Zu den schönsten Augenblicken in meinem Dienst als Krankenhaus-Seelsorger gehört ohne Zweifel die Spendung der verschiedenen Sakramente (Eucharistie, Feier der Versöhnung, Krankensalbung, …)
Besonders bewegend finde ich es, wenn ich zu einer Krankensalbung gerufen werde, wo akute Lebensgefahr besteht oder der/die Patient:in sich bereits in der Sterbephase befindet. Immer häufiger sind dann auch engste Angehörige und/oder Freund:innen dabei.
Im Kreis der Lieben diese Sakramente zu empfangen, empfinde ich als sehr wichtig und auch hilfreich für den Menschen, dem diese Sakramente gespendet werden.
Besteht akute Lebensgefahr oder befindet sich der Mensch in der Sterbephase und kann sich selber nicht mehr äußern, spende ich die Krankensalbung und erteile eigentlich immer auch die sogenannte ‚Generalabsolution‘. Diese ist den Situationen vorbehalten, wo das Leben eines Menschen bedroht ist und er nicht mehr die Möglichkeit zum persönlichen Bekenntnis hat.
In diesen Situationen bietet die Kirche eine Generalabsolution ohne vorausgegangenem Beichtgespräch an.
Mir ist diese Form sehr wichtig, denn ich weiß, dass manche Menschen am Ende ihres Lebens von Schuldgedanken geplagt werden.
Damit sie aber gut und mit innerem Frieden diese Welt verlassen können – in dem Bewusstsein, dass nichts mehr zwischen ihnen und Gott steht – empfinde ich diese Form der Lossprechung als großes Geschenk.
Um es mit meinen – vielleicht etwas naiv anmutenden – Worten auszudrücken: Jesus Christus hat uns ein ‚Füllhorn der Gnade‘ anvertraut, aus dem ER reichlich geben will. Wir als SEINE Werkzeuge in dieser Welt, dürfen davon mit vollen Händen austeilen.
DAS ist für mich eines der größten und erfüllensten Momente in meinem Dienst als Krankenhaus-Seelsorger.
Gesegnete Ostern 2021
„frohe Ostern“ – kommt mir nicht so recht über die Lippen
Um es gleich vorweg zu nehmen: nein so richtig froh bin ich an diesem Osterfest nicht. Die „Freude“ steht mir nicht ins Gesicht geschrieben.
Quelle: www.pixabay.com
Jetzt könnte ich gleich den zweiten Schritt vor dem ersten machen und von meinem Glauben an die Auferstehung, von meinem Glauben an das ewige Leben schreiben, dass bei allen Umständen dennoch mein Glaubesgrund ist.
Aber ich möchte es wagen, doch erst einmal dabei etwas zu verweilen, warum mir der Gruß „Frohe Ostern!“ in diesem Jahr doch so gar nicht durch den Kopf geht und über die Lippen kommt. Ich finde, es ist gut, nicht darüber einfach hinweg zu gehen, macht mich doch meine heutige Stimmung auf etwas aufmerksam, was mir fehlt, wonach ich mich sehne.
Und dann kommt die Frage, welche Bedeutung es für mich hat und wie ich dennoch auch in diesem Jahr Ostern ‚feiern‘ kann?
„Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden!“ – dieser Zuruf gilt auch heute, Ostersonntag 2021. Die Wahrheit bleibt. Doch was sich ändert, ist, wie diese Wahrheit bei mir ankommt, mich erfüllt.
Bilder des Alten Bundes
Immer wieder kommen mir Bilder des Alten Bundes in den Sinn. Da lese ich von der Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch die Babylonier.
Stadt und Tempel waren mehr als nur Gebäude für das Volk Israel. Ihnen wurde ihre geographisches, ihr sozial-politisches und kulturell-religiöses Glaubenszentrum genommen. Es liegt in Schutt und Asche. Große Teile des Volkes sind nach Babylon verschleppt und geraten dort in Gefangenschaft (-> Babylonisches Exil)
Der Ort des Tempels war der Raum, wo das Allerheiligste stand, wo „Gott seine Wohnstatt unter den Menschen“ hatte.
Warum, so frage ich mich, kommen mir diese alten Erzählungen in den Sinn? Weil ich spüre, dass mir durch die Corona-Pandemie auch solche „Orte“ des Glaubens genommen worden sind. Sie sind zwar nicht endgültig verschwunden, aber sie machen das vertraute Glaubensleben schwer wenn nicht gar unmöglich.
Ich bin so kirchlich sozialisiert, dass Gottesdienste für mich wesentliche Quellen der geistlichen Zurüstung sind. Sicherlich gibt es dafür auch andere ‚Orte‘. Aber gewiss ist die Liturgie der Kar- und Ostertage in ihrer Einmaligkeit für mich ganz wichtig, das spirituelle Zentrum von Ostern zu erspüren.
Sicherlich kann man einwenden: damals war der Tempel nicht mehr. Doch heute ist das bei uns ganz anders. Wir machen unseren Glauben doch nicht an Orten fest! – Das ist richtig.
Und dennoch bringen wir unseren Glauben ritualisiert in unserer Kirche zum Ausdruck: in den verschiedensten Feiern und Formen von Gottesdiensten.
Ja, es ist richtig, dass in der Corona-Pandemie eine Vielzahl an Gottesdiensten angeboten wird: Gottesdienste ‚aus der Konserve‘, die man sich gleichsam wie aus einer Mediathek zu jeder beliebigen Zeit vorspielen lassen kann; sogenannten „livestreaming“-Gottesdienste, wo in einer Kirche ein Gottesdienst gefeiert wird und wir in Echtzeit über eine Videoschalte an diesem Gottesdienst ‚teilnehmen‘ können.
Für mich ist Letzteres aber keine wirklich Teilnahme. Meine Gottesdienstteilnahme lebt von Interaktion; ist echte personale Begegnung, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit und ‚aus der Bank‘ heraus; ist Gemeinschafterfahrung indem ich andere Menschen mit mir in Raum und Zeit wahrnehme.
Alles das können Gottesdienste ‚aus der Konserve‘ oder sogar Livestreaming-Gottesdienste für mich nicht leisten.
Jetzt könnten noch einige einwenden: Du bist doch Priester. Kannst du nicht ausnahmsweise eine Privatmesse „missa sine populo“ feiern? Meine Antwort ist ganz klar: NEIN! Auch für mich ist die Teilnahme und Mitfeier der Gemeinde wesentlicher Bestandteil eines Gottesdienstes und besonders der Eucharistie. (Natürlich gibt es Gottesdienste, die ich „allein“ feiere: ich denke da nur an die Tagzeitenliturgie, …)
Aber eine Eucharistie ohne interagierende Gemeinde ist für mich nicht denkbar.
Eine Form des Gottesdienstes, die auch gerade in unserer modernen Zeit möglich ist, ist ein ‚interaktiver Online-Gottesdienste‘ z.B. mittels ZOOM-Meeting-Platform. Am Gründonnerstag hat mein Kollege in der Krankenhaus-Seelsorge und ich einen solchen Gottesdienst vorbereitet und durchgeführt. Bei dieser Form kam etwas wie ein Wir-Gefühl auf; wir konnten vorher miteinander reden und auch sehen (Video); während des Gottesdienstes gab es ein Predigtgespräch und auch frei formulierte Fürbitten. Und anschließend ’saßen‘ wir noch bei einer Agapefeier beisammen. Bei entsprechender Gestaltung des Umfelds in der Nähe des PC/Laptop etc. kommt dann auch Gemeinschaftgottesdienstcharakter zustande.
Am Karfreitag und auch in der Osternacht war diese Form nicht möglich, weil uns einfach die Zeit zur sorgfältigen Vorbereitung fehlte.
Abgesehen von der Tagzeitenliturgie und einer Kreuzweg-Betrachtung am Karfreitag war es das mit Gottesdiensten für mich in den Kar- und Ostertagen.
Dies ist schade und traurig; dadurch stellt sich bei mir – auch in diesem Jahr wie im letzten – kein richtiges Osterfeeling ein, was mir sonst mit der Mitfeier der Liturgie widerfahren ist.
Daher drängt für mich die Frage:
Wie und wo kann ich mich an diesem Osterfest geistlich festmachen?
Österliches Gebet und österlicher Lobpreis wird vereinzelt und verinnerlichter vollzogen sein.
Denn: wenn sich auch äußere Umstände, die vertrauten, so radikal verändert haben: die Botschaft von Ostern ist und bleibt unveränderlich:
„Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaft auferstanden!“
Ich möchte diese Botschaft wieder einmal in meinem Leben verinnerlichen, mir ein-ver-leib-en. Ich wünsche und hoffe, dass diese Botschaft in mir den Mut und Impuls verstärkt, mich auf das Leben einzulassen und es als „neues“ Leben zu wagen.
Wir gut, dass die Osterzeit insgesamt fünfzig Tage dauert: da bleibt mir noch etwas Zeit, mich geistlich neu einzufinden in dieses Fest!
Empfang bestätigt!
In neun Monaten feiern wir Weihnachten
Neun Monate vor Weihnachten (dem symbolischen Geburtsfest Jesu Christi) begehen wir das Fest „Verkündigung des Herrn“
Die Szene wird den meisten von uns bekannt sein: der Erzengel Gabriel tritt zu Maria hinzu und verkündigt ihr, dass sie vom Heiligen Geist erfüllt das ‚ewige Wort vom Vater‘, SEINEN Sohn Jesus Christus empfangen habe.
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Traditionelle Bilder dieses ‚Geschehens‘ sind sehr plastisch, wie auch die biblische ‚Schilderung‘. Schließlich geht es ja um die Geburt eines Menschen und wir ‚wissen‘, dass in der Regel zwischen Geburt und Empfängnis neun Monate liegen. Aber so plastisch diese biblische Erzählung ist, so realistisch ist sie auch. Maria ist nicht voller geistlicher Entzückung, sondern eine sehr bodenständige junge Frau, die um die biologischen Vorgänge durchaus weiß: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“
Und auch heute gibt es Menschen, die dieses Ereignis zu sehr biologistisch sehen wollen. Aber lassen diese auch die kritische Frage Mariens zu?!
Verbunden: Glaube und Verstand
Maria ist taff – sie lässt sich trotz ihres Glaubens diese Begegnung mit dem Erzengel nicht gedankenlos über sich ergehen. In dem Wunderbaren verliert sie nicht ihren Verstand, sondern nutzt ihn. Glaube ist auch eine Sache des Verstandes.
Und der Engel antwortet. Aber er begründet dieses Empfängnis nicht biologisch, sondern ‚entführt‘ Maria mit seiner Argumentation quasi in überirdische Sphären, wenn er antwortet: „Heiliger Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ (vgl.
Der Engel versucht erst gar keine biologische Antwort. Er macht sofort deutlich, dass es hier um ein Geschehen aus dem Blickwinkel des Glaubens geht.
Ja, Glaube muss verständlich sein, aber lässt sich mit unseren irdischen Erfahrungen und Sinnen nicht immer begreifen.
Ich denke, darin liegt die spirituelle Spannung dieses Festes.
Es ist müßig, ja geradezu töricht, dieses ‚Ereignis‘ biologisch begreifen zu wollen.
Gabriel und Maria laden uns ein, dieses Geschehen mit dem Augen des Glaubens zu ‚verstehen‘.
Dann verliert dieses Erzählung alle realistische und plastische Klarheit und zeigt das Wahre dieses Festes vielleicht so, wie es ein Glaskünstler mit diesem Kirchenfenster versucht hat, in den Blick zu nehmen:
Hier ist konturen- und schemenhaft mit plastischen Mitteln dargestellt, was mit den Augen des Glaubens sehr konkret wird:
Ein Mensch (hier Maria) ist offen für die Ansprache Gottes in ihrem Leben. In dieser Offenheit für Gott blendet sie aber ihren Verstand nicht aus, sondern nutzt ihn, um zu ergründen und selber zu erkennen. Und sie erkennt und wird erkannt (‚erkannt werden‘ ist die biblische Umschreibung für den biologischen Geschlechtsakt), aber sie wird erkannt nicht mit der Potenz eines Mannes sondern ‚im Heiligen Geist durch die Kraft des Höchsten‘.
Als aufgeklärter und vernunftnutzender Theologe und Christ wird mir mit zunehmendem Alter klarer: Unser Glaube darf und kann sich nicht biologisch und durch Überlieferungen erklären, die wir allein historisch sehen und verstehen wollen.
Um wirklich Glaube sein zu können, muss unserer irdischer Verstand die Bereitschaft haben, die ‚Augen des Glaubens‘ zu nutzen, die uns dann jenen Durchblick verschaffen können, wo unsere leiblichen Augen vielleicht klar sehen, aber letztendlich allenfalls schemenhaft erkennen können.
Nicht die Empfängnis ist das wunderbare, das ich an diesem Tag in den Blick nehme, sondern dass Maria das, was mit ihr geschehen ist, mit den Sinnen des Glaubens erkennen und deshalb dazu ihr „Ad sum“ sagen konnte.
So wurde das biologisch scheinbar Unmögliche in ihr buchstäblich Wirklichkeit.
Verkündigung
Klar und schemenhaft glaubhaft und unglaublich himmlisch und irdisch zweifelhaft glaub-würdig