Heute feiern wir Pfingsten – den Tag, an dem Gottes Heiliger Geist uns neu erfüllt. Wir erinnern uns an die Jünger im oberen Raum von Jerusalem: Da war plötzlich ein Brausen wie vom Wind, und Flammenzungen leuchteten über ihren Köpfen. Aus Unsicherheit und Zweifel wurden sie mutige Erzähler, die in unterschiedlichen Sprachen von Gottes großen Taten berichten (Apg 2,1–4). Doch was kann das heute für uns bedeuten? Wie trägt dieser Geist bei uns persönlich, unseren Gemeinden und in unserem Alltag dazu bei, dass wir lebendiger und freudiger werden? Muss der Heilige Geist in vertrauten Ritualen bleiben – oder möchte er uns gerade herauslocken und uns ermutigen, kleine Abenteuer im Glauben zu wagen?
Die Gänse auf dem Hof (nach Kierkegaard)
Sören Kierkegaard erzählt in einem Gleichnis von Gänsen, die sonntags gespannt den Worten eines erfahrenen Gänserichs lauschen, der von früheren Flügen berichtet. Doch die Gänse bleiben lieber auf dem sicheren Hof, weil dort das Futter reichlich und das Leben bequem ist. Dieses Gleichnis lädt uns liebevoll ein, darüber nachzudenken, ob wir uns manchmal in wohlbekannten Abläufen einrichten, ohne wirklich aufzubrechen: • Wir treffen uns zum Gottesdienst, hören inspirierende Worte, danken Gott – und gehen danach in den Alltag zurück, ohne größere Veränderungen vorzunehmen. • Wir bewundern Menschen wie Paulus oder Stephanus für ihren Mut, finden aber häufig nicht den Impuls, selbst den nächsten Schritt zu wagen.
An Pfingsten dürfen wir das mit einem Augenzwinkern eingestehen: Der Heilige Geist ist kein Ausstellungsstück, das wir nur bestaunen können. Er ist eher wie ein frischer Wind, der uns behutsam ermutigen will, den sicheren Hafen zu verlassen und uns auf Neues einzulassen.
Denn:
„Gottes Heiliger Geist gehört in Abenteurerhand!“
Dieses Motto klingt prägnant und herausfordernd zugleich. Es erinnert uns daran, dass wir nicht zum Stillstand bestimmt sind, sondern zum Fliegen – zum Entdecken neuer Horizonte in unserem Glaubensleben. Pfingsten schenkt uns den Heiligen Geist, damit wir mutig leben und Gottes Liebe weitergeben können: Wie die Jünger damals dürfen auch wir peu à peu unsere Komfortzone verlassen. Natürlich können wir weiterhin über Glaubensfragen nachdenken und diskutieren. Doch wenn unser Denken und Wissen nicht in Taten mündet, verschenken wir die Chance, den Heiligen Geist wirklich wirken zu lassen.
In ihrem Gedicht ‚Aus der Traum‘ beschreibt Marianne Willemsen, wie der Heilige Geist den Trugschluss von einer sorgenfreien, gleichförmigen Existenz durchbricht. Er weckt die im Verborgenen schlummernde Sehnsucht, befreit sie aus dem gelangweilten „Dornröschenschlaf“ und schenkt Mut und Kraft, Ängste zu teilen und neue Herausforderungen anzunehmen. Quelle:Der Geist des Herrn erfüllt das All | Pfarrbriefservice.de
Diese Zeilen weisen mit klaren Worten darauf hin: Pfingsten möchte uns behutsam aus dem Dornröschenschlaf holen, damit wir den Mut finden, unsere Sehnsucht auszudrücken und Neues zu wagen. Es ist keine Aufforderung zum Perfektionieren, sondern eine Einladung, in unserer eigenen Kraft zu stehen und uns gegenseitig zu ermutigen.
„Gottes Heiliger Geist gehört in Abenteurerhand!“ Dieses Bild ist eine Einladung, den Glauben aktiv und mit offenem Herzen zu leben. Vielleicht ergibt sich daraus:
1. Spontane Gespräche zulassen Wenn wir im Alltag aufeinander zugehen – sei es im Café, in der Bahn oder am Arbeitsplatz – dürfen wir ganz selbstverständlich von unserer Hoffnung erzählen. Dabei genügt ein offenherziges Gespräch, ohne Druck oder Erwartung.
2. Gemeinsam Nachhaltigkeit gestalten Junge Menschen organisieren eine Kleidertausch-Aktion und zeigen, wie bereichernd nachhaltiger Konsum sein kann. So entsteht Gemeinschaft und Bewusstsein für Gottes Schöpfung.
3. Eigene Gaben entdecken und teilen Jede Begabung ist wertvoll – sei es Musik, Handwerk, Sprache, Organisation oder Zuwendung. Wenn wir unsere Talente bewusst einsetzen, wird unsere Gemeinschaft bunter und reicher.
4. Fehlerfreundlich unterwegs sein Neues auszuprobieren bedeutet manchmal, dass nicht alles glatt läuft. Aber gerade dann können wir aus unseren Erfahrungen lernen und miteinander wachsen. Glaube ist kein perfektes Programm, sondern eine Reise, die wir gemeinsam gestalten.
5. Klare Kante zeigen Der Heilige Geist befähigt uns heute, klare Positionen einzunehmen. Das heißt, wir können ganz einfach unsere Meinung äußern, wenn wir einem Standpunkt nicht zustimmen, zum Beispiel indem wir sagen: „Ich teile deine Meinung nicht!“. Ebenso sollten wir Missstände ansprechen, wenn etwas aus unserer Sicht falsch läuft. Persönlich habe ich erfahren, dass mein Eintreten andere ermutigt. Andererseits kann mich das Engagement von Mitmenschen gegen Ungerechtigkeit anspornen, diese aktiv zu unterstützen – in Wort und Tat. So holt uns der Heilige Geist aus unserer Komfortzone und motiviert uns, für Wahrheit und Gerechtigkeit einzustehen. Ein Beispiel, wie es gehen kann, zeigt das Video unten.
6. Dem Geist vertrauen Wir sind nicht allein: Der Heilige Geist, der damals auf die Jünger herabkam, begleitet uns heute genauso. Er schenkt uns Mut und Mitgefühl – auch wenn wir uns innerlich unsicher fühlen.
Bild: Gerd A. Wittka, 2025
Wenn wir diese Einladungen annehmen, bleibt Pfingsten nicht nur ein einmaliger Tag im Kalender, sondern wird zum täglichen Licht in unserem Leben. Dann dürfen wir, getragen vom Geist Gottes, kleine und große Abenteuer wagen und miteinander erleben, wie wir wirklich fliegen können – statt am Boden zu verharren.
Ich würde gerne mit Ihnen und mit vielen anderen in unserer Kirche wieder fliegen!
Wie Wind, der durch die Äste weht: so vieles kommt, so vieles geht. Gedanken, Worte, laut und still, doch nicht alles zeigt, was es will!
Drum prüfe klug mit Herz und Sinn, was bringt dir Frieden, was hat Gewinn? – Was Wahrheit spricht, was Liebe webt, was Mut dir schenkt und Hoffnung hebt.
Wir treffen täglich Entscheidungen. Manche sind klein und unbewusst, andere groß und durchdacht. Doch oft bleibt eine gewisse Unsicherheit. Es ist nicht immer klar, ob eine Entscheidung richtig oder falsch war – das hängt oft von der Sichtweise ab.
Ich für meinen Teil möchte nicht einfach übernehmen, was andere für richtig halten. Deshalb stelle ich meine Überzeugungen, meinen Glauben und die Art, wie ich ihn lebe, regelmäßig auf den Prüfstand – sowohl durch mich selbst als auch durch andere.
Auch Gott fordert mich dazu auf, denn ihm ist wichtig, dass mein Glaube lebendig bleibt und nicht erstarrt. Dabei stellt sich die zentrale Frage: Was gibt mir wirklich Halt im Leben und im Sterben?
Vielleicht wollte Paulus genau darauf hinaus, als er schrieb: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ Das bedeutet, keine Angst vor Neuem zu haben und Dinge nicht vorschnell abzulehnen. Es ermutigt uns, genau hinzuschauen, gründlich zu prüfen und im Gespräch zu bleiben.
„Prüft alles und behaltet das Gute!“ könnte also heißen, immer wieder nach Gottes Willen zu fragen und sich von ihm leiten zu lassen. Gottes Geist gibt Leben und schenkt Freiheit. Er zeigt uns, wo wir Verantwortung übernehmen und wo wir Veränderungen vornehmen können. Selbst wenn wir Fehler machen oder unsicher sind, bleibt Jesus an unserer Seite. Er ist auch dann bei uns, wenn wir ihn vergessen oder nicht spüren, dass er uns führt.
Die Jahreslosung „Prüft alles und behaltet das Gute!“ ist auch ein wichtiges Motto für die Veränderungen in der katholischen Kirche und in unserem Bistum Essen.
Unser Bischof hat uns vor Jahren dazu ermutigt, Neues zu wagen. Er hat gesagt, dass es viele offene Fragen gibt, auf die auch er keine Antworten hat. Und er vertraut darauf, dass der Heilige Geist uns begleitet. Er forderte uns auf, neue Ideen auszuprobieren und zu schauen, ob sie uns weiterbringen.
Manchmal wissen wir nicht genau, wohin der Weg führt. Wir haben nur eine grobe Vorstellung von unseren Zielen.
Doch genau hier ermutigt uns der Bischof, einfach loszulegen und Erfahrungen zu sammeln. Nach einer Testphase können wir dann Bilanz ziehen: Hat es funktioniert? Dann entwickeln wir die Ideen weiter. Wenn nicht, lassen wir sie los – ohne uns zu ärgern, sondern froh über die gewonnenen Erkenntnisse.
Wenn ich jedoch kritisch in unsere Pfarrei schaue, dann habe ich eher den Eindruck, dass man in vielen Bereichen, in sehr vielen Bereichen, in viel zu vielen Bereichen ‚beim Alten bleiben‘ möchte.
Noch immer sprechen als Beispiel welche in unserer Pfarrei von ‚Gemeinden‘, die es aber seit Jahren nicht mehr gibt! Viele sprechen immer noch von „in Herz-Jesu“, „in St. Barbara“, „in St. Josef“ oder „in St. Theresia“. Ist das nicht auffällig, wie beharrlich man an längst vergangenen Begrifflichkeiten festhält, so als würde man meinen, man könnte damit neue Realitäten vertuschen?! Doch diese Gemeinden gibt es als Organisationseinheit schon seit einigen Jahren nicht mehr in unserer Pfarrei. Das wird aber im Denken und Handeln nicht sichtbar.
Stattdessen hatten wir in der Pfarrei entschieden, sie „Orte pastoralen Lebens“ zu nennen. Nur frage ich mich und Sie: hat sich dieser Begriff schon herumgesprochen, geschweige denn in unseren Köpfen und unserem Denken eingeprägt?! Ich meine, nicht! Denn sonst könnten wir folgerichtig allenfalls von „an St. Barbara“ oder „an Herz-Jesu“ usw. sprechen.
Allein der nicht angepasste Sprachgebrauch zeigt mir, wie schwer es immer noch fällt, Altes zu hinterfragen und loszulassen, um Platz für Neues zu schaffen.
„Prüft alles und behaltet das Gute!“ – ein Motto, das uns in diesem Jahr auch in unserer Pfarrei herausfordert.
Gaudete 2024
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„Freut euch!“ sagt Paulus. Das klingt schön, aber was, wenn man sich gar nicht danach fühlt? Wenn man trauert, gemobbt wird, krank ist oder Weihnachten vor der Tür steht, man aber keine Freude empfinden kann? Freude kann man doch nicht einfach befehlen oder erzwingen! Was meint Paulus also damit?
Paulus sitzt im Gefängnis, als er diese Worte schreibt. Er rechnet mit Folter oder sogar dem Tod. Trotzdem ermutigt er die Menschen in Philippi: „Freut euch dennoch!“ Er spricht von einer tiefen inneren Haltung, nicht von oberflächlicher Fröhlichkeit. Paulus meint: Seht nicht nur das Negative, bleibt gelassen und lasst euch nicht unterkriegen – trotz aller Schwierigkeiten.
Paulus sagt: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!“ Diese Freude entsteht aus dem Vertrauen, dass wir zu Gott gehören und in ihm geborgen sind – wie ein Kind im Mutterleib. Egal, was passiert, Gott ist bei uns. Paulus erinnert uns: Ob wir leben oder sterben, wir gehören Gott.
Es gibt Menschen, die keine Freude mehr empfinden können. Ihr Leben scheint nur aus Mühe und Sorgen zu bestehen. Ihre Gesichter sind voller Falten, sie klagen und auch der Glaube wirkt wie eine Last. Solchen Menschen zu sagen: „Freut euch!“ klingt sinnlos, aber genau sie brauchen diese Botschaft am meisten.
Andere Menschen strahlen Freude aus, auch wenn sie schwere Zeiten durchgemacht haben. Diese Freude kommt von innen und zeigt sich in einer positiven Lebenseinstellung. Genau diese Haltung meint Paulus. Freude lässt sich nicht erzwingen, aber man kann sie lernen.
Freude ist wie ein Licht, das wir schützen müssen. Viele Dinge können sie zerstören: Neid, Streit, Sorgen oder Unzufriedenheit. Diese negativen Einflüsse sind wie ein Glas, das Licht erstickt, oder wie Steine, die auf die Flamme drücken.
Um Freude zu bewahren, können wir versuchen, folgende Impulse in unserem Leben umzusetzen:
Lerne, dich selbst zu mögen und dir etwas zuzutrauen. Wir sollten genießen können – wer nicht genießen kann, wird ungenießbar. Gut zu denken, zu handeln und andere gelten zu lassen, schenkt innere Zufriedenheit.
Sorgen gehören zum Leben, aber sie dürfen uns nicht beherrschen. Denken wir an den großartigen Satz Jesu: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch Ruhe verschaffen.“ (Mt 11,28). Wer seine Sorgen Gott hinhält, der lässt sie los und gibt damit der Freude Platz und Luft.
Wer Freude sich trägt, wird auch Frieden finden – mit sich selbst, mit anderen und mit Gott. Paulus verspricht: „Der Friede Christi, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und Gedanken bewahren.“
Ich wünsche uns allen Mut und Kraft, diese Freude im Alltag zu leben. Sie hat die Macht, alles Schwere zu verbannen und das Wertvolle hervorzubringen. Vielleicht können wir so auch Weihnachten mit neuen Augen betrachten.
Segen zum 32. Sonntag – B – 2024
Möge der Wind dir immer in den Rücken wehen, und die Sonne deinen Tag erhellen, selbst in dunklen und trüben Tagen. Möge der Regen sanft auf deinen Kopf fallen, und der Regenbogen dir den Weg der Hoffnung zeigen.
Möge dein Herz nie von Furcht erdrückt, sondern stets von der Kraft des Glaubens genährt werden. Möge die Erde unter deinen Füßen fest und sicher sein, und der Himmel dir in seinen Weiten Frieden schenken.
Möge der Stern der Zuversicht stets über dir leuchten, und dein Blick nie vom Licht abweichen, selbst wenn die Nacht sich lang und schwer anfühlt.
Möge die Hoffnung wie ein leiser Wind in dir wehen, und dich auf den Flügeln des Mutes tragen, bis du den sicheren Hafen des Friedens erreichst.
Möge Gottes Segen dich begleiten, in allen Stunden, und das Vertrauen in bessere Tage nie von dir weichen.
Sing‘
für die Zukunft
Nach Sturm, Donner, Blitze, Regen und apokalyptisch anmutenden Zuständen
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sitzt eine Amsel früh morgens im leichten Morgenregen hoch oben auf einem Baum und
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singt, singt, singt …
Was für eine Energie! Was für ein Vertrauen in die Zukunft!
Das wirkt ansteckend und anregend auf mich!
Danke, liebe Schwarzdrossel für deinen Beitrag gegen meinen ‚morning blues‘!
Von Gott umgeben
Impuls zum Erinnerungsgottesdienst am 01. Juni 2023
„Von Gott umgeben“ – so steht es über diesem Erinnerungsgottesdienst. Für manche steht hinter diesem Motto ein Fragezeichen. Für andere ein Punkt oder sogar ein Ausrufezeichen!
Wir möchten heute hinter diesem Wort ein Ausrufezeichen setzen. Zugleich wissen wir aber um die Schwierigkeit dieser Aussage.
Unser Glaube will uns sagen: Von Gott sind wir in jedem Moment unseres Lebens umgeben, so wie das Meer die Fische umgibt.
Ob wir es wahrnehmen oder nicht: Gott ist immer da! Das ist auch seine biblische Selbstzusage: „Ich-bin-der-ich-bin-da!“
In den Höhen und Tiefen unseres Daseins, in den Zeiten der Freude und der Trauer, ist Gott an unserer Seite. Seine Liebe und Gnade umhüllen uns wie ein schützender Mantel.
Von dem Theologen Karl Rahner stammt das Wort:
„Glauben heißt nichts anderes, als die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang auszuhalten.“
(Karl Rahner SJ)
Dieses Wort sagt mir: sich Gottes Weisheit und seines Reichtums bewusst zu werden und gleichzeitig zu akzeptieren, dass unsere menschliche Erkenntnis begrenzt ist.
In Momenten der Unsicherheit und des Zweifels kann es herausfordernd sein, die Entscheidungen Gottes zu verstehen.
In den Zeiten, in denen wir vor den Geheimnissen des Lebens stehen, könnten wir uns daran erinnern, wie wunderbar Gott ist.
Seine Entscheidungen sind manchmal unbegreiflich für uns, und seine Pläne sind undurchdringlich. So haben wir gerade im Psalm und in der Lesung gehört.
Ja, aber auch sein Reichtum ist unendlich, seine Weisheit unermesslich, und seine Gedanken sind tiefer als wir es je begreifen können, sagen uns die Texte.
Wir können uns nur einen winzigen Ausschnitt von diesem Reichtum und von dieser Weisheit vorstellen. Doch auch das ist überwältigend: Die Schönheit der Natur, die Harmonie im Universum, die Liebe, die uns umgibt – all das sind Zeugnisse von Gottes Größe und Güte. Es erinnert uns daran, dass wir Teil eines größeren Plans sind, der über unseren menschlichen Verstand hinausgeht.
Und so stehen wir vor den unbegreiflichen Entscheidungen Gottes und den undurchdringlichen Plänen, die er für uns hat. Wir müssen anerkennen, dass wir nicht immer Gottes Absichten erkennen können. Unsere Vorstellungen von Richtig und Falsch, von Gut und Böse mögen manchmal in Konflikt stehen mit dem, was Gott vorhat.
Inmitten dieser Unbegreiflichkeit offenbart sich jedoch gerade die Größe Gottes.
Es erfordert deshalb Mut und gläubiges Vertrauen in Gott, unsere eigenen Pläne loszulassen und uns in die Hände desjenigen zu begeben, der die Zukunft kennt.
Unsere menschliche Begrenztheit wird immer eine Trennlinie zwischen uns und der vollkommenen Erkenntnis Gottes sein. Aber in diesem Spannungsfeld liegt auch ein Segen. Denn gerade in unserer Begrenztheit kann uns unser Glaube helfen, uns auf das Geheimnis Gottes einlassen und uns von seiner Liebe und Gnade umfangen zu wissen. Dann kann sich ein Trost in uns ausbreiten, auch wenn wir weder Gottes Willen noch den Sinn verstehen und auf das „Warum?“ noch keine Antwort finden.
Lasst uns die Gewissheit in unseren Herzen tragen, dass Gott uns niemals allein lässt. Mögen wir seine Gegenwart in jedem Augenblick spüren und uns von seiner Liebe tragen lassen, auch wenn wir nicht alles verstehen.
Mutig
Symbolbild! – Nicht „Letzte Generation“ (LG), Quelle:www.pixabay.com
Ja, die Aktionen der „Letzte Generation“ (LG) muten der Gesellschaft viel zu. Und ja: viele, die direkt von den Aktionen betroffen sind, werden das nicht gut finden und sind mächtig verärgert.
Wahr ist aber auch: wenn man die Bilder sieht, in welche Situation sich die Aktivist:innen der LG bringen, dann kann einem nur angst und bange werden. Ein Beitrag der Sendung ‚kontraste‘ zeigt das sehr anschaulich! Sie bringen sich – auch wegen des aggressiven Pöbels – selber in Gefahr.
Und ja, man kann sich gut darüber streiten, ob die Wahl ihrer Mittel ihrem Anliegen dienlich ist oder nicht. Wahr ist aber auch, dass sich von denen, die sich jetzt so aggressiv gegenüber den Aktivisten verhalten, die wenigsten auf Demos der „FFF“ oder anderen Demos zum Klimaschutz haben sehen lassen. Ihr lamentieren, dass ihnen der Klimaschutz ja auch – ach so – wichtig sei, kommt zumindest in diesem Beitrag mir nicht sehr glaubwürdig rüber. Glaubwürdig kommt mir aber die Angst der Aktivisten von LG rüber, die Angst vor der Zukunft und den Folgen der Klimakrise haben.
Und genau da liegt der Hase im Pfeffer! Da machen sich welche Gedanken wie sie ihr Kind vom Kindergarten abholen können, trotz dieser Sperraktionen von LG. Doch LG macht sich viel mehr Gedanken um das globale Wohl von Millionen von Menschen und der Zukunft der Erde.
Doch bei den Gegner:innen von LG scheint das Hemd näher zu sein, als der Rock.
Das ist ein echtes Dilemma.
Um es hier ganz unumwunden zu sagen:
Die Aktivist:innen von LG zeigen mächtig viel Mut! Und sie können deshalb nur so mutig sein, weil sie es in dem Bewusstsein tun, dass es nicht mehr 5 vor 12 ist, sondern wir nur noch die Eskalation der Klimakrise aufhalten können, also den Kipppunkt verhindern können, nachdem eine nicht vorherzusagende Kettenreaktion in Gang gesetzt werden kann, die unaufhaltsam über uns alle hereinbrechen wird.
LG hat übrigens schon im Vorfeld auch ihre Aktionen und Blockaden hingewiesen.
Man hätte also vorbereitet gewesen sein können, oder?!
„Glauben heißt: die Unbegreiflichkeit Gottes aushalten – ein Leben lang.“ (Karl Rahner SJ)
Dieses Wort stand über den Freitag, 20. Mai 1994, als fünf Männer aus dem Bistum Essen durch Bischof Hubert Luthe zu Priestern geweiht wurden; einer von ihnen war ich.
Dieser Tag war ein warmer Mai-Frühlingstag. Bis zum Frühstück waren wir noch bei den Benediktinerinnen von Köln-Raderberg. Bei Sr. Otgera Kremer OSB hatten wir unsere einwöchigen Weiheexterzitien.
Der Weihespruch, das obige Wort von Karl Rahner SJ, begleitete uns dabei.
Ich erinnere mich daran, dass Sr. Otgera dieses Wort aufgriff und sinngemäß fragte: „Wisst ihr eigentlich, was für ein Wort ihr da für euch und eure Weihe ausgesucht habt? … Ihr werdet lernen, es mit eurem Leben zu bezeugen…“
Als wir uns im Weihekurs dieses Wort ausgesucht hatten, fiel es uns relativ leicht. Heute denke ich, dass wir unbewusst schon etwas von der ‚Wahrheit‘ dieses Wortes erahnt haben, ohne uns aber der konkreten Herausforderungen dieses Wortes gegenwärtig zu gewesen zu sein.
Vielleicht lag genau darin das besondere in diesem Wort: eine Ahnung von der ‚Richtigkeit‘ zu haben, ohne zu wissen, was auf uns zukommen wird.
Für mich war das die Situation in meiner ersten Gemeinde als Kaplan: eine sehr bürgerlich geprägte Pfarrei. Mein Pfarrer hatte es nicht leicht, weil der ‚Geist‘ seines Vorgängers immer noch – nach Jahren – über der Pfarrei schwebte; ständig wurde er und ich daran erinnert: „Damals, bei Pfarrer X.Y….“ – Das Wort „damals“ schien irgendwie prägend gewesen zu sein: die Pfarrei war lebendig, ohne Zweifel. Aber es war vieles festgefahren. Uns wurde gesagt, wie man es „schon immer“ gemacht habe (… und wir auch gefälligst weiter so zu machen haben…“). Doch diese Zeiten waren vorbei; sie waren deshalb schon allein vorbei, weil ich von Bischof Luthe gesagt bekommen hatte, dass ich in dieser Pfarrei der letzte Kaplan sein würde und es gut wäre, wenn ich meinen Arbeitsbereich dafür fit machen würde. (Schon damals war klar, dass es Veränderungen und Umstrukturierungen geben würde.) Doch alteingesessenen Pfarreimitgliedern stieß das sauer auf. Das merkte ich z.B. daran, als ich dran ging, die beiden großen Jugendverbände, die dort waren, eigenständiger werden zu lassen. Die Frage nach der geistlichen Leitung ohne einen Kaplan stand an. Es ist schon irgendwie komisch, wenn man an eine Stelle versetzt wird mit dem „Auftrag“ sich überflüssig zu machen. Ich hörte Gerüchte, dass ich zu faul sei und mich nicht mehr um die Jugend kümmern würde. Irgendwann gab es auch mal heftige Auseinandersetzungen im Pfarrgemeinderat (PGR).
Ich erinnere mich nicht mehr an Einzelheiten, aber der Krach war so groß, dass sich bei der nächsten PGR-Wahl einige „alteingesessene“ nicht mehr zu Wahl stellten.
Das war belastend, aber im Nachhinein habe ich das als große Chance wahrgenommen. Denn bei der nächsten Wahl kamen engagierte Christ:innen in den Pfarrgemeinderat, die vorher überhaupt dazu keine Chance hatten. Und nach der Wahl spürte ich eine merkliche positive Veränderung: den Geist der Wandlung und kleinen Erneuerungen. Auch die Jugendlichen, die sich darauf eingelassen haben, haben mich dabei unterstützt. Dabei sorgten diese Veränderungen auch bei ihnen für zeitweise großen Stress. Durch Personalveränderungen im Vorstand eines Verbandes kam es zu einem buchstäblichen „Machtvakuum“; und wer sich mit gruppendynamischen Prozessen auskennt, weiß, dass dann Prozesse beginnen, wo versucht wird, dieses Vakuum wieder zu füllen. Und das geht nicht ohne Konflikte. Ich erinnere mich sehr gut an einer Sitzung, wo wir bis früh morgens fast um 3 Uhr getagt haben, weil eine Lösung gefunden werden musste (und sie wurde dann auch gefunden).
Nach einigen Monaten gelang es uns aber, die Strukturen so zu verändern, dass nun Menschen in Verantwortung in beiden Jugendverbänden kamen, die es mir möglich erscheinen ließen, dass sie später auch ohne einen Kaplan auskommen konnten. Das empfinde ich im Nachhinein als einen großen Erfolg. (btw: Zum ersten Mal übernahm eine geistlich erfahrene Frau und Mutter dort die Aufgabe der ‚Kuratin‘ bei der dortigen DPSG.)
Wenn man heute auf die Seite der Pfarrei geht (die zwischenzeitlich mit früheren anderen Pfarreien zusammengelegt wurde), dann sieht man, dass es die beiden großen Jugendverbände noch immer gibt und diese ziemlich aktiv sind. Das freut mich immer noch, weil es zeigt, dass ich nichts ‚kaputt‘ gemacht habe. (Heute würde mich interessieren, was so aus der geistlichen Leitung geworden ist und welche Akzente und Impulse es dort noch gibt?)
Doch dieser ‚Erfolg‘ hatte seinen Preis: in dieser Zeit erkrankte ich an eine psychovegetative Funktionsstörung des Dames (Reizdarm), unter dem ich heute noch leide. Heute werte ich geistlich dieses Phase meines Dienstes im Geiste der Erfahrung des Jakob an der Furt zu Jabbok. Schon nach drei Jahren musste ich die Pfarrei aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig verlassen, weil ich durch meine Erkrankung so eingeschränkt war, dass ich meinem Pfarrer keine große und verlässliche Hilfe mehr sein konnte. Die Unerklärlichkeit Gottes auszuhalten hieß in diesem Fall für mich, sich zu engagieren, dabei persönlich die eigenen Grenzen vor Augen geführt zu bekommen … um dann einige Jahre später zu entdecken, dass dieser Weg ein guter für mich war, auch wenn ich es damals schwer annehmen konnte.
Wenige Jahre später erkrankte mein Kurskollege Kaplan Johannes Breining so schwer, dass er im Januar 2000 mit noch nicht mal 40 Jahren starb. Seine Leidenszeit und auch sein viel zu früher Tod haben uns alle sehr zugesetzt. Mit wieviel Elan sind wir alle in unseren Dienst gegangen; wir hatten Vorstellungen darüber, wie unsere Zukunft mal aussehen könnte, wie wir z.B. als Pfarrer später mal eine eigene Pfarrei leiten würden? Wir machten uns Gedanken über unsere Zukunft und auch die Zukunft unserer Kirche. Doch der Tod von Johannes Breining hat mich mit der Nase darauf gestoßen, nicht zu weit nach vorne zu denken und zu planen, sondern vielmehr das „Hier und Jetzt“ in den Blick zu nehmen. Das Lied: „Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde. Heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt…“ wurde da auf einmal sehr konkret und buchstäblich erfahrbar. … und die Unerklärlichkeit Gottes auszuhalten heißt dann, trotz aller Visionen und Planungen damit klar zu kommen, dass Gottes Wege oftmals andere sind als jene, die unseren Vorstellungen entspringen.
Anfang der 2000er Jahre war ich für sechs Jahre Seelsorger im Strafvollzug (Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen und Jugendarrestanstalt Essen-Werden). Eher zufällig wurde ich dort Seelsorger, weil für die Eucharistiefeiern ein Priester fehlte, wurde ich angefragt, ob ich mir diesen Dienst vorstellen könnte. Ja, ich konnte, aber nur unter der Bedingung, dass ich nicht einmal in der Woche dort zur Zelebration ‚eingeflogen‘ komme und sonst nichts mit den Inhaftierten und den Mitarbeitenden zu tun habe. Ich wollte auch seelsorgliche Aufgaben übernehmen. Denn: es wäre für mich ein Widerspruch, Gottesdienste dort anzubieten, ohne an deren Alltag und Sorgen und Themen Anteil zu haben. So bot ich Dienstag abends auch eine Gesprächsgruppe an. Dort trafen sich inhaftierte Männer, die wegen unterschiedlichen Delikten ‚einsaßen‘. In Gelsenkirchen hatten wir von einfachen Straftaten z.B. Diebstahl, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (Drogenhandel und -konsum), aber auch Betrug, Raub und Totschlag. So komisch es klingen mag, aber ich bot diese Gruppe gerne an, denn es gab dort viele gute Gespräche und auch Begegnungen. In der Gruppe und auch in der Begleitung hatte ich auch Männer, die wegen eines schweren Gewaltverbrechens inhaftiert waren. In meiner Arbeit durfte und musste ich oft in Abgründe menschlicher Existenz schauen. Ich habe erfahren, wie viele von ihnen für schlimme Taten verantwortlich waren. Ich habe aber auch erfahren, wie viele von ihnen selber Opfer von Gewalt und Missbrauch geworden sind. Ich lerne zu erkennen, dass der Mensch ein großes Geheimnis ist und dass wie niemals Menschen ganz kennenlernen oder gar durchschauen können. Ich habe erfahren, dass Menschen mit schwerer Schuld sich zugleich suchend und fragend auf den Weg gemacht haben. Ich habe gelernt, dass sich hinter einer harten Schale oft ein weicher Kern verbirgt. Wie sehr leiden inhaftierte Frauen und Männer, wenn ihre Beziehung unter der Haft Schaden nimmt, sie Angst davor haben, noch die Menschen ‚draußen‘ zu verlieren, die ihnen eigentlich am nächsten sein sollen.
Oft konnte ich erleben, dass wir sehr gute Begegnungen und Gespräche hatten, mit viel gegenseitigem Respekt und Achtung und auch mit viel Freude; und bei manchen entdeckte ich sehr viel Liebenswürdigkeit.
Das hat mich anfangs sehr überrascht und berührt. Ich musste lernen, dass der Mensch nicht von Grund auf böse und schlecht ist und dass Menschen, die größte Schuld auf sich geladen haben, zugleich einen liebens-würdigen Kern besitzen können.
Anfangs hatte ich mich oft sehr unwohl gefühlt, wenn ich in eine Zelle zum Gespräch ging, wo jemand war, der schwere Verbrechen begangen hatte. Ja, natürlich hatte ich auch etwas Angst. Und wir wussten auch, dass in der Vergangenheit Seelsorger:innen schon mal als Geiseln genutzt wurden, damit Inhaftierte in die Freiheit kommen konnten.
Doch mit der Zeit, wurde diese Sorge immer kleiner; mit der zunehmenden Erfahrung wurde ich freier, von meiner berechtigten Sorge abzusehen und besser in die Begegnung gehen zu können.
Die Unbegreiflichkeit Gottes lag hier für mich darin, erkennen zu müssen, dass schwere Straftaten zwar das ganze Leben prägen werden, aber dass der Mensch dennoch nicht verworfen ist, von Gott.
Seit Oktober 2010 arbeite ich als Krankenhaus-Seelsorger, in einem Krankenhaus der sogenannten „Maximalversorgung“. Dort gibt es drei somatische Kliniken (Urologie, Nephrologie und Lungen- und Bronchialheilkunde) sowie eine große psychiatische Klinik mit mittlerweile sechs Stationen, einer Tagesklinik sowie einer Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA). Hier nehme ich das Thema unseres Weihespruches besonders deutlich wahr. Und vielleicht ist es auch gut, dass ich erst peu a peu und langsam steigernd in diesen Seelsorgebereich hineingekommen bin, gewappnet mit Erfahrungen der vorherigen knapp 16 Jahren. Ich erlebe Patient:innen, die plötzlich, manchmal von heute auf morgen, mit schweren Erkrankungen konfrontiert werden, wo das Leben völlig aus den Fugen gerät, Zukunftspläne zerstört werden und schlimmstenfalls sogar Sorgen und Ängste um das eigene Leben den Alltag bestimmen. Ich erlebe psychiatrische Patient:innen, die wochen- oder gar monate- und jahrelang unter einer schweren psychischen Erkrankung leiden, zwischendurch mut- und hoffnungslos sind, aber sich immer wieder neu aufraffen. So oft höre ich Sätze wie: „Ich will mein altes Leben zurück!“ Das sind für mich Schreie der Hilflosigkeit und der Verzweifelung. Manche sind sogar überzeugt, dass das Ende ihres Lebens besser wäre, als so weiterzuleben.
Als Seelsorger versuche ich, die Menschen zu begleiten, damit sie ihre Situation besser ertragen oder bestensfalls sogar weiterhin einen Sinn in ihrem Leben sehen können, der ihnen die Kraft gibt, durch diese schwere Zeit zu gehen. Aber zugleich spüre ich oft eine Sprachlosigkeit; Antworten aus meinem Munde wirken dann hohl und fern; Plattitüden verbieten sich und ich brauche selber Mut, um eingestehen zu können: auch ich habe keine Antworten.
Hier ist die Unbegreiflichkeit Gottes für mich am deutlichsten zu spüren.
Doch wenn ich dann zugleich auch eine Kraft in mir spüre, bei den Menschen zu bleiben, mit ihnen zu sein, dann spüre ich etwas vom Glauben, der da ist, obwohl ich zugleich die Unbegreiflichkeit Gottes spüre und auch aushalten kann.
Dass das nicht ohne Blessuren geht und es für mich eine Herausforderung und Zu-mutung ist, ist dabei natürlich selbstverständlich.
Freiheit – trotz Reduktion
Copyright: Gerd Wittka, 31.01.2021
In der Krise die Freiheit erkennen
Ja, es ist mal wieder so: diese Gedanken erwachsen aus der gegenwärtigen Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Krise.
Manche können das Thema schon nicht mehr hören, und auch ich wäre froh, wenn wir schon alles überstanden hätten. Aber zur Wahrheit gehört auch dazu, dass wir noch mitten drin sind.
Wen wundert es dann also, dass die Krise – zumindest mich – gedanklich immer wieder beschäftigt. Oft ist in den vergangenen Wochen davon die Rede, dass diese Krise „wie ein Brennglas“ wirkt auf viele Themen und Herausforderungen, die sonst gar nicht so in den Blick geraten wären.
Mein großes Thema: die Freiheit! …
Wenn ich über diese Krise nachdenke, dann komme ich immer wieder auch auf das Thema „Freiheit“ zurück. Und ich finde, das ist auch gar nicht verwunderlich.
Denn: wesentlich für diese Corona-Pandemie ist, dass folgende Wörter zwangsläufig mit ihr in Verbindung gebracht werden:
Reduktion
Lockdown
Abstand
Schließungen
Herunterfahren
…
All diese Wörter werden mit Begrenzungen, Eingrenzungen, Beschneidungen in Verbindung gebracht. Viele sagen auch: die Corona-Pandemie schränkt unsere Freiheiten ein! – Und das stimmt! Wer könnte dem widersprechen?! Die Logik dieser Pandemie ist, dass durch Einschränkungen von (äußeren) Freiheiten wir ein wesentliches Werkzeug an der Hand haben, um der Pandemie etwas entgegen zu setzen.
Die zwei Seiten einer Medaille
Wer mich kennt, der weiß, dass ich gerne das Bild von den „zwei Seiten einer Medaille“ verwende. Auch in diesem Zusammenhang halte ich es für hilfreich, dieses Bild einzusetzen, denn:
Einerseits erleben wir diese Zeit als begrenzte und eingeschränkte Zeit; Freiheiten, die für uns so selbstverständlich sind (und auch wieder werden müssen), haben wir im Moment nicht.
Um in der Balance bleiben zu können, um Kraft und Ressourcen finden zu können, diese einschneidenden Maßnahmen körperlich und psychisch gut überstehen zu können, braucht es einen Gegenpol, die andere Seite der Medaille, die wir anschauen sollten.
Ermöglichung
Ich möchte für die andere Seite den Begriff „Ermöglichung“ nennen!
Mein früherer Kollege, Mark Bothe, stellte sich, als er seine Stelle in unserer Pfarrei antrat, mit dem Hinweis vor, er wolle „Ermöglicher“ sein. Mit dieser Formulierung hatte er meine ganze Aufmerksamkeit. (Vielen Dank für diesen Gedanken, Mark, den du bei mir eingepflanzt hast!)
Denn wenn wir unsere Lebenssituation bedenken, wenn wir Wege aus einer Krise finden wollen, wenn wir neue Wege gehen müssen, weil die alten Wege in eine Sackgasse oder in den Abgrund führen, dann kommen wir an einer zentralen Frage nicht vorbei:
Welche Möglichkeiten haben wir (sonst noch)?
Gerade in Zeiten, wo wir unser Leben eingeschränkt erfahren (das gilt auch in persönlichen Lebensphasen, die von Krankheit oder anderen Einschränkungen wie Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Not, etc.), kann es hilfreich und notwendig sein, nach einem Ausgleich zu suchen: der anderen Seite der Medaille.
Manche mögen es auch mit dem Bild von Ying&Yang vergleichen wollen: zur inneren Harmonie kann man nur finden, wenn man buchstäblich „ausgeglichen“ ist und mein Leben wieder eine Balance gefunden hat. Und diesen inneren und äußeren Ausgleich finden wir nur, wenn wir versuchen, die Möglichkeiten zu finden, die in einer Krise liegen.
[Damit möchte ich keineswegs irgendeine Relativierung vornehmen. Ich bin mir sehr bewusst, dass Krisen oft auch mit persönlichem Leiden und persönlichen oder sozialen Notlagen einher gehen. Mir geht es nicht darum, diese Not und diese Leiden abzutun oder zu verharmlosen. Ich suche nur einen Weg, wie man mit dieser Not, mit diesem Leid, mit dieser Eingrenzung besser leben kann. Wenn ich das alles schon nicht verhindern kann, dann gibt es für mich persönlich nur die eine Hoffnung: damit zu leben ohne daran zu zerbrechen.]
In Krisenzeiten Möglichkeiten und Freiheiten zu entdecken, die trotz allem (noch) vorhanden sind, erscheint mir eine wichtige Strategie zu sein, um gut und wohlbehalten solche Phasen des Lebens zu überwinden.
Hier kommt wieder der Gedanke meines Kollegen ins Spiel, der seine Rolle auch darin sieht „Ermöglicher“ zu sein.
Wer dann darüber nachdenkt, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, wird zwangsläufig auch an den Punkt kommen, wo sie/er über die persönliche Freiheit nachdenken wird. Denn: was mir möglich ist, was ich noch tun kann, beantwortet sich wesentlich auch im Zusammenhang mit der Frage: welche Freiheiten habe ich?
Glaube der befreiend sein muss: Christ*in-Sein
Im Galaterbrief finde ich folgende Verse: „…Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Steht daher fest und lasst euch nicht wieder ein Joch der Knechtschaft auflegen!…“ (Gal 5,1)
Was Paulus hier an die Galater schreibt, ist nicht auf seinem eigenen Mist gewachsen. Er hat diesen Glauben übernommen, weil er die Botschaft Christi ernst genommen hat und er musste erkennen, dass Christsein ohne Freiheit nicht möglich ist.
Die Botschaft Jesu Christi ist wesentlich eine Botschaft der Befreiung und damit eine Botschaft der Freiheit.
Perspektive in der Krise
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Die Fähigkeit, seine Möglichkeiten gerade auch in der Krise zu entdecken, kann ein wesentlicher Schlüssel dafür sein, wie gut wir durch die Krise kommen. Die Erkenntnis, trotz aller Einschränkungen die eigene konkrete Freiheit zu entdecken, eröffnet in der Krise die Chance, auf dem Weg zu bleiben, handlungsfähig zu sein und somit aktiv die Krise gestalten zu können.
Wer also Wege aus der Krise entwickeln möchte, braucht einen tiefen Glauben und die feste Zuversicht, dass wir die Freiheit haben, immer wieder nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, die uns die „Leiden der gegenwärtigen Zeit“ erträglicher machen. Denn: wir sollen zu jeder Zeit „…von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes….“, wie es Paulus in seinem Römerbrief zum Ausdruck bringt. (vgl. Röm 8,21).
Die eigenen Möglichkeiten zu entdecken geht nur, wenn wir verstanden haben und ernst nehmen, dass wir als Menschen zur Freiheit berufen sind. Christ*innen und die Kirchen könnten dazu einen wichtigen Beitrag leisten!
[Selbstkritisch ließe sich zu der Rolle der Christ*innen und Kirchen in dieser Krisenzeit noch einiges sagen. Aber das wäre eines eigenen Artikels wert.]
Doch wenn jede*r Einzelne*r von uns, seine Möglichkeiten entdeckt, auch die Freiheit, sich für etwas einzusetzen, „Ermöglicher*in“ zu sein, dann bin persönlich zuversichtlich, dass wir gemeinsam gut durch diese Krise und durch andere Krisen kommen werden.
Und? Wie denkst du darüber? – Hinterlasse gerne einen Kommentar zu meinen Gedanken!
Jahrhundertsommer 2018. Weite Teile Deutschlands sind von brütender Hitze gefangen. Die Felder dörren total aus, Regen wäre bitter nötig. Die Waldbrandgefahr in Wäldern ist auf höchster Stufe ausgerufen. Das Rauchen am und im Wald sowie Lagerfeuer und Grillen sind strengstens verboten. Doch dann fliegt er, diese eine Funke, der das Feuer entzündet. Lichterloh schlagen die Feuerzungen gen Himmel, eine Rauchsäule ist kilometerweit zu sehen. In Ostdeutschland brennt ein Wald. Fast zeitgleich wüten gigantische Waldbrände in Kalifornien. Menschen verlassen ihr zuhause – manche zu spät und kommen in den Flammen um. Die Luftzirkulation, die durch die Hitze entfacht wird, verstärkt die Winde, die das Feuer über riesige Wald- und Steppenflächen treibt.
Hier wie dort, sind die Menschen in Angst und Schrecken, fürchten um ihr nacktes Überleben. Ihr bis dahin sicher geglaubtes Leben wird nun existentiell bedroht.
Am letzten Montag dann die Unwetterwarnung für unsere Stadt: heftigste Gewitter und Unwetter mit Starkregen, Hagel und Sturm. Ich denke: jetzt muss ich doch wieder um die Pflanzen auf meinen Balkon bangen und hoffe, dass der Sturm nicht wieder alles durcheinander wirbelt. Im letzten Jahr fiel ein großer Baum direkt vor unserem Haus, aber – Gott sei Dank – weder auf das Haus noch auf Passanten.
Jemand sagte mir am Mittwoch: „Bei dem Gewitter in der Nacht von Montag auf Dienstag habe ich es schon etwas mit der Angst bekommen.“
Angst hatten auch die Jüngerinnen und Jünger Jesu, als sie sich nach der Himmelfahrt Jesu in das Obergemach zurückzogen und sich verbarrikadierten. Sie hatten Angst, auch Angst um ihr Leben und dass die Juden ihnen nach dem Leben trachten könnten, jetzt, da ihr Herr nicht mehr unter ihnen war. Und sie beteten. Sie taten es so, wie der Herr ihnen aufgetragen hatten. Aber: sie hatten Angst.
Und dann geschah dieses unglaubliche Ereignis, das die Apostelgeschichte umschreibt mit den Bildern von Feuerzungen und Sturmesbraus.
Gelesen hört sich das so harmlos an. Und auch so manche Bilder von Pfingsten, wo die Christengemeinde einmütig zusammensteht und über ihnen die Feuerzungen zu sehen sind – geradezu idyllisch.
Aber, liebe Schwestern und Brüder, ich ahne mehr und mehr, dass dem nicht so war.
So, wie sich Menschen im letzten Jahr vor dem Feuer und dem Sturm fürchteten und Angst um ihr Leben haben mussten, so kann auch das Wirken des Heiligen Geistes bedrohlich und zerstörerisch empfunden werden.
Ich glaube, wir tun gut daran, das Pfingstereignis damals – und auch heute – nicht als ein harmloses Geschehen zu betrachten.
Auch heute leben wir in einer Zeit und in einer Kirche, wo es zu massiven Auseinandersetzungen kommt. Es bilden sich Lager, die sich offenbar oder vermeintlich gegenüber stehen.
Manche befürchten gar eine Kirchenspaltung. Und so dreschen welche aus dem konservativ-traditionalistischem Lage auf jene ein, die Kritik üben und sich das selbständige Denken nicht verbieten lassen wollen.
Auch hier zeigt sich Angst. Und in diese Angst hinein will der Heilige Geist heute zu uns kommen. Aber zuerst nicht beschwichtigend und beruhigend, sondern auch hier und heute kann es richtig rund gehen in unserer Kirche, wenn der Sturm des Heiligen Geistes Bestehendes durcheinander wirbelt und wenn die Feuersglut des Heiligen Geistes von Menschen Erbautes niederbrennt. Ich persönlich mache mich schon lange darauf gefasst, dass wir mittendrin sind in einer stürmischen Zeit. Und ich hoffe darauf, dass sich in diesem Sturm – der sich durchaus auch auf manche von uns beängstigend auswirkt – der Heilige Geist selber am Werk ist.
Vielleicht zerstört der Heilige Geist sogar unsere ganzen bisherigen Sicherheiten und Zufluchtsorte und drängt uns, das sichere Umfeld zu verlassen und hinaus zu gehen, in die Welt, in die Sorgenwelten der Menschen, in die Angst und Not dieser Zeit.
Vielleicht ist es gerade das stürmische Wirken des Heiligen Geistes, das uns eine neue, eine andere Sprache, finden lässt in dieser Welt und für diese Welt.
Denn das ist für mich das Tröstliche des heutigen Tages: Feuer und Sturm können als Bedrohung erfahren werden, aber sie setzen etwas frei – Energie und Engagement. Sie setzen in uns Fähigkeiten frei, die wir bislang zu wenig oder gar nicht mehr genutzt haben, nämlich zum Beispiel, wieder zu lernen, die Sprache der Menschen um uns herum zu sprechen und nicht in unserem kirchlichen Jargon zu bleiben, den – außer uns – sowieso keiner mehr versteht.
Das Tröstliche für mich ist, dass diese neue Sprache offenbar von den Menschen verstanden wird und sie selbst am meisten darüber erstaunt sind, dass sie uns (wieder) verstehen! Denn: geglaubt haben sie es eigentlich nimmer mehr, dass die Christen in der heutigen Zeit der Welt noch etwas mitzuteilen und zu geben haben.
Tröstlich für mich ist auch, dass aus einer bedrohlichen Kraft die Menschen spüren, dass dahinter etwas sehr Konstruktives und Kreatives steckt, nämlich die Schöpferkraft des Heiligen Geistes.
Ich wünsche uns allen, dass wir uns von dieser Kraft des Heiligen Geistes vertrauensvoll anstecken lassen und darauf vertrauen, dass das Pfingstereignis damals in Jerusalem kein einmaliges Pfingstwunder war. Es kann und – daran glaube ich ganz fest – es wird auch heute in unserer Zeit wieder geschehen. Lassen wir es zu und hindern wir den Heiligen Geist nicht, das göttliche Werk zu vollenden.