Sexualität und Spiritualität

“ … und diese Liebe auch …“

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Am 29. Mai 2003 – also vor gut 18 Jahren – habe ich auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Homosexualität und Kirche (HuK) im Rahmen des 1. Ökumenischen Kirchentages in Berlin an einer Podiumsdiskussion der Podienreihe: Und diese Liebe auch! – Homsoexuelle und Kirche, mit dem Titel:
„„… mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ – Über den Zusammenhang zwischen Sexualität und Spiritualität tauschen sich Menschen unterschiedlicher Sexualität und Spiritualität aus“ teilgenommen.

Heute, im Mai 2021, hängen Rainbow-Flags als Zeichen des Protestes gegen das vatikanische Verbot von Segnungen homosexueller Paare an unzähligen Kirchen der römisch-katholischen Kirche in Deutschland.

Da erinnere ich mich wieder sehr an meine damaligen Ausarbeitungen zum 1. Ökumenischen Kirchentag und an mein Statement bei der Podiumsdiskussion zum Thema:

Sexualität und Spiritualität.

Angesichts der aktuellen Debatte in unserer Kirche möchte ich meine damaligen Abhandlungen heute hier noch einmal dokumentieren.

Sie zeigen nämlich deutlich das Defizit auf, unter dem auch aktuelle Diskussionen über dieses Thema immer noch leiden, nämlich das fehlende Bewusstsein, dass unsere Spiritualität gar nicht ohne unsere je eigene Sexualität möglich ist.



Die Abgrenzung der Sexualität von der Spiritualität hat in der kirchlichen Vergangenheit viel Leid und Diskriminerungen hervorgebracht.

Mit der erneuten Dokumentation meiner damaligen Arbeit möchte ich einen kleinen Beitrag leisten, beide Themenbereiche wieder in den notwendigen und nötigen Zusammenhang zu sehen, zu verstehen und bei allen zukünftigen Überlegungen mit zu berücksichtigen.

Einige Gedanken und Formulierungen, die ich dort vor 18 Jahren getan habe, kann ich heute – nach dem aktuellen Stand der (Gender-)Forschung so nicht mehr aufrechterhalten. Aus historischen Dokumentationszwecken habe ich sie aber beibehalten, doch mit entsprechenden Vermerken versehen.

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Als erstes dokumentiere ich mein Statement am Beginn der Podiumsdiskussion.
Dann liefere ich die mit wissenschaftlichem Apparat versehener Ausarbeitung nach, die natürlich als Grundlage meines Statements anzusehen sind und welches von dieser geprägt wurde.

  1. Einführungsstatement zur Podiumsdiskussion:
    „… mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ – Über den Zusammenhang zwischen Sexualität und Spiritualität tauschen sich Menschen unterschiedlicher Sexualität und Spiritualität aus
    auf dem 1. Ökumenischen Kirchentag in Berlin am
    Donnerstag, dem 29.05.2003 in der Marienburg Oberschule, Kranzer Str. 3, 14199 Berlin

2. Spiritualität und Sexualität – Überlegungen zum Statement auf einer Podiumsdiskussion zum Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin


Für Rückmeldungen und Kommentare zu meinen Ausführungen bin ich sehr dankbar.
Alle Rechte dieser Dokumente liegen bei mir: Gerd Wittka 2003 – 2021




Viel zu tun – viel zu beten

Reformatorische Spiritualität

Martin Luther (Reformator) – Bild von Otto Wenninger auf Pixabay

„Heute habe ich viel zu tun, deswegen muss ich viel beten.“ (Martin Luther)

Seit vielen Jahren begleitet mich dieses Wort von Martin Luther.
Mit seinen Worten und auf sein eigenes konkretes Leben bezogen, drückt er aus, was in der „Regula Benedicti“, der Ordensregel des heiligen Benedikt ebenfalls zum Vorschein kommt: „Ora et labora“ = Betet und arbeitet.

Ich bezeichne es für mich als „Harmonie des geistlichen Lebens“ was in der Regel des heiligen Benedikt steht und was auch Martin Luther zu seiner Aussage bewogen hat.

Für mein eigenes geistliches Leben bedeutet dies: die Erfahrung, dass viel zu tun ist, zieht meinen Wunsch, viel zu beten, nach sich.



Dabei spreche ich ausdrücklich von einem „Wunsch“ oder von einem „geistlichen Bedürfnis“.

Der sehr subjektive Satz von Martin Luther sagt mir: es geht hier nicht um eine geistliche Forderung an andere. Es geht hier vielmehr um eine ganz persönliche Äußerung eines Menschen, der mit ganz viel Herzblut und aufgrund einer tiefen Spiritualität um eine Reform der Kirche gerungen hat.

Ich nehme aus diesem Wort Martin Luthers für mich: Die Überzeugung, sich für eine Reform in der Kirche stark zu machen, ist aus einer spirituellen Haltung heraus entstanden.
Und sich um diese Reformen zu bemühen, dafür die geistliche, psychische und physische Kraft zu finden, geht für Luther nur, wenn er auch aus der geistlichen Quelle des Gebetes schöpft.

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Die Botschaft von Banneux: Betet viel!

Bevor mein Vater Eduard Wittka 1981 im Alter von 45 Jahren an einen Hirntumor starb, war er viele Jahre vorher schon sehr krank: gezeichnet von vier Operationen am Kopf suchte er – zusammen mit meiner Mutter – Zuflucht und Halt im Glauben.

Er hat damals wiederholt den Marienwallfahrtsort Banneux in Belgien aufgesucht. Natürlich hat er von dort auch Wallfahrtsheftchen mitgebracht.
Noch heute erinnere ich mich sehr gut daran, wie die zentrale Botschaft der „schönen Dame“ immer wieder hieß: „Betet viel!“
Um mehr – aber auch um nicht weniger – geht es bei dieser Botschaft: im Gebet nicht nachzulassen, oder wie es in 1. Thessalonicher-Brief in Kapitel 5,17 heißt: „Betet ohne Unterlass!“

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Die Marienerscheinungen von Banneux gehen auf das Jahr 1933 zurück. Damals war Europa und die ganze Welt in einer großen Krise. Und die ganz schlichte und eindringliche Botschaft von Banneux lautet: „Betet viel!“ Und die „schöne Dame“ führt die Seherin Mariette zu einer Quelle.

Ob man an Marienerscheinungen glaubt oder nicht: die Botschaft von Banneux lautet: Wenn euch schwere Zeiten oder Krisen in Beschlag nehmen, wenn euer Leben von Sorgen erfüllt ist und ihr um euer Leben sorgt, dann vergesst nicht das Gebet.
Das Gebet führt uns zu einer – nie versiegenden – Quelle des Heils, weil wir im Gebet unsere Angewiesenheit auf Gottes Hilfe und Beistand anerkennen, die bei allem segensreichen Wirken und Einsatz in Krisenzeiten not-wendig ist.

Ob in der Krise der Corona-Pandemie, in der Glaubwürdigkeitskrise in der römisch-katholischen Kirche (welche nach Reformen drängt) oder auch in ganz persönlichen Phasen der Herausforderungen und Krisen:

Immer, wenn wir viel zu tun haben und durch die Sorgen und Herausforderungen des Lebens in Beschlag genommen sind, sollte die Quelle des Gebetes nicht versiegen. Denn sie gibt uns Kraft und ermöglicht neues Leben in allen Krisen und Bedrängnissen.




Gott und den Menschen…

Mein Dienst gilt Gott und den Menschen.

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Die Kirche nimmt mich dafür in den Dienst.

Die Prioritäten, die sich daraus ergeben, sind klar.

Dazu passt auch folgender Bericht: https://neuesruhrwort.de/2021/03/31/bischof-meier-kritisiert-priesterbild/




Wandlung unausweichlich

Nach vielen Begegnungen und Gesprächen in den letzten Tagen wird mir immer klarer:

Die Wandlung unserer römisch-katholischen Kirche ist unausweichlich!

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Wenn Sie nicht von oben eingeleitet wird, dann kommt sie von ‚unten‘!

Die Signale bei den Kirchengliedern ist so überdeutlich, dass die heutige Kirche in ihrer jetzigen Verfasstheit keine Zukunft mehr haben wird.

Das ist keine Forderung, sondern (m)eine Ahnung!




22. Juli: Maria Magdalena

Die einzigartige Apostelin

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mary_Magdalen_by_Bernini.jpg
by: sailko / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Seit dem 3. Jahrhundert wird diese Frau – Maria Magdalena – als „Apostolin der Apostel“ genannt. Kein Geringerer als Hippolyt von Rom bezeichnete sie so.

Aber es mussten gut 1600 Jahre vergehen, bis diese einzigartige Frau und Zeugin der Auferstehung Jesu Christi auch offiziell und liturgisch durch eine eigene Festtags-Liturgie in diesen Rang erhoben wurde.



Ja, es ist schade, dass erst Papst Franziskus I. diesen Mut und diese Stärke dazu besaß.
Und ja, es ist gut, dass es überhaupt geschah.

Dazu fand ich folgenden Text des Fundamentaltheologen Hans Waldenfels SJ (* 1931):

„Er (Jesus) gibt ihr den Auftrag: „Geh zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott“ Hier wird Maria von Magdala die „Apostolin“. (…) In einer Zeit, in der die kirchenrechtliche Stellung der Frau in der katholischen Kirche neu bedacht wird, sind auch die biblischen Aussagen neu zu bedenken.“
Zitiat nach: Te Deum, Juli 2020, S. 223

Ja, ich freue mich über diesen Festtag, den ich – auch wenn ich an diesem Tag keine Eucharistie feiern kann – mit allen liturgischen Möglichkeiten des Stundengebets und der persönlichen Andacht – begehen werde.

Ich wünsche und hoffe, dass von diesem Festtag starke geistliche Impulse ausgehen, für die Frauen in unserer Kirche, die sich für die Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche einsetzen und für die Männer in unserer Kirche, die sich diesem Anliegen verschreiben und sich mit den Frauen in der Kirche solidarisieren.

Ich hoffe und bete, dass der Heilige Geist die Mächtigen in der Kirche bewegt, sich der biblischen Wahrheit zu öffnen, nach der die Frauen im Neuen Testament eine herausragende Aufgabe im Zeugnis und in der Weitergabe der Auferstehung des HERRN haben.


Gebet:

Herr Jesus Christus, du hast die Frauen, die dir nachgefolgt sind, zu herausragenden Zeuginnen deiner Auferstehung werden lassen. Du hast ihnen als erste geboten, diese frohe Botschaft zu verkündigen.
Doch in deiner Kirche werden Frauen wegen ihres Geschlechts noch immer zurückgesetzt; sie erfahren nicht die Achtung und Anerkennung, die du ihnen – als Haupt deiner Kirche – gegeben hast.

So bitte ich dich: Bewege in der Kraft des Heiligen Geistes die Herzen und Spiritualität der Menschen, die in unserer Kirche noch immer das Sagen haben. Erleuchte ihren Geist, damit sie Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen wegen der Geschlechtlichkeit eines Menschen erkennen und Wege der Erneuerung wagen.

Stärke alle Frauen und Männer, die sich um diese Gleichberechtigung mühen, stelle ihnen Menschen an die Seite, die sich solidarisch mit ihnen verhalten und lass sie in ihrem Kampf um Gerechtigkeit, Respekt und Menschenwürde nicht müde werden.
Amen.

(c) Gerd Wittka, 22.07.2020




Eucharistiefeiern – was kommt nach ‚Corona‘?

Wie die Corona-Pandemie auf das Teilnahmebedürfnis an der Eucharistie durchschlagen könnte

Seit Monaten finden die gewohnten Eucharistiefeiern (hl. Messe) nicht mehr in unseren Kirchen statt.
Einige Wochen gab es überhaupt keine gemeinschaftlichen Messen in unseren Kirchen. Später – bis heute – werden in einigen Kirchen und unter ganz besonderen Vorsichtsmaßnahmen Messen gefeiert, aber mit Beschränkungen der TeilnehmerInnen-Zahlen und geradezu synthetischen Bedingungen (Abstand zum/zur Nachbarin, kein beherztes Singen, Kommunionausteilung fast aseptisch und steril, …)
Menschen aus den Risikogruppen trauen sich zu großen Teilen gar nicht mehr in die Kirche.
Ähnliche Zustände auch bei Zielgruppen-Gottesdiensten, so sie denn überhaupt noch angeboten werden (Kindermesse, Jugendmessen, Seniorenmessen, Messe für Menschen mit Handycap).

Bild von My pictures are CC0. When doing composings: auf Pixabay

Ich frage mich, wie sich das auf die Menschen auswirkt, die vor der Corona-Pandemie noch selbstverständlich und regelmäßig die Sonntagsmesse mitgefeiert haben?

Diese Frage müssen wir uns stellen, nicht nur in Gedanken, sondern ganz laut und in den verschiedenen Seelsorgeteams und Gremien von Gemeinden und Pfarreien!

Wir müssen auch – jetzt schon- darüber nachdenken, ob und wie sich das Bedürfnis zur Mitfeier der Eucharistie dadurch verändert (hat)?

Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf das geistliche und gottesdienstliche Bedürfnis überhaupt noch haben wird?

Was, wenn die Menschen, die heute allein durch die Corona-Pandemie für sich mehr und mehr feststellen, dass die regelmäßige Mitfeier der Eucharistie für sie ‚verzichtbar‘ geworden ist; dass ihnen nicht mehr viel fehlt, wenn sie nicht dabei sind?

Ja, solche Gedanken sind nur schwer zu ertragen für jene, denen die Eucharistiefeier und die Gottesdienstgemeinde am Sonntag existentiell wichtig sind.

Menschen von heute – unter uns, unterwegs in unseren Straßen – Bild von Free-Photos auf Pixabay

Wie wollen wir diese Menschen dann wieder ansprechen und erreichen?

Allein mit Appellen werden wir die Menschen nicht ‚hinter dem Ofen locken‘ können.

Wir werden sehr gezielt und sehr konkret nach ihren geistlichen Bedürfnissen fragen müssen.

Wir werden fragen müssen, in welcher Welt sie sich bewegen und welche Rolle konkret dort für sie der christliche Glaube und der christliche Gottesdienst hat?

Wir werden sehr persönlich mit ihnen ins Gespräch und in die Begegnung kommen müssen und ihnen von Neuem ein Angebot machen müssen, das für sie attraktiv und einladend ist.

Wir werden noch viel, viel mehr als bisher werbend und einladend sein und eine echte und glaubwürdige Willkommenskultur an den Tag legen müssen.

Die sonntägliche Gottesdienstteilnahme wird durch floskelhafte Hinweise, wie, dass „die Eucharistie Mittelpunkt der christlichen Gemeinde“ sei, nicht zufriedenstellen können.

Noch mehr als bisher müssen unsere Eucharistiefeiern – schon vor Beginn und nach dem Ende – Orte der echten menschlichen Begegnung und sozialer Verbindung werden, ähnlich wie den Hauskirchen in der frühen Kirche.

Sehr konkret werden wir sicherlich auch organisatorische Angebote machen müssen.
Ich stelle mir da zum Beispiel Fahrgemeinschaften vor, die angeboten und gebildet werden; auch Abhol-Services können dazu gehören. Dies wird um so wichtiger sein, um so mehr Kirchen geschlossen und die Wege zu den Gottesdiensten zwangsläufig weiter sein werden.

Auch wäre es sicherlich nicht schlecht, auf die frühkirchlichen Agape-Gemeinschaften zu schauen und zu überlegen, ob und wie diese als Angebot nach der Eucharistie zur Gemeindebildung genutzt werden kann.

Manche schauen verunsichert und skeptisch in die Zukunft.
Manche wollen das ‚alte Leben‘ wieder zurück haben, aber das wird es nie mehr geben in unseren Pfarreien und Gemeinden.
Manche sehen die Situation als Herausforderung, die kreativ und christlich gestaltet werden will.

Wir tun gut daran, uns mit jenen zu verbünden, die nach vorne gehen wollen. Wir sollten jene nicht allein lassen, die unsere Unterstützung dabei brauchen.
Und wir sollten uns alle Mut machen, die Realität anzuschauen und anzunehmen, wie sie ist.

Alles andere würde nur in die falsche Richtung führen.


Und zum Schluß … ein Gebet:

Um drei Dinge bitte ich

Herr, zeige mir die Möglichkeiten,
die Dinge zu verändern, die ich verändern kann,

und gib mir die Kraft,
die Dinge zu ertragen, die ich nicht ändern kann,

und gib mir die Weisheit,
eines vom anderen zu unterscheiden.

(aus Irland)