Nicht jeder, der gegen den Krieg ist, ist für den Frieden. Das sieht man besonders in Kriegszeiten und bestätigt das Wort: „Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg!“ – Die Kunst des Friedens ist anspruchsvoller als das Kriegshandwerk.
Gerd A. Wittka, 17.04.2022
macht.vergänglich
Interpretation von Psalm 49
Der Mensch bleibt nicht in seiner Macht; er gleich dem Vieh, das verstummt.
Lass Dich nicht beirren, wenn einer mächtig wird und die Macht seines Hauses sich mehr.
Denn im Tod nimmt er das alles nicht mit; seine Macht steigt nicht mit ihm hinab.
Preist er sich im Leben auch mächtig und sagt zu sich: „Man hofiert dich, weil du so mächtig bist“,
so muss er doch zur Schar seiner Väter hinab, die das Licht nie mehr erblicken.
Der Mensch in Macht, doch ohne Einsicht, er gleicht dem Vieh das verstummt!
Gerd Wittka, nach Psalm 49
Ich finde solche Interpretationen sehr tröstlich, gerade auch im Hinblick von Kriegstreibern, Kriegsverbrechern und Despoten wie Putin und Konsorten.
Friede wäre möglich …
Friede wäre möglich
wenn wir genügsam wären und mit dem, was wir haben und sind zufrieden wären
Frieden wäre möglich
wenn wir auf Macht verzichten würden wo wir sie nicht brauchen und da, wo wir sie brauchen mit Liebe und Achtung vor Schöpfung und Mensch gepaart dem Wohle widmen würden und nicht unsere eigenen Machtgelüste zu befriedigen suchten
Friede wäre möglich
wo das Bewusstsein und die Überzeugung ist dass wir alle Gebende und Nehmende sind und gemeinsam an eine gute Welt bauen wollen die die Freiheit des anderen achtet und fördert
Frieden wäre möglich
wo wir ehrlich gegenüber uns selber und unsere Motive wären die unser Denken und Handeln bestimmen wollen
Frieden wäre möglich
wo wir den anderen ebenso groß sein lassen würden wie wir selber sein wollen
„Ein guter Mensch bringt Gutes hervor, weil in seinem Herzen Gutes ist;
und ein böser Mensch bringt Böses hervor, weil in seinem Herzen Böses ist:
Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund.“
https://www.bibleserver.com/LUT/Lukas6%2C45
Dieses Wort finden wir heute im Evangelium des 8. Sonntags. Und wem jetzt die gegenwärtige Situation mit dem Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine in den Sinn kommt, dem sei gesagt: auch ich habe daran direkt denken müssen.
Ja, ich weiß, dass es sich eigentlich verbietet, vorschnell mit dem Finger auf andere zu zeigen. Aber zeigt nicht gerade diese Situation, dass Wort und Taten oft Hand in Hand gehen?
Putin hat noch nach Beginn des Angriffskrieges unverhohlene Drohungen nicht nur gegen die Ukraine sondern gegen die gesamte westliche Welt ausgesprochen.
Diesen Drohungen sind in seinem Fall aber schon Taten vorausgegangen.
Das Problem, über das ‚Böse‘ zu reden
Ja, wir müssen vorsichtig sein, wenn wir über ‚das Böse‘ reden.
Viel zu lange wurde in unserer abendländisch-christlichen Kulturgeschichte ‚das Böse‘ personifiziert und zwar derart, dass es etwas Personales außerhalb von uns Menschen sei. Infolge dessen wurden Begrifflichkeiten wie „Satan“, „Teufel“ oder „Dämonen“ in ‚einen Sack geworfen‘, wobei man bei genauerem Hinsehen und Bibelstudium sehr leicht erkennen könnte, dass es da doch gravierende Unterschiede gibt.
Der Missbrauch mit diesen Begrifflichkeiten, der seinen Höhepunkt sicherlich in solchen Phasen wie denen der sogenannten ‚Hexenverfolgung‘ gefunden hat, hat in der Geistesgeschichte der Theologie und auch der Philosophie zu einem Umdenken geführt.
Exkurs: Der 'Satan' in der Bibel
Der Satan in der Bibel tritt als der 'Verführer' auf.
Schon in der Schöpfungsgeschichte im Bild der Schlange, die Eva verführt. Aber sowohl bei Hiob als auch bei Jesus erfahren wir vom Satan, der als der Verführer auftritt.
In der Schöpfungsgeschichte ist die teleologische Aussage nicht so ganz einfach.
Bei Hiob und Jesus ist der Satan quasi 'Werkzeug' göttlichen Heilswillens. Der Satan bei Hiob muss sich von Gott die Erlaubnis holen, Hiob in Versuchung führen zu können. Das göttliches Wissen, dass es sich bei Hiob um einen 'Gerechten' vor den Augen Gottes handelt, lässt Gott zustimmen, damit der Satan seine Versuchungsattacken starten darf.
Bei Jesus ist die teleologische Dimension auch klar: Jesus wird in der Wüste in Versuchung geführt, aber er unterliegt der Versuchung nicht, weil und indem er sich als der Sohn Gottes offenbart. Er ist der 'neue' Gerechte in den Augen Gottes und erweist sich sichtbar durch die misslungene Verführung als der 'Gerechte Gottes' und Gottes Sohn.
Die heutige Lesung richtet also das Phänomen des Bösen auf den Menschen selber. Das ‚Böse‘ ist in den Menschen selber vorhanden. Es kommt also nicht von außen auf uns zu und nimmt von uns ‚Besitz‘. Das Böse ist keine Besessenheit, sondern Teil unseres menschlichen Seins.
Dieses Feststellung macht den Umgang mit diesem Thema dadurch nicht leichter, führt es doch zu der Frage, wie dann das Gute möglich ist, wenn das Böse in uns ist?
Ich bin der Überzeugung, dass das Böse, das in uns ist, keine ‚Zutat‘ unserer menschlichen Existenz ist. Der Mensch ist nicht so zu sehen, als sei er im Hinblick auf das Gute und Böse, quasi wie ein definiertes Gefäß, in dem sich ein fester Teil ‚Gutes‘ und ein fester Teil ‚Böses‘ findet; also so gesagt: der Mensch besteht nicht aus x% Gutem und x% Bösem. Im Hinblick auf ‚gut‘ und ‚böse‘ ist der Mensch also nicht determiniert.
Mir persönlich hilft es, das ‚Böse‘ anders zu sehen. Wenn ich annehmen kann, dass das Böse in mir ist, ich aber als Mensch auch die Möglichkeit habe, etwas ‚gegen das Böse zu tun‘, dann ist das Böse Folge von etwas. Mir erscheint es die Folge mangelhaften Seins zu sein, genauer gesagt, die Folge ‚mangelhafter Liebe‘. So ist also das Böse Resultat mangelhafter Liebe. Oder anders ausgedrückt: da wo in meinem Lebensgefäß nicht 100% Liebe ist, da ist in dem Teil, wo keine Liebe ist das Böse. In dieser Hinsicht finden wir, dass der Mensch indeterminiert ist. Das Böse ist also die Restmenge nicht vorhandener Liebe in mir. Im Deutschen kennen wir dafür ein hilfreiches Wort: ‚Lieblosigkeit‘. Da, wo Lieblosigkeit ist, ist der Raum für das Böse.
Oder, wie es in der heutigen Lesung heißt: „… ein böser Mensch bringt Böses hervor, weil in seinem Herzen Böses ist…“
Raum für Gestaltung und Verantwortung
Dieses Sichtweise auf ‚das Böse‘ zeigt uns demnach auch einen Raum für Gestaltung auf und lässt uns verantwortlich sein für das Gute oder das Böse, das wir tun. Denn, wenn das Böse nicht von außen auf uns zu kommt, uns quasi nicht von außen her ‚überfällt‘ und wir uns nicht auf unsere Ohnmacht zurückziehen und das Böse damit entschuldigen können, sondern das Böse als der Mangel an Liebe in uns selber zu finden ist, dann sind wir auch dafür verantwortlich.
Aber das Beste daran ist: wir sind dem Bösen nicht machtlos ausgeliefert, sondern können mit dem Bösen in uns umgehen. Wir halten das Heft des Handelns in der Hand, wie das Böse aus uns heraus sichtbar und wirksam werden kann.
Das ist das große göttliche Geschenk der Freiheit, von dem zugleich so viel Leid und Tod ausgehen kann, wie z.B. der Krieg in der Ukraine zeigt!
Aus Putin heraus ist die Idee erwachsen, diesen Angriffskrieg zu beginnen, Verhandlungen abzubrechen, unzumutbare Bedingungen für ‚Verhandlungen in Minsk‘ aufzustellen (da wir wissen, dass der Diktator von Belarus ein Scherge Putins ist) und ein Gerüst von Lügen, Manipulationen und Infiltrationen zu erstellen.
Putin hätte auch andere Wege gehen können: Wege des Friedens und der Verhandlung. Mit Empathie und Liebe für das eigene Volk aber auch für die Menschen in der Ukraine wäre es oberstes Ziel gewesen, einen solchen Angriffskrieg zu verhindern.
Und Instrumente, vermeintlich berechtigte russische Interessen ohne kriegerische Gewalt zu verfolgen, hätte es genügend gegeben und gibt es immer noch. Ich erinnere da nur an die verschiedenen internationalen und bilateralen Organisationen oder Beziehungen, angefangen von OSZE, UN-Sicherheitsrat, UNO, G7, und wie die ganzen bestehenden Formate alle heißen.
Aber: Putin hat sich bewusst dagegen entschieden, Wege des Friedens und der Diplomatie zu gehen. Er hat dem Bösen in ihm den Raum gegeben, in dem sich dann diese menschenverachtende Sichtweise und die böse Entscheidung für einen Krieg entwickeln konnte.
Ja, ich bin mir sicher, dass es jetzt einige geben wird, die mir vorhalten, ich hätte nicht das Recht so den Stab über Putin zu brechen. Manche würden hinterfragen, ob meine Haltung und meine Äußerungen hier christlich seien und es wird sicherlich auch jene geben, die whatsaboutism nutzen werden, so nach dem Motto: „Den Splitter im Auge deines Bruders siehst du, aber den Balken in deinem einen Auge nicht“.
All denen möchte ich sagen: Die kriegerischen Verbrechen, die in diesen Tagen in der Ukraine stattfinden, sind so eklatant, dass sich eine Verharmlosung, Relativierung oder falsche Zurückhaltung verbietet!
Das Böse aufzudecken und es beim Namen zu nennen, ist für mich eine christliche Pflicht.
Denn der Preis, den unschuldige Menschen durch dieses Böse, das von Putin ausgeht, zahlen müssen ist zu hoch.
Wenn wir uns als Christen für den Schutz jeglichen Lebens einsetzen, dann darf unsere Stimme in dieser Situation nicht weniger deutlich sein, als in anderen Bereichen, wo wir auf der Seite des Lebens und der Liebe stehen und die Macht des Todes und des Bösen brechen versuchen.
Sich gegen das Böse zu wenden, heißt, für die Liebe zu kämpfen! Gegen das Böse die Stimme zu erheben, heißt, dem Guten Raum zu verschaffen!
Gott, Herr des Himmels und der Erde: Wo dein Geist ist, da ist Freiheit, wo deine Liebe wirkt, da ist Friede.
Erschüttert muss ich sehen, wie ein europäisches Land in dieser vergangenen Nacht ein anderes europäisches Land angegriffen hat.
Ich sehe und höre Nachrichten und Berichterstattung und fühle meine Hilflosigkeit.
Wie sehne ich mich manchmal danach, dass DU direkt einschreitest.
Aber ich weiß, dass die Kriege unter uns Menschen Folge unserer Freiheit und zugleich unserer Verführbarkeit für das Böse sind.
Ich verstehe nicht, wie ein Befehlshaber so kaltherzig mit dem Leben anderer Menschen umgeht, sie in den Tod, in Leid und Verderben führt?!
Es ist ein himmelschreiendes Unrecht, friedliche Menschen zu Hunderten, Tausenden und Millionen einen Krieg aufzuzwingen, den sie nicht wollen.
Doch die Welt darf und kann nicht tatenlos zuschauen. Wir müssen gut überlegen, wie wir den Kriegstreibern unserer Zeit die Macht nehmen können, Zerstörung, Leid und Tod anzuzetteln.
Ich bitte dich für alle Menschen, die in dieser Zeit Macht und Einfluss haben; ich bitte die für die Politiker:innen und alle, die in den Regierungen Verantwortung tragen, ich bitte dich für Wirtschaftsunternehmen und NGO, ich bitte dich für alle religiösen Menschen, die an einen Gottes des Friedens und der Freiheit glauben:
bewege ihre Herzen und erfülle sie mit deinen Heiligen Geist. Er möge ihnen Einsicht schenken und mit Ideen und Gedanken bereichern, die ihnen Wege aufzeigen, dem Krieg ein Ende zu bereiten.
Ich bitte dich aber auch für uns alle, die wir vielleicht nur indirekt von diesem Krieg betroffen sind; dass wir die Bereitschaft haben, die Last derer mitzutragen, die besonders unter diesem Krieg zu leiden haben. Ich bitte dich darum, dass wir alle großherzig sind, besonders dann, wenn unsere Hilfe und Solidarität gefordert ist; ich bitte dich um Achtung und Respekt, wenn wir auf die Not von flüchtenden Menschen stoßen und ihnen die Hilfe zuteil werden lassen, die sie brauchen.
Heiliger Geist, du unser Beistand, stärke uns in dieser heil-losen Zeit.
Amen.
(c) Gerd Wittka, 24.02.2022, am ersten Tag des Krieges, den Putin gegenüber der Ukraine begonnen hat.