Dein Gott – mein Gott – unser Gott

Evangelium des kommenden Sonntags:

Mt 15, 21-28 – zu finden hier:
https://www.bibleserver.com/EU/Matth%C3%A4us15%2C21-28

Impuls

Das Wirken Jesu bleibt anderen Menschen seiner Zeit nicht verborgen. Sie werden aufmerksam auf ihn und seiner Verkündigung.

Vielleicht ziehen ja auch die wundersamen Erzählungen von Heilungen und Totenerweckungen die Menschen an. Das allein wäre doch schon verständlich genug. Warum sollte jemand, der in Not ist, nicht jede Chance nutzen, nicht nach jedem Strohhalm greifen, den er/sie kriegen kann?



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Die Frau, deren Tochter „von einem Dämon besessen“, also krank ist, will sich lautstark Gehör verschaffen. Das stört seine Jünger und sie erwarten von ihrem Herrn ein Machtwort.
Doch die erste Reaktion Jesu kann verwundern: Er sieht sich nicht ‚zuständig‘ dafür, sich um die hartnäckige Frau zu kümmern, sondern entgegnet dem Ansinnen der Jünger mit den Worten: „…Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt….“.

Das ist schon sehr schroff, manche würden es als herablassend empfinden.

Aber dabei bleibt es nicht, die Frau lässt nicht locker, geht auf ihn zu und fällt vor ihn nieder, wie man vor einem Potentaten, einen Herrscher, einen Machthaber niederfällt, um dessen Gunst zu werben.
Die Frau ist in gewisser Weise penetrant und sie sagt unverhohlen, was sie möchte: „Herr, hilf mir!“

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Doch anstatt sich von ihrer Hartnäckigkeit erweichen zu lassen, setzt Jesus scheinbar eine weitere Schroffheit nach und brüskiert die Frau mit den Worten: „…Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den kleinen Hunden vorzuwerfen. …“

Wie viele von uns hätten nach solchen zwei Abweisungen aufgegeben, sich gleichsam geschlagen gegeben und sich ihrem Schicksal gebeugt, alle Pläne, ja den persönlichen Kampf aufgegeben und die Hände in den Schoß gelegt?

Doch diese Frau gibt nicht auf, sie wird von einer inneren Kraft getrieben, die auch diese Abweisung mutig und mit einem gewissen Selbstbewusstsein wegsteckt. Sie behält dadurch ihre Freiheit, sich für ihre Sache einzusetzen.
Vielleicht auch im Hinblick auf die eigene Tochter erduldet sie diese vermeintliche Schmach.

Aber nein, dass ist es nicht, wie sich später herausstellt.
Sie antwortet ziemlich gewitzt auf Jesus.
Ja, sie ist gerade zu geist-reich und kontert Jesus unumwunden.

Irgendwie scheint das die Aufmerksamkeit Jesu zu wecken und er ‚gibt sich dann doch mit ihr ab‘.
Ging es ihm mit seiner schroffen Art vielleicht darum, herauszukitzeln, was der Frau wirklich wichtig ist und was sie im Innersten antreibt zu solcher Hartnäckigkeit?

Wir dürfen es annehmen, denn Jesus antwortet ja gerade nicht der Frau: „Okay, ich gebe auf angesichts deiner Hartnäckigkeit!“ sondern er antwortet:

„Frau, dein GLAUBE IST GROSS. Es soll dir geschehen, wie du willst!“

Jesus verändert eine Haltung, die bislang ein zentrales Merkmal der jüdischen Religion war: Der Gott JHWH (gesprochen „Jach-weh“) ist ein Gott der Juden. Die Juden sind SEIN auserwähltes Volk.

Jesus weitet diese Sichtweise, indem er mit dieser Heilungsgeschichte sagen will: nicht die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk, nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, nicht die Exklusivität bestimmt den Heilswillen Gottes.

Das ist ein radikaler Paradigmenwechsel, den Jesus da vollzieht. Und dies führt zu noch mehr Konflikten zwischen ihm und den damaligen Juden.

Jesus sagt mit diesem Beispiel:
Gott möchte das Heil nicht für eine bestimmte Gruppe von Menschen, sondern Gott möchte das Heil ALLER MENSCHEN!

Und wie immer und wie Sie es auch von mir gewohnt sind, stellt sich wieder die Frage:
Was hat das mit mir und mit meinem Leben zu tun?

Um zu verstehen, was der Dreh- und Angelpunkt dieser Heilungsgeschichte ist, ist es wichtig, nicht nur den ersten Blick, sondern auch einen zweiten und vielleicht sogar noch einen dritten Blick zu wagen.

Denn: auf dem ersten Blick könnte man meinen, dass das Thema die „Hartnäckigkeit“ der Frau ist.
Dann würde man geneigt sein zu sagen: wir müssen mit unseren Erwartungen an Gott nur hartnäckig genug sein, dann werden wir Gott schon dazu kriegen, dass er uns gibt, was wir brauchen.

Ergo: wenn wir nur hartnäckig genug sind, dann bekommen wir Gott schon rum und auf unsere Seite.

Beim zweiten Blick gibt uns diese Erzählung aber einen anderen Schlüssel an die Hand. Da geht es nämlich um den Glauben der Frau.
Hier können wir dann schlussfolgern: es kommt nicht auf unsere Beharrlichkeit an, sondern allein auf unseren Glauben. Wenn wir glauben, dann schenkt Gott uns sein Heil.

Bei diesen beiden Blickweisen fällt eine „wenn-dann“-Logik auf.

Aber führt das weiter?

Ich halte eine solche Sichtweise für problematisch.
Diese Problematik wird dann besonders deutlich, wenn wir diese Logik umkehren.
Dann hieße es:

  1. weil du nicht beharrlich genug warst, deshalb hat Gott dir nicht geholfen, oder
  2. weil du zu wenig oder gar nicht geglaubt hast, deshalb hat Gott dir nicht geholfen.

Sind wir wirklich davon überzeugt, dass Gott so aufrechnet?!

Ich will einer solchen Sichtweise nicht folgen.
Sie wird dann nämlich zynisch, wenn Menschen inständig Gott um Hilfe bitten oder fest an ihn glauben, aber sie das Gefühl haben, dass Gott ihnen nicht hilft.

Wie schnell führt so ein Denken die Menschen zu einer Art Selbstanklage oder Selbstverurteilung?!
„Ich habe wohl zu wenig Glauben, deshalb straft Gott mich mit der Krankheit / mit diesem Schicksalsschlag!“

Ein solches Gottesbild habe ich nicht.

Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass auch Jesus ein solches Gottesbild in diesem Evangelium nicht vermitteln will.
Nicht die Frau ist die erste Adressatin dieses Heilungswunders ist, sondern die anderen, die Jesus begleiten: seine JüngerInnen, die ihn begleiten und die Juden, die ihn aufsuchen auf dem Weg durch die Gemeinden; ihnen – die meinen – dass es ‚ihr‘ Gott ist, auf den sie allein Anspruch haben; ihnen sagt Jesus mit dieser Heilung:

Der Gott JHWH, den ihr als Gott des Volkes Israels verehrt, ist ein Gott aller Menschen!
Und folglich dürft nicht nur ihr das Heil von ihm erwarten und erhoffen, sondern alle Menschen, auf der ganzen Welt und zu allen Zeiten!

„Hoffe immer! – Quelle: www.pixabay.com

Als überzeugte und ‚praktizierende‘ ChristInnen dürfen wir uns fragen, ob wir uns nicht auch manchmal auf der Seite der JüngerInnen wiederfinden, die Jesus bitten, die Frau fortzuschicken.
Sind wir bereit, von dem heutigen Evangelium zu lernen, dass allen Menschen das Heil Gottes verheißen und zugesagt ist, auch jenen, die nicht ‚mit uns‘ glauben?!

Vielleicht gehen Sie mit dieser Frage in die kommende Woche?
Welche Konsequenzen hat das für unser Menschenbild und wie kann das unsere Haltung und unser Verhalten ihnen gegenüber verändern?

Gebet:

Gott,
du bist der Gott der ALLES geschaffen hat.
Du bist der Gott ALLER MENSCHEN, überall und durch alle Zeiten.
Niemandem liebst du mehr oder weniger als andere; niemand darf von dir mehr erwarten, weil er zu einer bestimmten Gruppe oder einer bestimmten Religion oder Konfession angehört.
Dieses zu erkennen, bedeutet, anders auf die Menschen zu schauen, die nicht unseren Glauben teilen, aber trotzdem unser aller Schwester und Brüder sind, weil wir alle deine geliebten Kinder sind.
Hilf uns, aus diesem Bewusstsein immer wieder neue den Menschen zu begegnen und sie als DEINE geliebten Geschöpfe anzusehen.
Darum bitten wir dich durch Jesus Christus, unseren Bruder und Erlöser.
Amen.

© für Impuls und Gebet: Gerd Wittka, 12.08.2020




Jesus hat Grenzen überwunden – und wir?

Grenzen – eiskalt! Bild von Thomas B. auf Pixabay

In unserer katholischen Kirche befinden wir uns in einer radikalen Umbruchsituation. Von außen und auch von innen, sind wir gefordert, neue Wege zu gehen. Dabei werden die inneren und äußeren Faktoren wesentlich mitbestimmt von finanziellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Diese sind wiederum stark abhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen in unserem Land; von Menschen, die nur wenig oder kein steuerpflichtiges Einkommen haben und deshalb auch keine Kirchensteuer zahlen; von Menschen, die der kirchlichen Gemeinschaft den Rücken gekehrt haben.

In dieser historischen Situation sind Gemeinden und Pfarreien genötigt, ungewohnte und vielleicht auch unbequeme Entscheidungen zu treffen.
Das aber erfordert – bei notwendigen strukturellen Veränderungen -, dass die Gemeinden und Pfarreien und in ihnen auch ganz konkret die Menschen, Grenzen überwinden.

Doch das Gegenteil ist oft der Fall.



Ist das nicht paradox?

Jesus hat DIE Grenze schlechthin überwunden, die nie und nimmer überwindbar erschien: die Grenze des Todes.
Durch IHN ist der Tod für alle zum Tor des Lebens geworden!

Und wir?!
Wir schaffen es noch nicht einmal, die Grenzen der eigenen Gemeinde und Pfarrei zu überwinden!

Welch ein armseliges Glaubenszeugnis!

Bei aller berechtigter Trauer, wenn Gewohntes gelassen und Vertrautes buchstäblich verlassen werden muss:

Wenn wir diese Phase der Kirche nicht auch als geistliche Herausforderung an- und ernstnehmen, dann wird jede Entscheidung, jedes Votum, jede Umstrukturierung unwesentlich bleiben.

Wir werden dann oberflächlich bleiben, weil es mehr um uns selber geht, als um das, was unseren christlichen Glauben ausmacht: Salz der Erde, Sauerteig und VerkünderInnen der frohen und befreienden Botschaft in der Welt und für die Welt zu sein.

Herr, erwecke deine Kirche
und fange bei mir an.
Herr, baue deine Gemeinde
und fange bei mir an.

(Gebet eines unbekannten chinesischen Christen)




Pfingsten 2020 – Damit die Hoffnung bleibt

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Lesung: Röm 8, 22 -27
Evangelium:Joh 20, 19 – 23

Pfingsten ist das Fest der Sendung des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist aber ist eine Kraft, die in unsere Zeit hinein wirkt.
Somit ist das Pfingstfest ein Feiertag, an dem wir unseren Glauben feiern, der in unserem Leben Gestalt angenommen hat.
Wie aber wirkt der Heilige Geist in uns?
Woran erkennen wir ihn ganz konkret in unserem Leben?

Wir sagen als Christen, dass der Heilige Geist sich in seinen „Gaben“ zeigt, sich also in seinen Spuren zeigt, die er in unserem Leben hinterlässt:

Zu den „Gaben des Heiligen Geistes“ gehören: Glaube, Mut zum Leben und zum richtigen Handeln und vieles andere mehr.

Von einer Gabe des Heiligen Geistes berichtet der heilige Paulus in seiner heutigen Lesung an die Römer.
Es ist die Gabe der „Hoffnung“.
Und über die Hoffnung möchte ich heute mit Ihnen nachdenken.



Lassen wir aber Paulus noch einmal selber zu Wort kommen:

„(Wir) … warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Erben Gottes offenbar werden.
Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung.
Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung.
Wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht?
Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld.“

( Röm 8, 23b – 25)

Wie dürfen wir die Gedanken des heiligen Paulus verstehen?

Uns ist Rettung verheißen. Diese wird darin bestehen, dass unser Leib einmal im ewigen Leben endgültig erlöst sein wird.
Aber auch jetzt haben wir schon einen Anteil an dieser Erlösung, wenn auch noch in unvollkommener Weise. Doch wir können Erlösung hinein holen in unser Erdenleben.
Die Erfahrung von Erlösung ist für Paulus jenen Menschen möglich, die in ihrem Leben hoffen können.

Hier auf Erden können wir also etwas von unserer Errettung nur erfahren in der Hoffnung auf Errettung.
Diese Hoffnung nämlich besitzt die Kraft, unser Leben zu verändern und somit etwas von unserer Erlösung in unserem Leben wirksam werden zu lassen.

Dann aber, wenn sich unsere Hoffnung auf endgültige Erlösung erfüllt hat, wird sich die Hoffnung selbst erübrigen.
Hoffnung ist dann nicht mehr notwendig, weil wir dann alles haben, was wir in unserer Hoffnung hineingelegt haben: unsere Erlösung.

Solange wir in dieser Welt leben, brauchen wir die Hoffnung, um etwas von dieser endgültigen Erlösung schon im irdischen Leben zu erfahren.

Um nachzuvollziehen, wie Recht der heilige Paulus hat, können wir jede x-beliebige Lebenssituation heranziehen, die uns in unserem Leben vor eine Herausforderung stellt.

Das kann eine Prüfungssituation sein, genau so wie das Gefühl, dass ich in meinem Leben vor einer Veränderung stehe.
Das geht aber auch selbst soweit wie in lebensbedrohlichen Situationen.
Ohne Hoffnung würden wir in eine Art Lähmung verfallen; eine Lähmung, die uns daran hindert, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen und Handelnde in unserem eigenen Leben zu bleiben.

Doch durch Hoffnung wächst uns eine Kraft zu, Hoffnung trägt über Krisenzeiten hinweg und lässt uns handlungsfähig bleiben.
Die Hoffnung kann antreiben, aus einer Lebenssituation „etwas zu machen“
Selbst in irdischer Hoffnungslosigkeit ( z.B. tödlicher Krankheit) kann die Hoffnung auf endgültige Erlösung uns Kraft geben, in dieser vermeintlich hoffnungslosen Situationen den Lebensmut zu bewahren.
Gerade dieses Letzte sage ich nicht leichtfertig heraus, sondern erfahre es durch die Begleitung von Menschen, die sich aus menschlicher Sicht manchmal in schier ausweglosen Situationen befinden.
Selbst angesichts des eigenen irdischen Todes resignieren sie nicht und versuchen dieses irdische Leben zu leben, so gut wie es geht, weil in ihnen eine tiefe Hoffnung ruht, dass es weitergeht …

Bei der Betrachtung des Wortes „hoffen“ fiel mir auf, dass dort das Wort „offen“ drin steckt.

Wer hoffen kann, spürt, dass seine Zukunft offen ist.
Sie hält die Chance der Veränderung bereit.
Sie enthält in sich die Möglichkeit nach Leben, nach Sinn und Erfüllung.
Wer hoffen kann, kann offen sein für das Zukünftige.

Offen zu sein für die Zukunft kann also auch bedeuten, dass ich mich nicht selber festlege, wie meine Lebensgeschichte auszusehen hat.
Ich mache mir keinen bis ins Detail festgelegten Plan für mein Leben.

Wer hoffen kann, für den können die Durchkreuzungen im eigenen Leben zu neuen Lebenswegen werden, die einen vielleicht dahin führen, wohin man zu gehen nicht im Traum gedacht hat, aber die einen dennoch auch in ein erfülltes und erlöstes Leben führen.

Wer hoffen kann, kann offen sein für die Wege, die Gott mir bereit hält.
Wer hoffen kann, kann in dem Gefühl leben, dass Gott ein gutes Ziel für uns bereit hält, dass er alles in unserem Leben zum Guten führen will.
Wer hoffen kann, kann darum bitten, sich von Gott in seinem Leben führen zu lassen.

In den verschiedenen Sakramenten der Kirche heißt es: „Gott selber vollende das gute Werk, das er in dir begonnen hat!“
Dies ist ein Wort, dass nur in der Hoffnung gesagt werden kann.

In diesem Sinne hoffen zu können, ist dann eine starke Gabe des Heiligen Geistes.

Als Christen, die wir an die Erlösung und Errettung glauben wollen, auch schon in diesem Leben, haben wir dann auch eine große und wichtige Aufgabe in der Welt: die Hoffnung zu stärken.

Manchmal können wir wirklich nicht viel tun.
Wir haben nicht die Macht, bestehende Verhältnisse zu verändern.
Wir haben nicht die Macht, Leid und Not mit einem Handstreich zu beenden.

Aber im Heiligen Geist will uns Gott die Fähigkeit schenken, Hoffnung zu verbreiten.

Hoffnung, die andere Menschen leben lässt.

Ein Sprichwort sagt: „Die Hoffnung stirbt zu Letzt!“

Ich möchte glauben: Die Hoffnung stirbt nie, wenn wir um sie bitten und sie als Gabe des Heiligen Geistes, als Pfingstgabe für uns selbst und für die anderen annehmen.
Die Hoffnung wird in dieser Welt nie sterben, wenn wir sie weitertragen zu den Menschen.
Unser christlicher Auftrag ist es: Hoffnung in dieser Welt zu ermöglichen.

Darum lasst uns um diese Hoffnung an diesem Tag bitten und darum, dass wir sie mit allen Menschen teilen, am Besten mit jenen, denen wir in unserem Alltag begegnen.

Meditation

Vater aller Menschen.
Ich will ein Bote der Hoffnung sein,
Licht bringen mit meinen Augen,
leidenschaftliche Unruhe mit meinen schwachen Händen
und die belebende Kraft deines heiligen Geistes mit meinen Worten.

Ich will jemand sein, der Freiheit sät
unter den Menschen, meinen Brüdern und Schwestern –
dein Reich zu bauen auf dieser Erde,
dieser guten – uns anvertrauten.

Ich werde nicht gehen
auf den Wegen der Ungerechtigkeit.

Ich werde mich nicht abfinden
mit der Unterdrückung der Ärmsten.

Ich werde meine Kraft dort trinken,
wo das Volk trinkt,
und werde meinen Platz dort haben,
wo es ein menschliches Wesen gibt.

Mein Schweigen
wird das geheimnisvolle Schweigen sein,
mit dem sich die Niedrigen dieser Welt nähren.

Meine Hoffnung wird die Hoffnung sein,
die dein heiliger Geist ausgegossen hat in meinem Herzen.

Lass mich selber zu einer vollen,
überfließenden Schale der Hoffnung sein
für die Menschen,
die um mich sind
die mit mir sind.

Bild von Alexander Ignatov auf Pixabay

( © nach einer Vorlage überarbeitet von G. Wittka, Pfingsten 2005)




Sturm und Feuer

Photo by Ralph W. lambrecht from Pexels

Jahrhundertsommer 2018. Weite Teile Deutschlands sind von brütender Hitze gefangen. Die Felder dörren total aus, Regen wäre bitter nötig.
Die Waldbrandgefahr in Wäldern ist auf höchster Stufe ausgerufen. Das Rauchen am und im Wald sowie Lagerfeuer und Grillen sind strengstens verboten.
Doch dann fliegt er, diese eine Funke, der das Feuer entzündet. Lichterloh schlagen die Feuerzungen gen Himmel, eine Rauchsäule ist kilometerweit zu sehen. In Ostdeutschland brennt ein Wald.
Fast zeitgleich wüten gigantische Waldbrände in Kalifornien. Menschen verlassen ihr zuhause – manche zu spät und kommen in den Flammen um. Die Luftzirkulation, die durch die Hitze entfacht wird, verstärkt die Winde, die das Feuer über riesige Wald- und Steppenflächen treibt.

Hier wie dort, sind die Menschen in Angst und Schrecken, fürchten um ihr nacktes Überleben. Ihr bis dahin sicher geglaubtes Leben wird nun existentiell bedroht.

Am letzten Montag dann die Unwetterwarnung für unsere Stadt: heftigste Gewitter und Unwetter mit Starkregen, Hagel und Sturm.
Ich denke: jetzt muss ich doch wieder um die Pflanzen auf meinen Balkon bangen und hoffe, dass der Sturm nicht wieder alles durcheinander wirbelt.
Im letzten Jahr fiel ein großer Baum direkt vor unserem Haus, aber – Gott sei Dank – weder auf das Haus noch auf Passanten.

Jemand sagte mir am Mittwoch: „Bei dem Gewitter in der Nacht von Montag auf Dienstag habe ich es schon etwas mit der Angst bekommen.“

Angst hatten auch die Jüngerinnen und Jünger Jesu, als sie sich nach der Himmelfahrt Jesu in das Obergemach zurückzogen und sich verbarrikadierten. Sie hatten Angst, auch Angst um ihr Leben und dass die Juden ihnen nach dem Leben trachten könnten, jetzt, da ihr Herr nicht mehr unter ihnen war. Und sie beteten.
Sie taten es so, wie der Herr ihnen aufgetragen hatten.
Aber: sie hatten Angst.



Und dann geschah dieses unglaubliche Ereignis, das die Apostelgeschichte umschreibt mit den Bildern von Feuerzungen und Sturmesbraus.

Gelesen hört sich das so harmlos an. Und auch so manche Bilder von Pfingsten, wo die Christengemeinde einmütig zusammensteht und über ihnen die Feuerzungen zu sehen sind – geradezu idyllisch.

Aber, liebe Schwestern und Brüder,
ich ahne mehr und mehr, dass dem nicht so war.

So, wie sich Menschen im letzten Jahr vor dem Feuer und dem Sturm fürchteten und Angst um ihr Leben haben mussten, so kann auch das Wirken des Heiligen Geistes bedrohlich und zerstörerisch empfunden werden.

Ich glaube, wir tun gut daran, das Pfingstereignis damals – und auch heute – nicht als ein harmloses Geschehen zu betrachten.

Auch heute leben wir in einer Zeit und in einer Kirche, wo es zu massiven Auseinandersetzungen kommt. Es bilden sich Lager, die sich offenbar oder vermeintlich gegenüber stehen.

Manche befürchten gar eine Kirchenspaltung. Und so dreschen welche aus dem konservativ-traditionalistischem Lage auf jene ein, die Kritik üben und sich das selbständige Denken nicht verbieten lassen wollen.

Auch hier zeigt sich Angst.
Und in diese Angst hinein will der Heilige Geist heute zu uns kommen.
Aber zuerst nicht beschwichtigend und beruhigend, sondern auch hier und heute kann es richtig rund gehen in unserer Kirche, wenn der Sturm des Heiligen Geistes Bestehendes durcheinander wirbelt und wenn die Feuersglut des Heiligen Geistes von Menschen Erbautes niederbrennt.
Ich persönlich mache mich schon lange darauf gefasst, dass wir mittendrin sind in einer stürmischen Zeit.
Und ich hoffe darauf, dass sich in diesem Sturm – der sich durchaus auch auf manche von uns beängstigend auswirkt – der Heilige Geist selber am Werk ist.

Vielleicht zerstört der Heilige Geist sogar unsere ganzen bisherigen Sicherheiten und Zufluchtsorte und drängt uns, das sichere Umfeld zu verlassen und hinaus zu gehen, in die Welt, in die Sorgenwelten der Menschen, in die Angst und Not dieser Zeit.

Vielleicht ist es gerade das stürmische Wirken des Heiligen Geistes, das uns eine neue, eine andere Sprache, finden lässt in dieser Welt und für diese Welt.

Bild von Gordon Johnson auf Pixabay

Denn das ist für mich das Tröstliche des heutigen Tages: Feuer und Sturm können als Bedrohung erfahren werden, aber sie setzen etwas frei – Energie und Engagement. Sie setzen in uns Fähigkeiten frei, die wir bislang zu wenig oder gar nicht mehr genutzt haben, nämlich zum Beispiel, wieder zu lernen, die Sprache der Menschen um uns herum zu sprechen und nicht in unserem kirchlichen Jargon zu bleiben, den – außer uns – sowieso keiner mehr versteht.

Das Tröstliche für mich ist, dass diese neue Sprache offenbar von den Menschen verstanden wird und sie selbst am meisten darüber erstaunt sind, dass sie uns (wieder) verstehen! Denn: geglaubt haben sie es eigentlich nimmer mehr, dass die Christen in der heutigen Zeit der Welt noch etwas mitzuteilen und zu geben haben.

Tröstlich für mich ist auch, dass aus einer bedrohlichen Kraft die Menschen spüren, dass dahinter etwas sehr Konstruktives und Kreatives steckt, nämlich die Schöpferkraft des Heiligen Geistes.

Ich wünsche uns allen, dass wir uns von dieser Kraft des Heiligen Geistes vertrauensvoll anstecken lassen und darauf vertrauen, dass das Pfingstereignis damals in Jerusalem kein einmaliges Pfingstwunder war.
Es kann und – daran glaube ich ganz fest – es wird auch heute in unserer Zeit wieder geschehen.
Lassen wir es zu und hindern wir den Heiligen Geist nicht, das göttliche Werk zu vollenden.