod profitiere ich von ihrer Haltung und ihrem Geist.

„Lass es uns noch mal versuchen!“ – diese Hoffnung und Zuversicht, dennoch etwas bewegen zu können, kommt mir gerade in letzter Zeit immer gehäuft in den Sinn.

Die Krise der Kirche und die Krise des christlichen Glaubens

Missbrauchsskandale und mangelhafte Missbrauchsaufarbeitung in unserer Kirche, der Massen-Exodus aus unserer Kirche, ausgebremste notwendige Erneuerungen in unserer Kirche, das Schwinden christlicher Werte in unserer Gesellschaft, die Diskriminierung von Frauen und Queer-People in unserer Kirche, Anfeindungen von Kirche und Christ:innen, … –

all das führt bei vielen Menschen in der Kirche zu Resignation, Mut- und Hoffnungslosigkeit.

Katholik:innen verlassen in Scharen unsere Kirche (in der evangelischen Kirche sieht es nicht besser aus).
Menschen, die zum ‚inner circle‘ unserer Kirche und unserer Pfarreien gehören, geben ihre selbstgewählten Aufgaben auf und verlassen mitunter die Kirche.
Selbst hauptamtliche Mitarbeiter:innen und Kolleg:innen in der Seelsorge, sei es Kleriker oder Nicht-Kleriker quittieren ihren Dienst!

Es liegt mir fern, diese Menschen zu schelten, denn zu oft kann ich ihre genannten Gründe nachvollziehen; zu oft kann ich innerlich bejahen, dass bei Manchen „die Luft raus ist“ und sie „einfach nicht mehr können“!

Ich sehe andererseits, dass nicht alle Katholik:innen die Kirche verlassen und nicht alle haupt- oder ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen ihren Dienst aufgeben!
Warum?

Es wäre zu oberflächlich, ihnen zu wenig Empathie für diese Themen zu unterstellen oder zu meinen, es wäre ihnen einfach nur alles in der Kirche egal!
Mitnichten!
Es gibt Viele in der Kirche, die „leiden wie Hund“ an der gegenwärtigen Situation der Kirche und des christlichen Glaubens.

Warum geben diese Menschen nicht auf?!

Warum resignieren sie nicht?1

Vielleicht, weil sie etwas von dem spüren, was der heilige Paulus in der heutigen Lesung erwähnt?

Trotz Bedrängnis finden sie noch die Luft zum atmen, können tief Luft holen, sich auf ihre Mitte, auch des Glaubens zurückziehen und konzentrieren und finden in sich eine Tiefe und Weite vor, die sie innere Kräfte sammeln lässt.
Sie sind zwar einerseits ratlos und haben keine schnellen Rezepte oder Antworten, wie man aus der Krise herausfinden könnte, haben dennoch die Kraft und den Mut, weiter zu machen; sie besitzen eine Kreativität, die ihnen immer wieder neue Ideen schenkt und ihnen zeigt, was man noch alles ausprobieren könnte.

Bei der Fülle von Fragen und Herausforderungen fühlen sie sich manchmal überfordert und gehetzt von den Ereignissen, aber finden gleichzeitig eine innere Ruhe und Gelassenheit, weil sie sich nicht allein und verlassen fühlen (vor allem nicht von Gottes Heiliger Geistkraft!).
Auch sie tragen die „Todesleiden Jesu an ihrem Leib“, wie Paulus es formuliert.
Und die Folgen der Leiden sieht man ihnen manchmal sogar an, denn sie gehen auch an ihnen nicht spurlos vorüber.

Und trotz-dem gibt es bei Ihnen diese Energie, nicht aufzugeben und sich das Leben und den Glauben nicht vermiesen zu lassen.
Dennoch haben sie die Lust und die Freude am Leben und am Glauben nicht verloren, sondern leben aus einer tiefen und zugleich sichtbaren Hoffnung, dass es da noch was gibt, was sie trägt und was sie sich selber nicht zu verdanken haben; diese ungezügelte Sehnsucht, die Nelly Sachs mal mit den Worten beschrieb:

Anfanghaft spüre ich auch etwas von dieser Kraft in mir. Ich habe weiterhin Lust zu einem Neuaufbruch und -anfang in unserer Kirche.
Ich spüre die Überzeugung in mir, dass der Weg weitergehen wird und dass wir in einer historisch sehr bedeutsamenPhase unserer Kirche leben, die ähnlich wie die Zeit um das Vatikanum II ist:
eine ‚Kirche im Werden‘ ist nötiger denn je!

רוּחַ = „Heilige Geistkraft“

Glücklich die Menschen, die diese Kraft und Energie in sich spüren!
Sie dürfen daran glauben, dass diese Kraft nicht aus ihnen selber kommt, sondern dass sie ihnen eingegossen wird durch die ‚ruach‘ (hebräisch), die Heilige Geistkraft Gottes, die wir am vergangenen Pfingstfest wieder so lebendig gefeiert und verehrt haben.

Mit der heutigen Lesung ermutigt mich der heilige Paulus, sich dieser inneren Kraft und Stärke neu zu vergewissern, aber ohne Arroganz, Hochmut oder Überlegenheitsgefühle, sondern verbunden mit einer tiefen Dankbarkeit und Liebe zu diesem geschenkten Segen Gottes.

Es ist in dieser Zeit eine wirkliche Gnadenerfahrung, wenn man nicht die „Brocken hinschmeißen will“, sondern immer noch die Kraft hat, der inneren Stimme zu lauschen, die in uns spricht:


Alle Bilder: www.pixabay.com




„Was ich dir hätt‘ sagen wollen …“

Gedanken über Ungesagtes

Bild von Zoltan auf Pixabay

Was ich dir hätt’ sagen wollen …

ist weit mehr als
„eine Zigarette und ein letztes Glas im Steh’n“,
wie Reinhard Mey einst sang.

Ich möchte dir meinen Dank sagen
für deine Fürsorge
für deine Liebe
für deine Ausdauer und Geduld
für deine Offenheit, mich an dich heranzulassen
für deine Ehrlichkeit
dafür, dass du mir ein Zuhause gegeben hast
und mich akzeptierst, wie ich bin

Ich möchte dir meinen Dank sagen
für die Zeit, die wir gemeinsam hatten, die mir so kostbar war
für die Welt, die du mir gezeigt und eröffnet hast
und für deine Grenzen und Verletzlichkeit, die du mit mir geteilt hast

Ich möchte dir meine Bitte äußern,
mir zu vergeben, wo ich dir Unrecht getan habe
oder ungeduldig war;
wo meine Aufmerksamkeit für dich nicht ausreichte,
um zu erkennen, was dich wirklich bewegt,

Ich möchte dir meine Ängste offenbaren,
dass ich mich ohne dich einsam fühle
und verlassen
und dass du eine Lücke hinterlässt,
die nichts und niemand füllen könnte.

Ich möchte dir sagen,
dass ich hoffe,
dass der Ort, an den du gegangen bist,
für dich ein neues Zuhause ist
und wir weiterhin verbunden bleiben,
über Zeit und Tod hinaus
und dass ich es wünsche,
deine Nähe zu spüren,
bis wir uns wiedersehen
.

© Gerd A. Wittka, 2024




1. Advent

„Macht Mut! Sagt den Verzagten: fürchtet euch nicht!“

Bild von Pallervanten auf Pixabay

Wer mich kennt, weiß, dass ich eher zu den Seelsorgenden gehöre, die auch mal gerne den „Finger in die offene Wunde“ legen.

Ich denke zurück an eine Christmette in einer ehemaligen Pfarrei, in der ich in der Predigt nicht nur ‚Eiapopeia‘ gesagt habe, sondern eher eine kritische und reflektierende Predigt gehalten habe.

Einige Leute fanden es auch ‚falsch‘, dass ich am Ende des Gottesdienstes nicht „Stille Nacht, heilige Nacht!“ singen ließ, sondern „Oh du fröhliche!“.

Nach dem Gottesdienst kam eine Person zu mir und gestand mir offen, dass meine Predigt und das ausgelassene Lied am Schluss ihr das Weihnachtsfest ruiniert hätten!

Es verdeutlicht, wie sehr die Advents- und Weihnachtszeit mitunter von irrationalen Gefühlen geprägt sind.

Ich würde mich daher heute an den Propheten Kohelet anlehnen und sagen: Für alles gibt es eine Zeit!

Ja, je älter ich werde, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass es auch eine angemessene Zeit für ‚Eiapopeia‘ gibt – und das meine ich jetzt nicht abwertend, sondern anerkennend!

Denn es gibt auch eine Zeit, wo es mehr darum geht, auf die Gefühle zu achten, als auf verkopfte Sachlichkeit!

Ich möchte Ihnen heute anhand eines recht konkreten und zugleich fast banalen Beispiels etwas erklären. Es ist uns buchstäblich ins Auge gesprungen!
Vor ein paar Tagen habe ich mir die Mühe gemacht, dieses adventliche Gesteck zu gestalten.

Adventsgesteck in der Krankenhaus-Kapelle des AMEOS Klinikums St. Clemens Oberhausen, Foto: (c) Gerd Wittka

Einem Freund habe ich vorher über whatsapp die anfänglich doch sehr karge Holzschale mit den vier Kerzenhaltern gezeigt und dann das abschließende Werk. Sie kennen das: Vorher/Nachher-Bilder!

Und dann schrieb er mir zurück:

„Mein Favorit ist die Blanko-Version ohne Schmuck.“

Adventsgesteck vor der Dekoration, Foto: (c) Gerd Wittka

Natürlich hatte ich gehofft, dass er ‚mein Werk‘ auch schön findet, so wie seine Frau es schön fand.

Seine Meinung hat mich nachdenklich gemacht.
Ja, manchmal mag ich es auch lieber schlichter und puristischer, auf das Wesentliche beschränkt. Und das sind im Advent nun mal die Kerzen!

Es kommt mir vor, als wäre es nun an der Zeit, dieses Gesteck mit viel Grün, Rot und Gold zu schmücken, mit gemütlichen Orangenscheiben und Zimtstangen.

Deshalb schrieb ich ihm zurück:

„Ja, das glaube ich dir!
Aber wir müssen manchmal ‚das Herz‘ der Menschen bedienen, die in die Kapelle kommen, sei es die Herzen der Kranken oder deren Angehörigen oder auch der Mitarbeitenden, die hier mal zur Ruhe kommen wollen, verschnaufen wollen und auch die ganzen Eindrücke und Erfahrungen sacken oder sogar loslassen wollen.

Wir müssen auch etwas ‚das Herz‘ der Menschen bedienen, die mal adventliche Gefühle brauchen und vielleicht dadurch angeregt werden, sich an Zeiten zu erinnern, wo das Leben entspannter und heimeliger war. Kannst du das verstehen?“

Und er antwortet knapp und fast schon puristisch: „Blanko kommen bei mir mehr Gefühle.“

Ja, nach den Erfahrungen der Pandemie, den schlimmen Nachrichten aus aller Welt über Kriege, Terror, Naturkatastrophen, die Krisen in unseren Kirchen und die Verbrechen von sexuellem oder geistlichem Missbrauch glaube ich, dass es in diesem Jahr besonders wichtig ist, unseren adventlichen Gottesdiensten mehr Gefühl zu verleihen.

Es ist wieder an der Zeit, in unserem Herzen zu spüren, welch großes Wunder geschehen ist, als Gott vor mehr als 2.000 Jahren in Jesus Christus zu uns auf die Erde kam.
Er kam, um „allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes“, wie es im Benedictus des morgendlichen Stundengebets heißt!

Denn auch durch den emotionalen Zugang zu unserem Glauben gibt es eine heilsame und hoffnungsmächtige Wirkung.

Gerade wenn wir „…mit dem Herzen glauben…“ (1 Kor 12,3) und „…mit dem Mund bekennen …“ (Röm 10,9), dann werden wir nach der Überzeugung des heiligen Paulus gerettet werden. (vgl. 1 Kor 12,3)

Das Herz, der Sitz nicht nur unserer Liebe, sondern auch Sitz unserer Gefühle, ist – so glaube ich – in dieser Zeit wieder mehr gefragt.

Eine Möglichkeit, mit dem Mund zu bekennen, ist zum Beispiel, traditionelle Adventslieder zu singen oder Geschichten und Geschichtchen vorzulesen oder zuzuhören, die uns berühren!

Ich glaube, dass es in Zukunft wieder Zeiten geben wird, in denen wir in der Advents- und Weihnachtszeit auch mehr den Glauben mit dem Verstand verbinden können.

Jetzt aber scheint für mich mehr die Zeit des Glaubens mit dem Herzen zu sein!

Ich wünsche uns allen, dass wir die Adventszeit voller Freude erleben und uns daraus neue Kraft und Hoffnung schöpfen, ohne die Realität aus den Augen zu verlieren!

Foto: Gerd Wittka, 02.12.2023

Und ganz zum Ende dieses Impulses etwas ‚fürs Herz‘:

Advent

Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.

Rainer Maria Rilke, aus: Advent Es treibt der Wind im Winterwalde die Flockenherde wie einhttps://www.aphorismen.de/gedicht/12324