Wer seine Ohren verstopft vor dem Schreien des Armen, der wird einst auch rufen und nicht erhört werden. Sprichwörter / Sprüche 21,13
Dieses Wort habe ich am 24.9.2024 in meinem Stundengebet-Buch gelesen. Es stand ganz am Anfang dieses Tages und sollte für mich das Leitwort dieses heutigen Tages werden.
Es ist ein Wort höchster Aktualität, scheint es doch so, als würde unsere Welt kaltherziger und weniger solidarisch. Da ist zuvorderst eine zunehmend extrem fremdenfeindlichen Haltung in unserer Gesellschaft zu erkennen, die auch noch parteilich fokussiert wird.
Erklärungen, eine ‚traditionelle‘ Partei zu sein, die auf vermeintlich ‚traditionelle‘ Werte zurück greifen will, iust jedoch dann Lug und Trug und es zeigt sich in ihrer ganzen Programmatik eine inhumane und überhaupt nicht unsere christlich-abendländischen Kultur berücksichtigende Haltung.
Diese wird nämlich geprägt u.a. durch das obige Leitwort.
Schon im Alten Testament wurde es als edelmütig angesehen, wenn gläubige Menschen sich auch einer ethisch-solidarischen Haltung gegenüber Menschen verpflichtet wussten, die sich um Notleidende kümmerte. Ihnen nicht die notwendige Hilfe und Unterstützung zu versagen, war wesentliches Zeichen einer alttestamentlichen Ethik, die im Neuen Testament von Jesus Christus noch einmal übersteigert wurde. Für ihn sind nämlich all jene seine ‚Brüder und Schwestern‘, die nicht dem Fleisch nach zu ihm gehören, sondern dem Geiste nach. Auch das ergibt sich aus dem heutigen Tagesevangelium, in dem es heißt:
Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln.
Lk, 8,21
Eine christliche-abendländische Ethik ist also eine Ethik, die ihre Aufmerksamkeit auf die anderen richtet, nämlich auf jene, die unserer Solidarität, Hilfe und Zuwendung bedürfen. Alles andere, vor allem die egozentrische Fixiertheit z.B. auf die eigene Nationalität ist wider dem Geist des Evangeliums.
Das gilt dann in folge dessen auch für alles diskriminierende Geschwafel, welche das traditionelle Familien- und Geschlechterbild hochhalten will. Wenn dies nämlich einher geht mit Herabsetzung und Verweigerung der Freiheit und Selbstbestimmungsrechte des Individuums, kann es sich nicht auf Humanismus, auf christliche Ethik und christlich-abendländische Kultur berufen. Dies geht auch dann nicht, wenn sich zeitgeschichtliche Zeugnisse anführen, lassen, die andere Menschen verfolgt und diskriminiert haben im vermeintlichen Rückgriff auf das Christentum. In Wahrheit haben sie schon damals den christlichen Glauben verraten; sie waren in diesem Sinne schon in Wahrheit ‚Antichrist:innen‘!
Lebensrettung – strafbar
Bankrott-Erklärung des christlichen Humanismus
Ursache: Ultra-Rechte, die dem Faschismus nacheifern
Es ist wahrscheinlich wie bei vielen anderen Nachrichten: überhäuft von negativen Nachrichten, können wir gar nicht so viel aufnehmen.
Aber vielleicht macht sich das gerade die italienische ultra-rechte Regierung zu nutze, um so gleichsam ‚unter dem Radar‘ ihre faschistisch-unmenschliche Politik zu machen.
Insgesamt vier Seenotrettungsschiffe sind in den letzten Tagen von der italienischen Regierung ‚festgesetzt‘ worden. Das heißt, dass sie 30 Tage lang nicht auslaufen dürfen und auch nicht in Seenot geratene Menschen im Mittelmeer retten können und dürfen.
Doch als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, verhängt die Administration auch noch Geldstrafen, die von diesen Organisationen, die zumeist privat finanziert werden, getragen werden müssen.
Dies ist ein himmelschreiender Skandal!
Denn: Damit zeigen die ultra-rechten Kräfte (nicht nur) in Italien, welch Geistes Kind sie sind: Sie gehen oder schwimmen buchstäblich über Leichen. Menschenleben zu retten, ist für sie keine ehrbare christlich-humanistische Aufgabe, sondern buchstäblich eine kriminelle Handlung, ein Verbrechen, dass bestraft werden muss!
Von Moral und Anstand kann da keine Rede mehr sein. Dies zeigt, dass ultra-rechte Nationalisten eine Politik des Todes verfolgen.
Wir alle, die wir darum wissen, sind mitverantwortlich und machen uns mitschuldig, wenn wir nichts tun.
Zwar ist das auch nur ein suboptimaler Weg, weil wir dadurch Faschisten noch das Geld in den Rachen schmeißen; aber es gibt kein schwarz-weiß. Das zeigt auch dieses Beispiel wieder.
Wir werden schuldig, nicht nur wenn wir Böses getan, sondern auch Gutes unterlassen haben, wie es im Schuldbekenntnis der römisch-katholischen Liturgie heißt!
Ungerechter Sparzwang
Wirtschaftliche Situation von Pfarreien darf nicht zu sozialer Ungerechtigkeit führen
Heute möchte ich etwas thematisieren, bei dem ich in meiner Kirche sicherlich nicht nur auf wohlwollende oder gar positive Reaktionen stoßen werde. Wieder einmal muss ich einen Bereich entdecken, wo meine Kirche unglaubwürdig und sogar unsozial ist.
Diesmal geht es um die Situation von Honorarkräften, die in unseren Kirchengemeinden im Einsatz sind und zwar am Beispiel der Kirchenmusik.
Sparpotential – Personal oder Immobilien?
Personen, die über die wirtschaftliche Lage unserer Pfarreien im Bild sind, wissen, dass dort ein erheblicher Sparzwang besteht. In manchen Pfarreien gibt es einen nötigen Sparzwang von mindestens 30%, manchmal auch bis zu 50% gegenüber guten Zeiten vor einigen Jahren.
Das hat dazu geführt, dass Pfarreien sehr sorgfältig überlegen mussten, wie sie mit ihrem Budget umgehen. Wo können wir Einsparungen vornehmen? Welche Bereiche sollen davon zuvorderst betroffen sein: Immobilien oder Personal?
Manche Pfarreien und in ihnen die verantwortlichen Gremien haben sich für Einsparungen beim Personal entschieden, zu Gunsten einer Aufrechterhaltung von vorhandenen Immobilien wie Kirchen, Pfarrheimen etc.
Technische Dienste und Kirchenmusik besonders betroffen
Hier sind angefangen von den technischen Diensten, wie Hausmeister:innen und Raumpflegekräfte über Mitarbeitende in der Verwaltung, aber auch die Mitarbeitenden im Bereich der Kirchenmusik besonders betroffen.
Mache Pfarreien beschäftigen nur noch eine hauptamtliche Person für den Bereich der Kirchenmusik. Diese Person ist zumeist auch zuständig für die Koordinierung von kirchenmusikalischen Einsätzen, wie die musikalische Mitgestaltung von Gottesdiensten als Organist:innen.
Da die hauptamtliche Person für die Kirchenmusik nicht alle anfallenden Gottesdienste gestalten kann, greifen die Pfarreien auf Honorarkräfte zurück, die für die einzelnen Gottesdienste bezahlt werden.
Und hier setzt ein großes Problem an, das mir in den letzten Tagen erst so richtig bewusst wurde …
Die unsoziale Bezahlung von Honorarkräften in der Kirchenmusik
Ausgehend von einem sehr konkreten Fall ging ich der Frage nach, wieviel ein:e Kirchenmusiker:in als Honorarkraft für die Mitgestaltung eines Gottesdienstes bekommt. Gemeint waren da ganz reguläre Gemeindegottesdienste (Hl. Messen oder Wort-Gottes-Feiern) am Sonntag.
Was da für mich zu Tage trat, finde ich erschütternd und lässt mir dir Schamesröte ins Gesicht steigen.
Vergütungssätze von € 20,00 bis € 50,00
Ich erfuhr, dass in manchen Pfarreien oder Einrichtungen die Kirchenmusiker:innen auf Honorarbasis lediglich € 20,00 pro Gottesdienst erhalten!
Das empfinde ich als einen Skandal!
Wenn ich bedenke, dass manche von ihnen diese Tätigkeit nebenamtlich ausführen, also dieser Verdienst zum regelmäßigen monatlichen Einkommen zählen muss, dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln.
Honorarkräfte müssen von diesen €20,00 selber ihre Sozialversicherung(en) bezahlen; die Summe dieser Einnahmen fließen mit ein in das zu versteuernden Einkommen eines Jahres. Davon müssen dann auch die Kosten für die Anfahrt zum Einsatzort bezahlt werden, denn in der Regel gibt es keine Fahrkostenerstattung.
Entscheide selbst: Ist eine solche Bezahlung okay?! Läppische € 20,00 für einen Einsatz vor Ort von ca. 45 Minuten, dazu noch Anfahrtszeit und -kosten sowie Vorbereitungszeiten?!
Vergütungsunterschiede sind eklatant
Doch damit nicht genug! Man könnte ja noch argumentieren, dass das die ‚ortsüblichen‘ Beträge sind, die bei solchen Einsätzen für Honorarkräfte bezahlt werden.
Aber das stimmt noch nicht einmal!
Meine Recherchen haben ergeben, dass im selben Bistum, wenige Kilometer weiter, ebenfalls in katholischen Pfarrgemeinden die Honorarkräfte € 35,00 für genau dieselben Einsätze bekommen. Das sind 75% Prozent mehr! Und in der Regel wird auch nicht nach Qualifikation oder Ausbildung unterschieden: ausgebildete C-Musiker:innen erhalten den selben Betrag wie Musiker:innen ohne kirchenmusikalischen Abschluss. Jene, die davon ihr monatliches Einkommen bestreiten müssen, erhalten denselben Betrag wie jene, die sich als Rentner:innen noch ‚etwas dazu verdienen‘ wollen resp. müssen.
Und um noch eins drauf zu setzen: In evangelischen Kirchengemeinden erhalten im selben Gebiet (Stadt oder Bistumsgebiet) diese Honorarkräfte bis zu € 50,00 pro Einsatz. Das sind mehr als das Doppelte von dem, was Kirchenmusiker:innen in den ersten genannten Kirchenorten erhalten!
Frage dich selber, ob du das ‚gerecht‘ findest?! – Ich nicht! Ich empfinde es als ungerecht und unsozial und es grenzt an Ausbeutung!
Das ist ein Affront gegen die Glaubwürdigkeit meiner Kirche, wenn sie sich woanders gegen soziale Ungerechtigkeiten äußert oder gar einsetzt.
Wie damit umgehen? – Streik !
Als erstes finde ich, dass solche Zustände offen aufgedeckt werden und auch öffentlich wahrgenommen und diskutiert werden müssen.
Als nächstes finde ich, dass betroffene Kirchenmusiker:innen sich darüber im Klaren werden müssen, wie mit ihnen umgegangen wird? Und sie können überlegen, wie sie sich dagegen wehren können!
Kirchenmusiker:innen können die rote Karte zeigen
Aus einer Pfarrei ist mir zu Ohren gekommen, dass die Kirchenmusiker:innen, die auf Honorarbasis dort im Einsatz waren, sich untereinander solidarisiert haben und gegen eine solche unsoziale Bezahlung gestreikt haben. Sie haben sich nicht auseinander dividieren lassen, sondern durch ihren Streik deutlich gemacht, dass ohne ihren Dienst etwas Wesentliches im Leben der Kirche fehlt! Da wurde das Problem offensichtlich und sowohl Verantwortliche in den Pfarreien wie auch die Mitglieder der Pfarrei mussten sich mit diesem Thema auseinandersetzen.
Die Folge war, dass trotz angespannter Haushaltslage und Sparzwängen, die Vergütung für Kirchenmusiker:innen auf Honorarbasis auf € 35,00 angehoben wurde. Das ist – unter Berücksichtigung der Aufwendungen und Abzüge – noch immer keine reiche Entlohnung, aber ein erster Schritt für gerechtere Entlohnung!
Damit haben die Kirchenmusiker:innen auf ein Ungerechtigkeit hingewiesen und zugleich deutlich gemacht:
Kirchenmusik ist kein ‚Nebenbei‘ in unseren Gottesdiensten, sondern wesentlicher Bestandteil unserer Liturgie.
Wer bekennt, dass die Kirchenmusik einen hohen Stellenwert im Gottesdienst und in der Spiritualität einer Kirchengemeinde hat, der kann jene, die dieses Geschäft mit der Kirchenmusik betreiben, nicht mit Almosen oder Brosamen abspeisen.
Denn das ist den Kirchenmusiker:innen gegenüber unsozial und der kirchlichen Liturgie gegenüber unwürdig!