Dieser Beitrag ist einfach genial! Wie oft versuchen wir einfach immer nur „nett“ zu sein, es anderen Recht zu machen, Fremderwartung zu erfüllen, doch dabei sind wir nicht bei uns und uns gegenüber nicht wahrhaftig. Vielleicht verraten wir dabei sogar unsere eigenen Werte und Sinnhaftigkeiten, zu denen wir stehen wollen.
Wir werden in Strukturen und Konventionen gepresst. Oft wird uns suggeriert: wenn du einen eigenen Standpunkt hast, dann bis du nicht nett! Doch wenn wir immer nur nett sind, werden wir auf Dauer nicht wirklich ernst genommen! Dieses Gespräch kann einem die Augen dafür öffnen, dass es manchmal besser ist, „klare Kante“ zu zeigen, besonders dann, wenn andere meinen, uns einnorden zu können.
Ich kann davon selber ein Lied singen, wie oft man versucht, mich mundtot machen zu wollen mit Sätzen: „Das habe ich von Ihnen nicht gedacht!“ oder sogar noch schlimmer, in dem die moralinsaure Keule geschwungen wird. Das geschieht oft in kirchlichen Kreisen.
Doch Erlösung heißt auch: sich selber treu zu sein, dafür einstehen zu können, was man selber als gut und richtig erkannt hat.
All die Probleme, die wir in Kirchens haben: Klerikalismus sowohl von Klerikern als auch von Laien; Geschlechterungerechtigkeit; Vertuschungsmentalität; die Doktrin: Die Kirche muss nach außen glänzend erscheinen; eine dogmatische Auslegung der Bibel, bei der es mehr um die Dogmen als um den befreienden Geist des Evangeliums geht; alles das und noch viel mehr wird gefördert von Tendenzen, den einzelnen Menschen in ein Korsett zu stecken, in das er nicht hinein passt.
Wer sich den Inhalt dieses Gespräches zu eigen macht, wird nicht mehr nur nett bleiben können; wer sich das zu eigen macht, wird vielleicht sogar ‚gefährlicher‘ werden für eingefahrene Strukturen, die Menschen unfrei machen oder halten wollen. Doch war da Jesus anders?! – Hat er nicht selber die Botschaft der Befreiung in den Mittelpunkt seiner Verkündigung gestellt? War er nicht selber unangepasst und ‚gefährlich‘ für bestehende Strukturen?!
„Bei euch aber soll es nicht so sein…“
Predigt zum 29. Sonntag im Jahreskreis – 16./17.10.2021
Wissen Sie, wie man unter Seelsorgerinnen und Seelsorgern eine lebhafte Diskussion anfachen kann? Man muss als Kollege einfach nur mal den Satz fallen lassen: „Wir sind doch alle Dienstleister!“
Schon werden sich spontan welche finden, die so in etwa sagen: „Nein! So kann man das nicht sagen! Wir können uns nicht sehen wir andere Dienstleistungsunternehmen, deren Leistung man so einkaufen kann.“ Andere wiederum sagen: „Doch, wir sind auch Dienstleister:innen, aber wir sind nicht – wie kommerzielle Dienstleister – wirtschaftlich Handelnde. Unser Dienst wird nicht vom „Kunden“ bezahlt (abgesehen von Gebühren, die für bestimmte kirchliche Handlungen vorgenommen werden).“
Ohne hier diese Diskussion weiter präsentieren zu wollen, glaube ich, dass diese Diskussion sehr gut unter dem Licht des heutigen Evangeliums betrachtet werden kann.
Ich selber bin davon überzeugt, dass wir als Seelsorgende durchaus Dienstleister:innen sind, aber sicherlich nicht im kommerziellen Sinne.
Jesus selbst formuliert die Nachfolge als einen Dienst, wenn er im Johannesevangelium in Kapitel 12,26 sagt: „Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein.“ Nachfolge Christi ist für ihn also ganz klar ein Dienst an dem Herrn.
Der frühere französische Bischof von Évreux, Jaques Gaillot, schrieb mal ein Buch mit dem Titel: „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts!“
Allein dieses Zitat ist geeignet, sich in einer geistlichen Übung mit dem Verständnis des Dienstes der Kirche und der in ihr tätigen Seelsorgenden zu beschäftigen. Ich vertrete ganz klar die Auffassung, dass unsere Aufgabe ein Dienst ist und das unsere seelsorgliche Leistung eine Dienst-Leistung ist und zwar in dem oben genannten Verständnis von Nachfolge Christi.
Heute hören wir zugleich von Jesus einen zweiten Aspekt seiner Sendung: „Denn der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“
Der Herr Jesus Christus versteht sich also zugleich als Diener! Jesus Christus versteht sich also in einer Art Doppelrolle, als HERR, dem jene dienen, die ihm nachfolgen wollen und zugleich als Diener, um sich selber FÜR andere aufzuopfern.
Problematisch wird es nur, wenn jene, die ein Amt in der Kirche ausüben, dieses Doppelverständnis Jesu auch auf sich selber übertragen, nämlich Diener und Herren zugleich sein zu wollen!
In unserer Zeit erfahren wir mit aller Wucht, welche Bedrohungen von so einem Selbstverständnis in der Vergangenheit ausgegangen ist und heute auch noch immer möglich ist. Ich möchte nur einige Stichworte nennen, die es – bis in unserem heutigen Sprachgebrauch – benennen: „Hochwürdiger Herr“ – „Hochwürden“ – „Pfarrer“ = Pfarrherr, „Monsignore“ = mein Herr, „Prälat“ = der Vorgezogene, „Eminenz“ = der Herausragende, ….
Dies alles sind – noch – gebräuchliche Anreden und Titel in unserer Kirche, die von ihrem Wesen her automatisch mit Macht verbunden werden und die den Unterschied zu anderen in Kirche und Gemeinde buchstäblich zementieren. Solche Titel und Bezeichnungen bergen auch die Gefahr, das Bewusstsein derer zu verändern, auf denen solche Titel angewandt werden oder die sogar solche Titel im alltäglichen Sprachgebrauch für sich einfordern.
Allein an diesem sprachlichen Beispiel können wir erkennen, dass wir uns in unserer Kirche dringend mit dem Thema „Macht“ beschäftigen müssen, gerade auch mit der vermeintlichen Macht der Seelsorgenden und zwar in erster Linie die der Kleriker.
Damit verbunden sind notwendige Auseinandersetzungen mit den Erfahrungen von missbrauchter Macht, die nicht nur zwischenmenschlich sondern sogar auch geistlich zu Tage tritt.
„Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und (…) ihre Macht gegen sie missbrauchen…“ – so hörten wir gerade im Evangelium.
Im Zusammenhang mit der Enttarnung sexualisierter Gewalt durch Kleriker in unserer Kirche ist das Thema „geistlicher Missbrauch“ sehr deutlich geworden.
Beide Themen haben zwangsläufig nichts miteinander zu tun! Sexualisierte Gewalt ist auch ohne geistlichen Missbrauch möglich und geistlicher Missbrauch geht auch ohne sexualisierte Gewalt. Aber wenn sexualisierte Gewalt durch Kleriker ausgeübt wird, dann geht das eigentlich immer mit geistlichem Missbrauch einher.
Geistlicher Missbrauch kann dabei schon viel früher beginnen; nämlich da, wo man in der Ausübung des seelsorglichen Dienstes die ratsuchende Person manipuliert, wo man ein Verhalten oder ein Geschehen bewertet, beurteilt oder gar Personen verurteilt und dies mit einer geistlichen oder religiösen Begründung versieht.
Ich thematisierte dieses so deutlich – wenn auch nicht ausführlich, weil es den Rahmen einer Predigt immer sprengen würde -, um diese Themen im öffentlichen Raum aus der Tabu-Zone zu holen.
Denn immer noch wird darüber in unserer Kirche viel zu viel geschwiegen.
Die Medien sind voll von diesem Thema, aber es ist eine Schande, dass wir vor Ort uns kaum offensiv mit diesem Thema des Missbrauchs – ob sexuell oder geistlich – beschäftigen.
Noch immer gibt es, auch hier bei uns in Oberhausen, die Scheuklappen vor dieser Thematik.
Da reicht es nicht aus, dass wir im Seelsorgeteam Präventionsbeauftragte haben, die dieses Thema bis in die Basis bringen wollen. Die Widerstände auch in unserer Pfarrei, sich dem Thema Vorbeugung zu stellen, sind noch allzu sichtbar.
Sie merken, liebe Schwestern und Brüder, das heutige Evangelium hat – wenn wir es ernst nehmen und in unseren Alltag in der Kirche herunterbrechen – eine explosive Brisanz.
Denn es geht nicht nur um die Frage, welchen Platz wir einst im Himmel einnehmen werden. Es geht vielmehr darum, ob wir ehrlich und glaubwürdig hier auf Erden und zum Wohle der uns anvertrauten Menschen uns breit mit diesen Themen beschäftigen, bei denen es letztendlich um das seelische und geistliche Überleben von Menschen oder deren seelischen und geistlichen Tod geht.
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macht.kritik I
Radikal anders
Schade, die Lesungstexte des gestrigen Ostersamstag (10.04.2021) haben es wahrlich in sich. Sie bergen radikales Potential, das auch in der gegenwärtigen Zeit nicht wirkungslos sein würde, wenn wir diese Textstellen ernst nehmen würden.
Ich möchte sie, auch einen Tag danach, nicht unbeachtet sein lassen.
Freiheit und Gewissen steht über der Obrigkeit (zur Apostelgeschichte)
Nach der Heilung eines Gelähmten stehen Johannes und Petrus vor dem Hohen Rat, dem es ein „Dorn im Auge ist“, dass sie im Namen Jesu von Nazareth Wunder bewirken. Sie befürchten, dass diese kleine Gruppe mehr Einfluß bekommt und die jüdische Gemeinde spalten könnte.
Ihre Einflußmöglichkeiten speisen sich aus Hierarchie und Macht. Dieses versuchen sie, nun einzusetzen, um die Predigten und Heilungswunder der Jünger:innen Jesu zu unterbinden.
Die Jünger:innen Jesu gehören nicht der Riege der Schriftgelehrten, Pharisäer und Hohenpriestern an und sind somit nicht eingebunden in deren Machtsystem.
Ihr Auftreten rüttelt an den Fundamenten der hierarchischen Strukturen und hinterfragt damit auch deren Berechtigung.
Auf der einen Seite jene, die das System vertreten und aufrechterhalten wollen, auf der anderen Seite jene be-geisterten Zeug:innen der Auferstehung Jesu, deren Erfahrungen sie nicht rat- und tatenlos bleiben lässt.
Die Jünger:innen sind überzeugt davon, nicht schweigen zu können, was sie gehört und und gesehen haben.
Auf der einen Seite jene, die ihre Legitimation aus Tradition, Strukturen und Macht ableiten, auf der anderen Seite jene, die ihre Sendung aus der ganz neuen Erfahrung ableiten, die be-geist-ert sind und ihre Begeisterung sich nicht in (den) Grenzen hält von Organisation, Konventionen und Abhängigkeit.
Die einen fordern Unterwürfigkeit der Tradition und den Strukturen gegenüber, die anderen fördern die Unterwerfung unter den Willen Gottes, den sie für sich erkannt haben.
Auch wenn die Strukturen der Macht in diesem Fall klein beigeben müssen; sie werden sich nicht geschlagen geben, sondern zu gegebener Zeit auf ihre bewährten Machtoptionen zurückgreifen, um die Abweichler zur Raison zu rufen.
Früher und heute
Was den Jünger:innen damals widerfahren ist, dass widerfährt auch heute vielen Menschen in unserer Welt: die Macht versucht mit macht ihre Macht durchzusetzen!
Demgegenüber stehen die scheinbar Machtlosen, die aber die Macht der Überzeugung und der Erkenntnis auf ihrer Seite haben.
Gerade in der römisch-katholischen Kirche treten in diesen Monaten und Jahren diese Konflikte offen zu Tage: da gibt es die eine Seite, die stur auf die vermeintliche Tradition verweist und sich durch ein durch die jahrtausende entwickeltes „Lehramt“ im Glauben wähnt, die ‚Wahrheit‘ des Glaubens schützen zu müssen, ohne darauf zu schauen, wo sich zeitgeschichtlich gerade die Wahrheit ihren Weg sucht, um sich Geltung zu verschaffen.
Da kommen tradierte Überzeugungen und Menschenbilder der Kirche auf den Prüfstand zeitgenössischer empirischer Erkenntnisse und nötigt das Lehramt gerade zu dazu, „das Alte neu zu sagen“ (Karl Rahner), aber das Lehramt nutzt diese Chance, ihre Aufgabe wahrnzunehmen, nicht, sondern verschanzt sich hinter plattitüdenhaften in einer Endlosschleife abspielenden Allgemeinplätzen, die die aufgeworfenen Fragen nicht mit dem nötigen Respekt und der notwendigen Ernsthaftigkeit aufgreifen, um sich intellektuell redlich damit auseinander zu setzen.
Stattdessen meint man – aus einem falsch verstandenen Autoritätsverständnis heraus – einfach ein „Basta!“ rufen zu können, und schon wäre wieder alles geritzt.
Doch jene, die auf anderen Wegen zum Glauben und zur Erkenntnis gekommen sind, dass Jesus wahrhaftig lebt, dass seine Botschaft auch eine wirkliche Relevanz für die Menschheit und die Welt der gegenwärtigen Zeit hat: jene lassen sich nicht (mehr) den Mund verbieten, sie nutzen ihre Möglichkeiten, um von ihrer Überzeugung Zeugnis abzulegen.
Sie vertrauen auf die Kraft des Lebens, des neuen Lebens in Ihnen, dass ihr Glaube in ihnen neu geweckt hat. Sie glauben an das Leben, dass erstarrte Strukturen aufbrechen und damit Grundlagen schaffen kann, wo das Leben wieder blühen kann.
Ich entdecke darin die österliche und vor-pflingstliche Dynamik, von der uns die nachösterlichen Texte der neutestamentlichen Texten Evangelien der Bibel berichten.
An die Vertreter der Macht und der Traditionen und der gegenwärtigen Strukturen bleibt nur die Aufforderung, sich offen und frei von den nachösterlichen Texten der Bibel anrühren und sich davon wieder neu beseelen zu lassen.
Sonst laufen jene Gefahr, die eine Spaltung eigentlich verhindern wollen, durch ihre Arroganz und Ignoranz der Wahrheit genau diese Spaltung voranzutreiben.
Neun Monate vor Weihnachten (dem symbolischen Geburtsfest Jesu Christi) begehen wir das Fest „Verkündigung des Herrn“
Die Szene wird den meisten von uns bekannt sein: der Erzengel Gabriel tritt zu Maria hinzu und verkündigt ihr, dass sie vom Heiligen Geist erfüllt das ‚ewige Wort vom Vater‘, SEINEN Sohn Jesus Christus empfangen habe.
Traditionelle Bilder dieses ‚Geschehens‘ sind sehr plastisch, wie auch die biblische ‚Schilderung‘. Schließlich geht es ja um die Geburt eines Menschen und wir ‚wissen‘, dass in der Regel zwischen Geburt und Empfängnis neun Monate liegen. Aber so plastisch diese biblische Erzählung ist, so realistisch ist sie auch. Maria ist nicht voller geistlicher Entzückung, sondern eine sehr bodenständige junge Frau, die um die biologischen Vorgänge durchaus weiß: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“
Und auch heute gibt es Menschen, die dieses Ereignis zu sehr biologistisch sehen wollen. Aber lassen diese auch die kritische Frage Mariens zu?!
Verbunden: Glaube und Verstand
Maria ist taff – sie lässt sich trotz ihres Glaubens diese Begegnung mit dem Erzengel nicht gedankenlos über sich ergehen. In dem Wunderbaren verliert sie nicht ihren Verstand, sondern nutzt ihn. Glaube ist auch eine Sache des Verstandes.
Und der Engel antwortet. Aber er begründet dieses Empfängnis nicht biologisch, sondern ‚entführt‘ Maria mit seiner Argumentation quasi in überirdische Sphären, wenn er antwortet: „Heiliger Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ (vgl.
Der Engel versucht erst gar keine biologische Antwort. Er macht sofort deutlich, dass es hier um ein Geschehen aus dem Blickwinkel des Glaubens geht.
Ja, Glaube muss verständlich sein, aber lässt sich mit unseren irdischen Erfahrungen und Sinnen nicht immer begreifen.
Ich denke, darin liegt die spirituelle Spannung dieses Festes.
Es ist müßig, ja geradezu töricht, dieses ‚Ereignis‘ biologisch begreifen zu wollen.
Gabriel und Maria laden uns ein, dieses Geschehen mit dem Augen des Glaubens zu ‚verstehen‘.
Dann verliert dieses Erzählung alle realistische und plastische Klarheit und zeigt das Wahre dieses Festes vielleicht so, wie es ein Glaskünstler mit diesem Kirchenfenster versucht hat, in den Blick zu nehmen:
Hier ist konturen- und schemenhaft mit plastischen Mitteln dargestellt, was mit den Augen des Glaubens sehr konkret wird:
Ein Mensch (hier Maria) ist offen für die Ansprache Gottes in ihrem Leben. In dieser Offenheit für Gott blendet sie aber ihren Verstand nicht aus, sondern nutzt ihn, um zu ergründen und selber zu erkennen. Und sie erkennt und wird erkannt (‚erkannt werden‘ ist die biblische Umschreibung für den biologischen Geschlechtsakt), aber sie wird erkannt nicht mit der Potenz eines Mannes sondern ‚im Heiligen Geist durch die Kraft des Höchsten‘.
Als aufgeklärter und vernunftnutzender Theologe und Christ wird mir mit zunehmendem Alter klarer: Unser Glaube darf und kann sich nicht biologisch und durch Überlieferungen erklären, die wir allein historisch sehen und verstehen wollen.
Um wirklich Glaube sein zu können, muss unserer irdischer Verstand die Bereitschaft haben, die ‚Augen des Glaubens‘ zu nutzen, die uns dann jenen Durchblick verschaffen können, wo unsere leiblichen Augen vielleicht klar sehen, aber letztendlich allenfalls schemenhaft erkennen können.
Nicht die Empfängnis ist das wunderbare, das ich an diesem Tag in den Blick nehme, sondern dass Maria das, was mit ihr geschehen ist, mit den Sinnen des Glaubens erkennen und deshalb dazu ihr „Ad sum“ sagen konnte.
So wurde das biologisch scheinbar Unmögliche in ihr buchstäblich Wirklichkeit.
Verkündigung
Klar und schemenhaft glaubhaft und unglaublich himmlisch und irdisch zweifelhaft glaub-würdig
Schon immer war mir dieser 28. Dezember irgendwie komisch. Da feiern wir ein „Fest der unschuldigen Kinder“ und die Bibel berichtet uns von einer abscheulichen Bluttat des Herodes. Auf seiner Suche nach dem neugeborenen König der Juden (-> Jesus Christus), in dem er eine Bedrohung seiner Macht und Herrschaft sieht, lässt er kurzerhand alle Knaben bis zu einem Alter von zwei Jahren ermorden.
Immer wieder wurde mir diese Textstelle so ausgelegt, dass die Kirche dieser „unschuldigen Kinder“ gedenkt, die ihr Leben für Jesus Christus lassen mussten.
Aber: diese Kinder waren keine Märtyer; deren Eltern wussten wahrscheinlich noch nicht einmal von dem „Grund“ des Herodes. Ihnen wurden ihre Knaben grausam entrissen. Sie und ihre Eltern hatten keine Wahl, sich für oder gegen ein solches ‚Martyrium‘ zu entscheiden! Ich fand das immer wieder verstörend.
Kein historischer Bericht
Dann aber wurde später eingewandt, dass dieses Ereignis ja gar nicht historisch sein wird. Das machte es aber für mich nicht besser.
Was für ein Gottesbild steckt dahinter? Möchte ich an einem solchen Gott glauben, der grausame Bluttaten an ungezählten Knaben zulässt, nur um seinen Sohn zu retten?
Das Einzige, was ich an dieser Erzählung erkennen kann, ist, dass Gott schon von Anfang an seine rettende Hand über seinen Sohn Jesus Christus hatte.
Aber: um das deutlich zu machen, hätten die Verfasser dieses Evangeliums nicht zu so grausamen Erzählungen greifen müssen! Das ist ziemlich über das Ziel hinausgeschossen!
Ich kann deshalb mit diesem „Fest“ für meine Spiritualität im Hinblick auf Weihnachten nichts anfangen.
Aktualisierung: Macht-Wahnsinn
Aber wenn ich auf Herodes schaue, erkenne ich einen Mann, der mit allen Mitteln um seine Macht kämpft. Er missbraucht seine Macht, um ‚unschuldiges‘ Leben zu töten, zu zerstören.
Machtmissbrauch für sexualisierte Gewalt
Wenn ich diesen Gedanken näher an mich heranlasse, dann kommen mit heute unweigerlich ganz konkrete Menschen in den Sinn: Kinder und Jugendliche, die unter Missbrauch von Macht Opfer sexueller Gewalt wurden. Kinder und Jugendliche, deren Leben durch solche Taten nachhaltig zerstört wurden, weil sie traumatische Geschehen erlebt haben, die sie ihren Lebtag nicht mehr loslassen werden.
Mit kommen Kinder, Jugendliche aber auch Erwachsene in den Sinn, die von Geistlichen meiner Kirche Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind.
Ich fühle dann Beklemmungen, Schmerz, kalte Wut und tiefe Trauer, dass selbst in unserer Kirche Menschen nicht davor gefeit sind, ihre Macht zu missbrauchen, um das Leben anderer Menschen zu zerstören.
… vier Finger auf uns zurück …
Wenn wir also heute das „Fest der unschuldigen Kinder“ feiern und versucht sind, mit unserem Finger auf Herodes zu zeigen, der – aus blindem Machtwahn – auch vor den schrecklichsten Taten nicht zurückschreckte, dann sehe ich vier Finger, die auf meine eigene Kirche zurück zeigen, wo es auch – und sicherlich immer noch – Menschen und Amtsträger gibt, die ihre Macht und ihren Einfluß missbrauchen, um physisch und psychisch über wehrlose – zumeist junge – Menschen Gewalt an Leib und Seele auszuüben.
Das „Fest der unschuldigen Kinder“ sollte eigentlich ein „Gedenktag“ sein und uns darauf verweisen, wie sehr immer noch Machtstreben in der Kirche Unheil und Verbrechen begünstigt und möglich macht.
Und solange die Kirche selber immer auch ein Institution und Organisation ist, wo Macht eine entscheidende Rolle spielt (und das ist bei einer solchen hierarchischen Organisation gar nicht anders möglich), sollte uns alle, dieses Fest Warnung und Mahnung sein.
Wer aus diesem heutigen Gedenktag wirklich lernen will, der muss den Mut haben, zu einer Kirche ohne – oder aber nur mit minimaler – Macht zu kommen.
Die gesellschaftlichen Entwicklungen, die die Kirche(n) immer mehr ent-machten, weil sie faktisch an gesellschaftlicher und politischer Bedeutung verlieren, könnte da ein historische Chance bieten.