Auf dem „Tag der pastoralen Dienste“ unseres Bistums am vergangenen Donnerstag, haben sich Seelsorgende der verschiedenen Berufsgruppen getroffen, um über die Herausforderungen der Seelsorge in dieser Zeit zu diskutieren und zu beraten. Der Referent dieses Tages, Herr Andreas Feige, prägte den Satz:
„Wir müssen anschlussfähig bleiben für die verschiedenen Gottesbilder und für verschiedene Sozialformen der Kirche!“
Mag. Theol. Andreas Feige, Freiburg
Diese Aussage verbindet sich gut zu den Lesungen des 6. Sonntag der Osterzeit, zu dem der nachfolgende Impuls ist:
Der Heilige Geist – Wegweiser in Zeiten des Wandels
Wir leben in einer Zeit, in der sich vieles verändert – in der Politik, in der Gesellschaft und auch in der Kirche. Manche Dinge, die uns früher Sicherheit gegeben haben, verschwinden. Gewohnheiten, an denen unser Herz hängt, geraten ins Wanken.
Neue Lebensweisen, viele Kulturen und unterschiedliche Meinungen prägen unsere Welt. Das spüren wir auch in unseren Kirchengemeinden, im Glaubensleben – und vielleicht sogar in unserem eigenen Herzen.
Aber: Solche Zeiten des Wandels gab es immer schon.
Wenn wir in die Bibel schauen, sehen wir: Auch die ersten Christinnen und Christen standen vor großen Veränderungen. Nach Jesu Auferstehung und Himmelfahrt mussten sich die jungen Gemeinden neu orientieren. Sie hatten viele Fragen:
• Wer gehört zur Gemeinde?
• Können Menschen, die keine Juden sind, auch Christen werden?
• Müssen sie sich beschneiden lassen oder sich an jüdische Speisevorschriften halten?
• Was tun mit Menschen, die anders leben oder glauben?
Es ging also nicht nur um Regeln, sondern um die Frage: Wer sind wir als Kirche? Und es gab damals heftige Meinungsverschiedenheiten.
Kommt uns das bekannt vor?
Auch wir heute haben schwierige Fragen:
• Dürfen Menschen, die nach einer Scheidung wieder geheiratet haben, zur Kommunion gehen?
• Wie gehen wir mit homosexuellen Menschen in der Kirche um?
• Dürfen gleichgeschlechtliche Paare gesegnet oder sogar kirchlich getraut werden?
• Können wir gemeinsam mit Christinnen und Christen anderer Konfessionen das Abendmahl feiern?
• Und: Können Frauen zu Diakoninnen geweiht werden?
Diese Fragen sind nicht leicht. Sie betreffen unseren Glauben ganz direkt. Und oft sind Ängste damit verbunden – die Angst, dass wir unsere Identität verlieren. Die Angst, dass der Glaube verwässert wird. Oder dass wir mit unseren Traditionen brechen.
Und trotzdem: Jede Zeit hat ihre Fragen. Jede Gemeinde hat ihre Herausforderungen. Immer wieder geht es darum, diese Fragen im Licht des Evangeliums zu betrachten – und im Vertrauen auf den Heiligen Geist.
In der Apostelgeschichte (Kapitel 15) lesen wir von einem wichtigen Moment: dem sogenannten Apostelkonzil. Die Gemeinde in Jerusalem überlegte, wie sie mit den vielen Nichtjuden umgehen sollte, die Christen wurden.
Am Ende sagten sie: „Der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch nur wenige Dinge aufzuerlegen: Ihr sollt kein Götzenfleisch essen, kein Blut, nichts Ersticktes und keine Unzucht treiben.“ (Apg 15,28)
Man könnte sagen: Die ersten Christinnen und Christen fanden einen Kompromiss. Aber nicht aus Angst, sondern aus Vertrauen. Sie vertrauten darauf, dass Gott durch seinen Geist wirkt – nicht durch äußere Regeln. Sie schlossen niemanden aus. Sie öffneten die Tür.
Auch nach dieser ersten Einigung blieb es nicht friedlich: In Antiochia gerieten Paulus und Petrus in Streit, weil Petrus sich aus Angst vor streng gesetzestreuen Juden-Christen plötzlich von der Mahlgemeinschaft mit Heiden-Christen zurückzog. Paulus kritisierte dieses Verhalten im Galaterbrief als unehrlich, da für ihn alle Christen gleich waren – unabhängig von ihrer religiösen Herkunft.
Es ging wieder in erster Linie nicht nur ums Essen – sondern um die Frage: Wie weit reicht unser Glaube? Trauen wir Gott zu, dass er größer ist als unsere Grenzen?
Petrus musste erst mühsam lernen, was Gott ihm in einer Vision zeigte, die im 11. Kapitel der Apostelgeschichte berichtet wird: „Was Gott für rein erklärt hat, das nenne du nicht unrein.“ (Apg 11,9)
All das zeigt uns: Die Kirche ist kein festes, unbewegliches Gebäude. Sie ist etwas Lebendiges.
Menschen diskutieren, machen Fehler, kehren um, lernen dazu. Und mitten in allem ist der Heilige Geist – damals wie heute.
Jesus hat uns diesen Geist versprochen. Er sagte: „Der Heilige Geist wird euch lehren und euch erinnern an alles, was ich euch gesagt habe.“ (Joh 14,26) Und: „Meinen Frieden gebe ich euch – nicht wie die Welt ihn gibt.“ (Joh 14,27)
Dieser Friede ist kein Zustand, in dem alles ruhig ist. Sondern ein Weg – ein Weg des Zuhörens, des Miteinanders, des Vertrauens.
Frieden wächst nicht durch Verbote oder Machtworte. Frieden entsteht, wenn der Heilige Geist unsere Herzen bewegt – und unsere Gemeinden.
Darum: Bleiben wir offen für diesen Geist. Stellen wir unsere Fragen. Hören wir einander zu. Gehen wir miteinander.
Nicht alles müssen wir sofort lösen. Aber wir können losgehen. Im Vertrauen auf Gott. Gemeinsam.
Zu Christus …
Christus, Bruder, ich habe gelernt: wer sich zu dir bekennt bildet Gemeinschaft mit jenen, die sich ebenfalls zu dir bekennen. Diese Gemeinschaft – deine Jünger:innen – sind Kirche, die ‚ekklesia‘.
Schau auf diese Gemeinschaft in dieser Zeit, da so viel Fehlerhaftes und so viel Schuld zu Tage tritt.
Ich frage mich, wie ich noch dazu gehören kann? Und dann merke ich: ich gehöre zu DIR!
Es geht in allen Fragen der Kirche auch um die Frage:
Welchen Platz hast du in ihrem Leben? Welchen Platz hast du in meinem Leben, damit ich weiterhin zu DIR und damit zur Kirche gehören kann?!
Deshalb komme ich heute zu DIR mit meinen Fragen, mit meinen Zweifeln, mit dem Gefühl, es nicht mehr (er)tragen zu können.
Wenn es stimmt, dass DU nur durch UNS in dieser Welt wirken willst, dann kann ich doch gar nicht anders, als BEI DIR und in der Kirche zu bleiben, denn DU bist doch ihr Dreh- und Angelpunkt!
Also komme ich heute zu DIR und bitte DICH um deinen Rat und Beistand, um deinen Geist: hilf uns, uns immer an DIR fest zu machen aus deinem Geist zu glauben und zu leben.
Hilf uns in dieser Zeit immer wieder und inniger zu beten.
Das Gebet ist die Verbindung, die die Reben am Rebstock halten.
Binde du mich immer enger an DICH!
Zeige mir, zeige uns, was gut und richtig, was nötig ist in dieser Zeit.
OHNE DICH sind wir – deine Kirche – nur ein Haufen von Menschen die sich irgendwie organisieren und reden von Gott und von dir und dem Heiligen Geist.
Wirke du! WIR brauchen DICH!
(c) Gerd Wittka, 24.09.2023
Kassenloses Einkaufen …
… und die Zukunft der Kirche
Heute sah ich einen TV-Bericht, wie in einem deutschen Bahnhof ein Pilotprojekt läuft. Es geht um ein kleines Geschäft, in dem die Kund:innen kassenlos einkaufen können. Wer sich zuvor über eine Smartphone-App registriert hat, bekommt den Zugang zum Laden und kann sich seine Ware einfach so in die eigene mitgebrachte Tasche stecken. Wenn dann alles ‚gekauft‘ wurde, verlässt die Kundin/der Kunde einfach den Laden, ohne sichtbar zu bezahlen. Die Erfassung der gekauften Ware erfolgt über Kameras und die Bezahlung online und bargeldlos.
Dieser Bericht endete dann jedoch mit einem gegenteiligen Beispiel:
In einer Kleinstadt gibt es einen Supermarkt, in dem es eine ‚Plauder-Kasse‘ gibt. Hier können sich Kund:innen nach alter Tante-Emma-Laden-Sitte einen Plausch mit der Kassiererin gönnen, ohne dass gleich andere Kund:innen dahinter stehen und nervös werden. Denn: wer sich an diese Kasse stellt, darf (und muss) sich zwangsläufig etwas mehr Zeit lassen (wollen). Hier wird der persönliche Kund:innen-Kontakt groß geschrieben.
Vorbild für heutige Kirche?
Und was haben diese Shopping-Beispiele nun mit der Kirche zu tun? – Soll die Kirche der Zukunft etwa so eine Art ‚Selbstbedienungsladen‘ sein? (Manche haben schon seit vielen Jahren die ‚Sorge‘, dass das passieren könnte. Ob die Sorge aber berechtigt ist, ist noch nicht beantwortet.)
Ich erkenne an diesen Shopping-Beispielen etwas, was durchaus auf die Kirche übertragen werden kann.
Denn: die Menschen in der Kirche sind keine homogene Gruppe. Die Menschen kommen mit unterschiedlichen Biographien und Glaubenserfahrungen in unser kirchliches Leben (wenn sie denn noch kommen!). Und sie haben auch unterschiedliche Ansprüche und Bedürfnisse, gerade was die spirituelle Dimension ihres Lebens angeht.
Manche sind wie die Kund:innen in diesem kassenlosen Laden. Sie sind registrierte Mitglieder und in bestimmten Phasen ihres Lebensweges kommen sie an diesem kassenlosen Geschäft vorbei und denken sich: „Ach, da kann ich ja noch etwas Proviant für meine Reise mitnehmen. Aber ich will das buchstäblich im Vorbeigehen und auch ohne großen Aufhebens erledigen!“ Für solche Menschen ist dieses kassenlose Geschäft sicherlich situativ die richtige Lösung, um ihre Anliegen und Bedürfnisse zu ihrem Recht kommen zu lassen. Ähnliche Ansprüche und Bedürfnisse finden wir auch bei vielen Menschen, die die Angebote unserer Kirche nutzen wollen.
Und dann gibt es jene, die verbinden mit dem Shopping (um im obigen Beispiel zu bleiben) viel persönliche Begegnung und auch den Austausch mit anderen. Sie wollen nicht anonymisiert durch den Laden ‚cruisen‘. Sie möchten wahrgenommen werden; vielleicht schon von Anfang an am Eingang persönlich begrüßt werden. Und sie möchten Ansprechpartner:innen haben, wenn sie ein bestimmtes Produkt suchen, es aber nicht finden. Am Ende möchten sie auch nicht so stickum den Laden verlassen. Sie möchten sich bis zum Ende begleitet wissen durch menschlichen Kontakt, der sich nicht auf das rein Formale beschränkt, sondern zu einem Ort der persönlichen Begegnung und Beziehung wird.
Es ist ein Leichtes, dieses letzte Beispiel auf die Bedürfnisse vieler Menschen zu übertragen, die die Dienste der Kirche nicht nur gelegentlich in Anspruch nehmen wollen. Wir persönlich kennen viele von denen, die ihr Glaubensleben in und mit der Kirche als ein ganzheitliches Geschehen verstehen, dass auch sehr persönlich ist. Sie verbinden das kirchliche Leben mit einer sehr persönlichen Beziehungserfahrung, wo ihnen buchstäblich „An-sehen verschafft“ wird durch Menschen und nicht durch seelenlose Scan- und Überwachungskameras!
Kirche als Dienstleisterin
Bei diesem Schlagwort werden sicherlich einige Katholik:innen zusammen zucken! Kirche ist doch keine Dienstleisterin, sagen sie. Kirche sie eine Gemeinschaft von Menschen, die an Jesus Christus glauben! Theoretisch und theologisch haben sie Recht!
Doch was nützt eine solche formale Gemeinschaft, wenn Menschen sie nicht als Gemeinschaft erleben und erfahren, sondern eigentlich nur als eine Institution oder Organisation, noch dazu, die Aussagen macht, die ihr persönliches Leben ziemlich direkt betrifft?!
Ich habe zunehmend die Sorge, dass unsere Kirche mehr und mehr gefährdet ist, menschlich apathisch zu sein!
Dabei brauchen wir gar nicht auf die Spitze der Kirche in Rom oder auch auf Bistumsleitungen zu zeigen. Bereits bei uns in den Pfarreien liegt das Problem. Ich könnte hier sehr konkrete Beispiele aus der Nähe nennen. Ein wichtiges Thema ist z.B. das Thema ‚Wertschätzung ehrenamtlicher Arbeit in der Pfarrei‘, weitere Themenkomplexe wären die Behandlung von Themen, die eine Alltagsrelevanz für die Menschen betreffen, wie:
‚Sexualität und Glaube‘,
medizin-ethische Fragen bei existentiellen Behinderungen, Erkrankungen oder am Lebensende,
geistliche Begleitung von Einzelpersonen,
Förderung geistlicher oder gemeinschaftsstiftender Initiativen,
moralische Verantwortungsübernahme zur Gestaltung von Gesellschaft und Staat
Integrationsförderung von Menschen unterschiedlicher Ethnien, Religionszugehörigkeiten oder Weltanschauungen in das lokale Lebensumfeld,
sozial-caritatives Engagement im Stadtteil …
Stattdessen:
Wir machen und tun, organisieren und veranstalten: doch all das wirkt ritualisiert und vielleicht sogar hohl, wenn etwas nicht mehr im Zentrum unseres kirchlichen Lebens steht:
Der Mensch als Individuum mit seinen eigenen und sehr persönlichen Ansprüchen, Erwartungen und auch existentiellen geistlichen Sehnsüchten, die einher gehen mit ganz elementaren menschlichen Bedürfnissen.
Erinnern wir uns noch an die Worte Jesu, wenn Menschen zu ihm kamen und ihn um Hilfe und Heilung baten?
„Was willst DU, das ich DIR tue?“ (vgl. Lk 18,41)
Diese Frage muss auch zur Leitfrage all unseres kirchlichen Lebens und Handelns werden. Sonst kann kirchliches Leben in einer zunehmenden säkularen Gesellschaft weder Sauerteig noch Salz der Erde sein.
Bilder – wenn nicht näher angegeben: www.pixabay.com
Nachtrag:
Aus gegebenem Anlass und angesichts der erschreckenden Meldung über die noch nie dagewesene Austrittswelle in unserer katholischen Kirche möchte ich hier meine Einleitung zum sonntäglichen Gottesdienst widergeben.
Warum sind wir heute eigentlich hier? Die Nachrichten der letzten Tage über die nie da gewesene Austrittswelle aus der katholischen Kirche lässt diese Frage berechtigt erscheinen!
Warum bin ich heute hier? Was suche ich, im Gottesdienst und in der Gemeinschaft hier?
Benedikt beschreibt als wichtigste Voraussetzung zur Aufnahme in den Orden, dass der Bewerber „Gottsuchender“ sein muss, nicht mehr aber auch nicht weniger.
Gott zu suchen, sich von ihm für unseren Alltag inspirieren zu lassen, kann eine Grund sein, warum wir trotzdem hier und nicht „eigentlich noch hier“ sind.
Gerd Wittka, Einleitung zur Eucharistiefeier am 13. Sonntag im Jahreskreis – A – 2023
Impuls zum 5. Sonntag der Osterzeit – Lesejahr A – 2023
Wer in letzter Zeit eine Wohnung gesucht hat, weiß ein Lied davon zu singen: Der Wohnungsmarkt ist hart umkämpft. Bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung, ob als Eigentum oder zur Miete, muss man viel Geduld mitbringen. Angebracht ist es auch, keine zu konkreten Vorstellungen von seiner Traumwohnung zu haben.
Die Werbung verspricht nicht selten das „Blaue vom Himmel“ mit Zusätzen wie:
Wer sich auf die Suche nach einer Wohnung macht, die fast exakt auf die eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse zugeschnitten ist, wird jedoch enttäuscht werden: entweder gibt es eine solche Wohnung nicht oder sie ist unbezahlbar.
Also bleibt einem kaum was anderes übrig, als sich einzuschränken, wenn man nicht gleich selber bauen will. Aber auch das ist bei den steigenden Zinsen für viele momentan kaum möglich.
Ist man dann in seiner Wohnung, wird man sich entweder mit den Zuständen arrangieren müssen oder man wird hier und da merken, dass es nicht so richtig passt. Schnitt oder Größe sind nur suboptimal.
Da muss man doch bei Sätzen wir: „In meines Vaters Haus gibt es viele Wohnungen!“ „Ich gehe, um für euch einen Platz vorzubereiten!“ skeptisch werden!!!
Ein Bekannter vertritt im Hinblick auf Werbeaussagen oft den Standpunkt: „Es ist immer das Gegenteil von dem, was versprochen wird!“
Vielleicht ist dieser Standpunkt arg skeptisch oder pessimistisch. Aber die Erfahrungen lehren uns, dass diese Haltung nicht immer falsch ist.
Im heutigen Evangelium gibt es – ich drücke es mal flapsig aus – auch solche ‚Werbeaussagen‘ für zukünftige Immobilien.
Voranschicken muss ich zum besseren Verständnis, dass dieses Evangelium und seine Aussagen sehr oft zu einseitig verstanden werden. Die Wohnungen, von denen da berichtet wird, bezieht sich nicht in erster Linie auf unsere Bleibe nach unserem irdischen Leben, auch wenn dieser Schrifttext gerne bei Beerdigungen benutzt wird. Dieser Text möchte viel stärker einen Bezug auf das Hier und Jetzt legen.
Was ist also die Botschaft des heutigen Evangeliums?
Viele Wohnungen = Platz für jeden, zumindest für viele? Es wird nicht an Wohnungen mangeln…!
Einen Platz für euch vorzubereiten! – Bedeutet dass, dass das keine 08/15-Fertigbauweise, kein sozialistischer Plattenbau ist. Der Ort wird erst noch für mich geschaffen? Wird er dann meinen Bedürfnissen und Erfordernissen gerecht werden? Oder dürfen wir so nicht fragen?!
Heute, als ich auf dem Behandlungsstuhl beim Zahnarzt saß, kam mir ein Gedanke, den ich interessant fand:
Kennen Sie Häuser und andere Gebäude von Friedensreich Hundertwasser?! – Genau dessen Gebäude kamen mir in den Sinn, als ich über das Evangelium nachdachte.
Quelle für alle Bilder: www.pixabay.com
Die Häuser Hundertwassers sind nicht am Reißbrett entstanden. Man hat eher den Eindruck, sie sind aus dem Boden gewachsen. Die organischen Formen, die vielen unterschiedlichen Fenster und Türen, kunstvolle Ornamente und Schmuckelemente, die ebenfalls wie gewachsen sind und alle Farben der Natur sind in vielen seiner Gebäude zu finden. Es gibt quasi kaum lineale oder rechte WinkelFormen.
So, wie Hundertwasser Häuser gestaltet hat, so charakteristisch stelle ich mir die vielen Wohnungen vor, die Jesus für uns bereitet.
Für sich allein betrachtet, erscheint jede Wohnung und die Wände, Fenster und Türen darin ganz individuell. Damit werden die Wohnungen auch zum Sinnbild unserer gottgewollten Individualität. Gott möchte keine uniformen Menschen!
Jede Wohnung in den Hunderwasser-Häusern fällt nicht aus dem Rahmen und wirkt nicht störend! Sondern die Vielfalt der verschiedensten Wohnungen in Form und Farbe ergeben in ihrer Gesamtheit ein harmonisch wirkendes Gebäude. Man kann sich nicht sattsehen an der Fülle und Einzigartigkeit der verschiedenen Elemente!
Hundertwasser-Häuser können für mich deshalb ein Bild für die Kirche Jesu Christi bilden:
Kirche als ein Gebilde, das einen recht organischen Rahmen für die Gemeinschaft bildet. Aber dieses Gebilde ist in der Gesamtheit nicht nach „Schema F“ erbaut, sondern sein Gesamtbild wird geprägt durch die einzelnen individuellen Wohnungen im Haus, sowohl außen wie innen.
Manchmal denke ich, dass Jesus mit seiner Vision von „Haus meines Vaters mit den vielen Wohnungen“ Inspirator für die Gestaltung der Hundertwasser-Häuser gewesen ist!
Denn genau so stelle ich mir Kirche vor: als eine bunte und individuelle Gemeinschaft von Individuen, die in der Summe ein recht spannendes, kreatives und inspirierendes Haus ergeben, dessen Schlussstein Jesus Christus selber ist, der alles zusammen hält.
Und wenn ich hier in die Runde schaue, dann finde ich, dass wir in unserer Gemeinschaft versuchen, ein solches Haus zu bilden.
Möge unsere Gemeinschaft auch in Zukunft zu einem Haus werden für jene, die ihre Individualität als Geschenk und als Reichtum der Gemeinschaft empfinden und sich hier geboren und angenommen wissen.
Synodaler Weg am Scheideweg
Sperrminorität der Bischöfe verhinderte menschenwürdige Sexuallehre
Beim Synodalen Weg sollte es nun in der vierten Sitzungsperiode Entscheidungen geben. Das erste Papier handelt von einer Neuausrichtung der kirchlichen Sexuallehre der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. Darin ging es auch um die Umsetzung empirischer Erkenntnisse über die Vielfalt menschlicher Geschlechtlichkeit im Alltag der Kirche und für die Menschen von heute.
Blankes Entsetzen in den Augen vieler Synodale, als das Präsidium das Abstimmungsergebnis bekannt gab. Offenbar hatten einige Bischöfe während des ganzen Beratungsprozesses nicht mit offenen Karten gespielt und dadurch eine synodale Auseinandersetzung auch mit anderen Überzeugungen als die der Mehrheit der nicht-bischöflichen Teilnehmer:innen unmöglich gemacht.
Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Steht daher fest und lasst euch nicht wieder ein Joch der Knechtschaft auflegen!
Galater-Brief Kapitel 5 Vers 1
Das wirft ein groteskes Licht auf das, was eigentlich der Sinn des Synodalen Weges in Deutschland ist: der offene und bisweilen auch kontroverse Dialog zwischen der kirchlichen Hierarchie und den ebenso geistbegnadeten Nicht-Kleriker:innen in unserer Kirche. Denn nur so könnte wirklich eine Bewegung auf Zukunft hin geschehen, die die Kirche in Deutschland nicht zerreißt.
Stattdessen wurde ein unsichtbarer Spaltpilz gepflanzt und gepflegt, dessen Fruchtkörper nun seine schädlichen Sporen entlassen hat.
Akteur:innen der Initiative „Out in church“ titeln indessen um in „Out of church“!
Ungehindert(e) voranschreiten!
Nun geht es aber darum, ungehindert weiter voranzuschreiten und sich nicht durch das strategische Kalkül mancher Bischöfe davon abbringen zu lassen, was wirklich not-wendig ist: der Umbau einer Kirche in eine Kirche für die Menschen mit einem menschlichen Antlitz!
Aus dem ‚Geist der Freiheit‘ dürfen wir uns als Ungehinderte verstehen, die diesem Geist und dem eigenen Gewissen als letzte Entscheidungsinstanz verpflichtet sind!
Da wo wir sind, wirken, gehen und stehen, liegt es an uns, unbeirrt den Weg weiterzugehen, der die Menschen in ihrer ganzen sexuellen Vielfalt respektiert und sie nicht ausschließt von der Verheißung des Herrn:
Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.
Wie kann man heute noch Kirchweihfest feiern, wenn allenthalben Kirchen geschlossen werden und unsere Kirche von Skandalen in ihren Grundfesten erschüttert werden? Ein Impuls zu einem gestrigen Kirchweihfest einer Kirche in Oberhausen-Schmachtendorf.
Kirchweihfest, heute, an diesem Sonntag in St. Josef. Kein wirklich üppiges Fest – Gemeindefest wurde ja schon vor einigen Wochen, vor den Ferien gefeiert.
Kirchweihfest – In Zeiten, wo Kirchen geschlossen werden, schon etwas besonders. Diese Kirche scheint ‚gerettet‘ – A-Standort. Dafür gibt es viele gute Gründe.
Aber der A-Standort sagt nichts darüber aus, was Kirche St. Josef heute ist. A-Standort ist mehr eine Festlegung auf die Zukunft hin.
Die Verantwortlichen haben sich gedacht: hier, an diesem Ort, könnte sich eine Vision von Kirche der Zukunft entwickeln, gerade in diesem Ortsteil, der so vielfältig ist, wo die Menschen wohnen, zur Arbeit oder zur Schule gehen, aber auch ihre Ärzte aufsuchen, ihre Blumen kaufen und Autos auftanken. Hier in Schmachtendorf gibt es eigentlich die ganze Bandbreite gesellschaftlichen Lebens und Zusammenlebens. Da – so die Überzeugung unseres Bischofs – darf auch unsere Kirche nicht fehlen.
Ein Grund warum St. Josef A-Standort ist. Aber kein Grund, sich auszuruhen, so nach dem Motto: „Der Kelch ist an uns noch einmal vorüber gegangen.“
Kirchweihfest 2022 in St. Josef bedeutet – nicht nur für die Menschen hier aus St. Josef sondern in der ganzen Pfarrei – diesen Standort weiter zu entwickeln, Visionen in Handlungen umzusetzen. Einen Ort den Menschen in der heutigen Zeit zur Verfügung zu stellen, wo sie zur Ruhe kommen, ausruhen, geistlich auftanken und beten können.
Kirchweihfest bezieht sich zwar auf dieses Gebäude aus Steinen. Aber ich denke, dass dieses Fest angesichts der derzeitigen Situation in unserer Kirche deutlicher umgedeutet werden muss auf die Kirche, die aus ‚lebendigen Steinen erbaut‘ ist.
Und dann hält das heutige Evangelium nämlich auch zu diesem Kirchweihfest eine wichtige Botschaft bereit: Kirche ist die Gemeinschaft derer, die sich immer wieder zu Füßen Jesu setzt, ganz bewusst und auch als Gemeinschaft und sich von ihm her inspirieren lässt um dann zu anderer Zeit deutlich zu machen, dass Kirche sich nicht sich selbst genügen kann, sondern eine Kirche mitten unter den Menschen ist.
So gewinnt unsere Kirche aus lebendigen Stein vor Ort hier in Schmachtendorf und für die Menschen in Schmachtendorf eine neue, ganz konkrete Bedeutung.
Nachbemerkung:
Als der Organist, der gestern Abend Dienst tat, vorschlug, am Ende des Gottesdienstes das sehr triumphalistische Lied: „Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land …“ singen zu lassen, habe ich ihn gebeten, auf dieses Lied zu verzichten. Angesichts der derzeitigen Lage in der Kirche mit den noch immer mangelhaft aufgearbeiteten Missbrauchsfällen sexualisierter Gewalt, halte ich solche Lieder für fehl am Platze.
Braucht es noch Erntehelfer:innen im Acker Gottes?
Am 14. Sonntag (2./3.7.2022) hören wir im Evangelium von der Aufforderung Jesu, für Erntehelfer:innen im Acker Gottes zu beten. Doch ist dieses Gebet überhaupt noch nötig in der gegenwärtigen Zeit der Kirche und angesichts massiver Kirchenaustritte? Dazu meine Predigt an diesem Sonntag, die ich hier etwas mehr mit konkreten Beispielen ‚unterfüttert‘ habe.
„Zeitenwende“ – so nennt Olaf Scholz das, was in mir Erinnerungen der 1970er und 80er Jahre hervorruft: Strategie der Abschreckung, NATO-Doppelbeschluss, Kalter Krieg, Angst vor einem Atomkrieg…
Viele von uns, die wir hier heute sitzen, dürften diese Begriffe bekannt sein.
Diejenigen, denen diese Begriffe nichts mehr sagen, fehlen zumeist auch heute hier in der Kirche, denn auch in unserer Kirche leben wir seit einigen Jahren in einer Zeitenwende. Jüngere Menschen erreichen wir an unseren ‚Pastoralen Standorten‘, wie wir es heute nennen, nur noch sehr schwer.
Erst vor wenigen Tagen kam die Meldung, dass weniger als 50% der Bevölkerung in Deutschland einer der beiden großen Kirchen (römisch-katholisch oder evangelisch) angehören.
Innerhalb unserer eigenen Kirche in Deutschland gibt es eine große Unruhe und viel Bewegung. Wir erleben in unserer Kirche eine historische Phase, die zuletzt wohl nur mit der Zeit der Reformation verglichen werden kann.
Mit einem Unterschied: damals gehörten fast alle Menschen in Deutschland zu einer christlichen Kirche, wenn sie nicht zum Judentum gehörten.
Wenn wir die aktuellen Kirchenaustrittszahlen sehen, stellen Viele als erstes die Frage, wie das gestoppt werden kann?!
Eine fatale Frage, weil sie versucht, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Viel wichtiger scheint mir, erst einmal zu schauen, warum die Menschen aus der Kirche austreten!
Denn, die schwindende Akzeptanz der Kirche(n) ist Folge einer zunehmenden Bedeutungslosigkeit der Kirchen.
Es wäre ein Irrtum, daraus auf eine zunehmende Bedeutungslosigkeit des Glaubens oder des Religiösen zu schließen.
Im Gegenteil: heute suchen die Menschen mehr denn je nach religiösen Angeboten. Die Esoterik hat seit vielen Jahren großen Zulauf.
Ich denke oft, die Menschen sind nicht weniger religiös, sondern weniger kirchlich geworden.
Woran kann das liegen?
Eine vollständige Analyse lässt sich hier nicht liefern.
Aber ich möchte einen Aspekt mal heraus greifen, der symptomatisch für die Situation in unserer Kirche ist.
Wir setzen oft amtskirchliche Lehraussagen mit Glauben gleich. Doch das ist ein Irrtum!
Kritiker, die die heutige Reformbewegungen (z.B. Synodaler Weg) in unserer Kirche ablehnen, sind sehr schnell mit Äußerungen bei der Hand, dass man sich von den Glaubenswahrheiten entferne, die in unserer Kirche gelten.
Dabei geht es den Menschen heute gar nicht um diese Glaubenswahrheiten, sondern es geht ihnen um ihren Glauben, um ihre eigene und persönliche Religiösität.
Ob sie zur Geltung kommen kann, entscheidet oft darüber, ob Menschen in der Kirche bleiben oder nicht. Oder anders ausgedrückt: ob die Menschen in unserer Kirche eine religiöse Heimat finden, ist das oft das Entscheidende, nicht, ob sie den Aussagen des Lehramtes zustimmen.
Vor einigen Tagen habe ich begonnen, ein kleines Büchlein zu lesen. Es trägt den Titel: „Wie werde ich ein Christ?“ – Es gibt auszugsweise Texte des christlichen Philosophen Sören Kierkegaard (aus Dänemark) wider.
Sören Kierkegaard um 1840. Bild: gemeinfrei
„Was mir eigentlich fehlt, ist, dass ich mit mir selbst ins reine darüber komme, was ich tun soll, nicht darüber, was ich erkennen soll. (…) Es kommt darauf an, meine Bestimmung zu verstehen, zu sehen, was die Gottheit eigentlich will, das ich tun solle; es gilt, eine Wahrheit zu finden, die Wahrheit für mich ist, die Idee zu finden, für die ich leben und sterben will. Und was nützte es mir dazu, wenn ich eine sogenannte objektive Wahrheit ausfindig machte; wenn ich mich durch die Systeme der Philosophen hindurcharbeitete (…) was nützte es mir, dass ich die Bedeutung des Christentums entwickeln und viele einzelne Erscheinungen erklären könnte, wenn es für mich selbst und mein Leben keine tiefere Bedeutung hätte?…“
„Wie werde ich ein Christ – Sören Kierkegaard – Texte vom Glauben, Präsenzverlag 2013, S. 29f. *1
Sören Kierkegaard unterscheidet hier ganz deutlich zwischen religiösen Wahrheiten und einem persönlichen Glauben, der für das ganz persönliche und individuelle Leben bedeutsam ist.
Und genau an dieser Stelle bricht Kirchlichkeit und persönliche Religiosität heutzutage auseinander.
Und in ihrer persönlichen Religiosität sind die Menschen auch heute immer noch Suchende.
Diese Suche nach Gott ist übrigens schon für Benedikt von Nursia das entscheidende Kriterium dafür, zu entscheiden, ob Anwärter in ein Kloster aufgenommen werden können. Die Suche nach Gott geht nämlich einer Sehnsucht nach Gott voraus, die sich konkretisiert in religiösen Fragen und auch praktischem religiösen Tun.
Im Psalm 14 finden wir das Wort: „Der Herr blickt vom Himmel herab auf die Menschen, ob noch ein Verständiger da ist, der Gott sucht.“
Suchen wir also in unserer Kirche, in unseren Gemeinschaften, an unseren ‚Standorten kirchlichen Lebens‘ noch die Menschen, die Gott suchen? Gehen wir dabei über die Kreise der Menschen hinaus, die sowieso immer noch zu uns kommen?
Hier deutet sich schon an: konkrete Nachfolge ist auch das Suchen und Aufsuchen der Menschen, die auf der Gottsuche sind.
Natürlich können wir dabei bei uns selber anfangen, aber wir dürfen dabei nicht stehen bleiben, dürfen keine Nabelschau betreiben.
Die eigene Gottsuche, aber auch die der anderen – teils unbekannten Menschen – ist die Suche nach der Bedeutung und Alltagstauglichkeit meines Glaubens, unseres Glaubens.
Wenn die Kirche und ihr Dienst für die Menschen nicht mehr für deren konkretes Leben bedeutsam sind, dann werden die Kirchen überflüssig und bedeutungslos.
Der französische Bischof Jaques Gaillot hat einmal den Satz getan: „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts!“
Eine Kirche also, die die Lebensrealitäten der Menschen nicht wahrnimmt oder sie sogar nach ihrer eigenen Doktrin umzumodeln versucht, ist fehl am Platze.
Und da sind wir bei vielen konkreten Beispielen in unserer Gesellschaft.
Wenn es z.B.
um die Frage nach der Geschlechtergerechtigkeit geht,
wenn es darum geht, wie Menschen heute gut und sinnvoll leben könnten,
wenn Angst und Sorgen der Menschen auch Auswirkungen hat auf gegenseitige und gesellschaftliche Solidarität,
wenn Menschen versuchen, ihrer Geschlechtlichkeit auf die Spur zu kommen und merken, dass es nicht nur Mann und Frau gibt, sondern eine große biologische Vielfalt, die für betroffene Menschen zu einer echten Herausforderung wird, sich selber zu finden.*2
Wenn es darum geht, das Thema „sexualisierte Gewalt“ konkret vor Ort auch zu behandeln, also in unseren Gemeinschaften offen und ohne Tabus darüber zu sprechen und in der Breite die Verhinderung solcher Verbrechen zum Thema zu machen.
Wenn es darum geht, dass Menschen sich die Frage stellen, ob und wie lange sie sich dem unheilbaren Leiden am Leben und an einer Krankheit aussetzen müssen, ohne für sich entscheiden zu dürfen, wann es gut ist.
Allein diese letzte Frage, ist so brandaktuell und ich kann nicht sehen, dass wir uns in unseren kirchlichen Gemeinschaften vor Ort damit beschäftigen. Dabei geht es überhaupt nicht zuerst um die Frage des „assistierten Suizids“, sondern schon allein um die Frage, ob wir Menschen zur Seite stehen, die durch passive Verhaltensweisen sagen: „Nun ist es genug!“ – Gemeint ist das sogenannte „Sterbefasten“. – Haben Sie schon mal etwas davon gehört?! – Nein?
Kurzer Exkurs zu „Sterbefasten“
Beim Sterbefasten geht es um ein Verhalten von alten und/oder kranken Menschen, die sich ähnlich – wie Eliah (s.u.!) – sagen: „Nun ist es genug!“ und durch bewussten Verzicht auf Nahrung und Trinken ihren Sterbeprozess unterstützen wollen. Für Zugehörige oft eine krasse Situation, weil sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, weil sie sich nicht die Frage gestellt haben, ob ein solches selbstbestimmtes Sterben auch ethisch und moralisch akzeptabel sein kann. Viel Leid entsteht durch eine solche Verunsicherung auf beiden Seiten.
Ich nenne nur ein Beispiel: eine demenzerkrankte Person verweigert bewusst die Aufnahme von Essen und Trinken. Ist es da wirklich ethisch und moralisch geboten, diese Person gegen ihren eigenen Willen über eine Magensonde mit Nahrung oder über eine Infusion mit Flüssigkeit zu versorgen?
[1 Kön 19,4-5: Er selbst (Eliah) ging eine Tagereise weit in die Wüste hinein. Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. Er sagte: Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben; denn ich bin nicht besser als meine Väter.Dann legte er sich unter den Ginsterstrauch und schlief ein.]
Selbst für den gottesfürchtigen Propheten Eliah gab es die Option, sein Leben durch Nahrungs- und Getränkeverweigerung ein Ende zu setzen. Allein der Hinweis Gottes, dass ER noch einen Auftrag für ihn habe, durchkreuzte Eliahs Pläne.
An dieser Stelle möchte ich keine voreilige ethische Bewertung zu diesem Themenkomplex vornehmen, sondern möchte dafür sensibilisieren, dass das konkrete Fragen und Herausforderungen heutiger Menschen mitten unter uns sind. Vielleicht stellen Sie sich sogar selber solche Fragen? Wo sind wir also als Kirche bei den Menschen und in solchen Fragestellungen?!
Und so sehen wir, dass wir in unserem etablierten kirchlichen Leben oft nur Platz haben für ganz bestimmte Vorstellungen und Arten von kirchlichem Leben und Themen und die Frage nach der persönlichen Religiosität quasi keinen adäquaten Platz findet.
Wenn Jesus uns als heute uns also auffordert: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter:innen für seine Ernte auszusenden!“ – dann müssen wir wohl gleichzeitig darum beten, dass wir die Augen dafür geöffnet bekommen, wo die Menschen um uns herum (uns selber eingeschlossen) nach Gott in ihrem Leben suchen und in ihrer konkreten Lebenssituation religiöse Fragen haben und Antworten suchen.
*1: Ursprüngliche Quelle:
Das Zitat stammt aus seinen Tagebüchern Band 1, S. 16f (Tagebucheintrag „Gilleleie, den 1. Aug. 1835“)
erschienen in: Sören Kierkegaard, Gesammelte Werke und Tagebücher, übersetzt und herausgegeben von Emanuel Hirsch, Hayo Gerdes und Hans Martin Junghans, Grevenberg Verlag Dr. Ruff & Co. OHG, Band 28: Die Tagebücher, Erster Band, Simmerath 2003.
Wirtschaftliche Situation von Pfarreien darf nicht zu sozialer Ungerechtigkeit führen
Heute möchte ich etwas thematisieren, bei dem ich in meiner Kirche sicherlich nicht nur auf wohlwollende oder gar positive Reaktionen stoßen werde. Wieder einmal muss ich einen Bereich entdecken, wo meine Kirche unglaubwürdig und sogar unsozial ist.
Diesmal geht es um die Situation von Honorarkräften, die in unseren Kirchengemeinden im Einsatz sind und zwar am Beispiel der Kirchenmusik.
Sparpotential – Personal oder Immobilien?
Personen, die über die wirtschaftliche Lage unserer Pfarreien im Bild sind, wissen, dass dort ein erheblicher Sparzwang besteht. In manchen Pfarreien gibt es einen nötigen Sparzwang von mindestens 30%, manchmal auch bis zu 50% gegenüber guten Zeiten vor einigen Jahren.
Das hat dazu geführt, dass Pfarreien sehr sorgfältig überlegen mussten, wie sie mit ihrem Budget umgehen. Wo können wir Einsparungen vornehmen? Welche Bereiche sollen davon zuvorderst betroffen sein: Immobilien oder Personal?
Manche Pfarreien und in ihnen die verantwortlichen Gremien haben sich für Einsparungen beim Personal entschieden, zu Gunsten einer Aufrechterhaltung von vorhandenen Immobilien wie Kirchen, Pfarrheimen etc.
Technische Dienste und Kirchenmusik besonders betroffen
Hier sind angefangen von den technischen Diensten, wie Hausmeister:innen und Raumpflegekräfte über Mitarbeitende in der Verwaltung, aber auch die Mitarbeitenden im Bereich der Kirchenmusik besonders betroffen.
Mache Pfarreien beschäftigen nur noch eine hauptamtliche Person für den Bereich der Kirchenmusik. Diese Person ist zumeist auch zuständig für die Koordinierung von kirchenmusikalischen Einsätzen, wie die musikalische Mitgestaltung von Gottesdiensten als Organist:innen.
Da die hauptamtliche Person für die Kirchenmusik nicht alle anfallenden Gottesdienste gestalten kann, greifen die Pfarreien auf Honorarkräfte zurück, die für die einzelnen Gottesdienste bezahlt werden.
Und hier setzt ein großes Problem an, das mir in den letzten Tagen erst so richtig bewusst wurde …
Die unsoziale Bezahlung von Honorarkräften in der Kirchenmusik
Ausgehend von einem sehr konkreten Fall ging ich der Frage nach, wieviel ein:e Kirchenmusiker:in als Honorarkraft für die Mitgestaltung eines Gottesdienstes bekommt. Gemeint waren da ganz reguläre Gemeindegottesdienste (Hl. Messen oder Wort-Gottes-Feiern) am Sonntag.
Was da für mich zu Tage trat, finde ich erschütternd und lässt mir dir Schamesröte ins Gesicht steigen.
Vergütungssätze von € 20,00 bis € 50,00
Ich erfuhr, dass in manchen Pfarreien oder Einrichtungen die Kirchenmusiker:innen auf Honorarbasis lediglich € 20,00 pro Gottesdienst erhalten!
Das empfinde ich als einen Skandal!
Wenn ich bedenke, dass manche von ihnen diese Tätigkeit nebenamtlich ausführen, also dieser Verdienst zum regelmäßigen monatlichen Einkommen zählen muss, dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln.
Honorarkräfte müssen von diesen €20,00 selber ihre Sozialversicherung(en) bezahlen; die Summe dieser Einnahmen fließen mit ein in das zu versteuernden Einkommen eines Jahres. Davon müssen dann auch die Kosten für die Anfahrt zum Einsatzort bezahlt werden, denn in der Regel gibt es keine Fahrkostenerstattung.
Entscheide selbst: Ist eine solche Bezahlung okay?! Läppische € 20,00 für einen Einsatz vor Ort von ca. 45 Minuten, dazu noch Anfahrtszeit und -kosten sowie Vorbereitungszeiten?!
Vergütungsunterschiede sind eklatant
Doch damit nicht genug! Man könnte ja noch argumentieren, dass das die ‚ortsüblichen‘ Beträge sind, die bei solchen Einsätzen für Honorarkräfte bezahlt werden.
Meine Recherchen haben ergeben, dass im selben Bistum, wenige Kilometer weiter, ebenfalls in katholischen Pfarrgemeinden die Honorarkräfte € 35,00 für genau dieselben Einsätze bekommen. Das sind 75% Prozent mehr! Und in der Regel wird auch nicht nach Qualifikation oder Ausbildung unterschieden: ausgebildete C-Musiker:innen erhalten den selben Betrag wie Musiker:innen ohne kirchenmusikalischen Abschluss. Jene, die davon ihr monatliches Einkommen bestreiten müssen, erhalten denselben Betrag wie jene, die sich als Rentner:innen noch ‚etwas dazu verdienen‘ wollen resp. müssen.
Und um noch eins drauf zu setzen: In evangelischen Kirchengemeinden erhalten im selben Gebiet (Stadt oder Bistumsgebiet) diese Honorarkräfte bis zu € 50,00 pro Einsatz. Das sind mehr als das Doppelte von dem, was Kirchenmusiker:innen in den ersten genannten Kirchenorten erhalten!
Frage dich selber, ob du das ‚gerecht‘ findest?! – Ich nicht! Ich empfinde es als ungerecht und unsozial und es grenzt an Ausbeutung!
Das ist ein Affront gegen die Glaubwürdigkeit meiner Kirche, wenn sie sich woanders gegen soziale Ungerechtigkeiten äußert oder gar einsetzt.
Wie damit umgehen? – Streik !
Als erstes finde ich, dass solche Zustände offen aufgedeckt werden und auch öffentlich wahrgenommen und diskutiert werden müssen.
Als nächstes finde ich, dass betroffene Kirchenmusiker:innen sich darüber im Klaren werden müssen, wie mit ihnen umgegangen wird? Und sie können überlegen, wie sie sich dagegen wehren können!
Kirchenmusiker:innen können die rote Karte zeigen
Verweiste Manuale und Pedale einer Orgel können uns darauf stoßen: Ohne Kirchenmusik fehlt etwas Wichtiges in unseren Gottesdiensten – Bild von falco auf Pixabay
Aus einer Pfarrei ist mir zu Ohren gekommen, dass die Kirchenmusiker:innen, die auf Honorarbasis dort im Einsatz waren, sich untereinander solidarisiert haben und gegen eine solche unsoziale Bezahlung gestreikt haben. Sie haben sich nicht auseinander dividieren lassen, sondern durch ihren Streik deutlich gemacht, dass ohne ihren Dienst etwas Wesentliches im Leben der Kirche fehlt! Da wurde das Problem offensichtlich und sowohl Verantwortliche in den Pfarreien wie auch die Mitglieder der Pfarrei mussten sich mit diesem Thema auseinandersetzen.
Die Folge war, dass trotz angespannter Haushaltslage und Sparzwängen, die Vergütung für Kirchenmusiker:innen auf Honorarbasis auf € 35,00 angehoben wurde. Das ist – unter Berücksichtigung der Aufwendungen und Abzüge – noch immer keine reiche Entlohnung, aber ein erster Schritt für gerechtere Entlohnung!
Damit haben die Kirchenmusiker:innen auf ein Ungerechtigkeit hingewiesen und zugleich deutlich gemacht:
Kirchenmusik ist kein ‚Nebenbei‘ in unseren Gottesdiensten, sondern wesentlicher Bestandteil unserer Liturgie.
Wer bekennt, dass die Kirchenmusik einen hohen Stellenwert im Gottesdienst und in der Spiritualität einer Kirchengemeinde hat, der kann jene, die dieses Geschäft mit der Kirchenmusik betreiben, nicht mit Almosen oder Brosamen abspeisen.
Denn das ist den Kirchenmusiker:innen gegenüber unsozial und der kirchlichen Liturgie gegenüber unwürdig!
Viele meiner seelsorglichen Kolleginnen und Kollegen haben es vor mit unternommen, sich in den letzten Tagen zu dem alles dominierenden Thema in meiner Kirche zu äußern: dem Gutachten über den Umgang des Erzbistums München-Freising mit Fällen von sexualisierter Gewalt durch Geistliche in den letzten Jahrzehnten.
Braucht es da auch noch Äußerungen von mir? Wird sie überhaupt gewünscht, gewollt, wahrgenommen oder gelesen?
Viele Gedanken und Gefühle prägen meinen Alltag in diesen Tagen und eigentlich ist alles noch so chaotisch, unstrukturiert und wenig stringend.
Gefühle …
Da gibt es diese Gefühle von tiefer Traurigkeit, wenn ich an das Leiden der Opfer und Betroffenen denke, da gibt es Wut und Zorn, Ohnmacht und Ratlosigkeit und zugleich ein inneres Verlangen, nicht weiter zuschauen zu wollen. Wie gerne würde ich auf den Tisch hauen …!!!
… und Gedanken
Und dann gibt es viele Gedanken:
Was ist mit den Opfern und Betroffenen? Was ist jetzt zu tun, damit nicht nur geredet, geredet und zerredet wird, sondern tatsächlich etwas geschieht, das auch zeitnah Entlastung und Hilfe bringt?
Was ist mit unseren Schwestern und Brüdern in den Gemeinden, in der Kirche vor Ort? Wo haben sie Gelegenheit und Räume und Orte, so sie ihre Gedanken und Befindlichkeiten, ihren Frust, ihre Wut, ihre Ratlosigkeit lassen können; und wo wir sie mit ihnen teilen?
Wo und wie kann ich mich geistlich festmachen, damit mich die Wut und der Zorn nicht herunter zieht und mich nicht so sehr bindet und lähmt und ich dadurch unfähig bleibe, mit dieser Situation umzugehen und aktiv bleiben kann? Lethargie kann kein angemessener professioneller Umgang sein!
Worauf kann ich in dieser Zeit vertrauen und hoffen?
Wie kann ich anderen behilflich sein: den Betroffenen und Opfern, den Schwestern und Brüdern, denen, die mich tagtäglich als Seelsorger beanspruchen und ich eben nicht immer oder mehr um mich selber kreise, weil es mir „mit dieser ganzen Situation doch sooo schlecht geht.“ ? – [ Ohne Zweifel: ich würde mich eher wundern, wenn es mit oder anderen meiner Kolleg:innen in dieser Zeit gut geht. Und ich finde es auch wichtig, dass wir das öffentlich machen, damit andere spüren, dass diese Thematik auch uns nicht unberührt lässt. Aber zugleich möchte ich vermeiden, dass wir bei aller Selbstwahrnehmung nur öffentliche Nabelschau betreiben. Ich möchte, dass wir wieder darauf zurück kommen, was unsere Aufgaben sind: als Seelsorger:innen auch Seelsorge zu leisten; und dies natürlich in aller Offenheit und Bereitschaft, nötige Veränderungen voran zu treiben.]
Meine Sprachlosigkeit lässt mich schweigen. Doch mein Schweigen darf nicht endlos sein und mich von der Verantwortung und Verpflichtung befreien, dort zu reden und zu agieren, wo es nötig ist und wie es meinem Auftrag entspricht. Die Herausforderung ist, sich dieser Thematik mit aller Dringlichkeit zu stellen, ihr den Platz zuzubilligen, den sie jetzt haben muss und zugleich auch die anderen Aufgaben nicht aus den Augen zu verlieren.
Das ist ein Spagat und unsere Herausforderung in dieser Zeit.
Wer sich ernsthaft mit sexualisierter Gewalt auseinandersetzt, sich wirklich intensiv mit dem Leiden der Opfer und Betroffenen beschäftigt und das alles auch wirklich an sich heran lässt, ist in Gefahr angesichts des Grauens solcher Taten und ihrer Folgen sprachlos zu werden.
Doch gerade das darf nicht passieren: Sprachlosigkeit darf nicht in unendliches Schweigen oder gar in Lethargie münden! Das wäre Wasser auf die Mühlen derer, die nach wie vor vertuschen und relativieren wollen; die noch immer nicht verstanden haben oder wollen …!
Was es jetzt braucht …
In dieser Zeit suche ich selber nach geistlichen Impulsen, die mir helfen, nicht (mehr) sprachlos zu sein, nicht in Lethargie und Untätigkeit zu verfallen, nicht zu resignieren oder gar weg zu laufen. Ich spüre in mir die Aufforderung, zu bleiben und die Notwendigkeit, das zu tun, was ich tun muss, auch wenn es nicht viel ist.
In meiner Suche stieß ich – mal wieder – auf die Regel des heiligen Benedikt, des Vaters des abendländischen Mönchstums.
Im Prolog gibt es einen Absatz, der mir in dieser Zeit ein hilfreicher Impuls ist:
„… Stehen wir also endlich einmal auf! Die Schrift rüttelt uns wach und ruft: „Die Stunde ist da, vom Schlaf aufzustehen.“ Öffnen wir unsere Augen dem göttlichen Licht und hören wir mit aufgeschrecktem Ohr, wozu uns die Stimme Gottes täglich mahnt und aufruft: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!“ Und wiederum: „Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“ Und was sagt er? „Kommt, ihr Söhne, hört auf mich! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren. Lauft, solange ihr das Licht des Lebens habt, damit die Schatten des Todes euch nicht überwältigen.“ Und der Herr sucht in der Volksmenge, der er dies zuruft, einen Arbeiter für sich und sagt wieder: „Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?“ Wenn du das hörst und antwortest: „Ich“, dann sagt Gott zu dir: „Willst du wahres und unvergängliches Leben, bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor falscher Rede! Meide das Böse und tu das Gute; suche Frieden und jage ihm nach! Wenn ihr das tut, blicken meine Augen auf euch, und meine Ohren hören auf eure Gebete; und noch bevor ihr zu mir ruft, sage ich euch: Seht, ich bin da.“…“
aus: Regel des heiligen Benedikt, Prolog
Aus diesem Prolog nehme ich Worte wahr, die mir nachgehen und mich buchstäblich heraus-fordern. Eine Kollegin und Freundin von mir, Sr. Bonifatia Keller OP, (sie war Dominikanerin und ich habe mit ihr lange in der Gefängnisseelsorge gearbeitet) hatte ein fast schon geflügeltes Wort, wenn es nicht so lief, wie wir es erhofft hatten: „Lass es uns noch mal versuchen!“
Immer wieder konnte sie diesen Satz sagen und ich hatte nie den Eindruck, dass es eine hohle Floskel war, sondern das dieser Satz aus ihrem Mund etwas Energisches und Kraftvolles hatte. Hinter diesem Satz stand noch ganz viel Motivation, weiter zu machen, trotz Rückschlägen oder vermeintlicher Erfolglosigkeit.
Sie hat mir vorgelebt, was Benedikt in seinem Prolog schreibt: unsere (geistigen und geistlichen) Augen dem göttlichen Licht in unserem Leben zu öffnen, d.h. danach Ausschau zu halten, was Gottes Geist uns in dieser Zeit sagen und zeigen will!
Dass gerade in dieser Zeit ich wieder mehr an Pfingsten und Geistsendung denken muss, scheint mir kein Zufall zu sein. Kann nicht gerade diese Zeit eine Hoch-Zeit des Heiligen Geistes sein? Muss sie es nicht sogar sein? Angesichts der Turbulenzen, der emotionalen Betroffenheit und der Notwendigkeit einer moralischen und geistlichen Reinigung können wir uns nicht auf uns allein verlassen: auf unseren (heiligen) Zorn, auf unsere Empathie!
Das alles kann Antrieb und Motivation sein, aber darin liegt selbst nicht die Antwort auf das, was jetzt von uns getan werden kann und muss.
„Ohne SEIN lebendig Weh’n, kann im Menschen nichts besteh’n, kann nichts heil sein und gesund…“ – so heißt es in der Pfingstsequenz.
Ich spüre in dieser Zeit, dass wir auch wieder mehr nach dem Heiligen Geist rufen müssen, dass wir durch sein Wirken unsere Augen dem göttlichen Licht öffnen können und mit aufgeschreckten Ohren hören, was Gottes Stimme uns in dieser Zeit mahnt; dass wir unsere Herzen in dieser Zeit nicht verhärten unter dem Eindruck von Trauer, Wut, Schmerz, Zorn sondern zu hören, was SEIN Geist uns und unseren Gemeinden sagen will.
Geist Gottes, du Heilige, Geistkraft! Mein Sprechen, meine Worte, sie scheinen nicht ausdrücken zu können, was in mir vorgeht. Trauer, Wut und Ratlosigkeit bestimmen mein Dasein; ich kann und mag meinen Blick und meine Gedanken nicht abwenden von dem Leid und der Gewalt unter dem Deckmantel kirchlichen Lebens durch jene, die eigentlich die frohe Botschaft bezeugen sollen. Mein Glaube von einer Kirche, die das Gute und der Liebe Raum geben will, ist erschüttert.
Ich möchte mich halten, klammern an das, was mich hält und nicht ab-hält weiter zu wirken an das, was ich glaube:
dass Jesus Christus
Liebe und Befreiung
nicht nur gepredigt, sondern gelebt hat
damit diese Liebe und Befreiung auch heute noch Wirk-lichkeit ist.
Geist Gottes, ruach du Heilige, Geistkraft atme du in mir wo mir die Luft weg bleibt;
deine Geistkraft durchdringe mich wo ich mich nicht aufraffen kann;
lass es mich aushalten an der Seite der Opfer und Betroffenen stehen zu können
und an einer Kirche mitwirken von der ich glaube, dass du sie SO nicht gewollt hast.
Befähige uns zu einer Geschwisterlichkeit, in der wir uns gegenseitig stützen und bestärken
im Einsatz für eine Kirche
nach DEINEM Willen.
(05.02.2022, Gerd Wittka)
„Bei euch aber soll es nicht so sein…“
Predigt zum 29. Sonntag im Jahreskreis – 16./17.10.2021
Wissen Sie, wie man unter Seelsorgerinnen und Seelsorgern eine lebhafte Diskussion anfachen kann? Man muss als Kollege einfach nur mal den Satz fallen lassen: „Wir sind doch alle Dienstleister!“
Dienstleister
Schon werden sich spontan welche finden, die so in etwa sagen: „Nein! So kann man das nicht sagen! Wir können uns nicht sehen wir andere Dienstleistungsunternehmen, deren Leistung man so einkaufen kann.“ Andere wiederum sagen: „Doch, wir sind auch Dienstleister:innen, aber wir sind nicht – wie kommerzielle Dienstleister – wirtschaftlich Handelnde. Unser Dienst wird nicht vom „Kunden“ bezahlt (abgesehen von Gebühren, die für bestimmte kirchliche Handlungen vorgenommen werden).“
Ohne hier diese Diskussion weiter präsentieren zu wollen, glaube ich, dass diese Diskussion sehr gut unter dem Licht des heutigen Evangeliums betrachtet werden kann.
Ich selber bin davon überzeugt, dass wir als Seelsorgende durchaus Dienstleister:innen sind, aber sicherlich nicht im kommerziellen Sinne.
Jesus selbst formuliert die Nachfolge als einen Dienst, wenn er im Johannesevangelium in Kapitel 12,26 sagt: „Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein.“ Nachfolge Christi ist für ihn also ganz klar ein Dienst an dem Herrn.
Der frühere französische Bischof von Évreux, Jaques Gaillot, schrieb mal ein Buch mit dem Titel: „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts!“
Allein dieses Zitat ist geeignet, sich in einer geistlichen Übung mit dem Verständnis des Dienstes der Kirche und der in ihr tätigen Seelsorgenden zu beschäftigen. Ich vertrete ganz klar die Auffassung, dass unsere Aufgabe ein Dienst ist und das unsere seelsorgliche Leistung eine Dienst-Leistung ist und zwar in dem oben genannten Verständnis von Nachfolge Christi.
Heute hören wir zugleich von Jesus einen zweiten Aspekt seiner Sendung: „Denn der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“
Der Herr Jesus Christus versteht sich also zugleich als Diener! Jesus Christus versteht sich also in einer Art Doppelrolle, als HERR, dem jene dienen, die ihm nachfolgen wollen und zugleich als Diener, um sich selber FÜR andere aufzuopfern.
Problematisch wird es nur, wenn jene, die ein Amt in der Kirche ausüben, dieses Doppelverständnis Jesu auch auf sich selber übertragen, nämlich Diener und Herren zugleich sein zu wollen!
In unserer Zeit erfahren wir mit aller Wucht, welche Bedrohungen von so einem Selbstverständnis in der Vergangenheit ausgegangen ist und heute auch noch immer möglich ist. Ich möchte nur einige Stichworte nennen, die es – bis in unserem heutigen Sprachgebrauch – benennen: „Hochwürdiger Herr“ – „Hochwürden“ – „Pfarrer“ = Pfarrherr, „Monsignore“ = mein Herr, „Prälat“ = der Vorgezogene, „Eminenz“ = der Herausragende, ….
Dies alles sind – noch – gebräuchliche Anreden und Titel in unserer Kirche, die von ihrem Wesen her automatisch mit Macht verbunden werden und die den Unterschied zu anderen in Kirche und Gemeinde buchstäblich zementieren. Solche Titel und Bezeichnungen bergen auch die Gefahr, das Bewusstsein derer zu verändern, auf denen solche Titel angewandt werden oder die sogar solche Titel im alltäglichen Sprachgebrauch für sich einfordern.
Allein an diesem sprachlichen Beispiel können wir erkennen, dass wir uns in unserer Kirche dringend mit dem Thema „Macht“ beschäftigen müssen, gerade auch mit der vermeintlichen Macht der Seelsorgenden und zwar in erster Linie die der Kleriker.
Damit verbunden sind notwendige Auseinandersetzungen mit den Erfahrungen von missbrauchter Macht, die nicht nur zwischenmenschlich sondern sogar auch geistlich zu Tage tritt.
„Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und (…) ihre Macht gegen sie missbrauchen…“ – so hörten wir gerade im Evangelium.
Im Zusammenhang mit der Enttarnung sexualisierter Gewalt durch Kleriker in unserer Kirche ist das Thema „geistlicher Missbrauch“ sehr deutlich geworden.
So geht es heute nicht mehr!
Beide Themen haben zwangsläufig nichts miteinander zu tun! Sexualisierte Gewalt ist auch ohne geistlichen Missbrauch möglich und geistlicher Missbrauch geht auch ohne sexualisierte Gewalt. Aber wenn sexualisierte Gewalt durch Kleriker ausgeübt wird, dann geht das eigentlich immer mit geistlichem Missbrauch einher.
Geistlicher Missbrauch kann dabei schon viel früher beginnen; nämlich da, wo man in der Ausübung des seelsorglichen Dienstes die ratsuchende Person manipuliert, wo man ein Verhalten oder ein Geschehen bewertet, beurteilt oder gar Personen verurteilt und dies mit einer geistlichen oder religiösen Begründung versieht.
Ich thematisierte dieses so deutlich – wenn auch nicht ausführlich, weil es den Rahmen einer Predigt immer sprengen würde -, um diese Themen im öffentlichen Raum aus der Tabu-Zone zu holen.
Denn immer noch wird darüber in unserer Kirche viel zu viel geschwiegen.
Die Medien sind voll von diesem Thema, aber es ist eine Schande, dass wir vor Ort uns kaum offensiv mit diesem Thema des Missbrauchs – ob sexuell oder geistlich – beschäftigen.
Noch immer gibt es, auch hier bei uns in Oberhausen, die Scheuklappen vor dieser Thematik.
Da reicht es nicht aus, dass wir im Seelsorgeteam Präventionsbeauftragte haben, die dieses Thema bis in die Basis bringen wollen. Die Widerstände auch in unserer Pfarrei, sich dem Thema Vorbeugung zu stellen, sind noch allzu sichtbar.
Sie merken, liebe Schwestern und Brüder, das heutige Evangelium hat – wenn wir es ernst nehmen und in unseren Alltag in der Kirche herunterbrechen – eine explosive Brisanz.
Denn es geht nicht nur um die Frage, welchen Platz wir einst im Himmel einnehmen werden. Es geht vielmehr darum, ob wir ehrlich und glaubwürdig hier auf Erden und zum Wohle der uns anvertrauten Menschen uns breit mit diesen Themen beschäftigen, bei denen es letztendlich um das seelische und geistliche Überleben von Menschen oder deren seelischen und geistlichen Tod geht.
es würde mich sehr wundern, würden viele von uns, die wir das heutige Evangelium gehört haben, irgendwann nicht auch auf das Thema „Kirchenaustritt“ und die neuesten Entwicklungen kommen.
Wir könnten leicht versucht sein, dieses Evangelium oberflächlich und 1:1 auf die heutige Zeit zu übertragen. Wir könnten leicht versucht sein, zu sagen: „Heute ist es ja nicht viel anders als damals. Auch heute verlassen Menschen die Kirche und wollen scheinbar nicht mehr mitgehen.“
Aber Vorsicht! Vielleicht ist das genau zu kurz gedacht.
Schauen wir uns den Text etwas genauer an: Da gibt es wieder diesen einen Satz, den wir als Schlüsselsatz verstehen dürfen, der uns die Vorzeichen benennt, unter denen wir diesen Text ent-schlüsseln müssen: „Der Geist ist es, der lebendig macht. Das Fleisch nützt nichts!“
Damit spricht Jesus einen Punkt bei den Juden an, der mit der Frage zusammenhängt, wie ein Mensch Jude bzw. Jüdin wird. Wesentlich und in erster Linie spielt da die Rolle, ob Mutter oder Vater jüdisch ist. Die Geburt, die Abstammung von den Eltern ist hier also primär maßgeblich. Durch die anschließende Beschneidung tritt ein Junge dann dieser Bundesgemeinschaft bei.
Es gibt also mehr oder weniger einen „Automatismus“ bei der Zugehörigkeit zum Judentum: die Geburt, also „das Fleisch“ ist maßgeblich.
Doch dieses Verständnis kratzt Jesus im heutigen Evangelium an. Nach ihm ist nicht die Herkunft für die Zugehörigkeit maßgeblich, sondern die Gesinnung, der Glaube und die damit einhergehende Entscheidung für den Glauben und für eine Nachfolge Christi.
Diese Tradition des ‚entschiedenen‘ Christen hat sich im Laufe der Kirchengeschichte verfestigt, auch wenn es Zeiten gab, wo der/die einzelne nicht zum Christentum übertrat, sondern: wenn der „pater familias“ zum christlichen Glauben übertrat, dann trat mit ihm „das ganze Haus“ zum christlichen Glauben über, also alle Familienangehörigen, selbst die Sklaven im Haus.
Beziehen wir das heutige Evangelium aber auf die Frage nach Kirchenaustritt und Zugehörigkeit zu Christus, dann lohnt sich ein genauerer Blick auf die Entwicklung in diesem Bereich.
Als ich vor über 25 Jahren Priester wurde, konnte man im großen und ganzen berechtigterweise die These vertreten: Wer aus der Kirche austritt, vollzieht damit nur den letzten Schritt. Vorausgegangen waren zumeist schon eine längere innere und äußere Loslösung von der Kirche und evtl. sogar auch vom christlichen Glauben. Der Kirchenaustritt erschien damals zumeist als logischer Schritt einer inneren oder auch geistlichen Entfernung von christlichem Glauben und von der Kirche. Für uns Seelsorger:innen hieß das auch zumeist: „Der Zug ist abgefahren!“. So schnell würde man diese Menschen nicht wieder zurück gewinnen können. Mit diesen Menschen müsste man den Glaubensweg wieder neu starten.
In den letzten Jahren können wir – auch unter dem Einfluss des Skandals über sexuellen Missbrauch in der Kirche und durch kirchliche Mitarbeitende und auch das starre hierarchische Handeln der Kirche – aber eine andere Entwicklung feststellen. Menschen sind verärgert, frustriert und verletzt, wie unsere Kirche mit bestimmten Themen umgehen. Darunter sind sogar Menschen, die sich bis zum eigentlichen Austritt teilweise persönlich und sehr engagiert in der Kirchengemeinde eingebracht haben, z.T. in verantwortlichen Aufgaben und Positionen in Gremien oder als Ehrenamtliche in der Verkündigung (Kommunionhelfer:innen, Lektor:innen, Messdiener:innen, ….).
So höre ich in letzter Zeit häufiger folgende oder ähnliche Statements: „Ich trete aus der Kirche aus, aber ich bleibe ‚katholisch‘!“ oder „Ich trete aus der Kirche aus, aber ich bleibe nach wie vor überzeugte/r Christ:in!“
Christ:in sein – ohne Kirche?
Ich will jetzt gar nicht die theologische Frage stellen zwischen überzeugtem Christentum und ‚Zugehörigkeit zur Kirche‘. Aber diese Beobachtungen lassen eine weitere Frage aufscheinen:
Bedeutet Zugehörigkeit zu Christus gleichzeitig Zugehörigkeit zur Kirche? Oder: kann ich auch als ausgetretene/r Katholik/in auch weiterhin katholisch und Christ:in sein?
Viele von denen, die formal aus der Kirche ausgetreten sind, beantworten diese Fragen sehr klar, entschieden und eindeutig mit: „Ja!“
Ich finde, dass ist ernst zu nehmen. Denn sie sagen damit: Mein Christsein und mein Kirchesein wird nicht in erster Linie geprägt von einer formalen Mitgliedschaft zu einer Kirche, zu der ich vielleicht sogar eher unfreiwillig, d.h. durch die Entscheidung der Eltern (also dem „Fleische nach“?) gekommen bin. Mein Verständnis von Christsein und Kirchesein ist entscheidend von meiner eigenen Entscheidung her zu verstehen, also von dem, was meinem Geiste als freie Entscheidung entspringt.
Mir ist klar, dass manche Dogmatiker:innen jetzt heftig die Stirn runzeln werden. Aber das ist für mich zweitrangig. Für mich ist viel wichtiger, diese Geisteshaltung dieser Menschen ernst zu nehmen, denn dahinter verbirgt sich was ganz Wertvolles: sie haben nicht abgeschlossen mit dem christlichen Glauben, sie haben nicht abgeschlossen mit der christlichen Gemeinschaft. Sie haben oft nur abgeschlossen mit einer organisatorischen Institution, die ihnen oft so widersinnig erscheint: widersinnig im Hinblick auf den christlichen Glauben.
Und: sie haben ihr Bekenntnis zu Jesus Christus dadurch erneuert. Sie sagen damit: Christus und der Glaube an ihn und seine Botschaft spielen in meinem Leben weiterhin ein große Rolle. Die Worte Jesu und seine Botschaft sind für diese Menschen weiterhin „Geist und sind Leben“. Ihr Leben würde ohne den christlichen Glauben, ohne die Zugehörigkeit zu Christus, ohne christliche Nachfolge, leer sein.
Sie antworten auf die Frage des Herrn: „Wollt auch ihr gehen!“ auch heute wieder: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Wortes des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“
Wenn wir diesen Gedanken an uns heranlassen und ihn zulassen, dann wird aber zwangsläufig eine weitere Frage auftauchen:
Wie ist es mit uns, die wir (noch) in der Kirche geblieben sind? Wo sind wir (nur noch) „dem Fleische nach“ Christ:innen? Und wo und wie könnten wir mehr und bewusster „dem Geiste nach“ Christ:innen sein und glaubwürdiger werden; dem Geiste nach, der uns (wieder) lebendig macht?
Formales Christentum, formale Zugehörigkeit zur Kirche ist wertlos.
Dem Geiste nach zu Christus zu gehören ist wesentlich, ob als Mitglied der Kirche oder nicht (mehr).
Regenbogenflagge an Kirche zerstört
Symbolfoto: www.pixabay.com
Unbekannte haben offenbar aus Homohass eine Regenbogenfahne an der St. Josef-Kirche in Oberhausen-Schmachtendorf zerstört.
Auf der Homepage der Pfarrei St. Clemens in Oberhausen-Sterkrade habe ich heute den Bericht gefunden, dass eine Rainbow-Flag vor der St. Josef-Kirche in Schmachtendort mutwillig zerstört wurde. Dabei wurde auch der Flaggenmast beschädigt.
Ich finde, das ist an Niedertrachtkaum zu überbieten! Er ist zudem ein Zeichen einer Feigheit, den öffentlichen Diskurs zu suchen; einen Diskurs, dem sich heute die römisch-katholische Kirche nicht länger verweigern kann.
Ich verurteile diesen zerstörerischen Akt aufs Entschiedenste!
Jetzt erst Recht: Farbe bekennen und Flagge zeigen!
Foto: Gerd Wittka, 2021
Anschlag bestätigt meine Haltung
Interessant ist aber auch, dass diese Sachbeschädigung mich in einer persönlichen Haltung bestätigt, die ich gerne hier ausführlich erläutern möchte:
Unser Bischof Franz-Josef Overbeck hat mich darum gebeten, als Vertreter der römisch-katholischen Kirche des Bistums Essen am ökumenischen Gottesdienst zum CSD/ruhrpride in Essen mitzuwirken. Seit 2019 übernehme ich diese Aufgabe nun auch gerne ganz offiziell (vorher habe ich schon inoffiziell daran mitgewirkt).
Dieser Gottesdienst hat sonst immer in der evangelischen Marktkirche in Essen stattgefunden. Bedingt durch die Corona-Pandemie mussten wir in 2020 kurzfristig einen größeren Kirchenraum finden. Uns wurde daher von der Pfarrei St. Gertrud in Essen deren Kirche angeboten. Dankbar haben wir das Angebot angenommen. Zugleich wussten wir aber auch, dass einige aus der Community die Schwelle einer römisch-katholischen Kirche nicht übertreten würden, weil sie immer wieder zu spüren bekommen, dass ihr „So-Sein“ in meiner Kirche keine vorbehaltlose Anerkennung und den nötigen Respekt erfährt. Sie erfahren – auch durch aktuelle höchstkirchliche Verlautbarungen – immer wieder Ablehnung und werden dadurch persönlich verletzt. Dass diese Menschen (vorerst) keine römisch-katholische Kirche betreten, kann ich sehr gut verstehen.
Heute bekam ich die Anfrage, ob wir – wegen der Coronaumstände – wieder in die Kirche St. Gertrud gehen könnten und ich mich darum kümmern würde. Aber dieses Ansinnen lehne ich ab!
Jetzt kann man vordergründig fragen: Warum? Ist es nicht ein schönes Zeichen, wenn ein solcher Gottesdienst in einer römisch-katholischen Kirche stattfindet?
Ja, es wäre unter normalen Umständen ein sehr gutes und wichtiges Zeichen, wenn meine Kirche hier glaubwürdig wäre. Sie ist es aber nicht!
Auch wenn unser Bischof und unser Generalvikar eine respektvolle, wertschätzende Haltung zu diesem Thema einnehmen (die unmissverständlichen Äußerungen unseres Bischofs und unseres Generalvikars zu dem Verbot homosexueller Partnerschaften aus Rom legen davon ein beredtes Zeugnis ab), ist unsere römisch-katholische Kirche bei diesem Thema noch lange nicht glaubwürdig genug.
Solange Kirchen- und Gremienvertreter:innen innerhalb unseres Bistums und auch in unseren Pfarreien vor Ort die Haltung von Bischof und Generalvikar nicht unterstützen und der Zurücksetzung und Diskriminierung homosexueller Partnerschaften nicht mit allen gebotenen Mitteln entgegentreten – sie womöglich noch fördern -, so lange kann ich mich nicht dafür einsetzen, dass ökumenische Gottesdienst zum CSD/ruhrpride in einer römisch-katholischen Kirche stattfinden.
Das wäre eine reine Zumutung für Betroffene, die immer wieder von der römisch-katholischen Kirche verletzt und zurückgewiesen werden.
Spätestens jetzt wäre esan der Zeit, dass Kirchenvertreter:innen auch aus unserer Stadt nun endlich Flagge zeigen und Farbe bekennen! Spätestens jetzt ist es an der Zeit, dass wir alle Zivilcourage zeigen und für eine menschlichere Kirche und Gesellschaft eintreten!
Quelle: www.pixabay.com
Ich persönlich biete der St. Josef-Kirche in Schmachtendorf an, eine neue Regenbogen-Flagge zu stiften, damit sie auch weiterhin und in Zukunft ein sichtbares Zeichen für Solidarität und gegen Diskriminierung und Ausgrenzung ist!
Sexualität und Spiritualität
“ … und diese Liebe auch …“
Quelle: unsplash.com
Am 29. Mai 2003 – also vor gut 18 Jahren – habe ich auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Homosexualität und Kirche (HuK) im Rahmen des 1. Ökumenischen Kirchentages in Berlin an einer Podiumsdiskussion der Podienreihe: Und diese Liebe auch! – Homsoexuelle und Kirche, mit dem Titel: „„… mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ – Über den Zusammenhang zwischen Sexualität und Spiritualität tauschen sich Menschen unterschiedlicher Sexualität und Spiritualität aus“ teilgenommen.
Heute, im Mai 2021, hängen Rainbow-Flags als Zeichen des Protestes gegen das vatikanische Verbot von Segnungen homosexueller Paare an unzähligen Kirchen der römisch-katholischen Kirche in Deutschland.
Da erinnere ich mich wieder sehr an meine damaligen Ausarbeitungen zum 1. Ökumenischen Kirchentag und an mein Statement bei der Podiumsdiskussion zum Thema:
Sexualität und Spiritualität.
Angesichts der aktuellen Debatte in unserer Kirche möchte ich meine damaligen Abhandlungen heute hier noch einmal dokumentieren.
Sie zeigen nämlich deutlich das Defizit auf, unter dem auch aktuelle Diskussionen über dieses Thema immer noch leiden, nämlich das fehlende Bewusstsein, dass unsere Spiritualität gar nicht ohne unsere je eigene Sexualität möglich ist.
Die Abgrenzung der Sexualität von der Spiritualität hat in der kirchlichen Vergangenheit viel Leid und Diskriminerungen hervorgebracht.
Mit der erneuten Dokumentation meiner damaligen Arbeit möchte ich einen kleinen Beitrag leisten, beide Themenbereiche wieder in den notwendigen und nötigen Zusammenhang zu sehen, zu verstehen und bei allen zukünftigen Überlegungen mit zu berücksichtigen.
Einige Gedanken und Formulierungen, die ich dort vor 18 Jahren getan habe, kann ich heute – nach dem aktuellen Stand der (Gender-)Forschung so nicht mehr aufrechterhalten. Aus historischen Dokumentationszwecken habe ich sie aber beibehalten, doch mit entsprechenden Vermerken versehen.
Quelle: www.pixabay.com
Als erstes dokumentiere ich mein Statement am Beginn der Podiumsdiskussion. Dann liefere ich die mit wissenschaftlichem Apparat versehener Ausarbeitung nach, die natürlich als Grundlage meines Statements anzusehen sind und welches von dieser geprägt wurde.
„Heute habe ich viel zu tun, deswegen muss ich viel beten.“ (Martin Luther)
Seit vielen Jahren begleitet mich dieses Wort von Martin Luther. Mit seinen Worten und auf sein eigenes konkretes Leben bezogen, drückt er aus, was in der „Regula Benedicti“, der Ordensregel des heiligen Benedikt ebenfalls zum Vorschein kommt: „Ora et labora“ = Betet und arbeitet.
Ich bezeichne es für mich als „Harmonie des geistlichen Lebens“ was in der Regel des heiligen Benedikt steht und was auch Martin Luther zu seiner Aussage bewogen hat.
Für mein eigenes geistliches Leben bedeutet dies: die Erfahrung, dass viel zu tun ist, zieht meinen Wunsch, viel zu beten, nach sich.
Dabei spreche ich ausdrücklich von einem „Wunsch“ oder von einem „geistlichen Bedürfnis“.
Der sehr subjektive Satz von Martin Luther sagt mir: es geht hier nicht um eine geistliche Forderung an andere. Es geht hier vielmehr um eine ganz persönliche Äußerung eines Menschen, der mit ganz viel Herzblut und aufgrund einer tiefen Spiritualität um eine Reform der Kirche gerungen hat.
Ich nehme aus diesem Wort Martin Luthers für mich: Die Überzeugung, sich für eine Reform in der Kirche stark zu machen, ist aus einer spirituellen Haltung heraus entstanden. Und sich um diese Reformen zu bemühen, dafür die geistliche, psychische und physische Kraft zu finden, geht für Luther nur, wenn er auch aus der geistlichen Quelle des Gebetes schöpft.
Bevor mein Vater Eduard Wittka 1981 im Alter von 45 Jahren an einen Hirntumor starb, war er viele Jahre vorher schon sehr krank: gezeichnet von vier Operationen am Kopf suchte er – zusammen mit meiner Mutter – Zuflucht und Halt im Glauben.
Er hat damals wiederholt den Marienwallfahrtsort Banneux in Belgien aufgesucht. Natürlich hat er von dort auch Wallfahrtsheftchen mitgebracht. Noch heute erinnere ich mich sehr gut daran, wie die zentrale Botschaft der „schönen Dame“ immer wieder hieß: „Betet viel!“ Um mehr – aber auch um nicht weniger – geht es bei dieser Botschaft: im Gebet nicht nachzulassen, oder wie es in 1. Thessalonicher-Brief in Kapitel 5,17 heißt: „Betet ohne Unterlass!“
Die Marienerscheinungen von Banneux gehen auf das Jahr 1933 zurück. Damals war Europa und die ganze Welt in einer großen Krise. Und die ganz schlichte und eindringliche Botschaft von Banneux lautet: „Betet viel!“ Und die „schöne Dame“ führt die Seherin Mariette zu einer Quelle.
Ob man an Marienerscheinungen glaubt oder nicht: die Botschaft von Banneux lautet: Wenn euch schwere Zeiten oder Krisen in Beschlag nehmen, wenn euer Leben von Sorgen erfüllt ist und ihr um euer Leben sorgt, dann vergesst nicht das Gebet. Das Gebet führt uns zu einer – nie versiegenden – Quelle des Heils, weil wir im Gebet unsere Angewiesenheit auf Gottes Hilfe und Beistand anerkennen, die bei allem segensreichen Wirken und Einsatz in Krisenzeiten not-wendig ist.
Ob in der Krise der Corona-Pandemie, in der Glaubwürdigkeitskrise in der römisch-katholischen Kirche (welche nach Reformen drängt) oder auch in ganz persönlichen Phasen der Herausforderungen und Krisen:
Immer, wenn wir viel zu tun haben und durch die Sorgen und Herausforderungen des Lebens in Beschlag genommen sind, sollte die Quelle des Gebetes nicht versiegen. Denn sie gibt uns Kraft und ermöglicht neues Leben in allen Krisen und Bedrängnissen.
Gott und den Menschen…
Mein Dienst gilt Gott und den Menschen.
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Die Kirche nimmt mich dafür in den Dienst.
Die Prioritäten, die sich daraus ergeben, sind klar.
Nach vielen Begegnungen und Gesprächen in den letzten Tagen wird mir immer klarer:
Die Wandlung unserer römisch-katholischen Kirche ist unausweichlich!
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Wenn Sie nicht von oben eingeleitet wird, dann kommt sie von ‚unten‘!
Die Signale bei den Kirchengliedern ist so überdeutlich, dass die heutige Kirche in ihrer jetzigen Verfasstheit keine Zukunft mehr haben wird.
Das ist keine Forderung, sondern (m)eine Ahnung!
22. Juli: Maria Magdalena
Die einzigartige Apostelin
Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mary_Magdalen_by_Bernini.jpg by: sailko / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)
Seit dem 3. Jahrhundert wird diese Frau – Maria Magdalena – als „Apostolin der Apostel“ genannt. Kein Geringerer als Hippolyt von Rom bezeichnete sie so.
Aber es mussten gut 1600 Jahre vergehen, bis diese einzigartige Frau und Zeugin der Auferstehung Jesu Christi auch offiziell und liturgisch durch eine eigene Festtags-Liturgie in diesen Rang erhoben wurde.
Ja, es ist schade, dass erst Papst Franziskus I. diesen Mut und diese Stärke dazu besaß. Und ja, es ist gut, dass es überhaupt geschah.
Dazu fand ich folgenden Text des Fundamentaltheologen Hans Waldenfels SJ (* 1931):
„Er (Jesus) gibt ihr den Auftrag: „Geh zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott“ Hier wird Maria von Magdala die „Apostolin“. (…) In einer Zeit, in der die kirchenrechtliche Stellung der Frau in der katholischen Kirche neu bedacht wird, sind auch die biblischen Aussagen neu zu bedenken.“ Zitiat nach: Te Deum, Juli 2020, S. 223
Ja, ich freue mich über diesen Festtag, den ich – auch wenn ich an diesem Tag keine Eucharistie feiern kann – mit allen liturgischen Möglichkeiten des Stundengebets und der persönlichen Andacht – begehen werde.
Ich wünsche und hoffe, dass von diesem Festtag starke geistliche Impulse ausgehen, für die Frauen in unserer Kirche, die sich für die Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche einsetzen und für die Männer in unserer Kirche, die sich diesem Anliegen verschreiben und sich mit den Frauen in der Kirche solidarisieren.
Ich hoffe und bete, dass der Heilige Geist die Mächtigen in der Kirche bewegt, sich der biblischen Wahrheit zu öffnen, nach der die Frauen im Neuen Testament eine herausragende Aufgabe im Zeugnis und in der Weitergabe der Auferstehung des HERRN haben.
Gebet:
Herr Jesus Christus, du hast die Frauen, die dir nachgefolgt sind, zu herausragenden Zeuginnen deiner Auferstehung werden lassen. Du hast ihnen als erste geboten, diese frohe Botschaft zu verkündigen. Doch in deiner Kirche werden Frauen wegen ihres Geschlechts noch immer zurückgesetzt; sie erfahren nicht die Achtung und Anerkennung, die du ihnen – als Haupt deiner Kirche – gegeben hast.
So bitte ich dich: Bewege in der Kraft des Heiligen Geistes die Herzen und Spiritualität der Menschen, die in unserer Kirche noch immer das Sagen haben. Erleuchte ihren Geist, damit sie Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen wegen der Geschlechtlichkeit eines Menschen erkennen und Wege der Erneuerung wagen.
Stärke alle Frauen und Männer, die sich um diese Gleichberechtigung mühen, stelle ihnen Menschen an die Seite, die sich solidarisch mit ihnen verhalten und lass sie in ihrem Kampf um Gerechtigkeit, Respekt und Menschenwürde nicht müde werden. Amen.
(c) Gerd Wittka, 22.07.2020
Eucharistiefeiern – was kommt nach ‚Corona‘?
Wie die Corona-Pandemie auf das Teilnahmebedürfnis an der Eucharistie durchschlagen könnte
Seit Monaten finden die gewohnten Eucharistiefeiern (hl. Messe) nicht mehr in unseren Kirchen statt. Einige Wochen gab es überhaupt keine gemeinschaftlichen Messen in unseren Kirchen. Später – bis heute – werden in einigen Kirchen und unter ganz besonderen Vorsichtsmaßnahmen Messen gefeiert, aber mit Beschränkungen der TeilnehmerInnen-Zahlen und geradezu synthetischen Bedingungen (Abstand zum/zur Nachbarin, kein beherztes Singen, Kommunionausteilung fast aseptisch und steril, …) Menschen aus den Risikogruppen trauen sich zu großen Teilen gar nicht mehr in die Kirche. Ähnliche Zustände auch bei Zielgruppen-Gottesdiensten, so sie denn überhaupt noch angeboten werden (Kindermesse, Jugendmessen, Seniorenmessen, Messe für Menschen mit Handycap).
Ich frage mich, wie sich das auf die Menschen auswirkt, die vor der Corona-Pandemie noch selbstverständlich und regelmäßig die Sonntagsmesse mitgefeiert haben?
Diese Frage müssen wir uns stellen, nicht nur in Gedanken, sondern ganz laut und in den verschiedenen Seelsorgeteams und Gremien von Gemeinden und Pfarreien!
Wir müssen auch – jetzt schon- darüber nachdenken, ob und wie sich das Bedürfnis zur Mitfeier der Eucharistie dadurch verändert (hat)?
Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf das geistliche und gottesdienstliche Bedürfnis überhaupt noch haben wird?
Was, wenn die Menschen, die heute allein durch die Corona-Pandemie für sich mehr und mehr feststellen, dass die regelmäßige Mitfeier der Eucharistie für sie ‚verzichtbar‘ geworden ist; dass ihnen nicht mehr viel fehlt, wenn sie nicht dabei sind?
Ja, solche Gedanken sind nur schwer zu ertragen für jene, denen die Eucharistiefeier und die Gottesdienstgemeinde am Sonntag existentiell wichtig sind.
Menschen von heute – unter uns, unterwegs in unseren Straßen – Bild von Free-Photos auf Pixabay
Wie wollen wir diese Menschen dann wieder ansprechen und erreichen?
Allein mit Appellen werden wir die Menschen nicht ‚hinter dem Ofen locken‘ können.
Wir werden sehr gezielt und sehr konkret nach ihren geistlichen Bedürfnissen fragen müssen.
Wir werden fragen müssen, in welcher Welt sie sich bewegen und welche Rolle konkret dort für sie der christliche Glaube und der christliche Gottesdienst hat?
Wir werden sehr persönlich mit ihnen ins Gespräch und in die Begegnung kommen müssen und ihnen von Neuem ein Angebot machen müssen, das für sie attraktiv und einladend ist.
Wir werden noch viel, viel mehr als bisher werbend und einladend sein und eine echte und glaubwürdige Willkommenskultur an den Tag legen müssen.
Die sonntägliche Gottesdienstteilnahme wird durch floskelhafte Hinweise, wie, dass „die Eucharistie Mittelpunkt der christlichen Gemeinde“ sei, nicht zufriedenstellen können.
Noch mehr als bisher müssen unsere Eucharistiefeiern – schon vor Beginn und nach dem Ende – Orte der echten menschlichen Begegnungund sozialer Verbindung werden, ähnlich wie den Hauskirchen in der frühen Kirche.
Sehr konkret werden wir sicherlich auch organisatorische Angebote machen müssen. Ich stelle mir da zum Beispiel Fahrgemeinschaften vor, die angeboten und gebildet werden; auch Abhol-Services können dazu gehören. Dies wird um so wichtiger sein, um so mehr Kirchen geschlossen und die Wege zu den Gottesdiensten zwangsläufig weiter sein werden.
Auch wäre es sicherlich nicht schlecht, auf die frühkirchlichen Agape-Gemeinschaften zu schauen und zu überlegen, ob und wie diese als Angebot nach der Eucharistie zur Gemeindebildung genutzt werden kann.
Manche schauen verunsichert und skeptisch in die Zukunft. Manche wollen das ‚alte Leben‘ wieder zurück haben, aber das wird es nie mehr geben in unseren Pfarreien und Gemeinden. Manche sehen die Situation als Herausforderung, die kreativ und christlich gestaltet werden will.
Wir tun gut daran, uns mit jenen zu verbünden, die nach vorne gehen wollen. Wir sollten jene nicht allein lassen, die unsere Unterstützung dabei brauchen. Und wir sollten uns alle Mut machen, die Realität anzuschauen und anzunehmen, wie sie ist.
Alles andere würde nur in die falsche Richtung führen.
Und zum Schluß … ein Gebet:
Um drei Dinge bitte ich
Herr, zeige mir die Möglichkeiten, die Dinge zu verändern, die ich verändern kann,
und gib mir die Kraft, die Dinge zu ertragen, die ich nicht ändern kann,
und gib mir die Weisheit, eines vom anderen zu unterscheiden.
In unserer katholischen Kirche befinden wir uns in einer radikalen Umbruchsituation. Von außen und auch von innen, sind wir gefordert, neue Wege zu gehen. Dabei werden die inneren und äußeren Faktoren wesentlich mitbestimmt von finanziellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Diese sind wiederum stark abhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen in unserem Land; von Menschen, die nur wenig oder kein steuerpflichtiges Einkommen haben und deshalb auch keine Kirchensteuer zahlen; von Menschen, die der kirchlichen Gemeinschaft den Rücken gekehrt haben.
In dieser historischen Situation sind Gemeinden und Pfarreien genötigt, ungewohnte und vielleicht auch unbequeme Entscheidungen zu treffen. Das aber erfordert – bei notwendigen strukturellen Veränderungen -, dass die Gemeinden und Pfarreien und in ihnen auch ganz konkret die Menschen, Grenzen überwinden.
Doch das Gegenteil ist oft der Fall.
Ist das nicht paradox?
Jesus hat DIE Grenze schlechthin überwunden, die nie und nimmer überwindbar erschien: die Grenze des Todes. Durch IHN ist der Tod für alle zum Tor des Lebens geworden!
Und wir?! Wir schaffen es noch nicht einmal, die Grenzen der eigenen Gemeinde und Pfarrei zu überwinden!
Welch ein armseliges Glaubenszeugnis!
Bei aller berechtigter Trauer, wenn Gewohntes gelassen und Vertrautes buchstäblich verlassen werden muss:
Wenn wir diese Phase der Kirche nicht auch als geistliche Herausforderung an- und ernstnehmen, dann wird jede Entscheidung, jedes Votum, jede Umstrukturierung unwesentlich bleiben.
Wir werden dann oberflächlich bleiben, weil es mehr um uns selber geht, als um das, was unseren christlichen Glauben ausmacht: Salz der Erde, Sauerteig und VerkünderInnen der frohen und befreienden Botschaft in der Welt und für die Welt zu sein.
Herr, erwecke deine Kirche und fange bei mir an. Herr, baue deine Gemeinde und fange bei mir an.