Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe

Impuls zum 30. Sonntag – A – 2023 (Mt 22, 34-40)

Bild von photosforyou auf Pixabay

Du sollst Gott lieben!
Wie aber kann ich Gott lieben?

Wer lieben will, muss sich vorbehaltlos auf den anderen einlassen.
Liebe unter dem Vorzeichen: „Ich liebe dich, wenn…“ oder „Ich liebe dich, aber …“ wird selten gut gehen!

Das ist so zwischen Menschen und das ist so auch in der Beziehung zu Gott.

Doch wir hören oft: „Ich kann nicht an Gott glauben, der das und das zulässt.“

Wir, die wir solche Worte schon einmal gehört oder sogar selber gesagt haben, wissen in der Rückschau, dass solche Worte fast immer aus Krisen heraus gesagt werden.
Da gab es einen großen dramatischen Schicksalsschlag in der eigenen Umgebung. Mir oder mir nahestehenden Menschen ist was sehr tragisches widerfahren. Vielleicht sogar eine Erfahrung von Gewalt oder Tod.
Oder wir nehmen Nachrichten aus aller Welt auf, die uns erschüttern und wir eigentlich nur unsere Augen mit unseren Händen bedecken wollen, um nichts sehen zu müssen. Wir werden Zeug:innen brutalster Taten.

Deshalb bin ich der Letzte, der für solche Worte kein Verständnis hat.
Manches erscheint so widersinnig und unmöglich mit Gottes Willen oder Gottes Wirken in Einklang zu bringen!

Nur, sollten wir mal versuchen, bei diesem Wort nicht stehen zu bleiben, sondern weiter zu denken:

Wenn ich schon nicht an Gott glauben kann, weil er vermeintlich das und das zulässt, wie will ich ihn dann gar lieben?

Oder anders ausgedrückt:
Wer fest davon überzeugt ist, dass er an Gott nicht glauben kann, weil er dies und das zulasse, der wird Gott kaum jemals lieben können.

[Nur als kleine Ergänzung:
Ich habe ja schon in der Vergangenheit darüber gesprochen, dass Menschen Gott vorwerfen, er würde dies und das Schlimme zulassen.
Ich habe in der Vergangenheit schon darüber gesprochen, dass es nicht Gott ist, der Schlimmes zulässt, sondern der Mensch. Deshalb möchte ich darauf heute nicht näher eingehen.]

Ich möchte vielmehr weiter der Frage nachgehen, wie es sich mit der Liebe zu Gott verhält und welche Hürden vielleicht zu nehmen sind, um da hin zu kommen.

       Glaube – Hoffnung - Liebe

Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei, sagt Paulus im Korintherbrief. Doch das Größte sei die Liebe. (vgl. 1.Korinther 13,13)

Vielleicht lässt sich aus dieser Aufzählung auch eine logische Reihenfolge bilden: Glaube – Hoffnung – Liebe.
Wenn das wirklich stimmt, dann kommt zuerst der Glaube an Gott und dann die Liebe zu Gott!

Denn die Liebe zu Gott kann sich nur entwickeln, wenn ich an Gott glaube:
• wenn ich versuche ihm in meinem Leben auf die Spur zu kommen.
• wenn ich versuche, eine echte und authentische Beziehung zu ihm zu suchen und zu pflegen.
• wenn ich bereit bin, mich auf ihn und auf seine Botschaft einzulassen, wie Jesus Christus es uns lehrt.

Die Liebe zu Gott ist selten der Anfang unserer Beziehung zu Gott. Ihm liegt meist schon ein gereifter Beziehungsweg zwischen mir und Gott und umgekehrt zu Grunde.
Gott lieben zu wollen und zu können, setzt also einen Weg, ein Beziehungsgeschehen voraus, dass schon getan wurde.

Und das ist schon schwer genug, vor allem, wenn wir in bestimmten Situationen Gott die Verantwortung und die Schuld für schlimme Erfahrungen und Ereignisse zuweisen.

Jetzt könnten wir hier meinen:
Wenn ich lerne, Gott für all das Übel in der Welt nicht verantwortlich zu machen, dann ist meine Chance ja größer, an ihn zu glauben und ihn zu lieben.

Ja, das mag sein.
Nur:
Das Ziel: Gottesliebe und ….mehr!

Es wird ja noch doller:
Jesus sagt: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen,… „ (vgl. Mt 5,44)

Das ist doch krass, was Jesus da von uns fordert, oder?

Wenn ich schon nicht an Gott glauben kann, der vermeintlich dies und das zulässt, und wenn ich ihn dann auch nicht lieben lernen kann, wie will ich dann meinen Feind lieben können?!

Bei mir liegt es, ob ich das ganze Übel der Welt Gott zuschreibe oder in die Schuhe schiebe oder nicht.
Aber es sieht doch ganz anders aus, wenn ich für einen Teil des Übels in der Welt konkrete Situationen oder gar Menschen aus machen kann. Und noch persönlicher wird es, wenn ich selber durch das Handeln mir bekannter Menschen Übel und Böses erfahre.

Kann Jesus mir dann zumuten, auch diese Menschen zu lieben?!
Bin ich bereit, mich zumindest ernsthaft und diesen Anspruch zu stellen – auch wenn ich diesem Anspruch nicht immer gerecht werden kann, weil die persönlichen Verletzungen und Verwundungen mich daran hindern?
Gibt es einen möglichen Ausweg aus dieser Überforderung?

Eine Möglichkeit wäre, mehr und mehr zu glauben, dass Gott nichts Böses für uns will. ER will nicht Leid und Not, nicht Schuld und das Unglück, nicht meins, nicht deins, nicht unsers!

Dazu kommt die gläubige Überzeugung, dass Gott, das Heil aller Menschen will, dass er jeden retten will.

Wenn ich diese Maximen annehme, weil Jesus Christus selber davon Zeugnis abgelegt hat, dann kann ich auch damit beginnen, eine liebende Einstellung zu jenen einzunehmen, die mir oder anderen nichts Gutes antun.

Ohne dieses Thema ausschöpfend behandelt zu haben, möchte ich an dieser Stelle enden mit einem Text von Beatrix Senft.

Gott des Mitleids

uns wurde verkündet
du bist der Gott des Mitleids

deine Anteilnahme an uns
unermesslich

genau wie deine Barmherzigkeit
deine Liebe
deine Milde für unser Versagen
deine Vergebungsbereitschaft

uns wurde verkündet
du verschonst uns vor dem ewigen Tod

du hast uns
in Jesus
ein Beispiel gegen
wir sollen ihm folgen

und

meine Tür geht auf

was davon
werde ich

da draußen
wirklich leben

???

(c) Beatrix Senft 2023, in Predigten zum 29. Okt. 2023 – 30. Sonntag im Jahreskreis (A) | Predigtforum.com


Ich weiß, dass dieses Thema eine der größten Herausforderungen für den christlichen Glauben darstellt. Deswegen bin ich offen für Gedanken, Anregungen und Kommentare zu diesem Impuls!




Danke

Heute, dem ersten Sonntag im Oktober begehen wir in der römisch-katholischen Kirche den Erntedank-Sonntag.
Danke zu sagen – hat das Alltagskultur in unserem Leben?

Dieser Sonntag darf uns einladen, über die Dankbarkeit nachzudenken.


Dank der Schöpfung

Dank der Schöpfung leben wir,
dank der Schöpfung gestalten wir
sie mit – jede und jeder von uns –
an jedem Tag.

Sind wir uns dessen bewusst?
Alles was wir tun oder unterlassen,
wirkt sich auf uns aus und auf unsere Umwelt,
auf die gesamte Schöpfung,
auch wenn wir
zu unserer Entlastung meinen,
das wir doch nur ein kleines Rädchen
im Getriebe sind.

Aber auch das kleinste Rädchen,
das seinen Dienst tut
– oder auch nicht –
leistet für das große Ganze
einen Beitrag
ob negativ
ob positiv.

Wenn wir also heute für die Schöpfung danken,
dann steht auf der anderen Seite der Medaille
die Rechenschaft,
die wir abzulegen haben,
wie wir mit diesem Geschenk umgehen?

Danken wir Gott für die Schöpfung,
dann sollten wir IHN auch immer
demütig bitten,
gut und verantwortlich mit ihr umzugehen.

Dank dem Leben

Dank dem Leben
sind wir
ins Dasein gesetzt

Dank dem Leben
sind wir nicht allein
leben
in Beziehungen
in Familien
in Freundschaften

Dank dem Leben
empfinden wir Freude
am Leben
lieben
das Leben
und macht uns
Angst
dieses Leben
einst verlassen zu müssen.

Dank dem Leben
schätzen wir das Leben
den Augenblick
die Liebe, die uns geschenkt wird
und die wir schenken dürfen
die Momente von Glück
manchmal ganz klein
nebensächlich
im Alltag
die Schönheit
und die überwältigende
Fülle
an Chancen und Möglichkeiten
die wir haben
die Freiheit
und unser Leben
so gestalten zu dürfen
wie es uns entspricht
MEIN Leben zu leben.

Dank dem Leben
tragen wir in uns
eine Sehnsucht
nach
Leben
Liebe
Geborgenheit
Freiheit
Selbstbestimmung
Selbstfindung

Dank dem Leben
kämpfen wir
für das Leben
für die Liebe
für die Freiheit

und gegen
Hass
Unterdrückung
Diskriminierung
Manipulation zur Abhängigkeit

Es gibt

so viel

zu

danken

(c) Gerd A. Wittka, 01.10.2023
Alle Bilder: www.pixabay.com




Die Liebe ist alles …

… ohne Liebe ist alles nichts!

Bild von Stefan Schweihofer auf Pixabay

Die heutige Lesung mündet in dem alles entscheidenden Satz:

„Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.“

Röm 13,10

Was für ein Wort! – Das dürfen wir uns auf der Zunge zergehen lassen!

„Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.“ – erinnert mich an ein Wort des heiligen Augustinus.

Augustinus war im 4. Jahrhundert Bischof von Hippo Regio, von ihm stammen folgende Worte:

(Augustinus von Hippo)

Die Liebe allein ist es, die den Unterschied macht, ob unsere Gedanken und Werke der Forderung des Evangeliums gerecht werden!

Und das ist beileibe kein Nebenthema.
Die Liebe ist DAS Thema all unserer christlichen Existenz.

Egal wann und wo wir unserem Leben eine kritische Selbstreflexion unterziehen wollen (oder auch müssen, weil wir Kritik von außen erfahren!), wird es um die Frage gehen, ob unser Denken und Handeln allein von der Liebe bestimmt wird.

Das fängt schon so banal an, wie jetzt, da wir zu diesem Gottesdienst gekommen sind.
Wie bin ich heute hier und in welcher Haltung möchte ich heute Gottesdienst feiern und all den anderen hier in der Kapelle begegnen?
Wünsche ich uns allen, dass dieser Gottesdienst für uns alle erbaulich und ein Ort wertschätzender Begegnung wird? Oder bin ich hier, weil ich meine, Erwartungen und Ansprüche befriedigen zu müssen: Erwartungen oder Ansprüche, die irgendwie in mir selber drin sind oder die von außen an mich herangetragen werden, wie z.B. die sogenannte Sonntagspflicht?

Und da sind wir schon bei dem Thema ‚Regeln und Liebe‘.

In unserer Kirche gibt es Regeln.
Manchmal kann man den Eindruck bekommen – auch heute noch -, dass Regeln wichtiger sind als alles andere.

Da ist irgendwo etwas bestimmt worden, sei es im Kirchenrecht oder Verlautbarungen des Papstes, des Bischofs, des Pfarrers, eines Pastoralteams, des Pfarrgemeinderates.
Bisweilen sind diese Regelungen sehr konkret.
Das Liebesgebot, das uns heute noch einmal ausdrücklich in Erinnerung gerufen wird, fordert uns auf, diese Regelungen und Entscheidungen unter das Primat der Liebe zu stellen.

Denn wir wissen, dass Regelwerk und Regelwut nicht immer mit dem Primat der Liebe vereinbar sind.
Manchmal entstehen Regeln aus Ängstlichkeit, manchmal aus dem vermeintlichen Besserwissertum, aus übertriebener und entmündigender Fürsorge oder auch einfach nur aus Machtwillen.

Um überprüfen zu können, ob Entscheidungen oder Regeln dem Primat der Liebe entsprechen, ist es sinnvoll und nötig, nach den Gründen der Entscheidungen oder Regeln zu fragen!

Jene, die Regeln aufstellen oder sie auch nur vertreten, sind stets verpflichtet, diese Regeln zu begründen – und zwar so zu begründen, damit sie für andere verstehbar und plausibel erscheinen.

Wer Entscheidungen trifft oder Regeln aufstellt, hat die kritische Anfrage und das kritische Hinterfragen von Regeln zu akzeptieren und ist der Rechenschaft schuldig.

Wir erleben eine historisch bedeutsame Phase der Kirchengeschichte; unsere Kirche ist – durch innere und äußere Einflüsse – dermaßen im Umbruch, dass bestehende Gewissheiten und Gewohnheiten hinterfragt werden müssen.

In diesem Prozess der Veränderungen gibt es viel Entscheidungs- und Regelungsbedarf.

In Zukunft wird es weiterhin zu Neuregelungen und Absprachen kommen müssen. Unter dem Diktat von fehlenden Finanzen oder fehlendem Personal ist viele im Fluss, was noch vor Jahren eher wie in Stein gemeißelt wirkte.
Das ist eine Zumutung und sicherlich für alle nicht immer leicht. Wenn Vieles im Umbruch ist, kann das verunsichern.
Um so wichtiger ist es, diese nötigen Veränderungen, die zu neuen Regelungen führen, uneingeschränkt ebenfalls dem Liebesgebot zu unterstellen.

Dabei ist das Liebesgebot inhaltlich als auch strukturell zu beachten.

Inhaltlich heißt das, dass alles, was wir in der Kirche tun, begründbar sein muss mit der frohen und befreienden Botschaft des Evangeliums in Einklang stehen muss.
Ich nenne nur ein paar Schlagworte: „Frohbotschaft statt Drohbotschaft“, „Auferbauung der Gemeinde“ (wie es der hl. Paulus immer wieder fordert, Förderung der Gottesbeziehung, Stärkung des geistlichen Lebens, Befreiung von Angst und Befreiung zur Gott geschenkten Freiheit, …

Strukturell bedeutet das Liebesgebot, dass wir in der Kirche ein Miteinander zu pflegen haben – auch bei der Beratung und Entscheidung über Regelungen -, welches wertschätzend und nicht bevormundend ist.

Es bedarf in unserer Kirche Strukturen, die von der Überzeugung geprägt sind, dass der Heilige Geist in jeder Person wirkt und dieses Verständnis bei der Erörterung von Fragen und bei der Entscheidungsfindung angemessen berücksichtigt wird.

Strukturell bedeutet es: die hierarchischen Strukturen in unserer Kirche haben immer dienende, niemals herrschende Funktion, denn Jesus Christus selber ist kommen als einer der dient (vgl. Lk 22,27).
Insofern ist Kirche und sind Amtsträger:innen in der Kirche immer Dienende.
Der „Pfarrer“ = „Pfarr-Herr“ als feudal verstandenes Amt, hat keine Berechtigung in unserer Kirche, denn niemand ist Herr über uns, außer Gott selber.

Mir persönlich ist es wichtig, gerade in dieser Zeit gewaltiger Umbrüche in unserer Kirche, immer wieder an dieses Grundverständnis unseres christlichen Glaubens zu erinnern.

Das Liebesgebot darf in Zeiten der Umbrüche und Transformation weder relativiert noch ausgesetzt werden, denn es gilt absolut!
Es gibt keine Stelle in Neuen Testament, in dem Christus selber oder auch nur die anderen Schriften das Liebesgebot relativiert hätten.
Der Grund liegt in Gott selber, der nach unserem Verständnis absolut ist und der die Liebe schlechthin ist.

Liebe Geschwister,
exemplarisch habe ich am Leben der Kirche versucht, aufzuzeigen, was die heutige Lesung konkret bedeuten könnte.

Doch all das können wir übertragen auf unser Zusammenleben in Freundschaften, Partnerschaft und Familie, am Arbeitsplatz und in Betrieben, in Vereinen und Verbänden, in nachbarschaftlichen Beziehungen, in Gesellschaft und Staat und innerhalb internationaler Staatengemeinschaften.

Doch zuallererst beginnt das Liebesgebot bei uns selbst.
Denn Gottes- und auch Nächstenliebe ist nicht wirklich realisierbar, wenn die echte Liebe nicht zuerst bei uns selber beginnt, in der Selbstliebe.




Vatikanisches Denunziantentum

Priester aus dem Erzbistum Köln wegen Segnung liebender Menschen abgemahnt

Bild von Prawny auf Pixabay

Quelle: Mettmanner Pfarrer abgemahnt wegen Segnung gleichgeschlechtlicher Paare – Rheinland – Nachrichten – WDR

Weil er liebende Menschen segnete, wurde ein Priester des Erzbistums Köln abgemahnt.
Vorausgegangen war eine Einladung zu einer Segensfeier für liebende Menschen.
Den Berichten zufolge, soll es im Vatikan eine anonyme Anzeige gegeben haben, da der Priester in diesem Gottesdienst auch nicht-heterosexuelle Paare gesegnet habe.
2021 hat der Vatikan noch einmal ausdrücklich betont, dass homosexuelle Paare in einer kirchlichen Feier nicht gesegnet werden dürften.
Dies hat in Deutschland zu einer heftigen innerkirchlichen Auseinandersetzung geführt, aus der auch die Initiativen „Liebe gewinnt“ und „#outinchurch“ entstanden ist.
Im Rahmen des Synodalen Weges wurde zudem gefordert, dieses Verbot außer Kraft zu setzen.
Einige Bistümer in Deutschland werden solche Segenshandlungen nicht sanktionieren – nicht dazu gehört das Erzbistum Köln unter Kardinal Woelki, der an diesem vatikanischen Verbot festhält.

Die Bistümer Münster, Aachen und Essen haben hingegen betont, Segnungen dieser Art nicht zu bestrafen, sondern die Entscheidung darüber der gewissenhaften pastoralen Verantwortung der Seelsorgenden zu überlassen.

Ungeachtet des Umstandes, dass die Kirche keine Probleme damit hat, Sachbenediktionen vorzunehmen, also Gegenstände zu segnen, wozu auch Fahrzeuge, Häuser etc. gehören, aber Menschen die das Liebesgebot bestmöglich in ihrem Leben umsetzen möchten, nicht segnen will, gibt es noch eine moralische Dimension dieses Vorgangs.

Denunziation

Der Abmahnung geht offenbar eine anonyme Anzeige voraus, die beim Vatikan eingegangen ist.
Verwerflich ist in meinen Augen, dass es sich bei dieser Segenshandlung nicht um ein kapitales Unrecht handelt, das per se sanktioniert werden müsste.
Es ist die Frage, ob bei solchen Bagatellen anonyme Hinweise ausreichen, um eine solche rigorose Abmahnung vornehmen zu müssen?!
Zudem muss gefragt werden, ob die anzeigende Person selber bei dieser Segnungsfeier zugegen und damit persönlich Zeuge dieser Segnung gewesen ist?
Wenn ja, dann müssen auch „Ross und Reiter genannt“ werden!

Mit einem solchen rigiden Verhalten fördern wir eine inquisitorische Atmosphäre in der Kirche, wenn bei solchen Bagatell-Fällen allein eine anonyme Anzeige ausreicht, um solche rechtlichen Schritte einzuleiten.
Wer es zulässt, als (Erz-)Bistum sowie als Erzbischof und Kardinal so die Saat der Denunziation zu fördern, fördert damit auch die Entfernung von einer geschwisterlichen Kirche.
Kardinal Woelki ist schon lange dabei, den Schatz der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens in die Leitung der katholischen Kirche zu verspielen.

Er selber hätte diese Angelegenheit auf sich beruhen lassen können.
Was hätte ihm schon passieren können, wenn er den Priester nicht ermahnt hätte?
Der Papst würde ihn deshalb sicherlich nicht aus dem Amt entfernen.

Dazu hätte der Papst schon viel früher gute Gelegenheit gehabt, die leider nicht von Rom genutzt wurde!

Dieser autoritäre Akt ist ein weiterer Schlag mit der Abrissbirne gegen die Glaubwürdigkeit der römisch-katholischen Kirche!
Man braucht keine prophetische Gabe zu besitzen, um zu erkennen, dass dies eine neue Welle von Kirchenaustritten nach sich ziehen wird.
Doch dass scheint dem Kardinal in Köln völlig gleichgültig zu sein.




Dem Zerstörerischen Einhalt gebieten

Bild von Ralf Kunze auf Pixabay

Ich habe bei meiner Wohnung einen netten Balkon, recht groß und sehr sonnig.
Im Frühjahr überlege ich immer wieder, wie ich ihn nun gestalten und bepflanzen könnte.
Und wenn ich dann die Solitärbienen sehe, die heimelig surrend meine Insektenhotels umschwirren, denke ich mir:
“ … Du musst auch an sie denken. Gestalte es also möglichst insekten- und bienenfreundlich…“
Denn bei uns am Haus ist es fast gar nicht bienenfreundlich: immergrüne Pflanzen, Lorbeer-Hecken, Rasen, aber nichts, was wirklich blüht und für Insekten auch nur halbwegs interessant wäre – eine ‚grüne Wüste‘, wie ich es immer bezeichne.

Da möchte ich einen Kontrapunkt zu setzen.
Also säe ich Blumensamen aus, am besten viele verschiedene Kräuter, die zu unterschiedlichen Zeiten wachsen und blühen, und in vielen verschiedenen Farben.

Wenn die Sämlinge dann austreiben und heranwachsen, sehe ich zwischendurch auch einige Grasbüschel, die sich da breit machen wollen.

Soll ich die einfach herausreißen?
Sie wissen vielleicht, dass manche Gräser eine blöde Eigenschaft besitzen: sie treiben unterirdisch ziemlich breites Wurzelwerk aus.
Wenn ich jetzt daran ziehe, rupfe ich mit einem Mal auch die Pflanzen aus, die ich eigentlich wachsen lassen wollte.
Nun ist guter Rat gefragt.
Also halte ich diese Gräser im Blick und schneide sie immer wieder und beharrlich ab, damit sie den anderen Blühpflanzen keine Nahrung weg nehmen, diese weiter wachsen können und ich sie nicht zusammen mit dem Gras herausreiße.

Ich weiß nicht, ob das gerade gärtnerisch ‚richtig‘ ist, aber ich mache es so.
Das erinnerte mich an das heutige Evangelium.

Da ist unter die ‚gute Saat‘ etwas gekommen, was sich in verschiedener Weise destruktiv auf diese gute Saat auswirkt.

Im Evangelium heißt es „Unkraut“. Und dieses Unkraut wurde immer wieder mit dem Bösen gleich gesetzt.

Ich bezeichne es – um im Bild des heutigen Evangeliums zu bleiben – als das Destruktive.
Das ist offener und zugleich klarer.
Denn das Destruktive sind Einflüsse und Umstände, die das, was Erstrebenswert ist, hindern, zu wachsen und zu reifen.

Und dieses Erstrebenswerte kann Vieles sein; zuallererst natürlich die Liebe. Ist sie destruktiven Kräften ausgesetzt, wird sie klein gehalten oder verkümmern.
Deshalb bezeichne ich auch den Gegensatz von Liebe nicht als das Böse, sondern als ‚Mangel an Liebe‘.

Immer wieder dort, wo die Liebe zurückgedrängt, begrenzt und eingeengt wird und nicht zur Entfaltung kommen kann, haben wir es mit der Macht des Destruktiven zu tun.

Das heutige Gleichnis sagt mir:
Ich möchte die gute Saat aussäen, ich möchte, dass die gute, die gewollte und beabsichtigte Saat aufgeht und wachsen kann.
Wenn ich dann sehe, dass dazwischen auch destruktive Saaten anfangen zu gedeihen und zu wachsen, dann mag ich sie – oberflächlich betrachtet – einfach herausreißen wollen.
Aber bei näherer Betrachtung kann ich sehen, dass die Wurzeln des Destruktiven auch schon ihr Werk getan haben; sie sind viel tiefer ins Erdreich hinein gewachsen, oberflächlich kaum zu erkennen und sie nähern sich dem Wurzelwerk der guten Saat gefährlich, so dass ich die gute Saat zusammen mit der destruktiven Saat ausreißen würde, wenn ich das Destruktive jetzt gewaltsam am Schopf packen würde.

Das Ergebnis wäre das, was wir mit dem Sprichwort umschreiben:
„Das Kind mit dem Bade ausschütten.“

Damit wäre das Ergebnis noch verheerender, als wenn wir das Destruktive weiter im Auge behalten und ‚beschneiden‘, damit es selber nicht noch aufblühen und eigene Saaten bilden kann.

So kann ich nämlich die guten Pflanzen hegen und pflegen, sie blühen und gedeihen lassen. Dadurch werden sie – trotz der destruktiven Bedrohung – zur Nektarquelle für Insekten und Bienen und dann später, wenn sie ihre Bestimmung erfüllt haben, zusammen mit den unnützen Gras herausgerissen.

Das anschauliche Evangelium lehrt mich eine gewisse gelassene Haltung, die das Destruktive in unserem Leben nicht ignoriert oder relativiert. Sie erkennt die Gefahr, die vom Destruktiven ausgeht und nimmt sie ernst.
Sie übersieht nicht ihre schädlichen Wurzelwerke, sondern versucht, mit intelligentem Vorgehen, es in Schach zu halten.

Der Umgang mit dem Destruktiven, erfordert Klugheit, Achtsamkeit, vorausschauendes Handeln und Besonnenheit.

Radikales Vorgehen – übrigens ein Vorgehen von Extremisten – bedroht im wahrsten Sinne des Wortes, letztendlich auch das gute Wurzelwerk und damit das Wachstum und die Stärkung der guten Saat.




Pfingsten 2023

Bild von Gerd Wittka auf Pixabay

Entdecke den Geist

„Es gibt Menschen, die den eigenen Vogel für die Taube des Heiligen Geistes halten.“

Unbekannt

Ein provokanter Satz!

Doch: in der Kürze der Würze bringt dieser so schnodderig daher kommende Satz eine Wahrheit auf den Punkt:

Die Unterscheidung der Geister, oder besser: wie man zu unterscheiden vermag zwischen Wirken des Heiligen Geistes und dem eigenen Spleen, ist kein leichtes Unterfangen.

Vielleicht ist uns das Wort aus der Apostelgeschichte Kapitel 15, Vers 28 bekannt: „… Denn der heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weitere Last aufzubürden,…“
Hier ging es um die Frage, ob die frühen Christen nach dem detaillierten Regelwerk des jüdischen Glaubens leben müssten, einschließlich der rituellen Beschneidung der Männer.

„Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen…“ – würden wir uns heute trauen, so etwas zu sagen?!

Zwar glauben wir immer noch, dass sich im Leben und Wirken der Kirche auch das Wirken des Heiligen Geistes findet.
Doch das Zitat am Anfang und auch so manche Witze über das Wirken des Heiligen Geistes im Zusammenhang mit der Kirche zeigen, dass wir etwas vorsichtiger, zurückhaltender und kritischer geworden sind, wenn jemand behauptet oder meint, sich bei seinen Aussagen oder Anschauungen auf den Heiligen Geist berufen zu können.

Diese Skepsis und der Glaube an das Wirken des Heiligen Geistes sind für mich aber kein Widerspruch.

Vielmehr sind sie Folge einer kritischen und vernünftigen Auseinandersetzung mit der Frage, woran man das Wirken oder die Früchte des Heiligen Geistes erkennen kann?

Ja, selbst unsere Kirche weiß um die Gefahr, das Wirken des Heiligen Geistes oder menschlichen Ungeist nicht unterscheiden zu können. Deshalb ist es gute sprituelle Tradition, vor den großen Entscheidungen besonders um die Gaben des Heiligen Geistes zu beten.

Und diese Auseinandersetzung ist nötig – vielleicht nicht nötiger denn je, aber zumindest genau so nötig, wie in früheren Zeiten.

Schon in der Apostelgeschichte ist ein solches Gebet bezeugt, als nämlich der Apostelnachfolger für Judas Iskariot gewählt werden musste. So heißt es dort in Kapitel 1,24: „…Dann beteten sie: Du, Herr, kennst die Herzen aller; zeige, wen von diesen beiden du erwählt hast,…“

Ein Wort eines früheren Benediktinerpaters hat in einem kurzen Satz eigentlich ziemlich signifikant zusammen gefasst, wie wir das Wirken des Heiligen Geistes erkennen können:

„Das Wirken des Heiligen Geistes in den Seelen ist Eingießen, Fördern und Vollenden der Liebe.“

(P. Alois Mager OSB)

Wie bei anderen zentralen christlichen Themen dreht sich auch bei der Frage nach dem Heiligen Geist und seinem Wirken in dieser Welt alles um die Liebe!

Kein Wunder! Denn die Liebe ist der Dreh- und Angelpunkt unseres christlichen Glaubens.

Wirken des Heiligen Geistes ist das Eingießen der Liebe

Wenn wir also in Situationen kommen, wo wir uns fragen, ob hier das Wirken des Heiligen Geistes am Werk ist, brauchen wir nur zu fragen, ob in allem Denken, Glauben und Handeln Liebe mit eingeflossen ist.
An anderer Stelle habe ich schon deutlich gemacht, dass dies keine ganz einfach Frage ist. Denn nicht alles, was aus vermeintlicher Liebe geschieht, ist wirkliche Liebe. Da bedürfen wir einer sorgfältigen Prüfung, ob Liebe am Werk ist.
Wo aber Liebe am Werk ist, da wird das Wirken des Heiligen Geistes offenbar.

Wirken des Heiligen Geistes ist das Fördern der Liebe

Wenn wir uns selber oder andere ermutigen können, manche Dinge oder Widerfahrnisse unter dem Vorzeichen der Liebe zu setzen, wo wir gestärkt werden oder andere stärken, der Liebe Raum im Denken und Handeln zu geben, da ist das Wirken des Heiligen Geistes sichtbar.
Ich erlebe aktuell dies in der innerkirchlichen Diskussion um die Haltung gegenüber nicht-heterosexuellen Menschen.
Es ist wichtig und notwendig, unsere Haltung dazu unter dem Primat der Liebe zu stellen.
Und dies ganz besonders unter dem Aspekt der Liebe Gottes, der alle Menschen liebt, die er geschaffen hat und nichts geschaffen hätte, wenn er es gehasst hätte, wie es im Buch der Weisheit heißt. (vgl. Weisheit 11,24 f.: „Du liebst alles, was ist, / und verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast; / denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen.
Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben / oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre?…“)

Zugleich dürfen wir nicht die Augen davor verschließen, dass es sich bei unzähligen Beziehungen zwischen Menschen um liebende Beziehungen handelt. Es ist deshalb nach meiner theologischen Erkenntnis ein Irrglaube, dort Sünde zu unterstellen, wo Liebe ist!
Wenn wir also in Beziehungen, gleich welcher Art, das Primat der Liebe fördern, können wir daran schon das Wirken des Heiligen Geistes erkennen.

Wo Liebe vollendet wird, spüren wir das Wirken des Heiligen Geistes

Auch hier hilft uns eine bessere Aufmerksamkeit auf das Leben, nah und fern.

Wenn wir genau hinsehen oder -hören, können wir Menschen entdecken, die sich für andere einsetzen, sei es in der häuslichen Pflege, in der Begleitung von Menschen in schwierigen Lebenssituationen.
Aber auch in der großen Weltpolitik. Da denke ich an Initiativen und Vereine, die sich ehrenamtlich für den Schutz von Flüchtenden einsetzen und dabei selber Probleme auch mit staatlichen Stellen und Gesetzen in Kauf nehmen.
Wir könnten viele weitere Beispiel finden…

Ja, ich bin überzeugt davon, dass wir das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Zeit erkennen können, Gott sei Dank!

Sehnsucht nach Einsamkeit als Zeichen des Heiligen Geistes

Einen Aspekt möchte ich aber noch zum Schluss erwähnen: Die Apostelgeschichte berichtet uns von der Geistsendung mit großem Getöse: Sturmesbraus und Zungen wie von Feuer.
Doch sollten wir uns nicht darauf verlassen, dass dies auch in unserer Zeit immer so markant in Erscheinung tritt.
Denn auch in gegensätzlicher Weise kann Gottes Geist in unserer Welt in Erscheinung treten, nämlich in dem ganz Unscheinbaren und Stillen.

Ihn dort wahrzunehmen, erfordert eine andere geistliche Haltung, die in unserer Zeit Vielen schwer fällt: das Aufsuchen der Einsamkeit.
Sie wird für viele beängstigend oder gar bedrohlich wahrgenommen.
Denn in der Einsamkeit können wir mit Macht auf Themen in unserem Leben aufmerksam gemacht werden, die zu einer Bedrohung für unsere eingerichtetes Leben werden können.
Darin aber kann sich die Dynamik des Heiligen Geistes ausdrücken, der wir Sturmesbraus unsere bisherige Welt durchpflügen kann.
Wenn wir Menschen aber – zumindest hin und wieder – das Bedürfnis nach Einsamkeit haben, dann kann sich darin auch das Wirken des Heiligen Geistes ausdrücken, der in dieser Stille und Einsamkeit zu uns sprechen möchte.

Nur so kann ich das Wort des dänischen Philosophen Søren Kierkegaards verstehen, der formuliert hat:

„Überhaupt ist Bedürfnis nach Einsamkeit ein Zeichen dafür, dass in einem Menschen Geist ist und der Maßstab dafür, was an Geist da ist.“

(Søren Kierkegaard)


Ich wünsche uns allen, dass wir das Wehen und Wirken des Heiligen Geistes immer wieder in unserem Alltag und ihn als Hilfe in den Herausforderungen unseres Lebens erfahren.