Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe
Impuls zum 30. Sonntag – A – 2023 (Mt 22, 34-40)
Du sollst Gott lieben!
Wie aber kann ich Gott lieben?
Wer lieben will, muss sich vorbehaltlos auf den anderen einlassen.
Liebe unter dem Vorzeichen: „Ich liebe dich, wenn…“ oder „Ich liebe dich, aber …“ wird selten gut gehen!
Das ist so zwischen Menschen und das ist so auch in der Beziehung zu Gott.
Doch wir hören oft: „Ich kann nicht an Gott glauben, der das und das zulässt.“
Wir, die wir solche Worte schon einmal gehört oder sogar selber gesagt haben, wissen in der Rückschau, dass solche Worte fast immer aus Krisen heraus gesagt werden.
Da gab es einen großen dramatischen Schicksalsschlag in der eigenen Umgebung. Mir oder mir nahestehenden Menschen ist was sehr tragisches widerfahren. Vielleicht sogar eine Erfahrung von Gewalt oder Tod.
Oder wir nehmen Nachrichten aus aller Welt auf, die uns erschüttern und wir eigentlich nur unsere Augen mit unseren Händen bedecken wollen, um nichts sehen zu müssen. Wir werden Zeug:innen brutalster Taten.
Deshalb bin ich der Letzte, der für solche Worte kein Verständnis hat.
Manches erscheint so widersinnig und unmöglich mit Gottes Willen oder Gottes Wirken in Einklang zu bringen!
Nur, sollten wir mal versuchen, bei diesem Wort nicht stehen zu bleiben, sondern weiter zu denken:
Wenn ich schon nicht an Gott glauben kann, weil er vermeintlich das und das zulässt, wie will ich ihn dann gar lieben?
Oder anders ausgedrückt:
Wer fest davon überzeugt ist, dass er an Gott nicht glauben kann, weil er dies und das zulasse, der wird Gott kaum jemals lieben können.
[Nur als kleine Ergänzung:
Ich habe ja schon in der Vergangenheit darüber gesprochen, dass Menschen Gott vorwerfen, er würde dies und das Schlimme zulassen.
Ich habe in der Vergangenheit schon darüber gesprochen, dass es nicht Gott ist, der Schlimmes zulässt, sondern der Mensch. Deshalb möchte ich darauf heute nicht näher eingehen.]
Ich möchte vielmehr weiter der Frage nachgehen, wie es sich mit der Liebe zu Gott verhält und welche Hürden vielleicht zu nehmen sind, um da hin zu kommen.
Glaube – Hoffnung - Liebe
Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei, sagt Paulus im Korintherbrief. Doch das Größte sei die Liebe. (vgl. 1.Korinther 13,13)
Vielleicht lässt sich aus dieser Aufzählung auch eine logische Reihenfolge bilden: Glaube – Hoffnung – Liebe.
Wenn das wirklich stimmt, dann kommt zuerst der Glaube an Gott und dann die Liebe zu Gott!
Denn die Liebe zu Gott kann sich nur entwickeln, wenn ich an Gott glaube:
• wenn ich versuche ihm in meinem Leben auf die Spur zu kommen.
• wenn ich versuche, eine echte und authentische Beziehung zu ihm zu suchen und zu pflegen.
• wenn ich bereit bin, mich auf ihn und auf seine Botschaft einzulassen, wie Jesus Christus es uns lehrt.
Die Liebe zu Gott ist selten der Anfang unserer Beziehung zu Gott. Ihm liegt meist schon ein gereifter Beziehungsweg zwischen mir und Gott und umgekehrt zu Grunde.
Gott lieben zu wollen und zu können, setzt also einen Weg, ein Beziehungsgeschehen voraus, dass schon getan wurde.
Und das ist schon schwer genug, vor allem, wenn wir in bestimmten Situationen Gott die Verantwortung und die Schuld für schlimme Erfahrungen und Ereignisse zuweisen.
Jetzt könnten wir hier meinen:
Wenn ich lerne, Gott für all das Übel in der Welt nicht verantwortlich zu machen, dann ist meine Chance ja größer, an ihn zu glauben und ihn zu lieben.
Ja, das mag sein.
Nur:
Das Ziel: Gottesliebe und ….mehr!
Es wird ja noch doller:
Jesus sagt: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen,… „ (vgl. Mt 5,44)
Das ist doch krass, was Jesus da von uns fordert, oder?
Wenn ich schon nicht an Gott glauben kann, der vermeintlich dies und das zulässt, und wenn ich ihn dann auch nicht lieben lernen kann, wie will ich dann meinen Feind lieben können?!
Bei mir liegt es, ob ich das ganze Übel der Welt Gott zuschreibe oder in die Schuhe schiebe oder nicht.
Aber es sieht doch ganz anders aus, wenn ich für einen Teil des Übels in der Welt konkrete Situationen oder gar Menschen aus machen kann. Und noch persönlicher wird es, wenn ich selber durch das Handeln mir bekannter Menschen Übel und Böses erfahre.
Kann Jesus mir dann zumuten, auch diese Menschen zu lieben?!
Bin ich bereit, mich zumindest ernsthaft und diesen Anspruch zu stellen – auch wenn ich diesem Anspruch nicht immer gerecht werden kann, weil die persönlichen Verletzungen und Verwundungen mich daran hindern?
Gibt es einen möglichen Ausweg aus dieser Überforderung?
Eine Möglichkeit wäre, mehr und mehr zu glauben, dass Gott nichts Böses für uns will. ER will nicht Leid und Not, nicht Schuld und das Unglück, nicht meins, nicht deins, nicht unsers!
Dazu kommt die gläubige Überzeugung, dass Gott, das Heil aller Menschen will, dass er jeden retten will.
Wenn ich diese Maximen annehme, weil Jesus Christus selber davon Zeugnis abgelegt hat, dann kann ich auch damit beginnen, eine liebende Einstellung zu jenen einzunehmen, die mir oder anderen nichts Gutes antun.
Ohne dieses Thema ausschöpfend behandelt zu haben, möchte ich an dieser Stelle enden mit einem Text von Beatrix Senft.
Gott des Mitleids
uns wurde verkündet
du bist der Gott des Mitleids
deine Anteilnahme an uns
unermesslich
genau wie deine Barmherzigkeit
deine Liebe
deine Milde für unser Versagen
deine Vergebungsbereitschaft
uns wurde verkündet
du verschonst uns vor dem ewigen Tod
du hast uns
in Jesus
ein Beispiel gegen
wir sollen ihm folgen
und
meine Tür geht auf
was davon
werde ich
da draußen
wirklich leben
???
(c) Beatrix Senft 2023, in Predigten zum 29. Okt. 2023 – 30. Sonntag im Jahreskreis (A) | Predigtforum.com
Ich weiß, dass dieses Thema eine der größten Herausforderungen für den christlichen Glauben darstellt. Deswegen bin ich offen für Gedanken, Anregungen und Kommentare zu diesem Impuls!